Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mehr als Säbelrasseln?

Hintergrund. Steht ein Krieg gegen den Iran unmittelbar bevor? Die Gefahr eines israelischen Alleingangs ist vermutlich sehr viel geringer als allgemein angenommen

Von Knut Mellenthin *

Die USA und Israel haben eine seit Monaten geplante gemeinsame Militärübung verschoben. Nun spekuliert die Welt über die Gründe und Hintergründe dieser überraschenden Entscheidung. Denn die seit Sonntag bekanntgewordenen Erklärungen beider Seiten geben darüber keine Auskunft und sind auch hinsichtlich der Ansetzung eines neues Termins unbestimmt.Viele Kommentatoren, die einen Krieg gegen Iran ablehnen, werten die Maßnahme als Zurechtweisung der israelischen Regierung durch Washington. Präsident Barack Obama, so flackern jetzt alte Hoffnungen wieder auf, strebe letztlich doch eine politische Einigung mit dem Iran an und habe ein deutliches Zeichen gegen einen israelischen Alleingang setzen wollen. Gerade im Wahljahr 2012, wo es um eine eventuelle zweite Amtszeit als Präsident geht, wolle Obama keinen neuen Kriegsschauplatz eröffnen, meinen die Optimisten. Mindestens ebenso plausibel ist allerdings die gegenteilige Annahme, daß der wegen seiner »weichen« Außenpolitik unter schwerem Beschuß der Republikaner stehende Amtsinhaber dazu tendieren könnte, gerade während des Wahlkampfs durch Militärschläge gegen Iran Stärke und Konsequenz zu zeigen.

Kein Zweifel besteht, daß die jetzt verschobene Übung »Austere Challenge 2012« (»Harte Herausforderung 2012«), die eigentlich im Mai stattfinden sollte, eine eindeutige Stoßrichtung gegen den Iran hatte. Im Zentrum der Planung stand die Erprobung und Koordinierung verschiedener Systeme beider Staaten zur Abwehr von Raketenangriffen. Allen Ankündigungen zufolge sollte es sich um das größte gemeinsame Manöver handeln, das die USA und Israel jemals veranstaltet haben. Nach glaubwürdigen Vorausmeldungen sollten jeweils 3000 Angehörige beider Streitkräfte daran beteiligt werden.

Nicht seriös erscheinen dagegen Anfang Januar veröffentlichte Berichte, daß bereits mehrere tausend US-Soldaten in Israel eingetroffen seien, daß ihre Gesamtzahl schließlich 9000 erreichen sollte, und daß sie bis zum Jahresende dort »stationiert« bleiben würden. Diese Gerüchte, ohne jede Quellenangabe eifrig im Internet weiterverbreitet, scheinen ursprünglich von israelischen Desinformationsfabriken, insbesondere dem Online-Dienst Debkafile, in die Welt gesetzt worden zu sein. Ebenso unseriös waren Berichte, in denen so getan wurde, als wäre das Manöver erst vor dem Hintergrund der Zuspitzung in den allerletzten Monaten kurzfristig angesetzt worden. Tatsächlich stand schon seit spätestens Sommer 2011 fest, daß die Übung im Frühjahr 2012 stattfinden würde. Außerdem knüpft »Austere Challenge 2012« lediglich an gemeinsame Manöver an, die schon seit 2001 mindestens alle zwei Jahre durchgeführt werden.

Optimistische Kriegsgegner

Ein Pentagon-Sprecher, Hauptmann John Kirby, gab die Verschiebung der Übung am Sonntag (15. Jan.) mit den Worten bekannt: »Allgemein gesprochen glauben Führer beider Seiten, daß sich eine optimale Beteiligung aller Einheiten am besten später im Jahr erreichen läßt.« Darüber hinaus machte er, ohne konkret zu werden, »eine Vielfalt von Faktoren« für die Terminänderung verantwortlich. Indessen seien solche Verschiebungen »alles andere als ungewöhnlich«. »Austere Challenge« solle nunmehr erst in der zweiten Jahreshälfte stattfinden.

