Iran erneut bedroht
Von Knut Mellenthin *
Am Sonnabend (2. August) lief nach Interpretation der US-Regierung eine
Frist ab, in der der Iran auf das am 14. Juni übergebene »Angebotspaket«
der Iran-sechs (USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und
Deutschland) antworten sollte. Nach iranischer Auslegung wurde aber beim
letzten Treffen zwischen den Chefunterhändlern beider Seiten, Javier
Solana und Said Jalili, am 19. Juli keine Frist vereinbart. Diese Sicht
wird von den meisten europäischen Regierungen offenbar geteilt.
Tatsächlich hatte Solana damals lediglich davon gesprochen, daß man die
Gespräche in zwei Wochen fortsetzen wolle.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier blieb es vorbehalten, am
Wochenende im Stil eines Klassenstrebers vorzupreschen: Es müsse endlich
»Schluß mit den Tändeleien« sein. Der Iran solle »nicht länger auf Zeit
spielen«, sondern schnellstens »eine verwertbare Antwort« geben.
Anderenfalls werde man weitere Strafmaßnahmen beschließen, drohte
Steinmeier in einem Interview mit dem Spiegel.
Tatsächlich haben Irans Politiker die Antwort, auf die es dem Minister
ausschließlich anzukommen scheint, schon vor langer Zeit und seither
unverändert immer wieder gegeben. Sie ist eindeutig und
unmißverständlich: Die von der genannten Staatengruppe als Vorbedingung
für die Aufnahme von Verhandlungen geforderte Einstellung aller
Arbeiten, die mit der Urananreicherung zusammenhängen, wird es nicht
geben. Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat am Samstag nochmals
bekräftigt, daß Iran »kein Jota« von seinen international garantierten
Rechten preisgeben werde. Was Steinmeier jetzt als nutzlose »Tändeleien«
abtut, ist der von weitsichtigeren westlichen Politikern unterstützte
Versuch, trotz festgefahrener Positionen einen konstruktiven Dialog
anzubahnen. Barsche deutsche Kommandotöne gehören zum Unproduktivsten,
was in dieser komplizierten, diplomatisches Geschick und Geduld
erfordernden Situation denkbar ist.
Neben Steinmeier bemühte sich auch der israelische Transportminister
Schaul Mofaz, die Konfrontation anzuheizen. Bei einem Besuch in
Washington Ende vergangener Woche rief er dazu auf, »alle Optionen gegen
den Iran« (gemeint sind Militärschläge) »nicht nur auf dem Tisch zu
behalten, sondern sie auch vorzubereiten«. Der Minister trug seinen
Gastgebern die israelischen Sorgen angesichts einiger politischer
Signale der US-Regierung vor. Dazu gehören die Teilnahme eines
hochrangigen amerikanischen Diplomaten am letzten Gespräch zwischen
Solana und Jalili -- wenn auch nur als stummer Beobachter -- ebenso wie
Überlegungen, eine Vertretung der USA in Teheran einzurichten. Diese
Signale sind bei den maßgeblichen iranischen Politikern, darunter
Präsident Ahmadinedschad und Ajatollah Ali Khamenei, die höchste
religiöse Autorität Irans, auf deutliche Zustimmung gestoßen.
In einer Rede vor dem »Washington Institute for Near East Policy«, das
der Lobby Israels nahesteht, sagte Mofaz am Freitag, daß Iran »schon im
Jahr 2010« die »Option« erreichen könne, waffenfähiges, also hoch
angereichertes, Uran herzustellen. Zuletzt hatten israelische Stellen
allerdings behauptet, Iran könne bereits im kommenden Jahr Atomwaffen
produzieren.
* Aus: junge Welt, 4. August 2008
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