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Rückkehr der "Befreier"

Mit Waffenlieferungen verstärken die USA ihren Einfluß im Irak

Von Knut Mellenthin *

Kurz vor Weihnachten trafen 75 »Hellfire«-Raketen im Irak ein. Zehn Aufklärungsdrohnen des Typs »ScanEagle« sollen im März des neuen Jahres folgen. Die US-Regierung beruft sich dabei auf ihre Verpflichtung, »Irak in seinem Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen«, die sich aus dem 2008 noch unter George W. Bush abgeschlossenen »Strategischen Rahmenabkommen« zwischen Washington und Bagdad ergebe. Damals wurde auch der Abzug der US-amerikanischen Truppen bis Ende 2011 vereinbart – allerdings mit der Einschränkung, daß mehr als 10000 US-Soldaten weiter im Land bleiben sollten. Das scheiterte schließlich an der Forderung der Obama-Administration nach Immunität für die Angehörigen der Streitkräfte.

US-amerikanische Waffenverkäufe an den Irak gehören heute zum Alltag. Die USA sind auch nach dem Truppenabzug größter Militärlieferant des Landes zwischen Euphrat und Tigris geblieben. Doch die Waffen, um die es gegenwärtig geht, standen bisher nicht auf dem Einkaufszettel Bagdads. Die »Hellfire« ist eine Luft-Boden-Rakete mit außergewöhnlicher Spreng- und Zerstörungskraft. Sie gehört zur Standardbewaffnung der schweren amerikanischen Drohnen. Was die Iraker, die solche unbemannten Flugkörper nicht besitzen und nach drei Kriegen auch kaum noch Kampfjets im Einsatz haben, mit den Raketen wollen, erschließt sich auf den ersten Blick nicht. Angeblich sollen sie unter leichte Propellerflugzeuge vom Typ »Cessna« montiert werden. Davon benutzt die irakische Luftwaffe eine größere Anzahl für die Erstausbildung von Piloten.

Die Idee, daß die »Hellfire«-Raketen vielleicht zur Ausrüstung der angekündigten Drohnen gedacht seien, kann man jedenfalls aus mehreren Gründen ausschließen. Der gewichtigste: Die »ScanEagle« ist eine ausgesprochen kleine Drohne. Ihre Nutzlast liegt bei 6,5 Kilo, das Gewicht einer »Hellfire« hingegen bei 45 bis 50 Kilo. Die »­ScanEagle« wurde zunächst hauptsächlich für die US-Marine entwickelt: Sie kann von einem Schiffsdeck aus gestartet und dort auch wieder mit einer speziellen Vorrichtung »eingefangen« werden. Natürlich funktioniert der gleiche Vorgang auch an Land. Zu den Systemvoraussetzungen der Drohne gehören eine Bodenkontrollstation und ein Videoterminal zum Auswerten der Bilder. Ob die Iraker derzeit fähig wären, die Spähflugkörper selbständig zu bedienen, ist jedoch ungewiß. Nicht auszuschließen ist, daß zumindest für eine Übergangszeit US-amerikanische Militärtechniker und Piloten zentrale Aufgaben übernehmen sollen.

Dem Interesse mancher irakischer Kreise an bewaffneten Drohnen mochte die US-Regierung bisher nicht entgegenkommen. Außenminister Hoschjar Sebari hatte diesen Wunsch im August bei einem Besuch in Washington vorgetragen und erkennen lassen, daß US-amerikanische Dienststellen die Fernsteuerung übernehmen könnten. Überhaupt gehört Sebari zu denen, die es für einen großen Fehler halten, daß der Irak sich 2011 nicht auf die Forderung nach Immunität für US-Soldaten eingelassen hat. Bei Besuchen in Kabul warb er dafür, daß Afghanistan diesen »Fehler« nicht wiederhole.

Schon länger auf der Liste vereinbarter Waffenlieferungen steht der Düsenjäger »F-16«. 36 Stück davon wollen die USA irgendwann im Laufe des neuen Jahres liefern. Kurdenpräsident Masud Barsani und andere in Opposition zur Zentralregierung in Bagdad stehende Kräfte sind strikt gegen diesen Deal, weil sie den Einsatz der Kampfflugzeuge bei Konflikten zwischen den Landesteilen fürchten. Wie heftig die Widersprüche gegenwärtig schon ausgetragen werden, zeigte am Sonnabend ein Vorfall in der direkt an Syrien grenzenden sunnitischen Provinz Anbar: Bei dem Versuch, einen Abgeordneten der regierungsfeindlichen Partei Al-Irakija festzunehmen, kam es zu einer Schießerei. Neben einem Polizisten wurden drei Leibwächter sowie eine Schwester und ein Bruder des sunnitischen Parlamentariers getötet. Große Teile der Provinz werden von den fundamentalistischen Terrorbanden der Gruppe »Islamischer Staat Irak und Syrien« dominiert, die auf beiden Seiten der Grenze operiert.

* Aus: junge Welt, Montag, 30. Dezember 2013


Gefälligkeiten mit Drohnen

Roland Etzel zu Waffenlieferungen der USA an Irak *

Die Irak-Politik der US-Administration bleibt, freundlich ausgedrückt, sehr geheimnisvoll. Präsident Obama verkündete jetzt, man liefere Drohnen und Raketen an die schiitisch dominierte Bagdader Regierung auf deren Verlangen – und hat damit einmal mehr seinen arabischen Verbündeten in der Region schwer auf die Füße getreten; sowohl jenen, zu denen er sich ausdrücklich bekennt wie die Fundamentalsunniten in Saudi-Arabien, als auch den Anti-Assad-Milizen, die im Bürgerkrieg zwar das nützlich-schmutzige Geschäft des Westens und der Golfkönige verrichten, mit denen Washington aber nicht in Verbindung gebracht werden möchte.

Warum also unterstützen die USA die irakischen Schiiten, obwohl diese sich weder in die antisyrische noch in die antiiranische Front als Hilfswillige des Pentagons eingliedern lassen? Es ist das Produkt einer gewissen Ausweglosigkeit als Spätfolge der Vulgärweltpolitik der Bush-Regierungen, deren Ergebnis auch die Zerstörung der Machtbalance vor Ort war. Die heutigen Regierungen in der Region sind halb bis ganz abhängig von Washingtons Gnaden, aber herzlich miteinander verfeindet. Washington glaubt, sie sich nur gewogen halten zu können, indem man mal hier, mal da etwas auf die Waagschale wirft. Selbst dafür gäbe es viele Wege, aber im Selbstverständnis der USA geht das nur mit Waffen.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 28. Dezember 2013 (Kommentar)


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