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30 Jahre islamische Revolution im Iran

Von Nick Kaiser *

Vor 30 Jahren stürzte die Islamische Revolution den persischen Schah Mohammad Reza Pahlavi. Es war die Geburtsstunde der Islamischen Republik Iran. Um die damaligen Geschehnisse und ihren bis heute anhaltenden Effekt auf die internationale Politik zu verstehen, muß man allerdings ein wenig weiter zurückblicken.

Schah Pahlavi, der am 16. Januar 1979 aus dem Iran flüchtete und im darauffolgenden Jahr in Kairo an Krebs starb, war schon einmal im Exil gewesen. Damals, im August 1953, war er aber bereits nach elf Tagen wieder zurückgekehrt. Die Geheimdienste der USA und Großbritanniens hatten gegen seinen Widersacher, den vom iranischen Parlament gewählten Premierminister Mohammad Mossadegh, geputscht. Mossadegh hatte die Erdölfelder des Landes verstaatlicht und sich so mit der Anglo-Iranian Oil Company (heute BP) angelegt, die bisher das Ölgeschäft beherrscht hatte. Mossadegh genoß eine immense Popularität in der iranischen Bevölkerung, was keineswegs auf den Schah zutraf. Pah­lavi galt als verschwenderisch und prunksüchtig, während ein großer Teil seines Volkes am Hungertuch nagte. Er unterdrückte mittels seines Geheimdienstes SAVAK brutal die Opposition, die sich vornehmlich aus den folgenden Gruppen rekrutierte: das von Mossadegh gegründete heterogene Parteienbündnis Nationale Front, die kommunistische Tudeh-Partei, die islamisch-marxistische Guerilla der Volksmudschaheddin und die islamistische Hisbollah.

Das »Weiße Revolution« genannte Landreformprogramm des Schahs, das auch die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Frauen beinhaltete, stieß auf vehemente Ablehnung bei einigen einflußreichen Geistlichen, vor allem bei Ajatollah Ruhollah Khomeini, der 1963 nach einer Reihe von Brandreden gegen den Schah verhaftet und schließlich im darauf folgenden Jahr ins Exil getrieben wurde. Es war ein Anfang 1978 unter einem Pseudonym verfaßter Zeitungsartikel, in dem Khomeini als kommunistischer Verschwörer bezeichnet wurde, der das Faß zum Überlaufen brachte und die Revolu­tion in Gang setzte. Der Artikel wurde dem SAVAK zugeschrieben. Die Khomeini zugewandten Geistlichen riefen zu Demonstrationen auf, die von der Armee gewaltsam aufgelöst wurden. Es folgten Anschläge auf Regierungsgebäude, Kinos und alles, was den vom Schah zur Schau gestellten westlichen Lebensstil repräsentierte. Es gab Massenkundgebungen und blutige Auseinandersetzungen zwischen Staatsmacht und Opposition. Etwa 20000 Iraner waren seit Januar 1978 ermordet worden, als der Schah geflohen und Khomeini am 1. Februar 1979 triumphal nach Teheran zurückgekehrt war.

Das Militär erklärte sich neutral und die Regierung des vom Schah eingesetzten Ministerpräsidenten Schapur Bachtiar trat am 11. Februar 1979 zurück. Am 1. April schließlich wurde die Islamische Republik ausgerufen und am 3. Dezember die neue Verfassung verabschiedet, die sich stark an den in der Schrift »Der islamische Staat« von 1970 formulierten Ideen Khomeinis orientierte. Dieser setzte sich als Revolutionsführer, »oberster Rechtsgelehrter« und Stellvertreter des 12. Imam – der sich nach dem Glauben der Schiiten seit mehr als 1000 Jahren verborgen hält, aber eines Tages als Erlöser zurückkehren wird – an die Spitze des Staates. Am 4. November 1979 kam es zum vorläufigen Höhepunkt des Konfrontationskurses Khomeinis gegen die USA, die den Schah bis zuletzt gestützt hatten. Iranische Studenten besetzten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 52 Diplomaten gefangen. Erst 444 Tage später kamen die Geiseln wieder frei. Seitdem unterhalten die beiden Länder offiziell keine diplomatischen Beziehungen mehr zueinander.

Es dauerte nicht lange, bis Khomeini brutal gegen die linken und weltlichen Gruppen durchgriff, die ihm während der Revolution noch in der gemeinsamen Ablehnung der Schah-Regierung verbunden gewesen waren. Die von Khomeini gegründete Miliz der Revolutionwächter schaltete jede auch nur vermutete Opposition gegen die Islamisierung der Gesellschaft aus. In dieser Phase der Kämpfe zwischen den Revolutionsparteien, also der vermeintlichen Instabilität, griff das Nachbarland Irak, unterstützt durch die USA, 1980 den Iran an. Der erste Golfkrieg dauerte bis 1988 an und forderte ungefähr 850000 Tote, darunter etwa eine halbe Million Iraner. Die kollektive Aufmerksamkeit auf den äußeren Feind verhinderte die Entwicklung einer nennenswerten politischen Opposition innerhalb des Landes. So konnte sich trotz Not und Elend während des zermürbenden Krieges, der mit einem Waffenstillstand per UN-Resolution endete, ohne daß eine der beiden Kriegsparteien etwas Vorzeigbares erreicht hätte, das islamische Regime stabilisieren. Selbst der Tod des charismatischen Imam Khomeini am 3. Juni 1989 gefährdete nicht das fundamentalistische System. Neuer Revolutionsführer wurde 1989, in Ermangelung eines Ajatollah, der Khomeinis Vorstellungen des politischen Islam geteilt hätte, der in der Hierarchie des schiitischen Klerus relativ niedriggestellte bisherige Staatspräsident Seyyed Ali Khamenei. Er bekleidet noch heute dieses Amt, ist also das Staatsoberhaupt und hat damit das letzte Wort in allen Fragen, auch gegenüber Präsident Mahmud Ahmadinedschad.

* Aus: junge Welt, 11. Februar 2009


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