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Wahlkampf mit Anschlägen

Im Irak werden die Provinzparlamente neu zusammengesetzt

Von Karin Leukefeld *

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen finden am Samstag im Irak Wahlen zu den Provinzparlamenten statt. In 14 der 18 Provinzen bewerben sich 14400 Kandidaten, darunter knapp 4000 Frauen, um die insgesamt 440 Sitze. Von den 28 Millionen Irakern sind 14,8 Millionen wahlberechtigt. Die etwa zwei Millionen irakischen Inlandsvertriebenen können in speziell für sie eingerichteten Wahlzentren dort wählen, wo sie sicheren Aufenthalt gefunden haben. Angehörige von Armee und Polizei, Personal und Patienten in Krankenhäusern und Gefangene konnten schon ab Mittwoch ihre Stimme abgeben.

Drei Kandidaten fielen während des Wahlkampfes Anschlägen zum Opfer. In Mosul wurde ein Mitarbeiter der Unabhängigen Hohen Wahlkommission (IHEC) getötet, die landesweit die Wahlen vorbereitet, kontrolliert und auswertet. In Hillah, südlich von Bagdad, wurde das Haus eines unabhängigen Kandidaten offenbar in der Absicht angegriffen, den Mann zu töten, der auf der Liste des von den USA eingesetzten Ministerpräsidenten Nuri Al-Maliki kandidiert. Der Mann blieb unverletzt. Maliki hatte intensiv im Wahlkampf für die Kandidaten seiner Dawa-Partei geworben. Denn obwohl Einzelpersonen und nicht Parteien in die Provinzparlamente gewählt werden, erwartet man vom Ausgang der Wahlen doch Aufschluß darüber, welche Chancen Maliki bei den nächsten Parlamentswahlen haben wird. Die sollen später im Jahr stattfinden.

In den drei kurdischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimania sowie in der Provinz Kirkuk wurden die Wahlen zunächst verschoben, weil sich die kurdische Autonomieregierung in Erbil und die Zentralregierung in Bagdad weder über die Zusammensetzung des Parlaments in Kirkuk noch über das verfassungsrechtlich vorgesehene Referendum einigen konnten. Das soll darüber entscheiden, ob Kirkuk dem autonomen Kurdengebiet angeschlossen wird. Araber, Assyrer und Turkmenen in Kirkuk lehnen das Referendum ab, während die Kurden darauf bestehen.

Anders in der südirakischen Provinz Basra. Dort wird es neben der Wahl zum Provinzparlament ein Referendum darüber geben, ob Basra, ähnlich wie die Kurdenregion, einen autonomen Status erhalten soll. Die schiitische Fadileh Partei, die in Opposition zur regierenden Dawa Partei von Ministerpräsident Maliki steht, hatte im Vorfeld der Wahlen genügend Unterschriften dafür gesammelt.

Erstmals kandidieren in Basra auch schwarze Iraker. Offensichtlich inspiriert vom Wahlsieg des schwarzen US-Präsidenten Barack Obama tritt die Liste »Freie Bewegung der Iraker« mit acht Kandidaten an. Schwarze Iraker gehören als Land- und Wanderarbeiter zu den Benachteiligten der Gesellschaft und haben mit starken rassistischen Ressentiments zu kämpfen. Die Hälfte der heute eine Millionen schwarzen Iraker sind Nachfahren von Sklaven, die vor 1500 Jahren im Zuge des aufsteigenden Islams auf die Arabische Halbinsel kamen. »Die Unterdrückung hat uns von vielen Bereichen der Gesellschaft ausgeschlossen, unsere Bildung eingeschränkt, wir sind eine soziale Unterklasse«, erklärte die Nummer Zwei auf der Liste, Jalaal Dhiyab, im Gespräch mit dem britischen Guardian. Mit der Teilnahme an den Wahlen wolle man den schwarzen Irakern eine »neue Bedeutung« im Irak verschaffen.

* Aus: junge Welt, 30. Januar 2009


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