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Angriff auf Iran: Wie grün ist Washingtons Licht für Israel? Keine widersprüchlichen Signale von US-Präsident Obama und Vize Biden

Von Knut Mellenthin *

Die Verwirrung um die Haltung der US-Regierung zu einem möglichen Angriff Israels auf den Iran hält an. Vizepräsident Joseph Biden hatte am Sonntag in einem Interview bekundet, es sei das Recht Israels und überhaupt jedes souveränen Staates, andere Staaten zu überfallen, wenn sie sich von diesen bedroht fühlen. Die USA würden Israel diesbezüglich keine Vorschriften machen. Mit dieser Antwort war Biden der Frage des Interviewers ausgewichen, ob ein israelischer Angriff die »richtige Vorgehensweise« wäre (siehe unten). Im April hatte der Vize von Präsident Barack Obama auf eine ähnliche Frage noch eindeutig geantwortet: »Ich glaube nicht, daß Premierminister Netanjahu das tun würde. Ich denke, er wäre nicht gut beraten, wenn er das machen würde.«

»Kein Diktat«

Am Dienstag (7. Juli) schaltete sich der US-Präsident persönlich ein, um den fatalen Eindruck zu korrigieren, Biden habe Israel im Namen der US-Regierung freie Hand für Militärschläge gegen Iran gegeben. Da Obama aber gleichzeitig jeden Anschein einer kritischen Abgrenzung von den Ausführungen seines Vizes vermeiden wollte, verfehlte er das eigentliche Thema. Der US-Sender CNN hatte Obama die Frage gestellt: »Geben Sie Israel grünes Licht?« -- Obamas Antwort: »Absolut nicht. Und ich halte es für sehr wichtig, daß ich mich so klar wie möglich ausdrücke und daß unsere Regierung bei diesem Thema so konsequent wie möglich ist.« Obama weiter: »Ich glaube, Vizepräsident Biden hat eine grundsätzliche Tatsache festgestellt, daß wir nämlich nicht anderen Ländern diktieren können, was ihre Sicherheitsinteressen sind. Wahr ist ebenso, daß es die Politik der USA ist, den Versuch zu unternehmen, die Angelegenheit der iranischen Nuklearkapazitäten auf friedliche Weise durch diplomatische Kanäle zu lösen. Das ist unsere Politik, darüber habe ich während der letzten zwei Jahre gesprochen, wir wollen das fortsetzen. Wir haben den Israelis direkt gesagt, daß es wichtig ist, diesen Versuch zu unternehmen und die Sache in einem internationalen Rahmen auf eine Weise zu lösen, die keinen großen Konflikt im Nahen Osten schafft.«

Und: »Das ist allerdings ein harter Job und niemand macht sich irgendwelche Illusionen, daß es leicht gehen wird. Ich habe immer wieder gesagt, daß wir, die Vereinigten Staaten, uns das Recht vorbehalten, und daß ich als Oberkommandierender der Streitkräfte mir das Recht vorbehalte, alle Aktionen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Vereinigten Staaten zu schützen. Aber wir streben eine friedliche Lösung dieses Konflikts an und ich denke, das ist immer noch möglich. Doch letzten Endes sind es die Iraner, die an einem bestimmten Punkt die Gelegenheit ergreifen müssen, die wir ihnen anbieten.«

Obamas Worte wurden weithin als Zurechtweisung Bidens interpretiert. Bei Spiegel online beispielsweise verlor man völlig die Bodenhaftung und phantasierte: »US-Präsident verweigert Israel Erlaubnis für Angriff auf Iran. Verwirrende Signale aus der US-Regierung: Barack Obama hat seinen Stellvertreter Joe Biden öffentlich zurückgepfiffen. Washington werde einen israelischen Angriff auf Irans Atomanlagen nicht dulden, stellte der US-Präsident klar. Sein Vize hatte zuvor eine andere Linie vertreten.«

In Wirklichkeit hat Obama die Stellungnahme seines Vizes bekräftigt, daß Israel für einen Angriff auf Iran kein grünes Licht der US-Regierung braucht, sondern in seinen Entscheidungen völlig frei ist. Frei nach der berühmten Sentenz des Films »Love Story« kann man sagen: »Special Relationship bedeutet, daß Israel niemals um Erlaubnis bitten muß.«

Daß jeder Staat das Recht habe, andere Staaten anzugreifen, wie Biden im ABC-Interview formulierte, ist eine unter völkerrechtlichen und allgemeinpolitischen Gesichtspunkten völlig falsche, verheerende Ansicht. Und es stimmt auch keineswegs, daß die USA in dieser Hinsicht niemandem Vorschriften zu machen versuchen.

