Gewinner Bush - Verlierer UNO?
Internationale Pressestimmen auf die Rede des US-Präsidenten in der UN-Generalversammlung
Es war zweifellos eine wichtige Rede, die US-Präsident Bush in der UN-Generalversammlung am 12. September 2002 gehalten hat. Nicht weil sie neue Strategien und Pläne oder überraschende Gedanken enthalten hätte, sondern weil sie der Welt noch einmal zweifelsfrei vor Augen geführt hat, dass die USA gegenüber den Vereinten Nationen eine hegemoniale Position einnehmen: Wir haben eine Strategie, das Böse aus der Welt zu schaffen. Wir bitten dabei um eure Unterstützung. Andernfalls machen wir alleine, was wir tun müssen. Auf den Irak bezogen heißt das: Der Krieg ist unvermeidlich.
Die Kommentatoren der überregionalen Presse tun sich trotz dieser lapidaren Quintessenz der Rede schwer, sie richtig einzuordnen. Führt die US-Strategie nun zu einer Schwächung der Vereinten Nationen? Oder können die Vereinten Nationen sogar gewinnen, wenn sie sich die Strategie der USA zu eigen machen? Hatte Schröder Recht mit seinem Schwenk in der Irak-Politik oder hat er Deutschland in die internationale Isolierung manövriert?
Im Folgenden zitieren wir aus einer Reihe von Leitartikeln und Presse-Kommentaren, die sich mit Bushs Rede befassen. Sie zeugen sowohl von einer gewissen Differenziertheit in der Argumentation als auch von einer gewissen Beschränktheit: Plötzlich steht nicht mehr der Krieg gegen den Irak und die Kritik daran im Mittelpunkt, sondern die Frage, wie geschickt oder ungeschickt die einzige Weltmacht den Krieg in Szene setzt. Nur der letzte Kommentar, er stammt aus der Feder der Sprecherin der IPPNW, vermag die ganze Tragweite der gestrigen Rede welthistorisch zu erfassen.
Pst
Süddeutsche Zeitung
Wolfgang Koydl in der Süddeutschen Zeitung applaudiert Bush aus
vollem Herzen (Leitartikel "Der Gewinner heißt Bush") und kritisiert die
Haltung der Bundesregierung in der Irak-Frage.
... Kanzler
Gerhard Schröder hat
mit seinen unbedachten Bemerkungen zum Irak die
Bundesrepublik
ohnehin ein Stück tiefer in geopolitische
Provinzialität geführt. Die
Entscheidungen treffen andere, und konsultiert
wird nur, wer
dialogbereit ist. Außerdem dürfte sich
Deutschland isoliert haben – in
Europa und in der Welt.
Waren zuvor schon London, Rom und Paris auf
Amerikas Linie
eingeschwenkt, so hat sich nach Bushs
bemerkenswertem Auftritt
vor der UN- Generalversammlung das Bild erst
recht dramatisch
gewendet: Ein internationales Vorgehen gegen
Saddam Hussein
scheint näher gerückt zu sein. Nur Deutschland
wird, nimmt man den
Kanzler beim Wort, abseits stehen, wenn die
Weltgemeinschaft eine
„ernste und zunehmende Gefahr“ zu beseitigen
sucht.
Präzise und konsequent wie ein Staatsanwalt in
einem glänzenden
Plädoyer hat Bush Punkt für Punkt seine Anklage
gegen das
irakische Regime vorgetragen: den Bruch aller
Vereinbarungen, die
Verfolgung politisch Andersdenkender, die
Versuche,
Massenvernichtungswaffen in die Hand zu bekommen.
Dabei hat der
Ankläger Bush weniger für die Vereinigten Staaten
argumentiert als
für die Vereinten Nationen. Denn ihre
Resolutionen seien es, so
erinnerte er die Delegierten und Generalsekretär
Kofi Annan, die
von Bagdad schamlos ignoriert würden. Mithin sei
es die
Glaubwürdigkeit der UN, die auf dem Spiel stehe,
wenn sie „im
Angesicht der Gefahr“ versage.
Der Ball liegt nun bei den Vereinten Nationen.
