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Humanitäre Arbeit im Irak:

Die Freiwilligen von "Christian Peacemaker Team"

Ein Bericht von Karin Leukefeld*

Es ist nicht leicht, einen Interviewtermin mit den Freiwilligen vom „Christian Peacemaker Team“ (CPT) in Bagdad zu bekommen. Die Teammitglieder sind viel unterwegs, selten trifft man sie in ihrer bescheidenen Unterkunft an. Doch an einem Spätnachmittag im vergangenen Februar hatten sich Maxine (42) und Cliff (55) Zeit genommen. Auf dem Tisch stehen drei Becher mit dampfendem Kakao, „Diddl Gute Laune Becher“ steht auf dem einen. Das ist ein Souvenier von einem deutschen Friedensaktivisten, der vor und kurz nach dem Krieg 2003 das CPT-Team verstärkt hatte, erklärt Maxine lachend. Jetzt kämen nicht mehr so viele internationale Delegationen, die Lage sei sehr unsicher geworden. Maxine, die aus Iowa (USA) stammt, ist Medizinisch-Technische Assistentin. Doch seit 2002 ist sie voll im Einsatz für CPT, in der Westbank, im Irak und auch im Leitungsgremium der Organisation. Auch Cliff gehört zur CPT-Leitung. Er war früher Lehrer in Indiana (USA), heute führt er mit seiner Frau einen Bioladen. Doch seit Cliff sich 1997 CPT angeschlossen hat, ist er meist im Einsatz. In Gaza, in der Westbank, in Kolumbien, Chiapas oder im Irak. Dorthin kam er zum ersten Mal im Oktober 2002, seitdem hat ihn das Land nicht mehr losgelassen.

„Damals gehörten wir zu den 30 Millionen Menschen weltweit, die gegen diesen Krieg waren“, sagt er. Direkt nach dem Krieg 2003 begann CPT, nach Blindgängern zu suchen. Die hätten überall herumgelegen, erinnert sich Cliff, die Bevölkerung habe sie darauf aufmerksam gemacht. CPT habe die Informationen an die Öffentlichkeit und an die Besatzungstruppen weitergegeben. Doch bald erhielten sie erste Informationen über Gefangene, Familienangehörige baten sie um Hilfe. „Anfang Sommer hörten wir, dass es am Flughafen ein Gefangenencamp geben sollte, wir sind dorthin und haben nachgefragt“, erinnert sich Cliff. „Viele Familien standen am Tor und suchten nach ihren Angehörigen.“ Man kam ins Gespräch und so begann die Arbeit, erzählt Cliff. Nachdem die Zentrale des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, das eigentlich für die Gefangenen zuständig war, durch eine Explosion zerstört worden war und alle internationalen Mitarbeiter Bagdad verließen, setzte CPT dessen Arbeit fort. Schon zum Jahreswechsel 2003/2004 sei bekannt gewesen, dass im Gefängnis von Abu Ghraib gefoltert wurde. CPT dokumentierte damals 72 solcher Fälle und musste feststellen, dass die US-Armee und die Besatzungsverwaltung darüber informiert waren, doch nichts geschah.

Im Laufe der Zeit nahm die Gewalt zu und die Zusammenarbeit mit irakischen Familien wurde schwierig. „Die Leute hatten Angst, wenn sie uns informierten“, erinnert sich Maxine. „Sie hatten Angst vor dem US-Militär, vor Aufständischen. Es gab auch eine diffuse Angst, die sie nicht genau beschreiben konnten. Tatsächlich waren Familien, die uns Informationen über ihre inhaftierten Angehörigen gegeben hatten, kurz darauf eine Hausdurchsuchung hatten oder eingeschüchtert wurden. Immer weniger wollten noch, dass wir ihre Namen nennen.“

Trotz der schlechten Bedingungen machte CPT weiter und fand irakische Unterstützer in Kerbala. Gemeinsam mit Friedensaktivisten, die sich den Namen „Muslim Peacemaker Team“ gegeben hatten, organisierten sie Seminare über gewaltfreies Training, die Teilnehmerzahl stieg kontinuierlich an, Männer und Frauen waren gleichermaßen vertreten. Die Unterstützung der religiösen Führung von Kerbala schütze sie vor dem Vorwurf, missionieren zu wollen. Doch ihre Botschaft an die Iraker war nicht wirklich neu, meint Maxine: „Sie wissen das alles, man muss ihnen nur Mut machen. Sie sind lange unterdrückt worden, von Saddam Hussein oder von den Besatzungstruppen. Wichtig ist, dass die Iraker ihre eigene Kraft erkennen.“ Als Ayatollah Ali al Sistani zu einem friedlichen Marsch nach Najaf aufrief, um den Kampf zwischen US-Armee und den Mehdi-Milizen von Muktada Sadr zu beenden, waren CPT und ihre muslimischen Freunde dabei. Im Frühsommer 2005 halfen sie in Falludscha gemeinsam beim Wiederaufbau von zerstörten Häusern.

120 Delegation hat CPT bis heute im Irak begleitet und ihnen das Alltagsleben ungeschönt gezeigt. Im Gespräch mit Familien, mit Geistlichen und Politikern, mit Lehrern, Ärzten und UN-Mitarbeitern. Die vier Männer, die am 26. November in Bagdad entführt wurden, wollten “mit eigenen Augen sehen”, um später in ihren Heimatländern davon zu berichten. Ihre Entführer fordern die Freilassung aller irakischen Gefangenen aus US-Haft und den Gefängnissen des irakischen Innenministeriums. Andernfalls werde man die Männer töten, so die Botschaft. Sollte das geschehen, wird die Welt in Zukunft voraussichtlich noch weniger über die Menschenrechtsverletzungen im Irak erfahren.

* Dieser Bericht erschien am 7. Dezember 2005 im "Neuen Deutschland".
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.



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