Andere Gründe, die gerüchteweise als Ursachen der Verschiebung gehandelt wurden, waren aktueller Geldmangel beider Regierungen oder die Vermutung, daß Obama aus Rücksicht auf den Iran die Konfrontation zumindest derzeit nicht noch weiter anheizen wolle. Das würde allerdings die Hoffnung voraussetzen, daß die Lage in der Region in der zweiten Jahreshälfte besser und nicht etwa noch angespannter ist als jetzt. Für eine Militärübung, die unmittelbar in Angriffshandlungen übergeht, wäre das jetzt anvisierte Zeitfenster sogar erheblich vorteilhafter als die ursprünglich geplante Durchführung im Mai. Denn falls die US-Regierung wirklich in diesem Jahr aus innenpolitischen Gründen einen Krieg gegen Iran führen will, müßte sie den Beginn sehr nahe an den Wahltag, das ist der 6. November, legen. Anderenfalls riskiert Obama, daß ihm mögliche Mißerfolge eines mehrmonatigen Krieges angelastet werden.

Die politischen Hintergründe der Verschiebung von »Austere Challenge« kommentierte der bekannte Kriegsgegner, Autor und Blogger Jim Lobe am Sonntag, unmittelbar nach Bekanntwerden der Nachricht: »Ich glaube, wir erleben ein ernsthaftes Abrücken der Obama-Regierung von Israels Provokationen und möglicherweise ein ernsthaftes Interesse an einer Verständigung, auch wenn Letzteres eine allzu hoffnungsvolle Schlußfolgerung sein mag, um erreichbar zu sein.« Der Generalstabschef der US-Streitkräfte, Martin Dempsey, habe sich, so vermutet zumindest Lobe, in den vergangenen zwei Wochen mehrmals gegenüber Obama besorgt über die Möglichkeit eines militärischen Alleingangs geäußert und sei aus diesen Gesprächen »enttäuscht über die sehr passive Reaktion des Präsidenten« herausgekommen. Dempsey wird Ende dieser Woche zu einem schon länger vereinbarten Besuch in Israel eintreffen. Für seine Spekulation nennt Lobe weder Quellen noch Anhaltspunkte. Aus den in letzter Zeit veröffentlichten Äußerungen des Generals sind solche Vermutungen jedenfalls nicht herzuleiten.

Lobe schloß seinen Kommentar mit den Sätzen: »Es scheint so, daß diejenigen, die für den Mord in der vorigen Woche verantwortlich sind – gemeint ist der Bombenanschlag auf einen iranischen Wissenschaftler am 11. Januar – sehr hart daran arbeiten, die Chancen zu verringern, daß die Sechsergruppe und Iran eine ausgehandelte Lösung für das iranische Atomprogramm erreichen können. Vielleicht ist die (US-)Regierung jetzt zur Überzeugung gelangt, daß das Scheitern des Versuchs, eine solche Lösung zu erreichen, sehr wahrscheinlich zum Krieg führen wird. Die Absage einer stark erwarteten Militärübung zur Raketenverteidigung, besonders während der derzeitigen Wahlkampagne, scheint auf einen erheblichen Grad von Ernst seitens der Administration hinzudeuten. Ich kann mir vorstellen, daß General Dempsey (bei seinem Besuch in Israel) eine sehr deutliche Botschaft zu überbringen hat.«

Zum selben Thema schrieb der US-amerikanische Orientalist Juan Cole, ebenfalls seit Jahren ein scharfer Kritiker der Kriegsdrohungen gegen den Iran, am 16. Januar in seinem Blog: »Hier sind zwei Anzeichen, daß die Obama-Administration den Versuch unternimmt, die Spannungen mit Iran zu entschärfen, indem sie starke symbolische Signale aussendet, daß Washington keine Militarisierung der Krise mit dem Iran will. General Martin Dempsey (…) wird in dieser Woche Gespräche mit seinen israelischen Amtskollegen führen. Er scheint sie vor einem einseitigen Losschlagen gegen den Iran warnen zu wollen. (…) Ich bin der Ansicht, daß die Obama-Regierung den Iran in einem Wahljahr nicht angreifen wird, ebenso wenig wie Präsident Obama grünes Licht für einen israelischen Militärschlag geben wird. Deshalb General Dempseys Besuch.«

