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Kein Interesse an Verhandlungen

USA und EU setzen Verurteilung Irans durch die internationale Atomenergiebehörde durch

Von Knut Mellenthin *

Den USA und ihren europäischen Verbündeten ist es erneut gelungen, Rußland und China in ihre Front gegen den Iran einzubeziehen. Beide Staaten trugen eine Resolution mit, die am Donnerstag auf einer Vorstandssitzung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. Von den 35 Staaten, die nach einem Rotationssystem in deren Board of Governors vertreten sind, votierten 31 für die Verurteilung Irans wegen seines Atomprogramms. Die einzige Gegenstimme kam von Kuba, während sich Ecuador, Ägypten und Tunesien lediglich enthielten.

Das bedeutet, daß rund ein Dutzend Mitglieder der Bewegung Blockfreier Staaten (NAM) der Resolution zustimmten, die den Iran zum bedingungslosen und sofortigen Verzicht auf zentrale Teile seines Atomenergieprogramms auffordert. Darunter, was für Teheran besonders ärgerlich ist, Brasilien, das früher die iranische Position unterstützt hatte, aber auch andere wichtige Staaten wie Indien, Indonesien, Südafrika und Tansania, sowie – nicht unerwartet – Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Widerspruch zu diesem Abstimmungsverhalten gaben die zur NAM gehörenden Mitglieder des Board of Governors während der Sitzung eine Stellungnahme ab, in der sie ihre Unterstützung für Irans Recht auf ein ziviles Atomprogramm bekräftigten.

Mit der jetzt beschlossenen Resolution wird von Iran verlangt, allen Forderungen des UN-Sicherheitsrats »unverzüglich« nachzukommen. Diese beinhalten den vollständigen Verzicht des Landes auf die Anreicherung von Uran, die Unterwerfung unter diskriminierende Kontrollverfahren, die kein obligatorischer Teil des Atomwaffensperrvertrags sind, und – völlig außerhalb internationalen Rechts – das Verbot der Entwicklung ballistischer Raketen. Das Board of Governors forderte Iran außerdem auf, den Inspektoren der IAEO Zutritt zu allen »relevanten« Anlagen, Dokumenten und Personen zu gewähren. Nach dem Sperrvertrag sind die Kompetenzen der Organisation jedoch auf Anlagen beschränkt, in denen mit nuklearem Material gearbeitet wird.

In scheinbarer Verkennung der Realitäten behauptete Irans Vertreter bei der IAEO, Ali Asghar Soltanieh, die Resolution stelle eine »diplomatische Niederlage der USA« dar, da sie nicht einstimmig angenommen wurde. Zugleich wies er darauf hin, daß die Entschließung eine einvernehmliche Lösung der Meinungsverschiedenheiten erschweren werde. Iran sei nach wie vor zur Zusammenarbeit mit der IAEA auf Grundlage des Atomwaffensperrvertrags bereit, nicht aber zum Verzicht auf sein rechtmäßiges ziviles Atomprogramm, einschließlich der Urananreicherung.

Die Gespräche zwischen dem Iran und der aus den USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland bestehenden Sechsergruppe, die in diesem Jahr wieder aufgenommen worden waren, sind seit fast drei Monaten unterbrochen. Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union widersetzen sich der Vereinbarung eines neuen Treffens. Zuletzt waren Vertreter der sieben Staaten im Juni in Moskau zusammengekommen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 15. September 2012


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