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"Skrupellose Falschheit der US-Regierung gegenüber Irak"

Kritische Bemerkungen zur Powell-Präsentation und zur "Sicherheitskonferenz"

Von Luz María Destéfano de Lenkait

Die frühere Diplomatin und Autorin Luz María Destéfano de Lenkait schickte uns die nachfolgenden kritischen Bemerkungen, die sich mit Powells Rede im UN-Sicherheitsrat sowie mit den inhaltlichen Auseinandersetzungen auf der Münchner "Sicherheitskonferenz" befassen. Der Text ist gleichzeitig als Brief an verschiedene Regierungsstellen, Bundestagsabgeordnete, gesellschaftliche Verbände sowie an ARD und ZDF gegangen.


Schon lange hat die US-Administration ihre Glaubwürdigkeit verloren. Im Außenministerium der Vereinigten Staaten verdrehen und unterschlagen seltsame "Juristen" die Charta der Vereinten Nationen, die einen Angriffskrieg völkerrechtlich rechtfertigen sollen (Meldung im August 2002). Soweit das "Rechtsverständnis" aus höchsten Kreisen Washingtons. Aber auch in Deutschland gibt es eine Adresse, wo derartiges geschieht: Die CDU-Vorstandsetage, die sich mit entsprechender Kreativität hervortut, allen voran Frau Merkel und Herr Schäuble, eine Angelegenheit für die Staatsanwaltschaft.

Für die Öffentlichkeit, national wie international, bleibt es notwendig, einen Vorwand für einen militärischen Angriff gegen den Irak zu suchen. Zuerst versuchte man den Vorwand einer vermutlichen irakischen Verwicklung in den Terrorismus. Diese Unterstellung verlor aber sehr bald ihre Glaubwürdigkeit. Es gibt keine ausreichenden Hinweise darauf, daß Saddam Hussein in den internationalen Terrorismus verwickelt ist. Weil sich mit solch einer Einschätzung kein Krieg gegen den Irak rechtfertigen läßt, verbot Premierminister Tony Blair schon im vergangenen März die Veröffentlichung des Dokuments über eine Bedrohung durch den Irak. ("Blair refuses to release dossier on Irak threat", Sunday Times, 31.3.02). Am 5.5.02 erklärte der amerikanische Geheimdienst CIA, ihm lägen keine Erkenntnisse über eine direkte Verwicklung des Irak in den intenationalen Terrorismus vor. Nicht zuletzt hat die Bush-Regierung schon vor den Terror-Anschlägen vom 11.9.01 einen Krieg gegen den Irak erwogen. Die Fernsehsender BBC-world (7.2.03 um 17 und 18 Uhr) und CNN (8.2.03 um 16 Uhr) zeigen wiederholt die entdeckten Fälschungen der angeblichen "Indizien", die der amerikanische Außenminister, Colin Powell, dem Weltsicherheit am vergangenen Mittwoch (5.2.03) vorlegte (Powells Rede im Wortlaut). Dieser hohe amerikanische Beamte wagte, das oberste UN-Organ durch Manipulationen und konstruierte Dokumente zu belügen. Ohne Erfolg. Die Weltstaatengemeinschaft hat ihr Vertrauen in die USA längst verloren.

So kontert der deutsche Außenminister dem amerikanischen Verteidigungsminister Rumsfeld auf der Münchner Sicherheitskonferenz (8.2.03): "Nur meine Generation hat dabei gelernt: You must make the case. Um aber eine Entscheidung in der Demokratie zu fällen," so Fischer (in perfektem Englisch), "muß man selbst davon überzeugt sein. Entschuldigen Sie bitte, ich bin aber nicht überzeugt... ich selbst glaube nicht daran..."(Tagesthemen, 8.2.03) Während BBC-world die Meldung mehrfach wiederholt und die ARD-Tagesschau sowie Tagesthemen diese Stellungnahme Fischers in aller Prägnanz brachten, wurde sie in den entsprechenden ZDF-Sendungen "Heute" und "Heute-Journal" unterschlagen, kein einziger Ton, kein einziges Bild von diesem wichtigen Ereignis. Warum?

Interessant auch das Verhalten von Rumsfeld nach diesen Äußerungen Fischers: Keine Presse-Erklärung, keine Reaktion, was eigentlich diplomatisch üblich wäre, wenn es um richtigzustellende Angelegenheiten ginge.

CNN interviewte den irakischen UN-Botschafter (7.2.03), der klarstellte, Irak habe keine Massenvernichtungswaffen und es sei Aufgabe der Inspektoren, dies der Weltgemeinschaft zu bestätigen, nicht aber die eines bekannten Kriegsbefürworters gegen sein Land, also weder die Aufgabe von Bush noch von Colin Powell. Der amerikanische Präsident sei falsch informiert, so der irakische Botschafter. Aus dem Irak komme keine Bedrohung gegen die USA, sondern das Gegenteil sei der Fall.

Am heutigen Samstag 8.2.03 nach dem Eklat über die Londoner Enthüllung der Fälschung im britischen Regierungsdossier, das US-Außenminister Colin Powell dem UN-Weltsicherheitsrat am Mittwoch vorlegte, hat sich überraschend der britische Premierminister Tony Blair geäußert, er wolle die Abrüstung des Iraks durch friedliche politische Mitteln erreichen (BBC-World, 8.2.03). Beim ersten USA-Krieg gegen den Irak (1991) hat es lange gedauert, bis der amerikanische Kongreß die Propaganda-Lügen des Weißen Hauses enthüllen konnte. Jetzt ist die Entlarvung der Manipulation und Fälschung rechtzeitig an die Öffentlichkeit gelangt, (BBC-world 7.2.03, ARD, Europa-Magazin 8.2.03, 16.30 Uhr) - allerdings mit Ausnahme des ZDF, wo am 8.2. weder "Heute" noch "Heute-Journal" darüber etwas meldete, ein Untersuchungsfall für die relevanten Gremien.

