"Die Risiken der Untätigkeit sind sehr viel größer als die Risiken des Handelns" - "Afghanistan war nur der Anfang eines längeren Feldzugs"
Die viel diskutierte Rede des US-Vizepräsidenten Richard Cheney im Wortlaut
Nachfolgend dokumentieren wir die wesentlichen Teile der Rede von
US-Vizepräsident Richard B. Cheney vor Veteranen in Nashville vom 26.
August 2002. Sie hat in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit
gefunden, weil der Hardliner Cheney in klaren Worten die unveränderte
Kriegsbereitschaft der US-Administration unterstrichen hat. Die
Kommentatoren waren sich darin einig, dass Cheney in seiner Rede auch
den Willen des US-Präsidenten zum Ausdruck bringt, der in den letzten
Tagen - offenbar wegen starker Kritik aus den eigenen Reihen - in der
Irak-Frage etwas untergetaucht war. Cheney Rede lässt keinen Zweifel
daran, dass die USA den Krieg wollen. Und er bestätigt auch noch einmal die Äußerungen von Bush vom September 2001, wonach jeder Staat, der nicht für die USA ist, zu den Feinden der USA zu zählen ist. Ceheney spricht in dem Zusammenhang von der "Bush-Doktrin".
Irak besitzt Massenvernichtungswaffen und ist bereit, sie
einzusetzen
Die Rede von Richard B. Cheney am 26. August 2002 in Nashville
Seit den Terroranschlägen vom 11. September ist viel geschehen. Aber wie
Verteidigungsminister Rumsfeld gesagt hat, sind wir dem Anfang dieses
Krieges immer noch näher als dem Ende. Die Vereinigten Staaten befinden
sich
in einem beispiellosen Konflikt - einer neuen Art von Krieg gegen eine
neue
Art von Feind. Die Terroristen, die die Vereinigten Staaten angriffen,
sind
skrupellos, sie sind erfinderisch, und sie verstecken sich in vielen
Ländern. Sie kamen in unser Land, um tausende unschuldiger Männer,
Frauen
und Kinder zu ermorden. Zweifellos wollen sie uns wieder angreifen und
sich
die schrecklichste aller Waffen beschaffen.
Gegen solche Feinde haben die Vereinigten Staaten und die zivilisierte
Welt
nur eine Option: Wo immer Terroristen auch agieren, wir müssen ihren
Aufenthaltsort ausfindig machen, ihre Planungen unterbinden und einen
nach
dem anderen vor Gericht bringen.
In Afghanistan ist dem Talibanregime und den Al-Qaida-Terroristen das
Schicksal widerfahren, das sie sich selbst ausgesucht haben. Und sie
haben
die neuen Methoden und Fähigkeiten der amerikanischen Streitkräfte aus
nächster Nähe und persönlich gesehen. Als ehemaliger
Verteidigungsminister
möchte ich sagen, dass ich niemals zuvor so stolz auf die Streitkräfte
der
Vereinigten Staaten war.
Die in diesem Konflikt bereits zu Tage getretene Kombination von
Vorteilen -
Präzisionseinsätze aus der Luft, nachrichtendienstliche Erkenntnisse in
Echtzeit, Sondereinsatzkräfte, die große Reichweite von Marineeinheiten
und
die enge Abstimmung mit örtlichen Streitkräften - stellt einen
bedeutenden
Fortschritt unserer Fähigkeit dar, den Feind anzugreifen und zu
besiegen.
Diese Vorteile werden bei zukünftigen Feldzügen nur noch mehr an
Bedeutung
gewinnen. Präsident Bush hat oft davon gesprochen, wie die Vereinigten
Staaten den Frieden bewahren können, wenn sie den Begriff Krieg neu
definieren. Das bedeutet, dass unsere Streitkräfte über jedes Mittel
verfügen müssen, um auf jegliche gegen uns gerichtete Bedrohung
reagieren zu
können. Es bedeutet, dass jeden Feind, der ein Komplott gegen die
Vereinigten Staaten oder unsere Freunde schmiedet, eine schnelle,
entschiedene und verheerende Reaktion erwartet.
