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Wackliger Meilenstein

Westen bietet schlechtes Geschäft an. Iran macht gute Miene zum bösen Spiel

Von Knut Mellenthin *

In den Streit um das iranische Atomprogramm scheint erstmals Bewegung zu kommen. Nach den Gesprächen mit der Sechsergruppe – USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – am Dienstag und Mittwoch in Almaty (Kasachstan) trugen iranische Politiker Optimismus zur Schau. Außenminister Ali Akbar Salehi bezeichnete das Treffen als »Meilenstein« und »Wendepunkt«. Zuvor hatte Chefunterhändler Said Dschalili erklärt, einige Vorschläge der Gegenseite seien »realistischer« als in der Vergangenheit und kämen der iranischen Sicht auf die Dinge näher.

Was die neuen Vorschläge enthalten, ist nicht offiziell bekannt, da die Gespräche wie üblich unter strikter Geheimhaltung geführt wurden. Einige Medien, an erster Stelle die New York Times, veröffentlichten jedoch am Donnerstag angebliche Einzelheiten. Als Quelle wurden zumeist anonyme Mitglieder der US-amerikanischen Verhandlungsdelegation angegeben. Ebenso gut können die mehr oder weniger glaubwürdigen Informationen aber auch aus Israel gekommen sein, dessen Regierung von den USA als erste über das Geschehen in Almaty unterrichtet wurde.

Aus den bisherigen Berichten ergibt sich folgendes Bild: Die Sechsergruppe hat Iran erstens aufgefordert, die Produktion in der unter einem Bergmassiv liegenden, nahezu unangreifbaren Anreicherungsanlage Fordo einzustellen. Nicht näher bezeichnete »Maßnahmen«, wahrscheinlich Demontagen, sollen sicherstellen, daß es mehrere Wochen oder Monate dauern würde, die Anlage wieder in Betrieb zu nehmen. Iran würde es damit ermöglicht, »das Gesicht zu wahren«, nämlich zu behaupten, die Gegenseite habe ihre frühere Forderung nach »Schließung« von Fordo fallen gelassen. Das hat Dschalili in der Tat bereits erklärt.

Zweitens: Iran soll die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent auch in der älteren Anlage bei Natanz einstellen. Das Material wird benötigt, um Brennplatten für den Betrieb eines Reaktors in Teheran herzustellen, der der Produktion von Isotopen für medizinische Zwecke, vor allem zur Behandlung von Krebspatienten, dient.

Drittens: Von dem bereits auf 20 Prozent angereicherten und noch nicht zu Brennplatten verarbeiteten Uran, etwa 170 Kilogramm, soll Iran eine, wie es vage heißt, »kleine Menge« behalten dürfen, um den Betrieb des Reaktors sicherzustellen. Bisher hatte die Sechsergruppe – nach übereinstimmenden, aber ungesicherten Medienberichten – die Ablieferung des gesamten Materials verlangt.

Als Gegenleistung für diese zu »vertrauensbildenden Maßnahmen« erklärten iranischen Vorleistungen habe die Sechsergruppe, laut New York Times, die Lockerung »einiger« Sanktionen in Aussicht gestellt. Worum es konkret geht, scheint man selbst dort nicht zu wissen. Nur so viel ist dem Blatt zufolge sicher: Die wirklich wichtigen wirtschaftlichen Straf- und Blockademaßnahmen sollen unberührt bleiben.

Ferner soll das »Angebot« der Sechsergruppe die Zusage enthalten, keine neuen Sanktionen des UN-Sicherheitsrats oder der Europäischen Gemeinschaft zu beschließen. Ausgenommen bleiben die USA, deren einseitige Sanktionen bei weitem den größten Schaden anrichten. Genau während des Treffens in Almaty brachte der Kongreß noch schärfere Strafmaßnahmen auf den Weg.

Attraktiv wäre der vorgeschlagene Deal für Iran keineswegs. Denn die USA und ihre Verbündeten würden sämtliche weitergehenden Forderungen – darunter den Verzicht auf die niedrige Urananreicherung bis zu fünf Prozent – aufrechterhalten. Damit bliebe es auch bei den meisten bestehenden Sanktionen und bei der permanenten Kriegsdrohung. Zusätzlich ist damit zu rechnen, daß der Schwerwasserreaktor bei Arak, dessen Fertigstellung Iran im ersten Quartal 2014 plant, ersatzweise zum nächsten Konfliktpunkt aufgebaut wird. Mit einer entsprechenden Kampagne haben israelische und proisraelische Medien am Mittwoch schon begonnen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 1. März 2013


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