Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"... fordert den Iran auf, in die Entwicklung erneuerbarer Energieträger zu investieren"

Im Wortlaut: Entschließung des Europäischen Parlaments zum Atomstreit mit dem Iran

Im Folgenden dokumentieren wir eine Entschließung, die das Europäische Parlament in Straßburg am 15. Februar 2006 angenommen hat.



Mittwoch, 15. Februar 2006 - Straßburg Vorläufige Ausgabe

Konfrontationskurs des Irans gegenüber der internationalen Gemeinschaft

P6_TA-PROV(2006)0060; B6-0096, 0099, 0102 und 0103/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Konfrontation zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft

Das Europäische Parlament,

– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen vom 13. Oktober 2005 [1] und vom 17. November 2005 zum Iran [2],

– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten vom 30. und 31. Januar 2006,

– in Kenntnis der Resolutionen des Gouverneursrates der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) vom 24. September 2005 und 4. Februar 2006 zur Umsetzung des NVV-Sicherungsabkommens in der Islamischen Republik Iran,

– in Kenntnis der Berichte des Gouverneursrates der IAEO vom 2. September 2005 und 18. November 2005 zur Umsetzung des NVV-Sicherungsabkommens in der Islamischen Republik Iran,

– unter Hinweis auf den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) (1968), wo es insbesondere in Artikel IV folgendermaßen heißt: "Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen, als werde dadurch das unveräußerliche Recht aller Vertragsparteien beeinträchtigt, unter Wahrung der Gleichbehandlung und in Übereinstimmung mit den Artikeln I und II die Erforschung, Erzeugung und Verwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke zu entwickeln",

– in Kenntnis der EU-Erklärung der EU-3 vom 13. Januar 2006 und der Erklärung des britischen Außenministers Jack Straw nach dem Treffen der Außenminister von China, Frankreich, Deutschland, Russland, des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Hohen Vertreters der Europäischen Union vom 30. Januar 2006 in London,

– unter Hinweis auf das Pariser Abkommen vom 15. November 2004 zwischen der Islamischen Republik Iran (Iran) einerseits und dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland (EU-3) andererseits sowie auf der Entscheidung des Irans vom 1. August 2005, unter Missachtung der Bestimmungen des Pariser Abkommens Uranumwandlungsaktivitäten wieder aufzunehmen,

– unter Hinweis auf die von der Generalversammlung am 11. Januar 2006 auf ihrer 60. Tagung verabschiedeten Resolution zu den Folgemaßnahmen im Zusammenhang mit den Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung, die auf den Überprüfungskonferenzen der Parteien des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen 1995 und 2000 vereinbart wurden,

– gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A. in Erwägung der öffentlichen Erklärungen von Präsident Ahmadinedschad, in denen er Israel sein Existenzrecht absprach und den Holocaust leugnete,

B. in der Erwägung, dass der Generaldirektor der IAEO, Mohammed El Baradei, mehrfach seine ernste Sorge zum Ausdruck gebracht und berichtet hat, dass die IAEO nach zweieinhalb Jahren intensiver Inspektionen und Untersuchungen noch nicht in der Lage ist, einige wichtige Fragen zu klären,

C. in der Erwägung, dass der Iran am 1. August 2005 entschieden hat, unter Missachtung der Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen seine Uranumwandlungsaktivitäten wieder aufzunehmen, und am 8. August 2005 in seiner Anlage in Isfahan wieder mit der Urankonversion begonnen und am 10. Januar 2006 Schritte zur Wiederaufnahme der Anreicherungsaktivitäten unternommen hat,

D. in der Erwägung, dass in der Resolution der IAEO vom 4. Februar 2006 mangelndes Vertrauen in die friedliche Zielrichtung des iranischen Nuklearprogramms zum Ausdruck gebracht und festgestellt wurde, dass uneingeschränkte Transparenz von iranischer Seite für die IAEO unverzichtbar und überfällig ist, um die offenen Fragen zu klären,

E. in der Erwägung, dass die IAEO erneut ihre Besorgnis hinsichtlich der weiterhin lückenhaften Informationen über die zahlreichen in Bezug auf eine Verbreitung von Kernwaffen heiklen Aspekte des iranischen Atomprogramms unterstrichen hat,

F. in der Erwägung, dass die IAEO den Iran wiederholt um seine Zusammenarbeit bei der Weiterbehandlung von Berichten ersucht und verschiedene Lösungen, insbesondere die Anreicherung von Uran in Russland, angeboten, der Iran jedoch versäumt hat, eine klare Position zu diesen Vorschlägen zu beziehen,