Wie immer bei den amerikanischen Streitkräften sind die Männer und
Frauen,
die hervortreten und die Uniform dieser großartigen Nation anziehen, der
einzig wichtige Faktor. Von unseren Streitkräften wurde im vergangenen
Jahr
viel verlangt, und in den kommenden Monaten und Jahren wird es noch mehr
sein. Die Soldaten haben im Gegenzug einen Anspruch auf viele Dinge von
unserer Seite. Sie verdienen die besten Waffen, die beste Ausrüstung,
die
beste Unterstützung und die beste Ausbildung, die wir ihnen nur bieten
können. Und unter Präsident Bush werden sie das alles haben.
Der Präsident hat beim Kongress eine einjährige Erhöhung der Ausgaben
für
die Landesverteidigung um mehr als 48 Milliarden Dollar beantragt - die
höchste seit Ronald Reagan im Weißen Haus lebte. Und für das Wohl der
Familien unserer Männer und Frauen in Uniform hat er beim Kongress auch
für
jeden Soldaten eine Solderhöhung beantragt. Unserer Ansicht nach haben
sie
es verdient.
Wir haben in diesem Krieg eine weitreichende Koalition zivilisierter
Staaten
gebildet. Sie erkennen die Gefahr und arbeiten mit uns an allen Fronten.
Der
Präsident hat sehr deutlich gemacht, dass es im Kampf gegen den
Terrorismus
keinen neutralen Boden gibt. Diejenigen, die Terroristen Unterschlupf
gewähren sind mitschuldig an den Taten, die sie begehen. Im Rahmen der
Bush-Doktrin wird ein Regime, das Terroristen Unterschlupf gewährt oder
unterstützt als Feind der Vereinigten Staaten betrachtet.
Die Taliban haben diese Lektion schon gelernt, aber Afghanistan war nur
der
Anfang eines längeren Feldzugs. Wenn wir jetzt aufhören würden, wäre
jegliches Sicherheitsgefühl, das wir hätten, falsch und vorübergehend.
Es
existiert eine terroristische Unterwelt, die sich über mehr als 60
Länder
erstreckt. Unsere Aufgabe wird jedes uns zur Verfügung stehende Mittel
der
Diplomatie, der Finanzen, der Nachrichtendienste, der Strafverfolgung
und
der Militärmacht erfordern. Aber wir werden die Feinde der Vereinigten
Staaten im Laufe der Zeit finden und besiegen. Im Fall Osama bin Ladens
bedeutet dies, wie Präsident Bush kürzlich sagte: "Wenn er am Leben ist,
kriegen wir ihn. Wenn er tot ist, haben wir ihn schon."
Aber die Herausforderungen für unser Land beinhalten mehr als nur die
Verfolgung einer Einzelperson oder einer kleinen Gruppe. Der 11.
September
und seine Nachwirkungen haben dieser Nation die Gefahr vor Augen
geführt,
ebenso wie die wahren Absichten des globalen Terrornetzwerks und die
Realität, dass entschlossene Feinde den Besitz von
Massenvernichtungswaffen
anstreben, um sie gegen uns einzusetzen.
Es besteht Gewissheit darüber, dass das Al-Qaida-Netzwerk den Besitz
solcher
Waffen anstrebt und zumindest eingeschränkte Fähigkeiten hat, diese
einzusetzen. In den Ruinen der Al-Qaida-Verstecke in Afghanistan haben
wir
Hinweise auf dahingehende Bemühungen gefunden. Und vor wenigen Tagen
bekamen
wir weitere Bestätigung in Form von Videos, die bei CNN gezeigt wurden:
Bilder von Al-Qaida-Mitgliedern, die trainieren, um Terrorakte zu
begehen
und Bilder von der Erprobung chemischer Waffen an Hunden. Diese auf
freiem
Fuß befindlichen Terroristen sind entschlossen, diese Fähigkeiten gegen
die
Vereinigten Staaten und ihre Freunde und Bündnispartner auf der ganzen
Welt
einzusetzen.
