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Wissenschaftler mit Bombe getötet

Iran beschuldigt USA und Israel der Verwicklung in den Anschlag in Teheran

Ein iranischer Professor der Physik ist bei einem Bombenattentat am Dienstag (12. Jan.) in Teheran getötet worden.

Nach Medienberichten war der Sprengsatz an einem Motorrad angebracht und detonierte in der Nähe des Hauses des Wissenschaftlers Massud Ali-Mohammadi. Es war zunächst nicht bekannt, ob der getötete Physiker am Atomprogramm seines Landes mitarbeitete. Teheran beschuldigte die USA und Israel, in den Anschlag verwickelt zu sein.

Nach Angaben des Teheraner Chefanklägers Abbas Dschafari Dolatabadi war Ali-Mohammadi an der Universität der Hauptstadt tätig. Dort arbeitete er nach Einschätzung westlicher Experten als theoretischer Physiker. In seinen Publikationen befasste er sich demnach überwiegend mit Kosmologie, Hochenergiephysik und Quantenphysik. Diese Arbeiten zeigen keinen direkten Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm. Die internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien wollte sich zu dem Mord nicht äußern.

Die iranische Führung verurteilte den Bombenanschlag und beschuldigte »Söldner der Weltmächte« als Täter. Mit dieser Formulierung werden meist Angehörige der Volksmudschaheddin umschrieben. Ein Sprecher des Teheraner Außenministeriums sagte im staatlichen Fernsehen, es gebe Anzeichen dafür, dass die USA und Israel in den Vorfall verwickelt seien.

Die iranischen Volksmudschaheddin dementierten jede Verantwortung für den Anschlag. In einer Erklärung hieß es, der »in Iran regierende Faschismus« verfolge seine eigenen politischen Ziele und versuche »nicht zum ersten Mal«, dem Widerstand die Verantwortung in die Schuhe zu schieben.

Der Tatort im Norden Teherans wurde zur Spurensuche von der Polizei abgeriegelt. Anwohner berichteten, dass ihnen untersagt worden sei, vor Ende der Untersuchung ihre Häuser zu verlassen. Zunächst wurden keine Festnahmen gemeldet. Widersprüche tauchten im Zusammenhang mit der politischen Orientierung des Professors auf. Während Ali-Mohammadi von der Staatsanwaltschaft als loyal und regierungstreu eingestuft wurde, wurde auf einer oppositionellen Website behauptet, der Physiker sei Anhänger von Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi gewesen.

Noch am Morgen hatte die iranische Führung Washington vorgeworfen, den Streit um das iranische Atomprogramm eskalieren zu lassen. Sie wies Äußerungen des US-Generals David Petraeus über »Notfallpläne« für mögliche Militärschläge gegen iranische Nuklearanlagen zurück. »Das ist unverantwortlich, das Gegenteil der neuen Politik, die die neue US-Regierung verspricht, und stattdessen eine Rückkehr zu früheren Fehlern«, erklärte ein Sprecher des Teheraner Außenministeriums.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Januar 2010


Atomwissenschaftler bei Anschlag getötet

Iranische Regierung macht USA und Israel verantwortlich. Schah-Anhänger bekennen sich **

In Teheran ist am Dienstag (12. Jan.) ein bekannter Atomphysiker durch einen ferngezündeten Sprengsatz getötet worden. Nach Angaben des Generalstaatsanwalts Abbas Dschafari Dolatabadi wollte der 50jährige Massud Mohammadi morgens in der iranischen Hauptstadt in sein Auto steigen, als ein in der Nähe abgestelltes Motorrad explodierte.

Irans Außenministerium warf Israel, den USA und seinen »Söldnern« vor, hinter dem Angriff zu stecken. Dies zeigten die »ersten Ergebnisse der Ermittlungen«, sagte Ministeriumssprecher Ramin Mehmanparast dem staatlichen Fernsehen. Dolatabadi rechnete auch die Geheimdienste Israels und der USA zum Kreis der möglichen Drahtzieher. Zwar wies ein Sprecher des US-Außenministeriums die Beschuldigung als »absurd« zurück, doch meldete sich am Dienstag nachmittag aus den USA über ihren dort stationierten Radiosender die monarchistische Gruppierung »Königliche Vereinigung Iran« zu Wort: Ihre »Tondar-Kommandos« hätten den Anschlag ausgeführt, so die Organisation. Deren erklärtes Ziel ist es, die Schah-Herrschaft wiederzuerrichten.

Zu den politischen Aktivitäten Mohammadis gab es widersprüchliche Informationen. Laut der Agentur Al-Alam war er ein regierungstreuer Professor. Oppositionelle Internetseiten berichteten jedoch, er habe im Zuge der Präsidentschaftswahlen eine Petition für den Oppositionskandidaten Mir-Hussein Mussawi unterzeichnet.

Ob Mohammadi mit dem iranischen Atomprogramm in Verbindung stand, war zunächst nicht bekannt. Seit langem befindet sich der Iran wegen seiner Pläne zur zivilen Nutzung der Kernenergie unter internationalem Druck. Die »Sechsergespräche« darüber gehen Ende dieser Woche in die nächste Runde. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte sich am Montag für »Sanktionen gegen die iranische Elite« ausgesprochen. Das Außenministerium in Teheran wies am Dienstag die Idee weiterer Strafmaßnahmen als »nicht konstruktiv« zurück. (AFP/apn/jW)

** Aus: junge Welt, 13. Januar 2010


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