»Diplomatische Schiene«

Anders als sein Vize hat Obama immerhin indirekt zu verstehen gegeben, daß er zum jetzigen Zeitpunkt, so lange das »Verhandlungsangebot« an Teheran noch nicht ausgereizt ist, einen israelischen Angriff auf Iran für kontraproduktiv halten würde. Aber in der Realität ist das kein Streitthema, da Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu schon im Mai bei seinem Besuch in Washington zugesichert hat, daß sein Land die derzeitige Priorität der »diplomatischen Schiene« respektieren wird. Von Obama erhielt er dafür die Zusage, daß am Ende des Jahres über Erfolg oder Scheitern dieses Versuchs entschieden werden soll. Da Obamas Forderungen an Iran mindestens ebenso hart sind wie die seines Vorgängers George W. Bush - zusätzlich zum Verzicht auf Urananreicherung für zivile Zwecke auch noch die Einstellung der Unterstützung für Hisbollah und Hamas - ist nicht zu erwarten, daß es einen Verhandlungserfolg geben wird.

Was danach kommt, ist die entscheidende Frage. Obama hat bekräftigt, daß die USA dann das von ihnen beanspruchte Recht auf die »militärische Option« wahrnehmen könnten. Und er hat in Wirklichkeit nicht seinem Vize widersprochen, der Israel das gleiche Recht zuerkannt hat.

* Aus: junge Welt, 9. Juli 2009

Israels Recht auf Krieg - was US-Vizepräsident Joseph Biden wirklich sagte

George Stephanopoulos vom US-amerikanischen Rundfunk- und Fernsehsender ABC hat am 5. Juli mit US-Vizepräsident Joseph Biden während seines Aufenthalts in der irakischen Hauptstadt Bagdad ein langes Interview geführt. Eines der erörterten Themen war der Streit um das iranische Atomprogramm. Bidens Äußerungen wurden weltweit als Signal interpretiert, daß die Regierung von US-Präsident Barack Obama keine Einwände hätte, falls Israel den Iran militärisch angreifen würde. jW dokumentiert die gesamte Passage:

Biden: Wenn die Iraner verhandeln wollen, werden wir verhandeln.

Stephanopoulos: Und unterdessen tickt die Uhr...

Biden: Wenn die Iraner auf unser Verhandlungsangebot antworten, werden wir verhandeln.

Stephanopoulos: Aber das Angebot liegt auf dem Tisch?

Biden: Das Angebot liegt auf dem Tisch.

Stephanopoulos: Und inzwischen hat Premierminister Netanjahu ziemlich deutlich gemacht, daß er mit Präsident Obama vereinbart hat, diesem ganzen Prozeß des Verhandlungsangebots Zeit bis Jahresende einzuräumen. Danach ist er darauf vorbereitet, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Ist das die richtige Vorgehensweise?

Biden: Sehen Sie, Israel kann selbst bestimmen - es ist eine souveräne Nation - was in seinem Interesse liegt und was es beschließt, gegenüber Iran oder irgendwem sonst zu tun.

Stephanopoulos: Ob wir zustimmen oder nicht?

Biden: Ja, ob wir zustimmen oder nicht. Sie haben das Recht, das zu tun. Jede souveräne Nation hat das Recht, das zu tun. Aber es gibt keinen Druck irgendeiner Nation, der unsere Vorgehensweise beeinflussen könnte. Wir glauben, daß diese im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten liegt, und wir meinen, daß sie zugleich auch im Interesse Israels und der gesamten Welt liegt. Das sind also unterschiedliche Themen.