Angesichts dieser Perspektive, gilt die alte Sicherheitsdoktrin nicht
mehr.
In den Tagen des Kalten Krieges konnten wir der Bedrohung durch
Abschreckungs- und Eindämmungsstrategien begegnen. Es ist aber viel
schwieriger, Feinde abzuschrecken, die kein Land zu verteidigen haben.
Und
Eindämmung ist nicht möglich, wenn Diktatoren Massenvernichtungswaffen
beschaffen und willens sind, diese mit Terroristen zu teilen, die den
Vereinigten Staaten katastrophalen Schaden zufügen wollen.
Der Fall Saddam Husseins, einem Todfeind unseres Landes, erfordert eine
aufrichtige Bewertung der Fakten. Nach seiner Niederlage im Golfkrieg
1991
hat Saddam Hussein im Rahmen der Resolution 687 des UN-Sicherheitsrats
zugesagt, die Entwicklung aller Massenvernichtungswaffen einzustellen.
Er
stimmte der Beendigung seines Nuklearwaffenprogramms zu. Er stimmte der
Zerstörung seiner chemischen und biologischen Waffen zu. Des weiteren
willigte er ein, UN-Waffeninspektorenteams in sein Land zu lassen, die
sicherstellen sollten, dass er diesen Forderungen tatsächlich nachkommt.
In den vergangenen zehn Jahren hat Saddam Hussein keine dieser Zusagen
eingehalten. Das irakische Regime war dagegen sehr bemüht, seine
Fähigkeiten
im Bereich chemischer und biologischer Kampfstoffe zu verbessern. Und es
betreibt auch weiterhin das vor vielen Jahren begonnene Nuklearprogramm.
Dies sind keine Waffen zur Verteidigung des Irak, es sind in hohem Maß
todbringende Angriffswaffen, die entwickelt wurden, damit Saddam Hussein
jeden Beliebigen damit bedrohen kann, sei es in der eigenen Region oder
darüber hinaus.
Im Hinblick auf Nuklearwaffen werden sich viele von Ihnen daran
erinnern,
dass Saddam Husseins Bestrebungen 1981 einen herben Rückschlag erlitten,
als
die Israelis den Reaktor in Osirak beschossen. Ein weiterer
entscheidender
Schlag erfolgte während und in der Folge von Desert Storm.
Aber wir wissen jetzt, dass Saddam Hussein seine Bemühungen zur
Beschaffung
von Nuklearwaffen wieder aufgenommen hat. Neben anderen Quellen haben
wir
diese Information aus erster Hand von Überläufern, einschließlich Saddam
Husseins eigenem Schwiegersohn, der daraufhin auf Anweisung Saddam
Husseins
ermordet wurde. Viele von uns sind davon überzeugt, dass Saddam Hussein
sehr
bald über Nuklearwaffen verfügen wird.
Wir können nur nicht abschätzen, wie bald. Der Nachrichtendienst ist ein
unsicheres Geschäft, auch unter optimalen Bedingungen. Das ist
insbesondere
dann der Fall, wenn man es mit einem totalitären Regime zu tun hat, dass
sich auf die Irreführung der internationalen Gemeinschaft spezialisiert
hat.
Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel dafür geben. Vor dem Golfkrieg kamen
die
Spitzenanalysten der amerikanischen Nachrichtendienste zu mir ins Büro,
um
mir zu sagen, dass Saddam Hussein in frühestens fünf oder vielleicht
zehn
Jahren über Nuklearwaffen verfügen würde. Nach dem Krieg erfuhren wir,
dass
er diesem Ziel viel näher war, vielleicht hätte es nur noch ein Jahr
gedauert, bis er solche Waffen gehabt hätte.
Saddam Hussein ersann ebenso ein ausgefeiltes Programm zur
Verheimlichung
seiner aktiven Bemühungen zur Herstellung chemischer und biologischer
Waffen. Und man muss sich die Geschichte der UN-Inspektorenteams im Irak
vor
Augen halten. Selbst als die Inspektoren die genauesten
Rüstungskontrollen
der Geschichte durchführten, ist ihnen doch vieles entgangen. Bevor sie
des
Landes verwiesen wurden, fanden und zerstörten die Inspektoren tausende
chemischer Waffen und hunderte Tonnen Senfgas und andere Nervengifte.