G. in der Erwägung, dass der Generaldirektor der IAEO im November 2005 berichtet hat, dass sich der Iran im Besitz eines Dokuments befindet, das die Verfahrensvorschriften für die Verarbeitung von UF6 zu kleineren Mengen von Metall sowie für den Guss und die Bearbeitung von angereichertem, natürlichem und abgereichertem Uranmetall in halbkugeligen Formen betrifft, was nach Berichten der IAEO ein mit der Herstellung von Kernwaffenkomponenten zusammenhängender Prozess ist,

H. in der Erwägung, dass die Außenminister Chinas, Frankreichs, Deutschlands, Russlands, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten sowie der Hohe Vertreter der Europäischen Union am 30. Januar 2006 übereingekommen sind, dass in der Sondersitzung des Gouverneursrates der IAEO Bericht erstattet werden sollte gegenüber dem UN-Sicherheitsrat, welcher alle Aktionen zurückstellen würde bis zum Bericht des Generaldirektors des IAEO zum Gouverneursratstreffen am 6. März 2006 sowie einer dort verabschiedeten Resolution,

I. in der Erwägung, dass die iranische Regierung am 5. Februar 2006 ankündigte, jede freiwillige Zusammenarbeit mit der IAEO einzustellen und keine weiteren unangemeldeten IAEO-Inspektionen in iranischen Atomanlagen, wie sie gemäß dem Zusatzprotokoll zum NVV gestattet sind, mehr zuzulassen, und am 6. Februar 2006 ferner ankündigte, dass sie die Überwachungskameras der IAEO sowie die Siegel der Organisation von den Atomanlagen und der kerntechnischen Ausrüstung entfernen würde,

J. in der Erwägung, dass es auf der letzten Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags im Jahr 2005 nicht gelungen ist, eine multilaterale Initiative gegen die Bedrohung durch die Verbreitung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen zu stärken,

K. in der Erwägung, dass die Beziehungen der Europäischen Union zum Iran auf einem dreigeteilten Ansatz beruhen, und zwar Verhandlungen über ein Handels- und Kooperationsabkommen, dem politischen Dialog und einem Menschenrechtsdialog, und dass der politische Dialog aufgrund der derzeitigen Krise ausgesetzt wurde,

1. verurteilt erneut die drohenden Äußerungen von Präsident Ahmadinedschad gegen Israel, die nicht geeignet sind, Vertrauen zu schaffen bezüglich der Absicht der iranischen Regierung, im Nahen Osten eine friedliche und konstruktive Rolle zu übernehmen; kritisiert daher das kürzlich während der Syrien-Reise von Präsident Ahmadinedschad abgehaltene Treffen mit Vertretern des Palästinensischen Islamischen Dschihad und verlangt, dass der Iran jegliche Unterstützung für terroristische Gruppierungen unverzüglich einstellt;

2. zeigt sich tief besorgt über die derzeitige Haltung der iranischen Staatsorgane zu ihrem Atomprogramm, insbesondere was das Entfernen von Siegeln an mehreren Atomanlagen anbelangt, sowie über ihre Entscheidung, die Anreicherungsaktivitäten wieder aufzunehmen;

3. unterstützt die Resolution der IAEO vom 4. Februar 2006, in der der Iran wegen der Nichtbeachtung der Empfehlungen der IAEO kritisiert und betont wurde, dass aus diesem Grund das Vertrauen in die Zusicherung fehlt, dass das Nuklearprogramm des Iran ausschließlich friedlichen Zwecken dient;

4. unterstützt das Anliegen der IAEO in ihrer Resolution vom 4. Februar 2006, den Generaldirektor der IAEO zu ersuchen, vor dem UN-Sicherheitsrat Bericht zu erstatten und genaue Informationen über alle im Zusammenhang mit diesem Thema von der IAEO angenommenen Berichte und Resolutionen vorzulegen;

5. vertritt die Auffassung, dass es gemäß der IAEO-Resolution vom 24. September 2005 notwendig ist, dass der Iran alle Anreicherungs- und Wiederaufbereitungsaktivitäten in vollem Umfang und auf Dauer wieder aussetzt, den Bau eines mit Schwerwasser moderierten Forschungsreaktors überdenkt, das Zusatzprotokoll unverzüglich und vollständig ratifiziert und umsetzt und generell die vom Generaldirektor der IAEO verlangten Transparenzmaßnahmen durchführt;

6. bekräftigt erneut, dass der Iran gemäß Artikel IV des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen das Recht auf Entwicklung eines Atomprogramms hat, und unterstützt die Initiativen und Vorschläge der EU-3 sowie anderer internationaler Partner für eine Zusammenarbeit mit dem Iran im nuklearen Bereich für friedliche Zwecke; wiederholt gleichzeitig seine Forderung an die Regierung des Irans, sich jeglicher Drohung gegen einen Staat zu enthalten und bei ihrem Handeln die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen zu respektieren;

