Unerwünschte US-Soldaten
Bagdad erlebte Großdemonstration gegen die Besatzungsmacht
Von Karin Leukefeld *
Der Widerstand gegen das geplante Abkommen zur weiteren Stationierung von US-Soldaten in Irak wächst. Am Samstag schlossen sich Zehntausende Menschen einer von Anhängern des Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr organisierten Protestdemonstration in Bagdad an.
»Ich bin an der Seite von jedem Sunniten, Schiiten oder Christen, der sich gegen die Vereinbarung stellt (..), ich bin gegen die Besatzungstruppen und ihre Stützpunkte in unserem geliebten Land, ich verurteile sie und fordere sie auf abzuziehen.« Sadr, der erklärte Besatzungsgegner und Prediger, fand klare Worte, als am vergangenen Samstag Zehntausende, einige Quellen sprechen von über 100 000 Irakern, gegen ein »Sicherheitsabkommen« zwischen Irak und den USA protestierten und den sofortigen Abzug der fremden Truppen forderten.
Sadrs Botschaft wurde über Lautsprecherwagen verlesen, während die Demonstranten von Sadr City über den Beirut-Platz und die Palästina-Straße bis zur Mustansiriya-Universität zogen. Die Sadr-Bewegung mobilisierte neben Schiiten aus den südirakischen Provinzen auch Sunniten aus Falludscha und christliche Gruppen, die die Besatzung für das Chaos in ihrem Land verantwortlich machen.
»Wir demonstrieren gegen die Besatzung«, erklärte der Schiit Kerim Kadhim aus Nadschaf einem AFP-Reporter. »Sie wollten uns befreien und dann wieder gehen, aber sie lügen immer weiter. Warum halten sie unser Land besetzt?« Das umstrittene Truppenstatut, in dem der weitere Verbleib der US-Truppen in Irak geregelt werden soll, wenn das UN-Sicherheitsmandat Ende 2008 ausläuft, werde Irak die Souveränität rauben, so die Menschenmassen, die immer wieder »Schluss mit der Besatzung« und »Nein, nein zu Amerika« riefen. Irakische Medien berichteten kaum über das Ereignis.
Seit mehr als einem Jahr haben die irakische Regierung und US-Vertreter um das Abkommen gerungen, umstritten waren die Dauer des Verbleibs der Truppen und die Frage ihrer Straflosigkeit. Letztere ist für die US-Regierung unverhandelbar. Vorige Woche wurde nun vermeldet, man habe sich »geeinigt«. US-Medien zufolge sollen die US-Truppen sich bis Mitte 2009 aus den Städten in die US-Militärbasen zurückgezogen haben. Bis 2011 sollen die rund 150 000 US-Soldaten aus dem Irak abgezogen werden. Geoff Morrell, Sprecher des Pentagons, räumte lediglich »angestrebte Zeitpläne« an, wollte mehr aber nicht bestätigen. Im Übrigen gelte das Ganze sowieso nur, »wenn es die Sicherheitslage vor Ort« zulasse.
Nicht nur die Sadr-Bewegung sei gegen die Vereinbarung, erklärte der irakische Autor Abdulhay Yahya Zalloum im arabischen Fernsehsender Al-Dschasira die Teilnahme von Christen und Sunniten an der Demonstration in Bagdad. Die USA seien »ohne Einladung« nach Irak gekommen, und noch immer seien »150 000 US-Soldaten und mindestens 50 000 Sicherheitskräfte« da. In einem Land, das unter Besatzung in einer »Pseudounabhängigkeit« sei, könnte man kaum erwarten, dass solche Vereinbarungen »zum Wohle Iraks« getroffen würden.
Die Mehrheit der Iraker fordert den sofortigen Abzug der fremden Truppen, die Befürworter der Besatzung dürften vor allem bei den Anhängern der kurdischen Parteien in den Autonomiegebieten zu finden sein, die sich vom Verbleib der US-Armee für die Zukunft Schutz erhoffen. So sieht das auch Kerim A., arbeitsloser Sportlehrer aus Bagdad, der allerdings noch andere Nutznießer nennt: »Die ganze Regierung sitzt in der ›Grünen Zone‹ in Bagdad und wäre nichts ohne den Schutz der fremden Truppen.«
* Aus: Neues Deutschland, 20. Oktober 2008
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