Und dennoch hat Saddam Hussein versucht, sie zu behindern und sie bei
jeder
Gelegenheit irrezuführen - und er hatte oft genug damit Erfolg. Ich
führe
ein Beispiel an. Im Frühjahr 1995 waren die Inspektoren kurz davor zu
erklären, dass Saddam Husseins Programme zur Entwicklung chemischer
Waffen
und ballistischer Flugkörper größerer Reichweite aufgedeckt und beendet
worden seien. Da lief plötzlich Saddam Husseins Schwiegersohn über und
packte aus. Binnen weniger Tage wurden die Inspektoren zu einer
irakischen
Hühnerfarm gebracht. Dort waren kistenweise Dokumente und jede Menge
Beweise
für Iraks geheimstes Waffenprogramm versteckt. Das sollte uns allen ins
Gedächtnis rufen, wie oft wir mehr durch Überläufer als durch die
Inspektionen selbst erfahren haben.
Die Inspektoren waren bestürzt, als sie noch rechtzeitig erkannten, dass
Saddam Hussein sie über das Ausmaß seiner Massenproduktion von VX -
einem
der todbringendsten dem Menschen bekannter Kampfstoffe - weitgehend im
Unklaren gelassen hatte. Noch weit von der Einstellung der verbotenen
irakischen Raketenprogramme entfernt, fanden die Inspektoren heraus,
dass
Saddam Hussein solche Raketentests quasi buchstäblich vor der Nase der
UN-Inspektoren durchführte.
Vor diesem Hintergrund könnte jemand zu Recht den Vorschlag in Frage
stellen, wir bräuchten nur die Inspektoren wieder in den Irak zu
schicken,
dann wären alle unsere Sorgen behoben Saddam Hussein hat das Spiel von
Betrug und Rückzug perfektioniert und ist Meister in der Kunst des
Leugnens
und der Täuschung. Eine Rückkehr der Inspektoren wäre überhaupt keine
Garantie für die Einhaltung der UN-Resolutionen durch Saddam Hussein. Im
Gegenteil, es besteht die große Gefahr, dass man sich irrtümlich in dem
Glauben wiegt, Saddam Hussein sei wieder "in der Klemme".
In der Zwischenzeit würde er weitere Pläne aushecken. In den letzten 12
Jahren hat ihn nichts aufgehalten - weder seine Zusagen, die
Entdeckungen
der Inspektoren oder die Enthüllungen der Überläufer, die Kritik oder
Ächtung durch die internationale Gemeinschaft, noch die viertägige
Bombardierung durch die Vereinigten Staaten im Jahr 1998. Er möchte
immer
mehr Zeit gewinnen, um mit den Ressourcen haushalten zu können, in seine
laufenden chemischen und biologischen Waffenprogramme zu investieren und
in
den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen.
Sollten alle seine ehrgeizigen Ziele verwirklicht werden, wären die
Auswirkungen für den Nahen Osten, die Vereinigten Staaten und für den
Weltfrieden enorm. Das gesamte Spektrum von Massenvernichtungswaffen
wäre
dann in den Händen eines Diktators, der bereits seine Bereitschaft zum
Einsatz solcher Waffen unter Beweis gestellt und sie sowohl in seinem
Krieg
mit dem Iran als auch gegen sein eigenes Volk eingesetzt hat. Bewaffnet
mit
einem Arsenal dieser Waffen des Terrors und Herr über zehn Prozent der
Ölreserven der Welt könnte Saddam Hussein versuchen, die Beherrschung
des
gesamten Nahen Ostens anzustreben, die Kontrolle über einen Großteil der
weltweiten Energiereserven zu erlangen, die Freunde der Vereinigten
Staaten
in der gesamten Region direkt zu bedrohen und die Vereinigten Staaten
oder
jede andere Nation nuklearer Erpressung auszusetzen.
