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Hoch gepokert

Al-Maliki-Regierung rang USA bei Truppenabkommen Zugeständnisse ab, wofür Bush in Washington heftig kritisiert wird

Von Rainer Rupp *

Am kommenden Montag soll das Gesetz über das amerikanisch-irakische Truppenstationierungsabkommen vom irakischen Parlament verabschiedet werden. Noch im Dezember wollen der von den USA eingesetzte irakische Regierungschef Nuri Al-Maliki und US-Präsident George W. Bush den Vertrag unterzeichnen. Die Zeit drängt, denn zum Jahreswechsel läuft das Mandat des UNO-Sicherheitsrats ab, das Washington seit seiner illegalen Invasion als völkerrechtliche Grundlage für die Besetzung des Landes dient. Da das mit Auflagen versehene UNO-Mandat alljährlich verlängert werden mußte, stellte es für Washington eine unliebsame Einschränkung seiner Handlungsfreiheit dar. Deshalb wurde die Al-Maliki-Regierung unter enormen Druck gesetzt, um ein bilaterales Truppenstationierungsabkommen mit den USA abzuschließen.

US-Berichten zufolge wollte Präsident Bush dieses sogenannte Sicherheitsabkommen mit dem Irak unbedingt noch vor seinem Amtsende, um so seinen Nachfolger Barack Obama, der den Abzug der US-Kampftruppen innerhalb von 16 Monaten nach seiner Amtsübernahme abgeschlossen haben will, auf einen Verbleib der US-Trupen bis mindestens 2011 festzulegen. Allerdings hatte Washington mit der Al-Maliki-Regierung kein leichtes Spiel. Einerseits hängt zwar deren physisches und politisches Überleben vom Schutz der Amerikaner ab, aber andererseits trifft der Vertrag mit Washington auf heftige und breite Ablehnung in der Bevölkerung. Vor dem Hintergrund des massiven innenpolitischen Widerstands verzögerte Al-Maliki immer wieder die Verhandlungen und rang so den zunehmend unter Zeitdruck stehenden Amerikanern bisher nie gekannte Zugeständnisse ab. wie etwa den detaillierten Zeitplan für den militärischen Abzug im Jahr 2011. Dies wiederum hat zu scharfer Kritik in Washington geführt.

Sogar im Pentagon wird das neue Abkommen heftig verurteilt, da es Irak mehr Kontrolle über amerikanische Militäroperationen einräumt, als die USA in ähnlichen Vertragswerken je einem anderen Land zugebilligt haben. Zugleich haben am Donnerstag US-Verfassungsrechtler vor dem Kongreß in Washington darauf hingewiesen, daß das sogenannte Sicherheitsabkommen sowohl gegen die irakische als auch gegen die amerikanische Verfassung verstößt. In Irak setze z.B. die Al-Maliki-Regierung zur Ratifizierung des Gesetzes auf die einfache Mehrheit, während die Opposition auf einer Zwei-Drittel-Mehrheit besteht, die beim Entscheid über nationale Sicherheitsfragen von der Verfassung verlangt wird. Eine Diskussion darüber im Parlament in Bagdad endete am Mittwoch im Chaos.

In Washington denkt derweil die Bush-Administration gar nicht daran, den Wortlaut des Abkommens dem Kongreß vorzulegen. Dieser bleibt streng geheim, obwohl der Vertrag – allerdings in arabischer Sprache – in Irak veröffentlicht wurde. Juristisch rechtfertigt das Weiße Haus sein Vorgehen mit der Blanko-Genehmigung, die der Kongreß dem Präsidenten 2003 für die Invasion des Irak gegeben hatte. Bei der Kongreßanhörung bestanden die Verfassungsrechtler jedoch darauf, daß das Stationierungsabkommen wegen der umfangreichen US-Zugeständnisse an Irak zwingend der Ratifizierung durch den Kongreß bedürfe.

Nicht nur Demokraten, sondern auch Republikaner haben sich inzwischen insbesondere darauf eingeschossen, daß das Stationierungsabkommen erstmals in der Geschichte die Gerichtsbarkeit über US-Söldner, die sich im Auftrag der US-Regierung in Irak befinden, an irakische Gerichte überträgt. Gleiches gilt – zumindest pro forma – auch für straffällig gewordene US-Soldaten. Damit ist die Al-Maliki-Regierung einer dringenden Forderung der Bevölkerung nachgekommen, die US-Killer, die immer wieder wahllos auf Zivilisten schießen, vor irakischen Gerichten zur Verantwortung zu ziehen. Für die US-amerikanische Befindlichkeit ist jedoch allein schon der Gedanke an eine irakische Gerichtsbarkeit über einen US-Bürger eine empörende und ungeheuerliche Zumutung, an der sich in nächster Zeit sicher noch viel mehr Kritik entzünden wird.

* Aus: junge Welt, 22. November 2008

Bagdad: Demo gegen Pakt mit USA

Tausende Anhänger des schiitischen Geistlichen Muktada Al Sadr haben am Freitag (21. November) gegen den sogenannten US-amerikanisch-irakischen Sicherheitspakt demonstriert, der den USA eine Militärpräsenz im Irak für weitere drei Jahre erlaubt.

Auf dem zentralen Bagdader Platz, auf dem einst eine Statue des 2003 nach der US-geführten Invasion gestürzten Saddam Hussein stand, wurde eine US-Präsident George W. Bush darstellende Strohpuppe verbrannt.
Es wird erwartet, daß das irakische Parlament am kommenden Montag (24. Nov.) in dritter Lesung dem Pakt zustimmt. /jw)




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