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Söldner außer Kontrolle

Einstige Förderer der IS-Terroristen rufen zum Kampf gegen Gotteskrieger auf

Von Karin Leukefeld *

Sollte es nicht ein »starkes und rasches Eingreifen« geben, könne der Westen das nächste Ziel des »Islamischen Staats« (IS) werden, warnte der saudische König Abdallah bin Abdulasis Al Saud am Wochenende in Riad bei einem Treffen mit neu akkreditierten Botschaftern im Königreich. »Wenn wir sie ignorieren, dann bin ich mir sicher, daß sie in einem Monat in Europa und einen Monat später in Amerika ankommen werden.« Terrorismus kenne »keine Grenzen« und nichts zu tun, sei »unakzeptabel«, so der König. »Ich fordere Sie auf, diese Botschaft an ihre Regierungen weiterzuleiten: Kämpfen Sie mit aller Macht, mit Vernunft und Eile.«

Wenige Tage zuvor hatte ein saudisches Gericht 18 Gotteskrieger zu Haftstrafen zwischen 18 Monaten und 20 Jahren verurteilt. Den aus Saudi-Arabien, Jemen und Palästina stammenden Männern wurde vorgeworfen, »Anschläge gegen ausländische Einrichtungen« im Königreich geplant zu haben. Außerdem sollen die Männer Gotteskrieger in anderen Ländern unterstützt und finanziert sowie unerlaubt Waffen besessen haben. Fünf weitere Saudis und ein Mann aus Oman seien vom gleichen Gericht zu hohen Haftstrafen verurteilt worden, berichtete die saudische Tageszeitung Al-Hayat. Sie sollen »im Sudan ein Trainingslager für den bewaffneten Kampf« unterhalten haben. Die Männer hätten Mordanschläge auf saudische Offiziere geplant und würden einer »extremen Ideologie« anhängen.

Noch im Juni 2013 hatte der saudische Scheich Saoud Al-Shuraym über das staatliche saudische Fernsehen zum Kampf aller gegen Baschar Al-Assad in Syrien aufgerufen, »mit allen möglichen Mitteln«. Am vergangenen Donnerstag nun verurteilte der oberste saudische Geistliche, Großmufti Abdulasis Al-Scheich, den Aufruf zum »Heiligen Krieg«. König Abdullah hatte bereits im Februar 2014 die Haftstrafen für Saudis drastisch erhöht, die im Ausland als Gotteskrieger kämpfen. Mehrere hundert junge Saudis sollen sich bewaffneten Gruppen in Syrien angeschlossen haben. Dafür hatte der langjährige Geheimdienstchef des Königreichs, Bandar bin Sultan, gesorgt, den der König kurz darauf per Präsidialentscheid in den Ruhestand schickte.

»Danken wir Gott für die Saudis und für Prinz Bandar«, hatte sich US-Senator John McCain noch im Januar 2014 in einem CNN-Interview dafür bedankt, daß die Saudis die Kampfverbände in Syrien mit Waffen ausgerüstet hatten. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz fügte McCain noch Dank an die »Freunde in Katar« hinzu, auch von dort waren tonnenweise Waffen an die Kämpfer in Syrien geschickt worden. Die New York Times hatte in einer Langzeitrecherche von Januar 2012 bis März 2013 Katar die Lieferung von 85 militärischen Frachtflügen mit Waffen und Munition nachgewiesen. Saudi-Arabien lag mit 37 Frachtflügen an zweiter Stelle.

Im Kreis der westlichen und arabischen »Freunde Syriens« hieß es damals, die Waffen gingen an die »Freie Syrische Armee«. Tatsächlich landeten die Waffen schließlich bei der islamistischen Al-Nusra-Front und dem »Islamischen Staat im Irak und in der Levante« (ISIL bzw. ISIS), der sich heute »Islamischer Staat« nennen läßt. Während ein Vertreter Katars die verdeckte Unterstützung der Nusra-Front inoffiziell im Gespräch mit einem Reporter der US-amerikanischen Zeitung The Atlantic eingestanden haben soll, machte er klar, daß »ISIS das Projekt der Saudis« gewesen sei. Mit anderen Worten: Es war ein verdecktes Projekt von Bandar bin Sultan. Der Appell des saudischen Königs an seine westlichen Partner, militärisch gegen den »Islamischen Staat« einzugreifen, macht klar, daß den Sponsoren am Golf die Kontrolle über ihre Söldner entglitten ist.

Der saudische Kronprinz und Verteidigungsminister Salman bin Abdul Asis ist derweil am Montag in Paris zu Gesprächen mit dem französischen Präsidenten François Hollande eingetroffen. Der Kampf gegen IS steht dabei ebenso auf der Tagesordnung wie die Lieferung französischer Waffen und Munition im Wert von 2,3 Milliarden Euro.

* Aus: junge Welt, Dienstag 2. September 2014


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