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Scheinangebot an Teheran

US-Regierung zu direkten Verhandlungen mit Iran bereit – wenn dieser alle Forderungen akzeptiert

Von Knut Mellenthin *

Signale der Hoffnung auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende? Das berichteten jedenfalls die Medien des Mainstream: US-Vizepräsident Joe Biden habe dem Iran direkte Verhandlungen zwischen beiden Staaten angeboten. Und der ebenfalls in München anwesende iranische Außenminister Ali Akbar Salehi habe sich daraufhin offen für Gespräche mit den USA gezeigt. Tatsächlich haben beide Seiten aber nur ihre längst bekannten Positionen wiederholt, die erheblich komplizierter sind als deren auf »Nachrichtenwert« frisierte Wiedergabe in den aktuellen Meldungen.

Nach Bidens Konferenzrede hatte Veranstaltungsleiter Wolfgang Ischinger genau zwei vermutlich abgesprochene Journalistenfragen zugelassen. Die eine bezog sich auf das Verhältnis der Vereinigten Staaten zu China. Die andere lautete: »Viele meinen, daß die Zeit für direkte amerikanisch-iranische Verhandlungen gekommen sei. Wann wird das geschehen, oder wenn nicht: warum nicht?« Darauf gab der Vizepräsident folgende Antwort: »Wenn es die iranische Führung, der Oberste Führer (Ajatollah Khamenei – d.Red.), ernst meint. Wir haben von Anfang an deutlich gemacht, daß wir zu bilateralen Treffen mit der iranischen Führung bereit sein würden. Wenn es dazu käme, würden wir kein Geheimnis daraus machen. Wir würden es unsere Partner wissen lassen, wenn sich die Gelegenheit dazu böte. Dieses Angebot besteht weiter. Aber die Sache muß real und handfest sein. Es muß eine Tagesordnung geben, über die sie mit uns zu sprechen bereit sind. Wir machen das nicht bloß zur Unterhaltung.«

Die Forderung der USA und ihrer Verbündeten, die iranische Seite müsse zu »ernsthaften Verhandlungen« bereit sein, ist eine ständig verwendete Floskel. Gemeint sind deutliche Signale aus Teheran, daß Iran sich den Maximalforderungen unterwerfen wird, die in rund einem halben Dutzend Resolutionen des UN-Sicherheitsrats formuliert sind. Im Zentrum steht Irans vollständiger, zeitlich unbefristeter Verzicht auf die Anreicherung von Uran und auf alle damit verbundenen Arbeiten, die Schließung seiner Anlagen und sogar die Einstellung der wissenschaftlichen Forschung auf diesem Gebiet. Vor diesem Hintergrund ist Bidens Äußerung nicht als Gesprächsangebot, sondern im Gegenteil als Ausrede für die anhaltende Verweigerung direkter Verhandlungen zu interpretieren.

Salehi erklärte iranischen Nachrichtenagenturen zufolge daraufhin, Iran habe grundsätzlich nichts gegen zweiseitige Verhandlungen über alle Themen, einschließlich seines Atomprogramms. Aber, und dann kam eine wichtige Einschränkung: »Wir müssen sicherstellen, daß die andere Seite diesmal in ehrlicher Absicht kommt.« Eine etwas spätere Meldung schrieb dem Außenminister sogar den Satz zu: »Gespräche werden nur unter der Bedingung stattfinden, daß für uns das notwendige Vertrauen in die Ehrlichkeit der Amerikaner hergestellt wird, da frühere Erfahrungen etwas anderes gezeigt haben.«

Die New York Times hatte schon im Herbst 2012 Gerüchte über Geheimverhandlungen und Geheimabsprachen zwischen Washington und ­Teheran verbreitet. Bidens klare Aussage, daß die US-Regierung ihre Partner, also nicht zuletzt Israel, rechtzeitig informieren würde, ist ein verläßliches Indiz dafür, daß es bisher wirklich keine Geheimkontakte gibt. Denn anderenfalls hätten interessierte Kreise ihre Kenntnisse umgehend an die Medien »durchsickern« lassen.

* Aus: junge Welt, Montag, 4. Februar 2013


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