Mit anderen Worten - es besteht kein Zweifel, dass Saddam Hussein jetzt
Massenvernichtungswaffen besitzt. Es besteht kein Zweifel, dass er sie
für
den Einsatz gegen unsere Freunde, unsere Bündnispartner und gegen uns
anhäuft. Und es besteht kein Zweifel, dass seine aggressiven regionalen
Ambitionen ihn zu künftigen Konfrontationen mit seinen Nachbarländern
veranlassen werden - Konfrontationen sowohl mit den heute in seinem
Besitz
befindlichen Waffen als auch mit denjenigen, die er mit seinem
Ölreichtum
weiterhin entwickeln wird.
Meine Damen und Herren, es gibt keinen Grund im Verhalten oder der
Geschichte von Saddam Hussein, die von mir heute Morgen angesprochenen
Sorgen mit Vorbehalt aufzunehmen. Schließlich befassen wir uns mit
demselben
Diktator, der amerikanische und britische Piloten regelmäßig in der
Flugverbotszone beschießt, demselben Diktator, der eine Gruppe von
Mördern
entsandt hat, die Präsident Bush bei einer Auslandsreise töten sollten,
demselben Diktator, der in den Iran und in Kuwait einmarschierte und
ballistische Raketen auf den Iran, Saudi-Arabien und Israel abgefeuert
hat,
demselben Diktator, der seit mehr als 20 Jahren auf der Liste des
US-Außenministeriums von den Terrorismus fördernden Staaten steht.
Angesichts einer solchen Bedrohung müssen wir mit Sorgfalt, Bedacht und
in
Konsultation mit unseren Bündnispartnern vorgehen. Ich kenne unseren
Präsidenten sehr gut. Ich habe an seiner Seite gearbeitet, als er unsere
Antwort auf die Ereignisse des 11. September in die Wege leitete. Ich
weiß,
dass er vorsichtig und überlegt alle möglichen Optionen bei der
Bewältigung
der Bedrohung berücksichtigt, die ein von Saddam Hussein beherrschter
Irak
darstellt. Und ich bin zuversichtlich, dass er im Einklang mit seinen
Äußerungen enge Konsultationen mit dem Kongress sowie unseren Freunden
und
Bündnispartnern führen wird, bevor er sich für eine Vorgehensweise
entscheidet. Er begrüßt die Debatte, die jetzt auch hier im Land geführt
wird, und hat seinem nationalen Sicherheitsteam gegenüber klargestellt,
dass
er unsere uneingeschränkte Teilnahme an den Anhörungen wünscht, die
nächste
Woche zu diesem ungeheuer wichtigen Thema im Kongress stattfinden.
Wir werden auch von einem Rückblick auf unsere eigene Geschichte
profitieren. In dieser Halle sind heute viele Veteranen des Zweiten
Weltkriegs versammelt. Für die Vereinigten Staaten begann dieser Krieg
am 7.
Dezember 1941 mit dem Angriff auf Pearl Harbor und der beinahe
vollständigen
Zerstörung unserer Pazifikflotte. Erst dann erkannten wir das Ausmaß der
Gefahr für unser Land. Erst dann erklärten die Achsenmächte
uneingeschränkt
ihre Absichten uns gegenüber. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits viele
Länder
eingenommen worden. Millionen von Menschen waren gestorben. Und unsere
Nation war in einen Zweifrontenkrieg verwickelt, der mehr als eine
Millionen
amerikanischer Opfer forderte. Bis heute analysieren Historiker diesen
Krieg, spekulieren, wie wir Pearl Harbor hätten verhindern können und
fragen, welche Maßnahmen die Tragödien verhindert hätten, die zu dem
schlimmsten der menschlichen Geschichte zählen.
Im Jahr 2002 müssen die Vereinigten Staaten sorgfältige Fragen stellen,
nicht nur über unsere Vergangenheit, sondern auch über unsere Zukunft.
