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Khomeinis Brief an Gorbatschow

Iran – ein Porträt

Von Uli Gellermann *

Dass der Iran lange Jahre Austragungsort des englisch-russischen Konfliktes um imperialen Einfluss in Zentralasien war, kann Axworthy gut anhand der Akten des britischen Foreign Office belegen. Aus jener Zeit rührt auch der iranische Unwille gegenüber Einmischungen von außen, der bis heute anhält, selbst bei jenen Iranern, die mit dem gegenwärtigen System in ihrem Land nicht zufrieden sind.

Als das erste iranische Öl floss, schalteten sich in das Große Spiel imperialer Interessenten die USA ein; sie traten an, die Briten abzulösen und übernahmen die Rolle des Spielführers. Von ihren Gnaden war Schah Reza Pahlawi, dessen Folterkeller berüchtigt waren und dessen Geheimdienst in schöner Gemeinsamkeit von CIA und israelischem Mossad ausgebildet wurde. Auch dass der erste, relativ demokratische Präsident Irans, Mohammad Mossadegh, der die Ölindustrie des Landes nationalisieren wollte, mit Hilfe der CIA weggeputscht wurde, ist den Iranern heute noch sehr wohl in schlechter Erinnerung.

Gern wird in westlichen Medien Khomeini als religiöser Schreckensmann und die von ihm geführte Revolution als unheilige Schreckensherrschaft dargestellt. Anders Axworthy. Er berichtet nüchtern von den sozialen und nationalen Wurzeln der Islamischen Republik, von Khomeinis Predigten gegen die Armut, gegen die Korruption des Schah-Regimes und gegen die Unterwerfung des Schahs unter die USA.

Während eine von den außerordentlich einfältigen US-Regierungen - von Reagan bis Bush - dominierte öffentliche Meinung hysterisch nur iranischen Terror spiegelt, bleibt der britische Ex-Diplomat sachlich. Er erinnert an den irakisch-iranischen Krieg von 1980 bis 1988, den Bagdad mit wohlwollender Bewaffnung und Unterstützung durch den Westen vom Zaun gebrochen hatte und der die Bevölkerung Irans hinter ihre politische und religiöse Führung versammelte. Axworthy ruft ins Gedächtnis, dass die iranische Führung nach den Anschlägen des 11. September 2001 den Terror unmissverständlich verurteilt hatte und auf den Straßen Teherans damals Mahnwachen von Bürgern mit Kerzen in der Hand zu sehen waren. Er verweist auf die Frontstellung Teherans gegen die Taliban. Bush junior bedankte sich mit der Einordnung Irans ins Fach »Schurkenstaaten«, gleich Irak und Nordkorea.

Axworthy plädiert für eine nüchterne Sichtung der historischen und politischen Fakten und hofft auf innenpolitische Veränderungen, die dem Land allerdings nicht von außen angetragen oder aufgezwungen werden können. Er analysiert die Situation in Iran unter Mahmud Ahmadinedschad, benennt die auch hier herrschenden Gegensätze von Arm und Reich, von Stadt und Land. In einer Frage allerdings schwächelt das Buch ein wenig: Bezüglich des Streits um Atomwaffen erwähnt es nicht, dass man der Lösung des Konflikt nahe kommen könnte, wenn die internationale Staatengemeinschaft eine atomwaffenfreie Zone in der gesamten Region, unter Einschluss Israels, durchsetzen würde.

Das kluge Buch vermittelt nebenbei auch eine amüsante Anekdote: Im Januar 1989 sandte Khomeini einen Brief an den Chef der KPdSU, Gorbatschow, und empfahl jenem dringend, da der Kommunismus ausgedient habe, doch den Islam als Lebensform zu prüfen, bevor er in die kapitalistische Falle tappen würde. Gorbatschow war nach eigenem Bekunden stolz darauf, einen persönlichen Brief des Imam erhalten zu haben. Diese kleine Geschichte charakterisiert beide Personen: den sendungsbewussten Mystiker aus Persien und den schwankenden Reformer aus Russland.

Dieses Buch sollten alle lesen, die sich ein vorurteilsfreies Bild von Iran machen wollen. Ob das Auswärtige Amt eine Kiste Bücher bei Wagenbach bestellt hat, ist bisher nicht bekannt.

Michale Axworthy: Iran - Weltreich des Geistes. Von Zoroaster bis heute. Wagenbach Verlag, Berlin. 320 S., geb., 24,90 €.

* Aus: neues deutschland, 17. November 2011


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