Sie können ihn
aufnehmen und die gewünschte Resolution
verabschieden. Oder sie
können sich Amerikas Ansinnen verweigern. Dann
wird Washington
alleine handeln, und die Schuld für die
resultierende Impotenz der
Weltorganisation wird die UN selber tragen.
...
Bush kann nur gewinnen. Er hat sogar die –
zugegeben ferne –
Möglichkeit für einen friedlichen Machtwechsel im
Irak offen
gelassen. Ihm geht es um den Sturz eines Regimes,
nicht um Krieg an
sich. Nichts anderes hat er immer gesagt, nichts
anderes will er
erreichen. Und Bush ist bekannt dafür, dass er
bekommt, was er
sich vornimmt.
(Süddeutsche Zeitung, 13. September 2002)
Frankfurter Rundschau
In der Frankfurter Rundschau war der Leitartikel dem österreichischen
Rechtspopulisten Haider gewidmet. Der kurze Kommentar von Karl Grobe
folgte erst an zweiter Stelle, obwohl doch, wie es in der Überschrift
heißt, "die Rolle der UN und die allgemeine Ordnung der internationalen
Politik .. auf dem Spiel (stehen)".
Handfeste Beweise hat US-Präsident George W. Bush am
Donnerstag der
UN-Vollversammlung nicht vorgelegt, und das
Begleitdokument aus dem Weißen
Haus reicht für eine juristisch stichhaltige Anklage
gegen das Bagdader Regime
auch nicht aus. ... Ein Aufruf, sofort
den Krieg zu beginnen, war sie (die Rede) nicht.
Doch der ist nicht abgewendet. Bush ist zum Sturz des
Bagdader Regimes nach
wie vor entschlossen und lässt fortan seine
Diplomaten daran arbeiten, für dieses
Vorhaben Mitstreiter in den UN und unter einzelnen
Staaten zu gewinnen. Die
Aufforderung an die Weltorganisation, sie könne sich
dem unverrückbaren
Standpunkt der USA ja anschließen, ist deutlich
genug: Folgen die Vereinten
Nationen den Vereinigten Staaten nicht, so machen die
es letztlich doch allein.
Denn als Zuschauer wären die UN nichts mehr wert.
Dies ist der entscheidende Punkt. Es geht um die
Weltordnung und um
Weltmacht. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte den
Hinweis gegeben: Die Rolle
der UN und die allgemeine Ordnung der internationalen
Politik stehen auf dem
Spiel. Alleingänge bergen die Gefahr in sich, beides
zu zerstören. Bush hat
zugehört und, alles in allem genommen,
zurückhaltender als erwartet gesprochen.
Es kommt nun auf seine Handlungen an - und auf die
des Bagdader Regimes. Sie
können immer noch zerstörerisch sein.
(Frankfurter Rundschau, 13.09.2002)
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Als "Eine Chance" wird die gestrige Sitzung der Generalversammlung
mit den beiden herausragenden Reden von Kofi Annan und George W. Bush
angesehen. London und Paris werden belobigt dafür, dass sie angeblich
die USA für die Vereinten Nationen zurückgewinnen wollen. Der Haltung
der rot-grünen Bundesregierung wird dagegen indirekt Populismus
vorgeworfen.
... Erst seit
Washington das Thema
Irak wieder auf die Tagesordnung brachte,
spricht man auch
am Hudson River davon, daß der Sicherheitsrat
bei
fortgesetzter Renitenz des Irak "zur Tat
schreiten müsse".
Bush, der die UN an ihrer schwächsten Stelle
packte und als
ihr Sachwalter auftrat, kann das als ersten
Erfolg verbuchen.
Sein Appell an die Staatengemeinschaft,
endlich der Gefahr ins
Auge zu sehen, die von Saddam Hussein
ausgeht, ist eine
Chance für die UN, verlorene Glaubwürdigkeit
zurückzugewinnen. Die Vorschläge aus
Washington, London
und Paris, den Irak ultimativ aufzufordern,
sich einem strengen
Kontrollregime zu unterziehen, entsprechen
der bisherigen
UN-Linie, verschärft jedoch durch die
Androhung militärischer
Konsequenzen. Amerika bemüht sich um ein
UN-Mandat, weil
das einige der politischen Risiken verringern
kann, die mit
einem Schlag gegen den Irak verbunden sind.
