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Keine Annäherung in Sicht

Treffen in Wien: Neue Gespräche über das iranische Atomprogramm

Von Knut Mellenthin *

Teheran und die Internationale Atomenergiebehörde haben ihre Verhandlungen wiederaufgenommen. Am Freitag trafen sich am Sitz der IAEA in Wien Vertreter beider Seiten, um über ihre Zusammenarbeit bei der Überwachung des iranischen Atomprogramms zu verhandeln. Die IAEA wurde erneut durch Chefinspektor Herman Nackaerts und ihren stellvertretenden Generaldirektor Rafael Grossi vertreten, der Iran durch seinen ständigen Vertreter bei der Behörde, Ali Asghar Soltanie. Das letzte Treffen dieser Art hatte Anfang Juni ergebnislos geendet, nachdem IAEA-Generaldirektor Jukija Amano zwei Wochen zuvor Teheran besucht und sich anschließend zuversichtlich über eine Einigung ausgesprochen hatte.

Im Zentrum der Verhandlungen dürfte auch am Freitag der Wunsch der IAEA nach einer Besichtigung des großen Rüstungs- und Militärkomplexes Parchin in der Nähe von Teheran gestanden haben. Dort werden unter anderem Sprengstoffe und Munition hergestellt. Die IAEA ist jedoch nur für die Überwachung von Anlagen zuständig, in denen mit nuklearem Material gearbeitet wird. Iran verlangt deshalb als Vorbedingung den Abschluß einer detaillierten schriftlichen Vereinbarung, in der das spezielle Interesse der Behörde an diesem Standort begründet wird. Dadurch soll ausgeschlossen werden, daß die IAEA oder westliche Staaten eine Inspektion in Parchin zum Präzedenzfall für eine illegale Ausweitung der Überwachungskompetenzen der Behörde machen.

Amano äußerte sich vor dem Wiener Treffen skeptisch über die Aussichten für eine Verständigung. Man sei sich bisher nicht nähergekommen, sagte er am Mittwoch vor Journalisten, und es gebe auch keine Anzeichen, daß sich das sehr bald ändern werde. Zugleich sagte er, Satellitenaufnahmen würden darauf hindeuten, daß die Iraner in Parchin Aufräumarbeiten vornähmen, die eine Überprüfung durch die IAEA beeinträchtigen könnten.

Möglicherweise sollen auch die Gespräche zwischen Teheran und der Sechsergruppe – bestehend aus den USA, Rußland, China, Großbritan¬nien, Frankreich und Deutschland – über das iranische Atomprogramm demnächst fortgesetzt werden. Vertreter der sieben Staaten hatten sich zuletzt am 18. und 19. Juni in Moskau getroffen und waren ohne Annäherung oder wenigstens Vereinbarung eines neuen Termins auseinandergegangen. Die Verhandlungsführer beider Seiten, der Iraner Said Dschalili und die EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, haben nun bekanntgegeben, daß sie am 31. August miteinander telefonieren wollen, um festzustellen, ob der Stand der Dinge eine weitere Begegnung in großer Runde rechtfertigt.

Die Sechsergruppe strebt zunächst drei Nahziele an: Iran soll die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent einstellen, das bisher produzierte ¬Material abliefern und seine tief unter einem Bergmassiv verbunkerte, militärisch schwer zu zerstörende Anreicherungsanlage in Fordow schließen. Darüber hinaus halten die sechs aber an ihrer Maximalforderung fest, daß Iran vollständig auf Anreicherung jeden Grades verzichten müsse. Bis dahin sollen sämtliche Sanktionen in Kraft bleiben. Da die Gruppe andererseits noch keine nennenswerten Gegenleistungen angeboten hat, gibt es keine erkennbaren Chancen für eine Verständigung. Die US-Regierung steht außerdem unter starkem Druck der Pro-Israel-Lobby und der Republikaner, die Verhandlungen mit dem Iran für gescheitert zu erklären und abzubrechen.

* Aus: junge Welt, Samstag, 25. August 2012


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