Das zweite von Cole angesprochene »Anzeichen« für seine These ist die Verschiebung – er nennt es hartrnäckig »Absage« – der geplanten gemeinsamen Militärübung. Dazu schreibt er: »Mit Austere Challenge 2012 wurde der Zweck verfolgt, den Israelis die Gewißheit zu geben, daß ihre Zukunft zweifelsfrei gesichert ist und daß sie nicht unmittelbar zu verzweifelten Maßnahmen gegen den Iran greifen müssen. Ich vermute, daß die Obama-Regierung jetzt entschieden hat, daß eine Zusicherung des US-amerikanischen Raketenschilds für die Israelis durch diese gemeinsame Militärübung in der Region als implizite Drohung mit einem gemeinsamen US-amerikanisch-israelischen Angriff beispielsweise auf die Atomanlagen in Natanz mißverstanden werden könnte.«

Obamas Opportunismus

Solchen optimistischen Prognosen oder Hoffnungen ist entgegenzuhalten, daß Obama seit Beginn seiner Amtszeit im Januar 2009 zu keinem Zeitpunkt einen ernsthaften Versuch unternommen hat, mit dem Iran ins Gespräch zu kommen und die Konfrontation abzubauen. Er hat das nicht einmal in den ersten zwei Jahren getan, als er in beiden Häusern des Kongresses über eine solide Mehrheit verfügte. Zwischen Herbst 2009 und Juni 2010 hat dieser Präsident eine Riesenchance ignoriert und zerstört, über den sogenannten »fuel swap« einen Weg vertrauensbildender Maßnahmen zwischen den USA und dem Iran einzuschlagen.

Gegenüber Israel hat Obama sich als der schwächste, unsicherste und feigste Präsident erwiesen, den die USA jemals hatten. In keiner außenpolitischen Frage, in der israelische Interessen und Forderungen im Spiel sind, hat dieser Präsident klare Standpunkte vorgelegt und an diesen auch gegen Widerstand aus dem Kongreß und seiner eigenen Partei festgehalten. Er ist jemand, wie israelische Zeitungen schreiben, »den man herumschubsen kann«. Daß er dort trotzdem als israelfeindlich wahrgenommen wird, ist eine spezielle Ironie. Möglicherweise ist es ein nicht ganz ungerechtfertigter Reflex auf die Tatsache, daß es Obamas Handlungen, so weit es jedenfalls die Konflikte des Nahen und Mittleren Ostens angeht, offensichtlich an Wahrhaftigkeit fehlt und daß sie von schierem Opportunismus motiviert sind.

Obama wird nach aller Wahrscheinlichkeit nicht ausgerechnet in einem Wahljahr versöhnliche Signale an Teheran riskieren und sich auf einen sachlichen Dialog mit diesem Gegner einlassen. Wer auch immer aus den Reihen der Republikaner als Präsidentschaftskandidat antreten wird, wird zum Iran mit Schlagworten auftrumpfen, die aggressiver, hysterischer, undifferenzierter und übrigens auch schlichtweg dümmer sein werden als die Positionen israelischer Politiker und Militärs. Selbst wenn Obama sich völlig wider Erwarten dieser Debatte stellen würde, hätte er mindestens 90 Prozent des Kongresses und sämtliche Mainstreammedien gegen sich. Das Wahljahr ist also der allerschlechteste Zeitrahmen, um Verhandlungen mit dem Iran zu beginnen. Wohlverstanden: Es ginge wirklich um deren Beginn. Denn was bisher unter diesem Titel lief, war nur die Konfrontation Irans mit a priori unverhandelbaren und strafbewehrten Forderungen.

Konfliktlinien USA–Israel

Einen interessanten Kommentar zur Verschiebung der Übung »Austere Challenge« brachte das israelische Online-Portal Debkafile am 15. Januar. Im Allgemeinen dienen dessen »Exklusivanalysen« dazu, Sichtweisen und Desinformationen zu verbreiten, die israelische Dienststellen in Umlauf bringen wollen. Da Debkafile sich wichtigtuerisch auf geheime Insiderkontakte beruft und manche erfundenen Geschichten veröffentlicht, die man an sich dem Mossad ohne weiteres zugetraut hätte, erfreut sich das Portal auch bei kriegsgegnerischen Bloggern einer gewissen Beliebtheit.