Wenn die Netanjahu-Regierung beschließt, eine Handlungslinie einzuschlagen, die anders ist als die jetzt verfolgte, dann ist es ihr souveränes Recht, das zu tun. Darüber haben wir nicht zu entscheiden.

Stephanopoulos: Nur damit wir uns hier ganz klar verstehen: Wenn die Israelis entscheiden, daß Iran eine existentielle Bedrohung darstellt und daß sie das iranische Atomprogramm ausschalten müssen, dann werden ihnen die Vereinigten Staaten militärisch nicht im Wege stehen?

Biden: Sehen Sie, wir können einer anderen souveränen Nation nicht vorschreiben, was sie tun darf und was sie nicht tun darf, wenn sie eine Entscheidung trifft, wenn sie entscheidet, daß sie existentiell bedroht ist und daß ihr Überleben von einem anderen Land bedroht ist.

Stephanopoulos: Sie sagen, wir können ihnen keine Vorschriften machen. Aber wir können, wenn wir wollen, ihnen hier im Irak die Überflugrechte verweigern. Wir können einem Militärschlag im Wege stehen.

Biden: Ich werde über diese Themen keine Spekulationen anstellen. Ich sage nur, daß Israel das Recht hat, zu entscheiden, was in seinem Interesse liegt, und wir haben das Recht und werden entscheiden, was in unserem Interesse liegt.

(Übersetzung: Knut Mellenthin)

* Aus: junge Welt, 9. Juli 2009

Originalauszug aus dem Interview h i e r !.




IPPNW-Presseinfo vom 8.7.2009

Israel bedroht Iran mit deutschen U-Booten

Deutsche Regierung muss Waffenlieferungen nach Nahost stoppen

In Anbetracht der jüngsten militärischen Drohungen Israels gegenüber dem Iran fordert die IPPNW von der deutschen Regierung, alle Waffenlieferungen nach Nahost zu stoppen. "Wir appellieren an die Mitglieder des Bundessicherheitsrates und der Bundesregierung, auf den weiteren Export der von Israel gewünschten U-Boote der "Dolphin"-Klasse zu verzichten", erklärt die IPPNW-Vorsitzende Dr. Angelika Claußen.

Angesichts der hohen Priorität, die der Verhinderung nuklearer Proliferation gerade auch im Nahen und Mittleren Osten zukomme, sei ein "Nein" zu deutschen U-Boot-Lieferungen ein deutliches Signal. Damit zeige Deutschland, dass es seinen Verpflichtungen zur Stärkung der Nichtverbreitung nachkomme und die Weiterverbreitung atomarer Waffen und ihrer Trägersysteme unterbinde.

Israel verfügt bereits über drei in Deutschland produzierte Dolphin-Boote, im Bau sind zwei weitere. Die Boote verfügen ab Werk über Torpedorohre zweier unterschiedliche Kaliber, was nur in Hinblick auf eine nukleare Bewaffnung einen Sinn ergibt. Sie sind Teil des geheimen Atomwaffenprogramms Israels und können bis weit in den Indischen Ozean hinein operieren, also unerkannt Raketen bzw. Marschflugkörper aus unmittelbarer Nähe zum Iran abfeuern.

Am 7. Januar 2007 hatte die Sunday Times bereits einen Artikel über israelische Geheimpläne für einen nuklearen Angriff auf den Iran veröffentlicht. "Militärischen Quellen" zufolge bestünden Pläne, mit Atomwaffen drei Atomanlagen zu zerstören. Zum Einsatz sollen dabei Atomwaffen mit geringer Sprengkraft kommen. Israel hatte den Zeitungsbericht umgehend dementiert; der Iran drohte für den Fall eines solchen Angriffes mit massiver Vergeltung.

"Wie jüngste Studien beweisen, muss auch bei einem begrenzten Einsatz von Atomwaffen mit einer hohen Zahl ziviler Opfer gerechnet werden", kritisiert Claußen. Eine IPPNW-Studie aus dem Jahr 2003 zeigt, dass selbst im Falle des Einsatzes von bunkerbrechenden Atomwaffen ein Gebiet von mehreren Quadratkilometern radioaktiv verseucht wird.

Quelle: www.ippnw.de


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