Den
gewählten Politikern dieses Landes obliegt die Verantwortung, alle
verfügbaren Optionen zu berücksichtigen. Und das tun wir. Was wir
angesichts
einer tödlichen Bedrohung nicht tun dürfen, ist, uns Wunschdenken
hinzugeben
oder mutwillig die Augen zu verschließen. Wir werden nicht einfach
wegschauen, das Beste hoffen und die Angelegenheit einer zukünftigen
Regierung zur Lösung überlassen. Wie Präsident Bush gesagt hat, ist die
Zeit
nicht auf unserer Seite. Einsatzbereite Massenvernichtungswaffen in den
Händen eines Terrornetzwerks oder eines mörderischen Diktators - oder
die
Zusammenarbeit dieser Beiden - stellen die ernsteste Bedrohung dar, die
man
sich vorstellen kann. Die Risiken der Untätigkeit sind sehr viel größer
als
die Risiken des Handelns.
Jetzt und in Zukunft werden wir eng mit der globalen Koalition
zusammenarbeiten, um den Terroristen und den sie fördernden Staaten das
Material, die Technologie und das Fachwissen für die Herstellung und den
Einsatz von Massenvernichtungswaffen zu verwehren. Wir werden zum Schutz
der
Vereinigten Staaten und ihrer Bündnispartner vor einem plötzlichen
Angriff
eine effektive Raketenabwehr entwickeln und stationieren. Und die ganze
Welt
soll wissen, dass wir alle erforderlichen Maßnahmen zur Verteidigung
unserer
Freiheit und unserer Sicherheit ergreifen werden.
Der ehemalige Außenminister Kissinger hat vor kurzem erklärt: "Die
Bedrohung
der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die große Gefahr, die sie
darstellen, die Ablehnung eines tragfähigen Inspektionssystems und die
demonstrative Feindlichkeit von Saddam Hussein führen zusammengenommen
zu
dem Gebot eines Präventivschlags." Wenn die Vereinigten Staaten den 11.
September hätten verhindern können, hätten wir es getan - das steht
außer
Frage. Sollten wir in der Lage sein, einen weiteren, sehr viel
verheerenderen Anschlag zu verhindern, werden wir es tun - das steht
außer
Frage. Diese Nation wird sich Terroristen oder Terrorregimes nicht auf
Gedeih und Verderb ausliefern.
Die Argumente gegen ein Vorgehen im Falle von Saddam Hussein sind mir
vertraut. Einige räumen ein, dass Saddam Hussein böse, machthungrig und
eine
Bedrohung ist - aber dass wir, bis er die Schwelle zum tatsächlichen
Besitz
von Nuklearwaffen überschreitet, jeglichen Präventivschlag ausschließen
sollten. Diese Logik scheint mir viele Fehler zu enthalten. Die
Argumentation lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ja, Saddam Hussein
ist so
gefährlich wie wir sagen, wir müssen ihn nur stärker werden lassen,
bevor
wir etwas dagegen tun.
Aber wenn wir bis zu diesem Zeitpunkt warten, wäre Saddam Hussein nur
ermutigt, und es würde noch schwieriger für uns, Freunde und
Bündnispartner
für den Kampf gegen ihn zu gewinnen. Als einer derjenigen, der an der
Zusammenstellung der Koalition im Golfkrieg beteiligt war, kann ich
Ihnen
sagen, dass unsere Aufgabe dann angesichts eines mit Nuklearwaffen
ausgerüsteten Saddam Hussein unendlich viel schwieriger wäre. Und viele
derjenigen, die jetzt argumentieren, wir sollten nur handeln, wenn er in
den
Besitz von Nuklearwaffen gelangt, würden dann eine Kehrtwendung machen
und
sagen, wir können nicht handeln, weil er Nuklearwaffen besitzt. Im
Grunde
empfiehlt dieses Argument einen Kurs der Untätigkeit, der an sich schon
für
viele Länder - einschließlich unseres eigenen - verheerende Konsequenzen
haben könnte.