Debkafile interpretiert die Verschiebung des Manövers – auch dort wird von »Absage« gesprochen – als Ausdruck eines »offenen Streits zwischen den USA und Israel«. Es handle sich dabei um »eine der schärfsten Meinungsverschiedenheiten in der Geschichte der Beziehungen« zwischen den beiden Staaten. Der Grund dafür liege im Widerstand der Obama-Regierung gegen jedwede Form eines israelischen Militärangriffs auf die iranischen Atomanlagen. Der »Bruch« sei bereits an der »Verurteilung« des jüngsten Mordanschlags auf einen iranischen Wissenschaftler durch Washington deutlich geworden.

Gleichzeitig weist Debkafile darauf hin, daß sich ein militärischer Aufmarsch der USA in der Region vollzieht. Genannt wird die Stationierung von 15000 US-Soldaten in Kuwait und die Bereithaltung von zwei Flugzeugträgern, zu denen in Kürze noch ein dritter stoßen werde. Das bedeute, daß sich die USA entweder auf die Abwehr iranischer Vergeltungsschläge nach einem israelischen Alleingang vorbereiten oder daß sie Israel durch einen eigenen Angriff auf den Iran zuvorkommen wollen. Jedenfalls sei der Hauptzweck von General Dempseys bevorstehendem Besuch, Israels Regierung und seine militärischen Führer von Angriffsplänen ohne vorherige Zustimmung ­Washingtons abzubringen.

Im Weiteren nennt Debkafile drei Gebiete, in denen angeblich zwischen beiden Regierungen grundlegende Meinungsverschiedenheiten bestehen. Erstens: Obama setze auf Sanktionen gegen Irans Zentralbank und den iranischen Erdölexport. Er brauche jedoch Zeit, um noch mehr Staaten davon zu »überzeugen«, sich diesen Strafmaßnahmen zu unterwerfen. Beim derzeitigen Tempo werde es noch bis Jahresende dauern, bevor die neuen Sanktionen wirklich in Kraft sind. Zu diesem Zeitpunkt werde Teheran jedoch schon eine Atomwaffe besitzen. Für diese Annahme gibt es zwar keine plausiblen Hinweise, aber in Israel erfreut sie sich wachsender Beliebtheit. Die israelische Führung befürchte außerdem, daß die US-Regierung absichtlich auf Zeitverzögerung ausgehen werde, in der Hoffnung, doch noch ohne kriegerische Konfrontation wesentliche iranische Zugeständnisse zu erreichen. Dagegen gehe man in Israel davon aus, daß alle vorausgegangenen Gespräche vom Iran nur ausgenützt worden seien, um seine Atomwaffenentwicklung voranzutreiben.

Zweitens: Obama bestehe darauf, daß sich Israel aus einem militärischen Konflikt zwischen den USA und dem Iran völlig heraushalten müsse. Dadurch wolle er sich freie Hand sichern, um selbst zu bestimmen, wann und unter welchen Umständen eine Operation durchzuführen sei. Israel sei jedoch nicht bereit, gegenüber Washington eine solche Verpflichtung einzugehen.

Drittens: US-amerikanische Militärstrategen rechnen – laut Debkafile – damit, daß Iran auf Schläge gegen seine Atomanlagen zunächst nur mit eingeschränkten Vergeltungsmaßnahmen antworten werde, um zunächst eine Eskalation nach Möglichkeit zu verhindern. In diesem Zusammenhang verlange Washington von Israel, auf iranische Gegenangriffe nicht selbst zu reagieren, sondern die möglichen militärischen Optionen vollständig den USA zu überlassen. Die US-Regierung fürchte, daß Israel in diesem Fall durch »Überreaktionen« – »overkill« – »unvorhergesehene Folgen« provozieren könnte.

Diese Auflistung scheint, vermutlich in bewußt zugespitzter Form, wirkliche Differenzen zwischen den beiden Regierungen widerzuspiegeln. Allerdings entspricht die Darstellung auch einem in jahrelanger Kooperation einstudierten Spiel mit verteilten Rollen zwischen dem »bad cop« Israel und dem »good cop« USA. In Israel gibt es dafür den scherzhaften Ausdruck »Halt mich zurück!«. Der kleinere Staat übernimmt dabei regelmäßig die Rolle des cholerischen Schlägers, der von seinem besonneneren großen Partner nur unter großen Kraftanstrengungen – und manchmal gar nicht – davon abgehalten werden kann, sich auf eigene Faust sein Recht zu holen.

