Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Endlich Gesetz für Wahl in Irak

Nach Druck vor allem der USA Kompromissformel für umstrittenes Kirkuk

Von Karin Leukefeld, Amman *

Nach wochenlangem Streit hat das irakische Parlament am Sonntag (8. Nov.) das Wahlgesetz für die Parlamentswahl im Januar beschlossen. 141 von 195 anwesenden Abgeordneten votierten in Gegenwart des US-Botschafters Hill für das Gesetz.

»Dauerhaften Frieden und Einheit« werde die Einigung über ein neues Wahlgesetz für die Iraker bringen, sagte ein offensichtlich erleichterter US-Präsident Barack Obama nach der Abstimmung im irakischen Parlament. Zehn Mal hatte sich das Gremium vertagt, weil sich die Abgeordneten nicht über den Status von Kirkuk und über die Frage einigen konnten, ob die Wahllisten offen oder verdeckt präsentiert werden sollten. Das andauernde Gerangel hat dafür gesorgt, dass der ursprünglich für den 16. Januar anberaumte Wahltermin vermutlich nicht eingehalten werden kann.

Laut Verfassung müssen die nächsten Parlamentswahlen bis Ende Januar stattgefunden haben, ein Sprecher der Unabhängigen Irakischen Wahlkommission nannte inzwischen den 21. Januar als neuen Termin. Debatte und Abstimmung waren live im irakischen Fernsehen übertragen worden.

Ohne Druck aus dem Ausland hätten sich die Abgeordneten vermutlich auch bei dieser Sitzung nicht geeinigt. Der türkische Botschafter und Irans Parlamentspräsident Ali Laridjani hatten bei Gesprächen in Bagdad die Interessen »ihrer« Klientel in Irak, der Turkmenen einerseits und der Schiiten andererseits, deutlich gemacht.

Besonders aktiv engagierte sich US-Botschafter Christopher Hill, dessen Regierung unbedingt an dem Abzug der US-Soldaten aus Irak bis Ende 2011 festhalten will. Hill hatte an der ganztägigen Sitzung des Parlaments teilgenommen und war zwischen den Fraktionen hin- und hergependelt, um einen Kompromiss zu erzielen. Bei der Abstimmung am Sonntagabend waren von den 275 Abgeordneten noch 195 anwesend, 141 von ihnen stimmten für das neue Wahlgesetz. Hill und der Oberkommandierende der US-Streitkräfte in Irak, General Ray Odierno, gratulierten umgehend zu der Entscheidung. Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass die zur Wahl angetretenen Parteien, Bündnisse oder Wahllisten die Namen ihrer Kandidaten bekanntgeben müssen.

In Sachen Kirkuk soll die Wahl »provisorisch« bleiben und im Falle von Unstimmigkeiten innerhalb eines Jahres überprüft und auch annulliert werden können. Eine Kommission soll mögliche Unregelmäßigkeiten überprüfen und gefälschte Stimmen annullieren können. Hintergrund des Streits um die Ölregion Kirkuk ist der demografische Wandel seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003. Araber, Turkmenen, Assyrer und andere in Kirkuk lebende Bevölkerungsgruppen werfen den Kurden vor, durch massiven Zuzug die Zusammensetzung der regionalen Bevölkerung zu ihren Gunsten verändert zu haben. Die Kurden halten entgegen, sie seien nach ihrer Vertreibung durch Saddams Umsiedlungspolitik nur wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurückgekehrt.

Basisinitiativen in Kirkuk bemühen sich seit langem, durch Dialog und gemeinsame Projekte die Spaltung in der Bevölkerung zu überwinden, die durch divergierende politische Interessen geschürt wird. Die kurdische Autonomieregierung will Kirkuk in ihr Gebiet eingliedern. Das Wahlgesetz sieht vor, dass in Kirkuk nach einem aktuellen Wahlregister gewählt werden soll – eine Forderung, die vor allem vom kurdischen Parlamentsblock vertreten worden war. Die Gegner dieses Vorschlags blieben der Abstimmung am Sonntag fern.

Außerdem soll das Parlament von 275 Abgeordneten auf künftig 300 vergrößert werden, damit wäre pro 100 000 Einwohner ein Abgeordneter im Amt. Acht Sitze sind für Minderheiten reserviert, Für Frauen gilt eine Quote von 25 Prozent. Auch die im Ausland lebenden Iraker dürfen wählen.

* Aus: Neues Deutschland, 10. November 2009


Zurück zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage