Irak: "Warum wir wissen, dass der Irak lügt"
Condoleezza Rice verschärft den Ton gegenüber Irak
Im Folgenden dokumentieren wir einen Namensartikel von Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, der am 23. Januar 2003 in der New York Times erschien. Das Original ist auf der Homepage des State Department (http://usinfo.state.gov) veröffentlicht. Die Übersetzung ins Deutsche wurde von der US-Botschaft in Deutschland besorgt.
Von Condoleezza Rice
Elf Wochen, nachdem der UN-Sicherheitsrat einstimmig eine Resolution
verabschiedet hat, die - mal wieder - fordert, dass der Irak alle seine
nuklearen, chemischen und biologischen Waffenprogramme offen legt und sich
ihrer entledigt, ist es durchaus angemessen zu fragen, "Hat Saddam Hussein
sich endlich freiwillig für Abrüstung entschieden?". Leider ist die Antwort
ein klares und dröhnendes Nein.
Eine freiwillige Entwaffnung hat nichts Geheimnisvolles an sich. Länder,
die sich zur Abrüstung entschließen, führen Inspektoren zu Waffen und
Produktionsstätten, beantworten Fragen, bevor sie gestellt werden, bekunden
öffentlich und häufig ihre Absicht zur Abrüstung und fordern ihre Bürger
zur Kooperation auf. Die Welt weiß anhand der Beispiele von Südafrika, der
Ukraine und Kasachstan, wie es ist, wenn sich eine Regierung entscheidet,
seine Massenvernichtungswaffen aufzugeben. Die entscheidenden gemeinsamen
Elemente dieser Bestrebungen beinhalten die Verpflichtung zur Abrüstung auf
hoher politischer Ebene, nationale Initiativen zur Einstellung von
Waffenprogrammen sowie umfassende Kooperation und Transparenz.
Im Jahr 1989 traf Südafrika die strategische Entscheidung, sein heimliches
Atomwaffenprogramm abzubrechen. Es zerstörte sein sieben Waffen umfassendes
Arsenal und unterzog sich später rigorosen Überprüfungen durch die
Internationale Atomenergieorganisation. Inspektoren wurde uneingeschränkter
Zutritt zu allen Nuklearanlagen gewährt (betriebsbereiten und
stillgelegten)
sowie zu den dort arbeitenden Personen. Außerdem wurden ihnen Tausende von
Unterlagen zur Verfügung gestellt, die im Detail beispielsweise den
täglichen Betrieb von Urananreicherungsanlagen sowie den Bau und die
Zerstörung bestimmter Waffen belegten.
Die Ukraine und Kasachstan zeigten in ähnlicher Weise
Kooperationsbereitschaft, als sie sich entschlossen, ihre Atomwaffen,
Interkontinentalraketen und von der Sowjetunion übernommenen schweren
Bomber
abzurüsten. Mit der beträchtlichen Unterstützung durch die Vereinigten
Staaten - in beiden Ländern hoch willkommen - ging die Abrüstung planmäßig,
offen und schnell vor sich. Atomsprengköpfe wurden an Russland
zurückgegeben. Lagerstätten von Raketen und schwere Bomber wurden zerstört
oder zerlegt - einmal wohnten einer solchen Zeremonie sogar ein
amerikanischer und ein russischer Verteidigungsminister bei. In einem Fall
offenbarte Kasachstan die Existenz einer Tonne hoch angereicherten Urans
und
bat die Vereinigten Staaten, diese abzutransportieren, damit das Material
nicht in falsche Hände geriete.
Das Verhalten des Irak könnte in keinem stärkeren Kontrast hierzu stehen.
Anstelle sich zur Abrüstung zu verpflichten, engagiert sich der Irak auf
hochrangiger politischer Ebene dafür, seine Waffen zu behalten und zu
verbergen. Hinter dieser Politik stehen Saddam Hussein und sein Sohn Qusay,
der eine für die Geheimhaltungsaktivitäten des Iraks zuständige
Sicherheitssonderorganisation leitet. Anstatt nationale Initiativen zur
Abrüstung umzusetzen, unterhält der Irak Institutionen, deren einziger
Zweck
darin besteht, die Arbeit der Inspektoren zu hintertreiben. Und anstatt
umfassende Kooperation und Transparenz an den Tag zu legen, hat der Irak
den
Vereinten Nationen einen falschen Bericht vorgelegt, der über 12.200 Seiten
hinweg aus nichts als Lügen besteht.
Beispielsweise legt der Bericht keine Rechenschaft darüber ab oder erklärt
die Bemühungen des Irak, ausländisches Uran zu beschaffen oder speziellen
Treibstoff für ballistische Flugkörper herzustellen, von denen er
behauptet,
sie gar nicht zu besitzen; und er macht auch keine Angaben zu bereits
früher
von den Vereinten Nationen ausgemachte Lücken im Rechenschaftsbericht des
Irak über mehr als zwei Tonnen Rohstoffe, die für die Produktion von
Tausenden Litern Anthrax oder anderer biologischer Waffen benötigt werden.
In der irakischen Erklärung wurde sogar unverfroren abgekupfert, indem
weite
Teile von UN-Berichten wortwörtlich kopiert (oder so bearbeitet sind, dass
jegliche Kritik am Irak wegfällt) und dann als Originaltext präsentiert
wurden. Der Bericht ist weit entfernt davon, Informationen zu liefern,
sondern zielt darauf ab, das wahre Bild vom irakischen Waffenarsenal zu
verschleiern und zu verzerren. Dies spiegelt den wohlverdienten Ruf des
Regimes wider unaufrichtig zu sein und stellt eine eklatante
Pflichtverletzung der Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrats dar, die zu
dem
laufenden Inspektionsprogramm führte.
Anders als andere Nationen, die freiwillig abrüsteten, - und unter
Missachtung von Resolution 1441 - gewährt der Irak den Inspektoren keinen
"unverzüglichen, ungehinderten, uneingeschränkten Zugang" zu Einrichtungen
und Personen, die im Zusammenhang mit seinem Waffenprogramm stehen. Wie die
kürzlich erfolgte Inspektion des Hauses eines irakischen
Nuklearwissenschaftlers zeigte - und was auch aus anderen Quellen bestätigt
wird - werden Materialien und Unterlagen immer noch in der Manier
possenhaften Versteckspiels herumtransportiert. Das Regime hat außerdem die
freie und uneingeschränkte Luftaufklärung blockiert.
Die Liste der im Zusammenhang mit Massenvernichtungsprogrammen stehenden
Personen, die die Vereinten Nationen vom Irak verlangen, endet mit den
Namen
derjenigen, die im Jahr 1991 arbeiteten - auch wenn die Vereinten Nationen
bereits vorher festgestellt hatten, dass die Programme auch danach
fortgeführt wurden. Gespräche mit Wissenschaftlern und mit Waffenprogrammen
befassten Personen, die die Inspektoren ausgemacht haben, fanden nur unter
der aufmerksamen Anwesenheit von Regimevertretern statt. Angesichts der
bekannten Doppelzüngigkeit des Regimes können die vor kurzem abgegebenen
Versprechen sich zu bessern nur als ein Versuch gewertet werden Zeit zu
schinden.
Die Tatsache, dass die Inspektoren vergangene Woche 12 chemische
Sprengköpfe
fanden, die nicht im Bericht des Iraks auftauchen, war besonders
beunruhigend. In der Vergangenheit wurde diese Art von Sprengköpfen mit
Sarin bestückt - ein tödliches Nervengas, das 1995 von japanischen
Terroristen in der Tokioter Untergrundbahn verwendet wurde, wobei 12
Fahrgäste ums Leben kamen und Tausende andere erkrankten. Richard Butler,
der ehemalige Leiter der UN-Waffeninspektoren, schätzt, dass mehr als eine
Million Menschen getötet werden könnten, sollte ein größerer vom Irak
produzierter und in der Vergangenheit eingesetzter Sprengkopf mit VX (einem
weitaus tödlicherem Nervengas) bestückt und auf eine große Stadt abgefeuert
werden. Der Irak hat es ebenso unterlassen, den UN-Inspektoren Unterlagen
zur Verfügung zu stellen, die seine Behauptung belegen, VX-Vorräte zerstört
zu haben.
Es bleiben viele Fragen offen im Hinblick auf die nuklearen, chemischen und
biologischen Waffenprogramme und Arsenale des Irak - und es ist am Irak,
die
Antworten zu liefern. Der Irak tut dies auf spektakuläre Weise nicht.
Sowohl
durch seine Handlungen als auch durch seine Untätigkeit beweist der Irak
nicht, dass er ein zur Abrüstung bereites Land ist, sondern im Gegenteil
eine Nation, die etwas zu verbergen hat. Der Irak betrachtet die
Inspektionen immer noch als Spiel. Das Land muss wissen, dass die Zeit
abläuft.
Originaltext: Concoleezza Rice Says Iray Clearly Lying About its Weapons
(siehe http://usinfo.state.gov)
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