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18 Milliarden Dollar verschwunden

Transparency International stuft Irak unter die korruptesten Staaten ein

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Irak wird weiter von Anschlägen und Korruptionsfällen erschüttert. Bei der Explosion einer Autobombe sind am Sonntag in der nordirakischen Großstadt Mossul sechs Menschen getötet worden, im Norden von Bagdad riss ein Selbstmordattentäter im Rollstuhl zwei Menschen mit in den Tod.

An schlechten Nachrichten ist in Irak kein Mangel. Dieser Tage wurde bekannt, dass die Summe der in Irak verschwundenen US-Dollar offenbar weit größer ist als bisher angenommen. Parlamentssprecher Osama al-Nujaifi sagte in einem Al-Dschasira-Interview, dass im ersten Jahr der USA-Besatzung (2003/04) bis zu 18,7 Milliarden Dollar versickert seien. Bisher war die Rede von 6,6 Milliarden. Es gebe auch keine Belege über Erhalt und Ausgaben des Geldes, sagte Al-Nujaifi. Das Pentagon, das für die damalige Besatzungsbehörde verantwortlich war, erklärt seit sechs Jahren, man werde den Verbleib des Geldes aufklären, brauche aber noch etwas mehr Zeit.

Etwa 20 Milliarden Dollar in bar hatte Washington nach der Invasion ins Land geflogen. Mit dem Geld sollte die Besatzungsverwaltung Gehälter an Iraker und Söldner zahlen und den Wiederaufbau finanzieren. Das ursprünglich irakische Geld stammt aus dem nach der Invasion mit Zustimmung des UN-Sicherheitsrates entstandenen »Entwicklungsfonds für Irak«. Der speiste sich aus Bagdader Einnahmen für Ölverkäufe, Reste des UN-Programms »Öl für Nahrungsmittel« und beschlagnahmtem Eigentum von Irakern, die von den USA als »Kriegsverbrecher« eingestuft und ihrer Vermögenswerte beraubt worden waren.

Während die irakische Regierung der Meinung ist, dass die USA als damalige Besatzungsmacht für den Verlust des Geldes verantwortlich sei, sind weite Teile der Bevölkerung überzeugt, dass sich Iraker, die mit den Amerikanern ins Land kamen, das Geld in die eigenen Taschen gesteckt haben. Auf der Liste der korruptesten Staaten der Welt, die von Transparency International veröffentlicht wird, steht Irak auf Platz 175 (von 180).

Die irakische Regierung hat derweil die Kosten für den Wiederaufbau Bagdads in den nächsten zehn Jahren auf mindestens 15 Milliarden Dollar veranschlagt. Hinzu kommen unspezifizierte Kosten für die Wiederherstellung der Infrastruktur in der Hauptstadt, so Oberbürgermeister Sabir al-Issawi. Gleichzeitig erklärte der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki, die Regierung sei nicht in der Lage, für die Bevölkerung den erforderlichen Strom zu liefern. Irak brauche die Unterstützung ausländischer Investitionen.

Derzeit wird über das staatliche Stromnetz nach offiziellen Angaben täglich nur zehn Stunden Strom geliefert, einzelne Stadtteile in Bagdad erhalten weit weniger. Der meiste Strom wird acht Jahre nach der Invasion über private Generatoren geliefert. Privatabnehmer erhalten neuerdings das dafür notwendige Dieselöl kostenlos.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Juni 2011


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