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ExxonMobil ersetzt zehn US-amerikanische Armeedivisionen

Türkisch-kurdisch-irakischer Schlagabtausch - wegen Syrien

Von Karin Leukefeld

Der kurdische Autonomiepräsident Masud Barzani hat seinen Konfrontationskurs gegen den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki weiter verschärft. Bereits am Sonntag hatte Barzani die US-Regierung aufgefordert, von einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft mit Bagdad Abstand zu nehmen. Die 36 Kampfjets F-16, deren Lieferung zwischen Washington und Bagdad seit Monaten vereinbart ist, dürften nicht „in die Hände von Al-Maliki fallen“, sagte Barzani. „Wir müssen das verhindern oder, sollte Maliki die Kampfjets bekommen, muss er seinen Posten verlassen“, wird Barzani in türkischen Medien zitiert. Ihm lägen Informationen vor, wonach Maliki mit seinem Militärstab über einen Angriff auf die kurdische Autonomieregion gesprochen habe, hieß es in einem Bericht der englischsprachigen Daily News. Die Offiziere hätten Maliki gesagt: „Geben sie uns den Befehl und wir werden sie aus Erbil verjagen“, woraufhin Maliki gesagt haben soll: „Wartet bis die F-16 eingetroffen sind.“ Quellen für die angeblichen Äußerungen wurden nicht genannt, auch das offizielle Informationsportal der Kurdischen Regionalregierung (KRG) im Internet berichtet nichts zu diesem Thema. Barzani habe sich der Daily News zufolge an den Ölkonzern ExxonMobil gewandt und diesen aufgefordert, in der Autonomieregion Kurdistan im Nordirak eine Niederlassung zu eröffnen. „Wäre ExxonMobil hier, wäre das soviel wert wie zehn (US)Amerikanische Armeedivisionen“, wird Barzani zitiert. Ende 2011 hatte die Kurdische Regionalregierung mit ExxonMobil einen Vertrag über die Erkundung von sechs Ölfeldern unterzeichnet.

Barzani’s Äußerungen gegenüber Bagdad haben seit seiner Rückkehr aus Washington Mitte April einen deutlich provokativen Ton angenommen. Mitte April hatte er Maliki vorgeworfen, ein neuer Diktator zu werden und Irak in einen Konfessionskrieg zu treiben.

Ähnliche Vorwürfe erhebt auch Ankara gegen die irakische Führung. Der türkische Ministerpräsident Tayyib Erdogan hatte Maliki vor einer Woche (19.4.) „eigensüchtiges“ Verhalten vorgeworfen und gesagt, er schüre damit einen Konflikt zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen und den Kurden. Al-Maliki hatte darauf mit dem Vorwurf reagiert, die Türkei werde zum „Feindesland“ mit einer „spalterischen Agenda“. Erdogan hatte daraufhin erklärt, er werde auf die Vorwürfe nicht eingehen, um Maliki keine Gelegenheit zur Selbstdarstellung zu geben. Bagdad bestellte inzwischen den türkischen Botschafter ins Außenministerium ein.

Hintergrund des türkisch-irakischen Schlagabtauschs ist in der Syrienkrise zu sehen, in der beide Staaten unterschiedliche Positionen einnehmen. Bagdad nutzt seinen Vorsitz in der Arabischen Liga dazu, auf eine friedliche Verhandlungslösung zwischen der syrischen Führung und der Opposition zu drängen. Die Türkei dagegen hatte sich frühzeitig hinter die Opposition gestellt, deren Syrischen Nationalrat (SNR) sie nicht nur politisch, finanziell und logistisch unterstützt, sondern auch bewaffnete Gruppen um die „Freie Syrische Armee“ beherbergt und den Waffenschmuggel nach Syrien nicht unterbindet. Das Interesse der regierenden AKP in Ankara ist unter anderem die politische Anerkennung der Muslim Bruderschaft, die in Syrien verboten ist.

In einem Interview mit dem arabischen Satellitensender Al Jazeera (Katar) erklärte Erdogan am Mittwoch (25.4.), die Türkei werde die NATO gemäß Artikel 5 um Hilfe bitten, um in Zukunft auf mögliche Angriffe der syrischen Armee auf die türkische Grenze reagieren zu können. Erdogan bezog sich dabei auf eine bewaffnete Auseinandersetzung im Grenzgebiet vor zwei Wochen, als nach Angaben von Oppositionellen die syrische Armee auf fliehende Syrer geschossen habe. Die syrische Armee gab an, gegen bewaffnete Gruppen im Grenzgebiet vorgegangen zu sein. Der Plan von Kofi Annan sei gut, sagte Erdogan in dem Interview weiter. Allerdings brauche eine Beobachtermission bis zu 3000 Beobachter, um die Waffenruhe in Syrien zu überwachen.

Die harte Haltung der türkischen Regierung gegen Syrien wird nicht zuletzt wegen der massiven wirtschaftlichen Einbußen in der Türkei von vielen kritisch gesehen. Damaskus hat in den letzten Monaten aus Protest gegen die politische Haltung der Türkei sämtliche wirtschaftliche Vereinbarungen der vergangenen Jahre aufgekündigt und den Import von Waren aus der Türkei gedrosselt. Die überwiegende Mehrheit türkischer Produkte für die Golfstaaten, Jordanien, Ägypten und Israel wurden bisher per Lastwagen durch Syrien transportiert, was nun gestoppt ist. Ankara hatte daraufhin einen Umweg für seine Transporte über Bagdad gesucht, was von dort bisher unbeantwortet geblieben war. Immerhin gelang es am (vergangenen) Wochenende dem türkischen Wirtschaftsminister Zafer Caglayan, sich mit dem ägyptischen Transportminister Galal Said auf den Transport von Gütern per Schiff zu einigen. Die unterzeichnete Vereinbarung sieht die Gründung einer Ro-Ro-Fährverbindung zwischen beiden Staaten vor, die erste Fähre sollte am gestrigen 26. April von Mersin aus in Richtung Alexandria in See stechen. Jeder Transport werde 1000 US-Dollar teurer sein, als sie früher beim Transport durch Syrien kostete, räumte der türkische Wirtschaftsminister auf Fragen von Reportern ein. „Wir werden Maßnahmen ergreifen, um die Transportunternehmen zu unterstützen.“


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