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Träume von einer besseren Welt

Der Kommunist Hazhir Pelaschi wurde in Iran verfolgt und setzt nun in Berlin seinen Kampf fort

Von Oliver Matz *

Hazhir Pelaschi hat 1999 an den Studentenunruhen in Teheran teilgenommen. Später saß der bekennende Kommunist zwei Jahre in einem Gefängnis für politische Häftlinge, wo er gefoltert wurde. Heute lebt er in Berlin und hält an seinem Traum von einer besseren Welt fest.

Eine Demonstration bahnt sich ihren Weg durch die Berliner Innenstadt. Auch eine Gruppe Iraner gehört ihr an. Unter ihnen ist der 28-jährige politische Flüchtling Hazhir Pelaschi. Laute Sprechchöre ertönen: »Hoch die internationale Solidarität.« Die linke Ausrichtung gefällt nicht allen, es kommt zu Diskussionen unter den Teilnehmern über die Politik, auch die in Iran. Pelaschi verteidigt den Internationalismus. Später ist in einem Internet-Blog zu lesen: »Merkt euch den gut, sein Name ist Hazhir Pelaschi.« Diese Aufforderung ist nicht freundlich gemeint.

Nach der Demonstration sitzt der dunkelhaarige und kräftig gebaute Pelaschi auf dem Fensterbrett seiner Ein-Zimmer-Wohnung in einem Mietshaus in Neukölln, raucht eine Zigarette und starrt nachdenklich aus dem Fenster. »Wenn die Welt so bliebe, wie sie ist, und sich nicht mehr verändern ließe, dann wollte ich nicht mehr leben«, sagt er. Hazhir Pelaschi ist ein Revolutionär, einer der wenigen, die es in unserer von Desillusionierung geprägten Zeit noch gibt.

Manchen Menschen wird ihre Bestimmung in die Wiege gelegt. Pelaschi gehört zu ihnen. Als Sohn eines politisch bewusst lebenden und in Opposition zum Chomeini-Regime stehenden Elternhauses wird er früh mit politischen Ansichten konfrontiert, mit denen es sich in der Islamischen Republik Iran gefährlich lebt. Seine Entwicklung zum Oppositionellen scheint vorgezeichnet zu sein.

Die aus politischen Motiven erfolgte Hinrichtung eines geliebten Onkels und die erlebte Unterdrückung Andersdenkender in Iran empören ihn. Auf der Suche nach politischer Orientierung beginnt er, sich mit der Literatur von Marx und Lenin auseinanderzusetzen. Mit 16 schreibt er seinen ersten Aufsatz über eine vom Schah-Regime verfolgte revolutionäre Gruppe. Das Schreiben liegt ihm. Zusammen mit gleichdenkenden Jugendlichen gibt er eine Zeitung mit dem Titel »Stimme der Arbeiter« heraus. Sie appelliert an die Kommunisten der Umgebung, sich im Untergrund zu formieren.

Die illegale politische Arbeit wird aufgedeckt, mit 16 Jahren wird Pelaschi zum ersten Mal verhaftet. Die Vernehmenden behandeln ihn mit Nachsicht, da sie vermuten, bei der Zeitung habe es sich nur um einen dummen Jungenstreich ohne ernsthaftes politisches Motiv gehandelt. Nach zwei Wochen Haft wird er gegen Zahlung einer Kaution entlassen.

Seine Entschlossenheit zum politischen Widerstand ist trotz der Haft ungebrochen. Er zieht nach Teheran. 1999 kommt es dort zu Aufständen der Studierenden. Pelaschi schließt sich an und wird als einer der 13 Führer der Studenten identifiziert. Im Sommer 1999 wird er erneut verhaftet und ins berüchtigte Tohid-Gefängnis (heutiges Ebrat-Museum) eingeliefert. Diesmal hat der junge Mann weniger Glück. Er durchlebt schwere Folterungen, die bleibende Schäden an den Füßen hinterlassen.

Ein Gericht verurteilt ihn zu drei Jahren Gefängnis. Nach einigen Monaten wird er ins Jugendgefängnis überstellt. Die meisten Insassen dort sind gewöhnliche Kriminelle. Pelaschi versteht es zuzuhören und so das Vertrauen der Mitgefangenen zu gewinnen. Schließlich wählen sie ihn zu ihrem Sprecher. Es gelingt ihm, die Anliegen der Häftlinge zu artikulieren und gegenüber der Gefängnisleitung vorzutragen.

Nach anderthalb Jahren wird er entlassen. Er versucht, eine Anstellung als Journalist zu bekommen, aufgrund seiner politischen Vergangenheit ohne Erfolg. Mehr als zwei Jahre ist er ohne Arbeit.

Der junge Mann erfährt Diskriminierungen. Auf der Straße wird er als Kommunist angefeindet und ausgegrenzt. Es gibt sogar Schmierereien, die seine Hinrichtung fordern. Er lässt sich nicht einschüchtern, setzt seine politische Arbeit fort und sucht Kontakt zu linken politischen Kreisen in Teheran. Es wird eine Zusammenarbeit mit ausländischen Websites vereinbart, um über die politische Verfolgung in Iran berichten zu können.

Im Sommer 2008 organisiert er das Gedenken an die 20 Jahre zurückliegenden Massenhinrichtungen; 1988 waren zwischen 1400 und 10 000 politische Gegner von dem Regime umgebracht worden. Unsichtbare Hände behindern jedoch seine Arbeit. Pelaschi fühlt sich beobachtet.

Die Furcht, erneut verhaftet und gefoltert zu werden und unter der Folter womöglich seine Mitstreiter zu verraten, veranlassen ihn im Sommer 2008, in die Türkei zu fliehen.

Im September 2008 reist Pelaschi mit gefälschten Papieren nach Deutschland ein. Nach zahlreichen Petitionen von Privatpersonen und Organisationen wird sein Asylantrag im Dezember 2008 anerkannt. Gegenwärtig ist er neben politischen Aktivitäten mit Integrations- und Sprachkursen beschäftigt, die ihm das Jobcenter zuweist.

Auf die Frage nach seiner Zukunft antwortet Pelaschi, dass es sein Ziel sei, sobald wie möglich zurückzukehren nach Iran, um seine politische Arbeit fortsetzen zu können. »Die Politik ist ein untrennbarer Teil meines Lebens geworden. Wenn ich als Deutscher geboren wäre, würde ich mich hier politisch betätigen und versuchen, Dinge zu verändern.«

Menschen wie Hazhir Pelaschi sind Idealisten und Rebellen. Ihr Lebensinhalt besteht darin, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen, wo immer sie darauf stoßen. Davon lassen sie sich auch durch Anfeindungen nicht abhalten.

* Aus: Neues Deutschland, 31. Januar 2011


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