Einsatz von Napalm-Bomben im Irak-Krieg
Deutsche Mithilfe beim Transport?
Von Silke Reinecke*
Im Folgenden dokumentieren wir einen vertiefenden Bericht aus der Informationsstelle Militarisierung e.V. Tübingen, der vor wenigen Tagen als IMI-Standpunkt 2003/077 erschien.
Der bereits während des Irak-Krieges aufkeimende Verdacht, die USA hätten Waffen
eingesetzt, bei denen es sich in ihrer Wirkweise um Napalm-Bomben handelt,
wurde nach anfänglichen Dementis nun seitens hochrangiger US-Militärs bestätigt.
Nach Informationen der San Diego Union Tribune vom 05. August 2003 und des
ARD-Magazins Monitor vom 07.08.2003 wurden im Irak-Krieg sogenannte Mark-77
(MK-77) Bomben abgeworfen, die sich in ihrer Wirkung nur unwesentlich von den
aus dem Vietnam-Krieg bekannten Napalm-Bomben unterscheiden.
Die Bomben sind leichte, zigarrenförmige Aluminiumkanister, die beim Aufprall
zerbersten und bis zu 280 l brennbares Gel, das durch Zünder entflammt wird, in
weitem Umkreis verbreiten. Der Unterschied zu den früher verwendeten
Napalm-Bomben besteht lediglich in der Wahl des verwendeten Benzins und
dadurch einer etwas veränderten Zusammensetzung.
Napalm ist eine Mischung aus 21 % Benzol, 33 % herkömmlichem Benzin (wie es
auch für Autos verwendet wird) und 46 % Polystyren (einem weißen Kunststoff,
verwendet z.B. für Geschirr oder Tabletts). Benzol ist auch deswegen nötig, da sich
Polystyren nicht in Benzin, wohl aber in Benzol lösen lässt.
In den jetzt verwendeten MK-77 wird anstelle des herkömmlichen Benzins
kerosinhaltiges Flugbenzin (mit einer geringeren Benzolkonzentration) verwendet.
Der Marinesprecher Col. Michael Daily wird in der San Diego Union Tribune zitiert,
die neuere Version hätte geringere Umweltschäden zur Folge, sei in ihrer Wirkung
aber so ähnlich wie die Napalm-Bombe, dass viele sie weiterhin Napalm-Bombe
nennen würden.
Abgeworfen werden sie von AV-8 Harrier- und FA-18 Hornet Kampfjets. Im März und
April dieses Jahres haben sich US-Marines damit wohl den Weg nach Bagdad
freigebombt. Von militärischer Seite bestätigt wurde der Einsatz gegen feindliche
Stellungen in der Nähe einer Brücke über den Saddam-Kanal im Zentralirak sowie
in der Nähe einer Brücke über den Tigris nördlich von Numaniyah. Gegenüber CNN
und dem Sydney Morning Herald soll auch der Einsatz der MK-77 gegen eine
feindliche Stellung am Safwan-Hill nahe der kuwaitischen Grenze, an einer
Hauptinvasionsroute der Marines, eingeräumt worden sein.
Anfänglich wurden die Verdachtsmomente bezüglich der Verwendung von
Napalm-Bomben, die von "embedded journalists" geäußert wurden, seitens des
Pentagon dementiert. Nun reden sich Militärsprecher damit heraus, dass ja ein
Unterschied zwischen Napalm- und MK-77-Bomben bestehe, und daher ihre
vorherige Aussage zuträfe. Seien sie nach Brandbomben im Allgemeinen gefragt
worden, hätten sie gleich deren Einsatz bestätigt.
Ein Unrechtsbewusstsein besteht jedoch nicht. Brandbomben werden als Waffen
wie andere auch betrachtet. "Die Generäle lieben Napalm. Es hat einen hohen
psychologischen Effekt", wird Col Randolph Alles, Kommandeur der Marine Air
Group 11, zitiert.
Dabei handelt es sich bei Napalm- und den vergleichbaren MK-77-Bomben um eine
äußerst grausame Art zu töten. Wegen der Flächenwirkung der Brände ist eine
Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zielen nicht zu leisten, so dass
wie so oft die meisten Opfer unter der Zivilbevölkerung zu erwarten sind. Zahlen zum
Irak-Krieg im Frühjahr liegen hierzu allerdings nicht vor. Das Verbrennen bei
lebendigem Leibe gehört zu den qualvollsten Todesarten. Die überlebenden Opfer
tragen schwerste, verstümmelnde Verletzungen davon, deren Behandlung in einem
kriegszerstörten Land unmöglich auch nur halbwegs adäquat gewährleistet werden
kann.