Ein anderes Argument lautet, der Widerstand gegen Saddam Hussein würde
in
diesem Teil der Welt noch größere Probleme schaffen und den
umfassenderen
Krieg gegen den Terror behindern. Meiner Ansicht nach trifft das
Gegenteil
zu. Ein Machtwechsel im Irak würde der Region eine Reihe von Vorteilen
bringen. Wenn die gravierendsten Bedrohungen beseitigt sind, werden die
freiheitsliebenden Menschen der Region eine Chance zur Förderung der
Werte
haben, die dauerhaften Frieden herbeiführen können. Bezüglich der
Reaktion
der Araber "auf der Straße" sagt der Nahostexperte Professor Fouad Ajami
voraus, dass man nach der Befreiung auf den Straßen in Basra und Bagdad
"zweifelsohne ebenso wie damals die Menschenmenge in Kabul in Freude
ausbrechen wird und die Amerikaner bejubelt". Die Extremisten in der
Region
müssten ihre Strategie des Dschihad überdenken. Gemäßigte in der
gesamten
Region würden Mut fassen. Und unsere Fähigkeit zur Förderung des
israelisch-palästinensischen Friedensprozesses würde verbessert, so wie
es
nach der Befreiung Kuwaits 1991 der Fall war.
In Wirklichkeit bergen diese Zeiten nicht nur Gefahren, sondern auch
Chancen. Im Nahen Osten, wo so viele Menschen nur Armut und
Unterdrückung,
Terror und Tyrannei kennen, blicken wir auf den Tag, an dem die Menschen
in
Freiheit und Würde leben können und an dem die jungen Menschen frei von
den
Umständen aufwachsen können, die der Nährboden für Verzweiflung, Hass
und
Gewalt sind.
In anderen Zeiten wurde die Welt Zeuge, wie die Vereinigten Staaten
erbitterte Gegner besiegten, dann beim Wiederaufbau ihres Landes
behilflich
waren und starke Bande zwischen unseren Völkern und unseren Regierungen
knüpften. In Afghanistan sieht die Welt heute, dass die Vereinigten
Staaten
nicht handeln, um zu erobern, sondern um zu befreien, und weiterhin in
Freundschaft dort bleiben, um den Menschen beim Aufbau einer Zukunft der
Stabilität, Selbstverwaltung und des Friedens zu helfen.
Im gleichen Geiste würden wir nach einem Machtwechsel im Irak handeln.
Mit
unserer Hilfe kann ein befreiter Irak wieder zu einer großartigen Nation
werden. Der Irak ist reich an natürlichen Rohstoffen und menschlichen
Fähigkeiten und hat ein unbegrenztes Potenzial für eine Zukunft in
Frieden
und Wohlstand. Unser Ziel wäre ein Irak mit territorialer Integrität,
einer
demokratischen und pluralistischen Regierung - eine Nation, in der die
Menschenrechte jeder ethnischen und religiösen Gruppe geachtet und
geschützt
werden. In diesem krisengeschüttelten Land sollen alle, die
Gerechtigkeit,
Würde und die Chance anstreben, ihr eigenes Leben zu leben, wissen, dass
sie
in den Vereinigten Staaten von Amerika einen Freund und Bündnispartner
haben.
Wichtige Entscheidungen und große Herausforderungen liegen vor uns.
Dennoch
können und werden wir eine sicherere und bessere Welt nach dem Krieg
gegen
den Terror aufbauen. Im vergangenen Jahr wurden Millionen Menschen im
In-
und Ausland erneut durch den Mut und die Selbstlosigkeit der
amerikanischen
Streitkräfte inspiriert. Ich selbst werde täglich - wie während meiner
Zeit
im Pentagon - an das Privileg erinnert, das die Zusammenarbeit mit
unserem
Militär darstellt. Auf welchem Gebiet und in welchem Rang auch immer -
dies
sind Männer und Frauen, die nach einem Kodex leben, den Vereinigten
Staaten
die besten Jahre ihres Lebens geben und der Welt die herausragendsten
Qualitäten unseres Landes zeigen.
Originaltext: Cheney Cites Threat from Iraq's Saddam Hussein. Die
deutsche Übersetzung der Rede wurde von der US-Botschaft in Berlin
besorgt.
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