Sadr-Bewegung für Ende der Besatzung
Ruf nach Regierung der nationalen Einheit
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Der 7. Jahrestag des Falls von Bagdad ging am Wochenende an der
westlichen Welt weitgehend unbemerkt vorüber. Viele Iraker fordern
derweil eine »Regierung der nationalen Einheit«.
Während Kriegs- und Besatzungsgegner in Damaskus zu einer Konferenz
zusammenkamen, um die Auswirkungen von sieben Jahren Besetzung zu
diskutieren, demonstrierten in Bagdad »Anti-Korruptions-Gruppen« mit
einem traditionellen Marsch über die Al-Adhamia-Brücke, die den
schiitischen Stadtteil Khadimia mit dem sunnitischen Adhamia verbindet.
Sie forderten den Abzug der Zehntausenden ausländischen Soldaten und der
privaten Sicherheitsfirmen. Durch Nadschaf marschierten Tausende
Anhänger der Sadr-Bewegung mit überdimensionalen irakischen Fahnen und
Parolen wie »Ja zu Irak, Nein zur Besatzung«. Scheich Hazem al-Araji
verlas eine Botschaft des Klerikers Muktada al-Sadr, der sich seit drei
Jahren im Exil befindet. »Die Menschen stimmten gegen Hunger,
Verhaftungen und Terrorismus und dafür, dass die Baathisten nicht
wiederkommen« - in Irak habe eine neue Ära begonnen: »Für Besatzer und
Unterdrücker ist hier kein Platz mehr.«
Beobachtern zufolge richtete sich die Botschaft besonders an den noch
amtierenden Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, der die irakische Armee
2008 mit Unterstützung der USA-Truppen die Sadr-Miliz (Mehdi-Armee)
blutig niederschlagen ließ. Tausende wurden gefangen genommen, viele
befinden sich weiter ohne Anklage und Verfahren in Haft. 2005 war Maliki
noch mit Unterstützung der Sadr-Bewegung ins Amt gekommen.
Bei einem inoffiziellen Referendum der Bewegung vor einer Woche hatten
nach deren Angaben 1,43 Millionen Anhänger über den künftigen
Regierungschef abgestimmt. Nuri al-Maliki und Ijad Allawi, deren
Bündnisse bei den Wahlen die meisten Stimmen erhalten hatte, landeten
abgeschlagen bei 10 und 9 Prozent, während Ibrahim al-Dschafari, 2005
schon einmal im Amt, mit 24 Prozent vorn lag. Politiker der
Sadr-Bewegung schließen zwar eine Zusammenarbeit mit Maliki kategorisch
aus, sprechen sich ansonsten aber für eine Koalitionsregierung aus, der
die vier stärksten Fraktionen angehören sollen. Das sind Al Irakia (91
Mandate), die »Liste für Rechtsstaatlichkeit« (89), die Irakische
Nationale Allianz (INA, 70) und die Kurdistan-Allianz (43). Sowohl den
Kurden als auch der Sadr-Bewegung kommt eine Schlüsselrolle bei der
Regierungsbildung zu. Letztere stellt mit 39 Abgeordneten die stärkste
Fraktion in der religiösen INA-Allianz. Ein Sprecher von Großajatollah
Ali al-Sistani forderte die Politiker auf, umgehend eine Regierung der
nationalen Einheit zu bilden, in der »keine politische Komponente
ausgeschlossen« sein dürfe.
Wie wichtig dabei die Nachbarstaaten sind, zeigt sich in der
Reiseaktivität irakischer Politiker. Deren Ziele waren Teheran und
Damaskus ebenso wie die saudische Hauptstadt Riad. Syriens Präsident
Bashar al-Assad drückte seine Hoffnung aus, dass die Iraker künftig an
einem Strang ziehen und die Einheit ihrer Nation erhalten. Ähnlich
äußerte sich der iranische Botschafter in Bagdad, Hassan Kazemi Qomi,
der erklärte: »Keine der erfolgreichen Wahllisten sollte ausgegrenzt
werden.« Vorwürfe, Iran versuche sich in die Innenpolitik Iraks
einzumischen, wies der Botschafter zurück. USA-Botschafter Christopher
Hill forderte dagegen Teheran auf, Bagdad eigene Entscheidungen treffen
zu lassen.
* Aus: Neues Deutschland, 13. April 2010
Zurück zur Irak-Seite
Zurück zur Homepage