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Keinen Krieg im Irak - Alternativen sind möglich

Von Johan Galtung und Dietrich Fischer*

Den folgenden Text hat uns freundlicherweise Dietrich Fischer zugesandt.

Die Bush Administration argumentiert, ein militaerischer Angriff auf Irak sei gerechtfertigt, weil Saddam Hussein's Regime Al Qaeda unterstuetzt und sogar beherbergt habe, und Israel und andere Laender mit Massenvernichtungswaffen bedrohe. Doch ist es ihr weder gelungen, die Weltoeffentlichkeit, noch die UNO oder den UNO Sicherheitsrat (mit Ausnahme von Grossbritannien) davon zu ueberzeugen. Gibt es fuer den amerikanischen militaerischen Aufmarsch rund um Irak und die Plaene fuer eine Regierungsaenderung andere Motive?

Saudi Arabien, bisher einer der wichtigsten Verbuendeten der USA in der Golfregion, erscheint immer weniger verlaesslich, da 15 der 19 Flugzeugentfuehrer vom 11. September vermutlich Saudis waren, und Saudiarabisches Geld eine der Hauptfinanzquellen von Al Qaeda ist, mit dem es den Wahhabismus, eine fanatische Form des Islams gemeinsam hat. So koennte Irak Saudi Arabien als eine regionale Basis ersetzen, und den USA zudem Zugang zum irakischen Oel geben, und Israel von der irakischen Drohung befreien.

Doch koennte ein Krieg mit Irak verheerende Konsequenzen fuer die Region haben. Der Golfkrieg von 1991 verursachte rund 300,000 direkte irakische Opfer, und schaetzungsweise eine Million Tote, vor allem unter Kindern, von den anschliessenden Wirtschaftssanktionen. Wenn der Krieg nach Bagdad gebracht wird, so wuerde dies kaum weniger Leiden verursachen, unter einem Volk, das bereits schwer unter inneren und aeusseren Feinden gelitten hat. Irak anzugreifen, weil Saddam Hussein in boeser Diktator ist, waere damit vergleichbar, ein Passagierflugzeug abzuschiessen, weil der Pilot ein Verbrechen begangen hat.

Ein Angriff auf Irak koennte einen Buergerkrieg entlang zahlreicher Spaltungen entfachen (fuer und gegen Hussein's Baath- Regime; Sunni-Schia; Iraker-Kurden; Kurden-Tuerken). Ander Armeen im Nahen Osten koennten eingreifen. Der Hass fuer die amerikanisch- britische Aussenpolitik in den arabischen Laendern und unter Muslimen im allgemeinen koennte neue Hoehen erreichen, bestenfalls nur zu einem langen Wirtschaftsboykott amerikanischer und britischer Gueter und Dienstleistungen fuehrend, schlimmstenfalls zu massiver Gewalt. Das zerbrechliche Gewebe der Weltordnung wuerde schwer beschaedigt.

Es gibt Alternativen zu Krieg! Das Team der UNO- Waffeninspektoren sollte erweitert werden, um irgendwelche irakischen Massenvernichtungswaffen zu finden und zu zerstoeren, potentielle Produktionsstaetten und Lager zu kontrollieren, und ihre Anschaffung in Zukunft zu verhindern. Doch warum sollten solche Inspektionen nicht auch in anderen Laendern der Region durchgefuehrt werden?

Von 1994-2001 verhandelten 54 Nationen einen Vertrag zur Verifizierung des Verbots biologischer Waffen von 1972, und erreichten voellige Uebereinstimmung, mit der einzigen Ausnahme der Bush-Administration, die den Vertrag zum Scheitern brachte. Die USA waeren in einer viel besseren Position, im Irak biologische Waffensinspektionen zu verlangen, wenn sie diesen Vertrag unterzeichnet haetten.

Die UNO hat erfolgreich eine Reihe von Kriegen beendet, indem sie in Kambodscha, Namibien, Osttimor und anderswo demokratische Wahlen organisierte. Nur das irakische Volk--keine aeusseren Maechte--hat das Recht, seine Regierung zu ersetzen, und es sollte die Moeglichkeit haben dies zu tun, wenn es so wuenscht. Doch nach all den Unregelmaessigkeiten in den Praesidentschaftswahlen in Florida von 2000 sind die USA kaum in der Lage, international ueberwachte Wahlen zu fordern.

Gleichheit vor dem Recht ist eine Grundlage einer Weltordnung, nicht als utopisches Prinzip, sondern sie gibt dem Recht Legitimitaet und deshalb Nachachtung, weil gleiche Faelle gleich behandelt werden.

Zur Loesung von Konflikten sollte die UNO eine "Kommission weiser Leute" einsetzen, z.B. mit Nobelpreistraegern Carter- Gorbatschew-Mandela, um die Ziele der verschiedenen Parteien zu beurteilen und legitime Ziele aller zu vereinbaren suchen.

Ein bedeutender Schritt zum Ende des kalten Krieges war die Helsinki-Konferenz von 1973-75, die zur Gruendung der Organisation fuer Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa fuehrte. Aehnlich sollte der UNO-Sicherheitsrat (mit vier christlichen und einem konfuzianischen Land als staendigen Mitgliedern) mit der Organisation der Islamischen Konferenz, die 56 Islamische Laender repraesentiert, zusammenarbeiten um eine unbefristete Konferenz fuer Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten zu organisieren, die die folgenden Traktanden behandeln koennte:
  • Ein Inspektionsregime fuer Massenvernichtungswaffen in der Region, das Irak fuer Inspektionen und von der UNO ueberwachte Wahlen oeffnet;
  • Eine Demokratie/Menschenrechtskampagne in der Region;
  • Ungeloeste Fragen vom Irak/Iran- und Irak/Kuwait-Krieg;
  • Fortschritte in Bezug auf die kurdische Frage in vier Laendern;
  • Die ehemalige Europaeische Gemeinschaft als ein Modell fuer eine Wirtschaftsgemeinschaft im Nahen Osten, mit Israel-Syrien-Libanon- Palaestinien-Jordanien-Aegypten.
Je mehr Parteien an Verhandlungen beteiligt sind, und je mehr offene Fragen auf dem Tisch liegen, desto leichter ist es oft, gegenseitig annehmbare Loesungen zu finden, weil jede Partei etwas gewinnen kann, das ihr besonders wichtig ist, im Austausch fuer etwas, das ihr von geringerer Bedeutung ist.

* Johan Galtung, Professor fuer Friedensstudien, ist Direktor von TRANSCEND, einem internationalen Friedens- und Entwicklungsnetzwerk.
Dietrich Fischer, Professor an der Pace University in New York, ist Ko-Direktor von TRANSCEND (www.transcend.org).



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