Der britische Premierminister ist zunehmenden Druck aus der eigenen Partei ausgesetzt. Im britischen Parlament kommt es zu intelligenten Fragen an Tony Blair. So fragt ihn die Labour-Abgeordnete Lynne Jones: "Können Sie erklären, warum Saddam heute eine größere Bedrohung sein soll als 1997, 98, 99 und all die Jahre, die mein verehrter Freund Premier ist? Nur weil Präsident Bush die Achse des Bösen entdeckte, soll sich die Situation geändert haben?" (ARD, Europa-Magazin 8.2.03, 16.30 Uhr).

Wenn nicht einmal die Geheimdienste der beiden potentiellen Aggressoren USA und Großbritannien davon überzeugt sind, daß der Irak eine Rolle im internationalen Terrorismus spiele, verbietet sich ein Angriff auf den Irak im Rahmen des Bush-Kreuzzugs gegen den Terrorismus von selbst.

In bezug auf das angebliche irakische ABC-Waffenpotential meinen Fachleute des Royal Institute of International Affairs, die Meldungen über eine irakische Atomwaffe würden von der US-Regierung absichtlich lanciert, um einen Vorwand für den Einsatz eines eigenen Nukleargefechtkopfes zu konstruieren. ("The Myth and the Reality", The Guardian, 15.3.02).

Wenn es um Abrüstung gehen soll, ist zu bedenken, daß es heute bereits mehrere Schwellenländer gibt, deren Bestände bedeutend größer sind als das irgendeines unterstellten irakischen Restpotentials. Auch ist da Israel, wo seit langem ein großes Massenvernichtungsarsenal gelagert ist. Und ganz zu schweigen von den USA selbst, die sich im Gegensatz zu Irak weigern, ihr nukleares und biologisches Waffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen. In der Tat weigert sich die Regierung Washingtons, das Protokoll betreffend der Kontrolle der biologischen Waffen zu unterzeichnen. Daher gibt es keinen Grund, von einer besonderen irakischen Gefahr zu sprechen, sondern umgekehrt, die besondere Gefahr kommt tatsächlich aus den Vereinigten Staaten.

Die zwei konstruierten Vorwände, Terrorismus und Massenvernichtungswaffen, haben sich von selbst als frei erfunden diskreditiert, was den Irak betrifft. Somit zeigt sich die skrupellose Falschheit der US-Regierung, die sich über alle Maßstäbe von Recht und Gesetz anmaßend hinwegsetzt. Diese US-Regierung setzt faktisch die rechtsstaatlichen Grundsätze einer zivilisierten Gesellschaft, wie es auch die amerikanische ist, außer Kraft. Eine Administration, die alle demokratische Prinzipien Amerikas verrät, stellt das größte Problem für die internationale Gemeinschaft der Völker dar, die sich auf die Achtung von Recht und Gesetz durch ihren Zusammenschluß als Vereinte Nationen geeinigt hat.

Absolut zutreffend die kritische Äußerung eines Demokraten im amerikanischen Senat, George Bush wolle sich die Macht eines Dikatators aneignen. Amerika selbst hat die Kräfte des Widerstandes gegen eine solche gefährliche diktatorielle Macht, die ihre lange demokratische Tradition und den Weltfrieden zu zerstören droht. Alle Institutionen des amerikanischen Staates, darunter der Präsident an erster Stelle, müssen sich der Herrschaft von Recht und Gesetz unterordnen.

Die Falschheit der US-Regierung ist bloßzustellen: Für den Fall, daß die Inspektoren ihre Kontrolltätigkeit länger weiterführen, aber dabei weiterhin kein irakisches ABC-Programm feststellen können, ist die US-Regierung bereit, die Inspektionen wie bisher zu desavouieren: Es soll dann nicht heißen, man habe nichts finden können, weil der Irak kein umfassendes Rüstungsprojekt mehr betreibe, sondern daß die Inspektionen einfach zu lasch waren und deshalb nichts ergeben hätten.

Hätte die USA-Regierung seriöse Beweise über irakische Arsenale, warum hat sie so wichtige Dinge nicht rechtzeitig den Inspektoren zur Verfügung gestellt? Niemals in der UN-Geschichte hat sich eine solche aggressive Show vor dem Weltsicherheitsrat abgespielt, eine derart schlechte amerikanische Show. Aber diesmal ist die Weltgemeinschaft wachsamer denn je und nicht bereit, das Spiel des unkontrollierten Ungeheuers mitzuspielen.

Nationen wie Spanien, Portugal, Italien, Dänemark, Tschechien, Ungarn und Polen müssen ihre Haltung gegenüber den USA überdenken, vor allem Polen, dessen katholische Kultur und Tradition es verbietet, einer unethischen aggressiven Haltung von mörderischem Krieg und Invasion unter dem Decknamen Abrüstung kritiklos zu folgen. Ein Land, das einen Heiligen Vater der katholischen Christenheit geschenkt hat, hat Europa viel Besseres zu bieten als eine solche armselige Gefolgschaft in die Irre.


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