Kein Zwang zu handeln

Seit November vergangenen Jahres ist noch mehr als zu früheren Zeitpunkten von einem ganz nahe bevorstehenden militärischen Alleingang Israels gegen Iran die Rede. Allerdings läßt sich zurückverfolgen, daß diese Drohungen schon 1993 begannen. Damals war Iran selbst von der niedrigsten Stufe der Urananreicherung noch mehr als ein Jahrzehnt entfernt. Seit 2003 gehören »Prognosen« über nahe bevorstehende Militärschläge gegen die iranischen Atomanlagen, oft mit genauen Terminen versehen und mit vielen bunten Details ausgeschmückt, zum Medienalltag. Der wichtigste Effekt dieser Dauerbeschallung ist Abstumpfung bei allen Beteiligten. Allerdings weisen Veränderungen in den iranischen Reaktionen darauf hin, daß man seit einigen Monaten die Gefahr eines Krieges für realistisch hält und ernst nimmt. Bislang hatte man dort die Kriegsdrohungen nur als Propaganda abgetan und sich sehr sicher gegeben, daß niemand es wagen werde, den Iran anzugreifen. Auch die Warnungen der russischen Regierung vor den Folgen einer solchen militärischen Konfrontation haben in letzter Zeit einen dramatischen Ton angenommen.

Aber ist ein israelischer Alleingang in diesem Jahr wirklich wahrscheinlich? Um diese Frage zu beantworten, muß man sich klar machen, daß die politischen und militärischen Führer des Landes ihren eigenen Propagandalügen sicher kein uneingeschränktes Vertrauen schenken. Sie werden zum Beispiel schwerlich glauben, daß Iran nur noch weniger als ein Jahr vom Besitz eigener Atomwaffen entfernt sei, wie Verteidigungsminister Ehud Barak vor einigen Wochen behauptete. Für Israel gibt es in Wirklichkeit überhaupt keine zwingenden Gründe, in naher Zukunft militärisch allein loszuschlagen und dabei alle sich daraus ergebenden Risiken auf sich zu nehmen.

Wenn Iran angeblich schon seit einigen Jahren alle technischen Voraussetzungen zur Produktion von Nuklearwaffen hat, aber dennoch keine herstellt, liegt die Schlußfolgerung auf der Hand: Die iranischen Führer wollen, aus vielfältigen politischen, ethischen und militärischen Gründen, tatsächlich keine Atomwaffen. Zumindest nicht unter den heute gegebenen Voraussetzungen. Diese könnten sich freilich durch einen Angriff entscheidend verändern. Die Frage ist jedoch, ob das wirklich im bewußten Interesse Israels oder auch nur seiner derzeitigen Regierung wäre. Ganz sicher jedenfalls begründet diese Ausgangslage keinen militärischen Handlungszwang Israels in naher Zukunft.

Gegen einen israelischen Alleingang im laufenden Jahr spricht auch, daß die israelische Führung sich begründete Hoffnungen machen kann, daß im Januar 2013 ein republikanischer Präsident ins Weiße Haus einziehen könnte, der mit Sicherheit aggressiver und kriegswilliger als Obama wäre. Zumindest den Wahlausgang wird man unter diesem Aspekt wahrscheinlich abwarten.

Ohnehin steht die Frage, ob dem zionistischen Staat nicht am besten mit der Verewigung der derzeitigen Konstellation gedient ist, in der Teheran aufgrund US-amerikanischer Zwangsmaßnahmen zunehmend isoliert und abgeriegelt wird, ohne daß es zu militärischen Kampfhandlungen kommt. So gesehen ist Obama, der in der Schlußphase des Wahlkampfs zur Profilierung durch ein militärisches Abenteuer neigen könnte, ein größeres Sicherheitsrisiko als Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu.

* Aus: junge Welt, 19. Januar 2011


Zurück zur Iran-Seite

Zur Israel-Seite

Zur USA-Seite

Zurück zur Homepage