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Irakische Armee meldet Erfolge

Vorrücken der ISIL auf Bagdad angeblich aufgehalten. Baathisten unterstützen Islamisten *

Die irakische Armee hat Medienberichten zufolge am Wochenende eine großangelegte Offensive gegen die Terrororganisation »Islamischer Staat im Irak und der Levante« (ISIL bzw. ISIS) gestartet. Nach eigenen Angaben rückte sie an die von ISIL kontrollierte Stadt Mossul im Norden des Landes heran. Die irakische Nachrichtenseite Al-Sumaria News meldete am Sonntag unter Berufung auf das Militär Kämpfe in der westirakischen Ortschaft Tall Afar, rund 70 Kilometer westlich von Mossul. Bereits zuvor hatte die Armee offenbar Samarra zurückerobern können. Zudem wurde gemeldet, daß die Regierungstruppen auch Tikrit wieder unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Kurdische Peschmerga schlugen zudem ISIL-Kämpfer im Ostirak sowie an der irakisch-syrischen Grenze im Westen des Landes zurück.

In Bagdad erklärte der Sprecher von Regierungschef Al-Maliki für sicherheitspolitische Fragen, Kassem Atta, am Sonntag bei einer Pressekonferenz, das Militär habe 279 »Terroristen« getötet. Die Armee habe »wieder die Initiative übernommen«. Demgegenüber meldete ISIL, man habe Hunderte irakische Soldaten hingerichtet. Im Internet wurden Fotos verbreitet, die in der Provinz Salaheddin gemacht worden sein sollen und auf denen Dutzende Leichen zu sehen sind. Bei einem Bombenanschlag in Bagdad wurden am Sonntag mindestens neun Menschen getötet.

Die britische BBC berichtete, ISIL sei bei der Eroberung von Mossul in der vergangenen Woche von Anhängern des ehemaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein unterstützt worden. Die vor allem aus der früheren Baath-Partei hervorgegangene Nakschbandi-Miliz habe an der Seite der Islamisten gekämpft, obwohl beide Gruppen eigentlich verfeindet sind. Ein Nakschbandi-Offizier sagte der BBC, ISIL bestehe nur aus »Barbaren«. Zudem wird die Zentralregierung in Bagdad von Gruppen wie der kurdisch-islamistischen Ansar Al-Islam oder der irakisch-nationalistischen Dschaisch Al-Mudschahedin bedrängt.

* Aus: junge Welt, Montag, 16. Juni 2014


Keine Auslandsoperationen

Teheran widerspricht westlichen Berichten über Einsätze iranischer Truppen im Irak und in Syrien

Von Knut Mellenthin **


Die iranische Regierung hat alle Berichte über militärische Einsätze ihrer Truppen im Nachbarland Irak dementiert. Eine entsprechende Meldung hatte zuerst der Desinformationsdienst ­DEBKAfile, dem Nähe zu den israelischen Geheimdiensten nachgesagt wird, am Donnerstag verbreitet. Ungefähr gleichzeitig erschien das Gerücht auch in der US-amerikanischen Tageszeitung Wall Street Journal. Von dort aus gelangte die Story in die internationalen Nachrichtenagenturen und Medien. Alle Meldungen beriefen sich ausschließlich und ohne Namensnennung auf »iranische Sicherheitsquellen«.

Im einzelnen unterschieden sich die Angaben: Das neokonservative Wall Street Journal behauptete lediglich, daß »zwei Einheiten« der iranischen Revolutionsgarden am Mittwoch in den Irak verlegt worden seien, um zum einen die Hauptstadt Bagdad, zum anderen die allen Schiiten heiligen Städte Karbala und Nadschaf zu schützen. Dagegen schrieb ­DEBKAfile, daß »mindestens drei Bataillone« der Garden im Irak im Einsatz seien. Diese Behauptung setzte sich in den westlichen Mainstream-Medien weitgehend durch. Die Personalstärke eines Bataillons wird auf nationaler Ebene und zudem je nach Waffengattung unterschiedlich gemessen. Im Schnitt dürfte sie bei 500 bis 800 Soldaten liegen. Die iranischen Revolutionsgarden sind eine von den staatlichen Streitkräften unabhängige gut bewaffnete Truppe, die auch über eine eigene Luftwaffe und Marine verfügt.

Der Meldung von Wall Street Journal widersprachen zahlreiche iranische Regierungsstellen, darunter der stellvertretende Außenminister Hossein Amir Abdollahian, Ministeriumssprecherin Marzieh Afgham, und das Innenministerium. Gemeinsame Grundaussage: Der Bericht der US-Zeitung sei unwahr. Am ausführlichsten äußerte sich Präsident Hassan Rohani während einer vom Fernsehen übertragenen Pressekonferenz am Sonnabend zu dem Thema. Es handelte sich um die zweite Veranstaltung dieser Art, seit Rohani im August 2014 das Präsidentenamt übernahm. Sie war schon länger angesetzt. Rohani beantwortete Fragen zu unterschiedlichen Gebieten, hauptsächlich naturgemäß zu den internationalen Verhandlungen um das iranische Atomprogramm.

Zu den Meldungen über den Einsatz iranischer Truppen im Irak sagte Rohani der Website seines Büros zufolge, dieses Thema sei bisher zwischen Teheran und Bagdad nicht angesprochen worden. Abgesehen von beratenden Tätigkeiten in einzelnen Fällen führe Iran keinerlei militärische Operationen in anderen Ländern durch. »Wenn Irak von uns irgendwelche Hilfe wünscht, werden wir uns damit befassen. Bislang hat es diesbezüglich keine Anfrage gegeben.« Die iranische Nachrichtenagentur Fars zitierte Rohani mit der Aussage: »Seit ihrer Errichtung hat die Islamische Republik niemals zu solchen Maßnahmen gegriffen und wir haben niemals unsere Truppen zu Operationen in andere Länder geschickt.« Demgegenüber berichten westliche Medien immer wieder, daß iranische Soldaten in Syrien kämpfen. Das war von Teheran auch schon in der Vergangenheit bestritten worden. Beweise für eine Beteiligung des Iran am syrischen Bürgerkrieg, etwa in Form von gefangenen oder getöteten Iranern, hat es bisher nicht gegeben.

Rohani widersprach am Sonnabend auch Meldungen, nach denen der Iran den USA angeboten habe, im Irak zusammenzuarbeiten. Der Präsident sagte dazu ironisch: »Vielleicht möchten auch die Amerikaner helfen. Aber zu diesem Thema wurde mir bisher kein Wort übermittelt.« Tatsächlich ist die vorherrschende Stimmung in den außenpolitischen Kreisen Washingtons bisher so, daß jede Form iranischer Unterstützung für die Regierung in Bagdad polemisch als unerwünschte Einmischung oder sogar als Aggression kommentiert wird. Die Republikaner haben darüber hinaus gefordert, Hilfe für den Irak von der Bedingung abhängig zu machen, daß Bagdad seine Beziehungen zum Iran einschränkt.

** Aus: junge Welt, Montag, 16. Juni 2014


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