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Truppen bleiben

Teheran ist mit dem sogenannten Sicherheitsabkommen zwischen Washington und Bagdad unzufrieden

Von Karin Leukefeld *

Das irakische Kabinett hat am vergangenen Wochenende einem Abkommen mit der US-Armee zugestimmt. Am kommenden Montag soll ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden. Nach den bisherigen Plänen werden der von den USA eingesetzte irakische Regierungschef Nuri Al-Maliki und US-Präsident George W. Bush den Vertrag noch im Dezember unterzeichnen. Im Oktober hatten sich beide Seiten nach über einem Jahr Verhandlungen auf den Entwurf eines sogenannten Sicherheitsabkommens geeinigt, das die Rechtsgrundlage für den weiteren Einsatz der US-Truppen im Zweistromland liefern soll.

Die US-Seite lastet die lange Verhandlungsdauer dem Iran an. Angeblich habe Teheran versucht, mit Geldzuwendungen an Abgeordnete und Minister, mit Waffenlieferungen an Widerstandsgruppen und durch Einschüchterung die irakischen Entscheidungsträger dahingehend zu beeinflusse, das Abkommen zu verhindern oder mindestens zu verzögern. Nichts davon ist belegt, und der wiederholte Vorwurf, Iran liefere neueste Waffen an Milizen im Irak, wurde sogar kürzlich durch eine Untersuchung der Koordination der Multinationalen Streitkräfte in Irak (MNFI) eindeutig widerlegt.

Iranischer Einfluß

Gleichwohl macht der Iran aus seiner Ablehnung des Abkommens kein Geheimnis. Washington versuche, seine »Hegemonie im Irak« zu untermauern, kritisierte Parlamentssprecher Ali Laridschani und begrüßte die Hartnäckigkeit, mit der Irak sich dem Abkommen widersetzt habe: »Die Iraker und das Parlament müssen wissen, daß die Zeit des Widerstandes noch nicht vorbei ist.« Präsident Mahmud Achmadinedschad sagte, das Abkommen solle den Irak schwächen, damit die USA das Land besser »ausplündern« können.

Irak: Tumulte im Parlament

Bagdad. Bei der zweiten Lesung des sogenannten Sicherheitsabkommens mit den USA ist es im irakischen Parlament zu Tumulten gekommen. Abgeordnete der schiitischen Partei des Geistlichen Muktada Al-Sadr störten den Ablauf am Donnerstag mit Zwischenrufen. Außerdem schlugen sie mit der Faust auf den Tisch und lieferten sich eine Rangelei mit Sicherheitskräften. Dennoch wurde die zweite Lesung wie geplant abgeschlossen. Das Abkommen ermöglicht die Stationierung von US-Truppen für drei weitere Jahre, wobei die Verantwortung der irakischen Behörden aber erweitert werden soll. (AP/jW)



Der iranische Einfluß im Irak ist nicht zu unterschätzen, doch nicht alle Iraker sind damit glücklich. Die US-Politik unter George W. Bush hat durch den Sturz der Taliban in Afghanistan und von Saddam Hussein in Irak zwei wesentliche Gegner Teherans ausgeschaltet und den Iran damit als Regionalmacht gestärkt. Nun will Teheran seine wirtschaftlichen, politischen und Sicherheitsinteressen im Irak verankern. Organisationen wie der Hohe Islamische Rat in Irak (SIIC) und die mit ihm verbundenen Badr-Milizen, die zu Exilzeiten des Geistlichen und Politikers Abdulasis Al-Hakim im Iran gegründet wurden, wurden auch von Washington als Mitglieder des seinerzeit oppositionellen Irakischen Nationalkongresses (INC) finanziell unterstützt und als Alternative zu Saddam Hussein aufgebaut. »Auf den Panzern der Amerikaner«, so ein irakisches Sprichwort, kehrten Al-Hakim und die Seinen 2003 in den Irak zurück, wo sie von Anfang an von der US-Besatzungsbehörde in wichtige Positionen gehievt wurden. Doch es gibt erheblichen Widerspruch gegen »die Iraner« in der irakischen Politik, wofür nicht zuletzt, wenn auch oft zweideutig, die Dawa-Partei von Nuri Al-Maliki steht. Seine Allianz mit den irakischen Stämmen, um kurdische und schiitische Autonomiebestrebungen im Norden und Süden Iraks einzudämmen und die Zentralregierung zu stärken, ist ein deutlicher Schritt gegen die Ambitionen des SIIC. Der will neun südirakische Provinzen -- die fast alle auf Öl schwimmen -- zu einer autonomen Region zusammenfassen und den Einfluß der Zentralregierung dort zurückzudrängen.

Mehrheit für Abzug

So wie Iran aus wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen gegen eine weitere US-Truppenstationierung im Irak agiert, übt die US-Administration aus strategischen und ökonomischen Interessen Druck dafür aus. Die irakische Regierung sei zwischen den Interessen Irans und der USA eingeklemmt, sagte Regierungssprecher Al-Dabbagh in seltener Offenheit. Die Konflikte beider Staaten machten Irak zu einem »Schlachtfeld«. Die Zusicherung, daß US-Truppen von irakischem Boden keine Angriffe auf Nachbarländer starten dürften, scheine Teheran zu beruhigen, meinte Al-Dabbagh. »Sie wollen einen besseren politischen Austausch mit den USA, und wir fordern die US-Administration auf, ihre Politik gegenüber dem Iran zu ändern«.

Mit dem neuen US-Präsidenten Barack Obama scheint das möglich geworden zu sein. Die weitgehend positive Reaktion im Iran auf die Wahl von Obama signalisiert, daß man dort auf Entspannung hofft, was sich gleichzeitig entspannend auf die Lage im Irak auswirken dürfte. Die Sadr-Bewegung, von der westliche Beobachter meinen, sie werde von Iran geführt, scheint derweil von ihrer Grundsatzforderung nach sofortigem Abzug der fremden Truppen nicht abzurücken. Ob sie vom Iran dazu angehalten wird, ist Spekulation. Klar ist, daß sie die Mehrheit der Iraker hinter sich weiß. Die lehnen die weitere Präsenz ausländischer Truppen zu 70 Prozent ab.

* Aus: junge Welt, 21. November 2008


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