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Bagdads Himmel

US-Regierung hält Killerdrohnen für Einsätze im Irak bereit. Obama will ISIL auf dem Umweg über "gemäßigte" Syrer mit 500 Millionen Dollar unterstützen

Von Knut Mellenthin *

Seit Donnerstag fliegen über dem Irak wieder bewaffnete Drohnen. Das meldete die New York Times unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten »Pentagon official«. Ob es sich um ein unbewiesenes Gerücht oder um eine »gezielte Indiskretion« des Verteidigungsministeriums handelt, war zunächst nicht zu erkennen.

Dem Bericht zufolge handelt es sich um unbemannte Flugkörper vom Typ Predator. Sie sind mit Hellfire-Raketen ausgerüstet, die eine sehr hohe Tötungs- und Zerstörungskraft haben. Angeblich absolvieren diese Drohnen ständig »Patrouillenflüge« über der Hauptstadt Bagdad und ihrer Umgebung, werden also für jederzeitige Einsätze bereit gehalten. Laut New York Times starten und landen die Killermaschinen auf einem nicht näher bezeichneten Luftwaffenstützpunkt im benachbarten Kuwait.

Daneben fliegen die USA nach Angaben des Blattes täglich rund 40 Aufklärungseinsätze mit unbewaffneten Drohnen und mit Militärflugzeugen. Offiziell erklärtes Ziel der USA ist es, größtmögliche Erkenntnisse über »potentielle Ziele« im Irak zu gewinnen. Das müssen nicht unbedingt und ausnahmslos Einheiten und Stützpunkte des terroristischen Islamischen Staates im Irak und in der Levante (ISIL bzw. ISIS) sein, auch wenn ständig dieser Eindruck erweckt wird. Die US-Regierung hat noch keineswegs entschieden, ob sie überhaupt in den irakischen Bürgerkrieg eingreifen will – und falls ja, auf welcher Seite. Angriffsziel könnten auch schiitische Selbstverteidigungsmilizen werden.

Die jetzt über Bagdad fliegenden Kampfdrohnen sollen dem von der New York Times zitierten »Pentagon official« zufolge, zur Zeit ausschließlich dazu dienen, die US-amerikanischen Soldaten, die in wachsender Zahl wieder in den Irak geschickt werden, zu schützen. Nach Angaben des Pentagon sind es inzwischen schon rund 500, darunter mehr als 100 Marines, die den Schutz der US-Botschaft verstärken sollen. Von den 300 »Militärberatern«, die Präsident Barack Obama angekündigt hatte, waren bis zum Donnerstag 180 im Irak eingetroffen. Statt »Advisors« (Berater), wie es anfangs hieß, werden sie – so gut wie ausschließlich Offiziere von Spezialeinheiten – inzwischen meist nur noch »Assessment Teams« genannt. Ihre Aufgabe besteht darin, eine genaue Lageeinschätzung zu gewinnen.

Gleichzeitig erhöht die US-Regierung auch in Syrien ihren Einsatz. Obama gab am Donnerstag bekannt, daß er beim Kongreß 500 Millionen Dollar beantragt hat, die dazu dienen sollen, angeblich »gemäßigte«, »überprüfte« syrische Rebellen auszubilden, auszurüsten und zu bewaffnen. Allerdings haben Waffen die fatale Eigenschaft, daß sie keineswegs garantiert bei den mutmaßlichen »Good Guys« bleiben, sondern irgendwann bei den militärisch stärksten und finanziell am besten ausgestatteten Kräften landen. Auch gegen das Überlaufen angeblicher »Good Guys« zu den »Bad Guys« wurde noch kein Rezept erfunden. Obamas Plan stellt daher ein indirektes Aufrüstungsprogramm für ISIL sowohl in Syrien als auch im Irak dar.

Israel beteiligt sich an der Zerstörung des Irak, indem es seine jahrzehntelangen Beziehungen zu den kurdischen Separatisten verstärkt. Außenminister Avigdor Lieberman sagte seinem amerikanischen Kollegen John Kerry bei einem Treffen in Paris am Donnerstag ganz offen, daß die staatliche Unabhängigkeit des irakischen Kurdengebiets »eine ausgemachte Sache« sei. Israelische Experten rechnen in diesem Fall mit einer schnellen Anerkennung durch Jerusalem.

* Aus: junge Welt, Samstag 28. Juni 2014


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