7. ist der Auffassung, dass die von der IAEO vorgeschlagene Einschaltung des UN-Sicherheitsrates ein notwendiger Schritt sein dürfte, um die derzeitige Situation zu bewerten, und stimmt den Schlussfolgerungen des Rates zu, in denen eine Stärkung der Rolle der IAEO gefordert wird; ist ferner der Ansicht, dass durch diesen Schritt eine weitere Verschärfung der derzeitigen Situation vermieden werden sollte; fordert die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, ihre Initiativen im Rahmen der IAEO und in den Vereinten Nationen eng untereinander abzustimmen;

8. bekräftigt, dass die Krise im Einklang mit den Bestimmungen des Völkerrechts beigelegt werden muss, und ist der Auffassung, dass dies auf Seiten der iranischen Regierung Kooperationsbereitschaft und Transparenz gegenüber der IAEO erfordert; unterstützt in diesem Zusammenhang die von der EU-3 eingegangene Verpflichtung, die Verbreitung von Kernwaffen zu verhindern, und fordert alle beteiligten Parteien auf, äußerste Anstrengungen zu unternehmen, um noch vor dem nächsten Bericht des IAEO-Generaldirektors am 6. März 2006 eine Verhandlungslösung im Atomstreit zu finden;

9. unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den USA, Russland, China und blockfreien Ländern, um weitere Konzepte zu prüfen, mit deren Hilfe eine umfassende Vereinbarung mit dem Iran über seine Atomanlagen und ihre Nutzung unter Berücksichtigung der Sicherheitsbelange des Irans erreicht werden kann;

10. ersucht den Iran, den von der EU-3 unterstützten russischen Vorschlag bezüglich der Urananreicherung, der dem Iran die Möglichkeit geben würde, mit seinem Atomprogramm in einem multilateralen Rahmen weiter voranzukommen, ernsthaft zu prüfen; ist der Auffassung, dass eine solche Lösung als Vorschlag für eine Verbesserung der derzeitigen Regelung für alle interessierten Länder, unter Aufsicht der IAEO, in Betracht gezogen werden muss; fordert die Europäische Union auf, Vorschläge wie denjenigen der Hochrangigen Expertengruppe der Vereinten Nationen zu unterstützen, der eine multilaterale Organisation der Urananreicherung, beispielsweise für den nahöstlichen Raum, mit einer Verteilung unter der Kontrolle der IAEO vorsieht;

11. bedauert zutiefst, dass alle 2005 unternommenen Bemühungen um Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung sowie die Revision des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und das Gipfeltreffen zur Reform der Vereinten Nationen gänzlich gescheitert sind;

12. würdigt die professionellen und unparteiischen Bemühungen des Generaldirektors und des Sekretariats der IAEO um eine Umsetzung des Sicherungsabkommens im Iran; betont, dass mit der Einschaltung des Sicherheitsrates die derzeitigen Verantwortlichkeiten der IAEO nicht aufgehoben sind, und fordert den Iran mit Nachdruck auf, der IAEO zu gestatten, ihre Kontrollen und Inspektionen auch weiterhin in vollem Umfang durchzuführen;

13. fordert den Iran auf, sich seine riesigen Energiereserven und die im Land vorhandenen technologischen Kenntnisse zu Nutze zu machen, um in die Entwicklung erneuerbarer Energieträger sowie die moderne und rationelle Nutzung fossiler Energieträger zu investieren;

14. ist der Auffassung, dass die Einrichtung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone im Nahen Osten ein wichtiger Schritt sein könnte, um den Bedenken der Länder dieser Region in Bezug auf ihre Sicherheit gerecht zu werden;

15. fordert die Kommission auf, alle Maßnahmen umzusetzen, die im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte getroffen werden sollten, um die Kontakte und die Zusammenarbeit mit der iranischen Zivilgesellschaft sowie den unabhängigen Medien und der demokratischen Opposition zu intensivieren, und darüber hinaus, zusammen mit dem Europäischen Parlament, die Demokratie und die Achtung der Menschenrechte im Iran zu unterstützen;

16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, den Regierungen und Parlamenten der Islamischen Republik Iran und aller anderen in dieser Entschließung erwähnten Länder, dem Generaldirektor der IAEO sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.

[Fußnoten]
  1. Angenommene Texte, P6_TA(2005)0382.
  2. Angenommene Texte, P6_TA(2005)0441.
Letzte Aktualisierung: 16. Februar 2006

Quelle: Website des EU-Parlaments: www.europarl.eu.int


Zurück zur Iran-Seite

Zur Atomwaffen-Seite

Zur EU-Seite

Zurück zur Homepage