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Maliki bietet Dschihad-Unterstützern Amnestie an

Irakischer Regierungschef warnt Kurden vor Schritten in Richtung Unabhängigkeit / In Kerbela Kämpfe auch unter Schiiten *

Die sunnitischen Gotteskrieger sind gegen die regierenden Schiiten weiter in der Offensive. In Kerbela bekämpfen sich Schiiten gegenseitig. Premier Maliki warnt Kurden, die »Situation auszunutzen«.

Angesichts des Vormarsches der Dschihadisten hat der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki den Anhängern der radikalislamischen Kämpfer eine Amnestie in Aussicht gestellt, wenn sie ihre Unterstützung für diese einstellen. Die Amnestie solle für alle »Stämme und Menschen gelten, die in Aktionen gegen den Staat verwickelt waren, aber jetzt zur Vernunft zurückkehren«, sagte Maliki am Mittwoch im Fernsehen. Ausgeschlossen von der Strafbefreiung sollten aber alle sein, die Menschen getötet hätten. Mit dem Amnestieversprechen will Maliki offenbar die Unterstützung für die Dschihadisten in der Bevölkerung vermindern.

Maliki warnte in seiner Ansprache die Kurden im Norden des Landes davor, ihre Unabhängigkeit voranzutreiben. Es werde niemandem erlaubt, die jetzige Situation auszunutzen. Irak sei »ein demokratischer und föderaler Verfassungsstaat«.

Inzwischen ist auch Gewalt zwischen Schiiten ausgebrochen. Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern eines hohen schiitischen Geistlichen seien rund 20 Menschen getötet worden, hieß es offiziellerseits. Die Gewalt in der Stadt Kerbela brach am Dienstag aus, als die Polizei Gefolgsleuten des religiösen Führers Mahmud al-Sorchi das Gebet vor einem wichtigen schiitischen Grabmal untersagte, wie Augenzeugen berichteten. Die Armee schickte Verstärkungen in die Stadt rund 100 Kilometer südlich von Bagdad und setzte Kampfhubschrauber ein. Die Regierung verhängte eine Ausgangssperre. Auseinandersetzungen habe es auch in der Stadt Diwanija südlich von Kerbela gegeben, hieß es weiter. Kerbela ist für Schiiten eine heilige Stätte, weil dort der von ihnen als Märtyrer verehrte Imam und Mohammed-Enkel Hussein begraben liegt.

Laut dem irakischen Nachrichtenportal »Al-Sumeria« kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Zusammenstößen zwischen er Polizei und Anhängern Sorchis. Der Geistliche stand auf der Fahndungsliste der US-Besatzer, weil Sorchi zum Widerstand gegen die US-Armee aufgerufen hatte.

Die Milizen der Organisation Islamischer Staat in Irak und Syrien sind militärisch offenbar weiter in der Offensive. Sie beherrschen große Teile im Norden und Westen Iraks. Die Gruppe hatte am Sonntag ein »Islamisches Kalifat« ausgerufen und sich zugleich in »Islamischer Staat« umbenannt. Ihr Chef »Kalif« Abu Bakr al-Bagdadi rief die Muslime am Dienstagabend in einer Audiobotschaft auf, in den Dschihad, den »Heiligen Krieg«, zu ziehen und ins Land zu kommen. Zugleich kündigte er Rache für Unrecht an Muslimen an. Die Ausrufung des Kalifats sei ein Warnsignal für die Nachbarstaaten, sagte Maliki in seiner Ansprache. »Das Kalifat ist eine Botschaft an die Länder der Region, dass sie sich in einem roten Kreis befinden.«

Zugleich gingen die Kämpfe zwischen Armee und Milizen weiter. Ein Militärsprecher sagte in Bagdad, Regierungseinheiten hätten einen Armeestützpunkt in der Nähe der Stadt Tikrit 170 Kilometer nordwestlich von Bagdad zurückerobert. Zu Zusammenstößen kam es auch in Bakuba 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Bei Luftangriffen der Armee im Norden Iraks starben laut Augenzeugen sieben Zivilisten.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 3. Juli 2014


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