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Kampf um Macht und Öl in Irak

Hinter den Konflikten im Zweistromland stehen viele Interessen – den Preis zahlt das Volk

Von Karin Leukefeld *

Vor fünf Jahren demonstrierte die Friedensbewegung gegen den drohenden Irak-Krieg. Das Chaos im Zweistromland gilt heute als ethnisch-religiöser Bürgerkrieg. Doch das verschleiert die wahren Kriegsgründe.

Am 1. September 2002 wurde die demokratische US-Abgeordnete Barbara Lee mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Wenige Tage nach den Anschlägen in New York 2001 hatte sie als Einzige im Repräsentantenhaus und im Senat gegen die »Use-of-Force-Resolution« gestimmt, eine Art Kriegsermächtigungsgesetz für George W. Bush. Konsequent argumentierte sie gegen den Irak-Krieg und forderte, den UN-Inspektoren in Irak mehr Zeit einzuräumen, um herauszufinden, was heute allgemein bekannt ist: Irak hatte keine Massenvernichtungswaffen, plante keinen Angriffskrieg, unterhielt weder Beziehungen zu Al Qaida und hatte keinen der Todespiloten auf das World Trade Center instruiert.

Heute fordert die engagierte Abgeordnete den Rückzug der US-Truppen aus Irak, wendet sich gegen die Kontrolle der USA-Regierung über die irakischen Ölressourcen und gegen den Bau permanenter Militärbasen in Irak. US-Verteidigungsminister Robert Gates erklärt hingegen, nicht Irak, sondern die USA würden über permanente US-Basen in Irak entscheiden. Man denke an das »Modell Korea«, wo es amerikanische Stützpunkte seit 50 Jahren gibt. Er hätte auch auf das »Modell Deutschland« verweisen können, wo es 58 Jahre nach Kriegsende noch immer US-Militärbasen gibt, die aktiv in das Kriegsgeschehen in Irak involviert sind.

Die internationale Friedensbewegung demonstrierte vor fünf Jahren vereint gegen den Irak-Krieg, Millionen Menschen forderten weltweit »Kein Krieg für Öl«. Doch nicht nur sie, auch die Vereinten Nationen wurden von der US-Regierung und ihren Verbündeten ignoriert. Der militärische Einmarsch entfesselte ein Chaos in Irak, dass vor allem für die Iraker selbst nicht zu fassen ist. Zwei Millionen Iraker gelten als Inlandsvertriebene, noch mehr fristen ein unsicheres Flüchtlingsdasein in einem der Nachbarländer. Glaubt man Analysten aus Politik und Militär, tobt im Land ein ethnisch-religiöser Konflikt, in dem Iraker gegen Iraker kämpfen.

Der Irak heute ist eher Schauplatz von Kämpfen um wirtschaftlichen und strategischen Machtgewinn. Akteure sind die Besatzungstruppen, allen voran die US-Armee, Iraker und ausländische Kämpfer, deren Herkunft oft unklar bleibt. Hinter ihnen stehen die US-Administration, Iran, Syrien, Jordanien, Saudi-Arabien und Israel.

Grundasätzlich kann man davon ausgehen, dass die kurdische Regionalverwaltung von den USA und Israel unterstützt wird. Diese Allianz geht zurück auf die Zeit des »Sicheren Hafens«, der 1991 nach dem Golfkrieg für die Kurden eingerichtet wurde. Die irakischen Stämme im Westen und Süden werden von Syrien und Jordanien, teilweise auch von Saudi-Arabien unterstützt, zumal die großen Stämme nicht nur in Irak, sondern in den genannten Ländern auch jenseits der Grenzen siedeln.

Iran unterstützt weniger irakische Stämme, die sich als Araber von den Persern abgrenzen, sondern schiitische Parteien und Milizen, die in der Zeit des Exils in Iran aufgebaut und ausbildet wurden. Allen voran der Hohe Islamische Rat in Irak um die Familie Al-Hakim und deren mächtige Badr Miliz. Die ebenfalls schiitisch-islamische Dawa Partei, zu der auch Ministerpräsident Nuri al-Maliki gehört, hat ein gespanntes Verhältnis zu Iran. Maliki selber, der die Idee eines islamischen Gottesstaates wie im Iran ablehnt, hat die meisten Jahre seines Exils in Damaskus verbracht.

Alle ausländischen Interessenten am irakischen Reichtum konkurrieren mehr oder weniger um Einfluss auf die Bewegung des Muktada Sadr, die ihre Anhängerschaft unter den armen, schiitischen Irakern hat. Mal drohen sie Sadr, mal machen sie ihm Angebote, bisher suchte er vor allem Allianzen mit den irakischen Stämmen, um gegen die Besatzungsmächte vorzugehen. Welche Interessen hinter den islamistischen Gruppen stehen, darüber ist wenig bekannt, es wird viel spekuliert. Die Ideologie der wahabitischen Selafisten, wie sie genannt werden, richtet sich gegen »Ungläubige« schiitische Muslime ebenso, wie gegen Christen. Vor der Invasion 2002 gab es sie in Irak nicht. Wahabiten wurden unter Saddam Hussein streng kontrolliert.

Der Krieg in Irak ist nach wie vor ein »Krieg ums Öl«, um strategische Macht und Einfluss in der Region. Ihn als ethnisch-religiösen Konflikt oder Bürgerkrieg unter Irakern zu bezeichnen, verschleiert die wahren Kriegsgründe.

* Aus: Neues Deutschland, 1. September 2007


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