Internationale Ächtung der Waffen
Bereits im Haager Abkommen von 1907 lautet Art. 22: "Die Kriegsführenden haben
kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes." Und
weiter heißt es in Art. 23: "ist namentlich untersagt: (...) der Gebrauch von Waffen,
Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötig Leiden zu verursachen."
Das Völkerrecht spricht hier bereits eine deutliche Sprache, ebenso wie in späteren
Texten, die allerdings bezeichnenderweise nicht mehr von den USA ratifiziert
wurden. Das Zusatzprotokoll III der UN-Waffenkonvention verbietet ausdrücklich den
Einsatz von Brandbomben gegen die Zivilbevölkerung. Auch im Zusatzprotokoll von
1977 zur Genfer Konvention wurde erneut der Einsatz von Waffen, die "überflüssiges
Leiden" oder "übermäßige Verletzungen" hervorrufen, verboten.
Aus diesen Bestimmungen geht klar hervor, dass der Einsatz von Napalm- und den
nur unwesentlich veränderten MK-77-Brandbomben völkerrechtswidrig ist, weil sie
unterschiedslos wirken und "unnötiges" Leiden bei den Opfern dieser Bomben
hervorrufen.
Es stellt sich angesichts dieser Tatsachen die Frage, ob deutsche Truppen auch an
diesem Kriegsverbrechen indirekt beteiligt waren.
Die San Diego Union Tribune berichtete, dass die Mark-77-Brandbomben bereits in
den Wochen vor Kriegsbeginn auf dem Seeweg nach Kuwait transportiert wurden.
Hier fängt es an, interessant zu werden.
Der ARD-Weltspiegel (09.03.2003) begleitete die Fregatte der deutschen Marine
"Mecklenburg-Vorpommern" bei ihrem Einsatz im Rahmen von "enduring freedom"
am südlichen Ausgang des Roten Meeres. Das ARD-Team konnte dabei erfahren,
dass die "Mecklenburg-Vorpommern" das Transportschiff "Gordon" der US-Navy
begleitet hat.
Bei der "Gordon" handelt es sich nach Informationen der FAS (Federation of
American Scientists) um ein ca. 290 m langes Roll-on/Roll-off-Transportschiff, das
u.a. 58 Panzer und über 900 Lastwagen sowie Ausrüstung zur Unterstützung von
Kampfaufträgen transportieren kann. Damit ist die "Gordon" eines von 19
sogenannten LMSR (large, medium-speed, roll-on/roll-off ships), die nach den
Erfahrungen des vorausgegangenen Golfkrieges zur Verbesserung der
Seetransportkapazität um- oder neu gebaut wurden und selbst unbewaffnet sind.
Letzteres lässt die Begleitung durch ein Kriegsschiff wie die
"Mecklenburg-Vorpommern" für die US-Navy natürlich wünschenswert erscheinen.
Doch dies scheint nicht die einzige Eskorte durch die "Mecklenburg-Vorpommern"
gewesen zu sein.
Auf der Homepage des ARD-Weltspiegels heißt es: "Die Kriegsschiffe des
internationalen Verbandes im Seegebiet vor dem Horn von Afrika werden in den
letzten Wochen immer mehr für solche Geleite eingesetzt. Die Grenzen zwischen
dem Anti-Terroreinsatz und dem Aufmarsch gegen den Irak sind jedenfalls in der
Vorbereitungsphase fließender geworden." Über den Einsatzort der
"Mecklenburg-Vorpommern" ist zu lesen: "Die Wasserstraße gehört zu den am
dichtesten befahrenen der Welt. Durch sie läuft ein großer Teil des Nachschubes für
den Aufmarsch gegen den Irak."
Mit diesen Informationen beginnen eigentlich erst die entscheidenden Fragen. Wie
viele Kriegsschiffe mit welchem Kriegsgerät wurden von deutschen Kriegsschiffen
sicher Richtung Einsatzgebiet geleitet? Haben auch deutsche Truppen dafür
gesorgt, dass Waffen wie die Napalm-Bomben und DU-Munition störungsfrei zu den
US-Truppen im Einsatz transportiert wurden? Weiß die Bundeswehr, was sich in
den Transportschiffen befand, die sie eskortierte? Fragen über Fragen...
Auch vor dem Hintergrund des jetzt bestätigten verbrecherischen Einsatzes
menschenverachtender Napalm-Brandbomben ist die Notwendigkeit noch einmal
deutlich geworden, eine lückenlose Aufklärung über die deutsche Rolle im
Irak-Krieg einzufordern.
Dr. Silke Reinecke, Göttingen, ist Beiratsmitglied von der IMI e.V. und im Bundesausschuss Friedensratschlag.
Der Beitrag von Silke Reinecke befindet sich auf der Homepage der Informationsstelle Militarisierung e.V. Tübingen: http://imi-online.de
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