Bush ließ jedoch
keinen Zweifel daran aufkommen, daß Amerika
notfalls den
Alleingang wagen wird. Die Regierungen in
London und Paris
arbeiten jetzt daran, Amerika für die
Vereinten Nationen und die
Vereinten Nationen für Amerika zu gewinnen.
Die Regierung in
Berlin dagegen arbeitet daran, im Amt zu
bleiben.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.09.2002)
Der Standard (Wien
Der Wiener Standard brachte in seiner Online-Ausgabe bereits am Abend des 12. September eine erste Einschätzung der Bush-Rede von Gudrun Harrer. Bezeichnender Titel: "Mit euch oder ohne euch".
Erstens: US-Präsident George Bush will die UNO-Mitglieder gerne davon überzeugen, dass ein Einsatz von Gewalt gegen den Irak notwendig und legitim ist. Zweitens: Falls ihm das nicht gelingt, ist es auch egal. Dann machen es die USA eben alleine. Das war, boshaft verkürzt, der Bush-Auftritt vor der UNO-Vollversammlung am Donnerstag in New York.
...
Aber immerhin, Bushs Rede war ein Schritt, den so manche in der derzeitigen US-Regierung als aufregend multilateral empfinden werden, immerhin, Bush versuchte zum ersten Mal, die nebulösen Anschuldigungen und Gut-und-böse-Metaphern, mit denen man es in der Irak-Debatte bisher ausschließlich zu tun hatte, an internationalem Recht festzumachen.
Und es ist ja nicht so, dass nichts dran wäre: Man muss sich vergegenwärtigen, dass in der ersten Irak-Resolution der UNO, die sich im April 1991 mit der Abrüstung beschäftigte, dem Irak zwei Wochen gegeben wurden, um seine Massenvernichtungswaffen- und Raketenprogramme offenzulegen - und dass wir heute, elf Jahre und fünf Monate danach, noch immer mit der Angelegenheit befasst sind, wie es so schön in den UNO-Resolutionen heißt.
Was für Schlüsse daraus zu ziehen sind, ist wieder eine andere Frage. Denn trotz allem wäre es nicht korrekt zu sagen, dass die irakische Abrüstung durch die UNO gescheitert ist: Die UNO-Abrüster haben bis 1998 im Irak mehr Waffen und rüstungsrelevantes Material zerstört als der ganze Golfkrieg. Die UNO-Inspektoren sind ziemlich einhellig davon überzeugt, dass dem Irak nicht viel an Waffen geblieben war, als sie das Land verließen. Und was der Irak jetzt hat, bleibt immer noch pure Spekulation, auch nach der Bush-Rede.
Dass Bush dem Irak keinen Termin nennen würde, war absehbar - zu groß ist in den Augen Washingtons die Gefahr, dass Saddam Hussein es annehmen und die Abrüstungsgeschichte erst einmal in der Endlosschleife weiterlaufen könnte - wie im Frühjahr 1998, als Annan sogar nach Bagdad gepilgert war, um die Inspektionen wieder in Gang zu bringen, letzten Endes ohne Ergebnis. Wobei, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auch die hinter den Abrüstern versteckten US-Spionageversuche dazu beitrugen, dass Saddam damals die Unscom aus dem Land warf.
Und nach all den Wortmeldungen der vergangenen Wochen und Monate, die aus seiner Regierung kamen, wird dem US-Präsidenten auch nach seiner Rede am Donnerstag niemand so recht glauben, dass die USA lediglich erzwingen wollen, dass der Irak die UNO-Resolutionen befolgt und sie sich deshalb aufgrund der alten Resolutionen zum Einsatz von Gewalt bemächtigt fühlen.
Zu oft schon wurde von den Falken das Ziel formuliert: ein Regimewechsel im Irak. Und dieses Ziel ist weder durch die alten Resolutionen gedeckt, noch wird es dafür je ein UNO-Mandat geben.
...
Die Wahrheit ist, dass diese Bush-Rede vor der UNO eine nette diplomatische Veranstaltung war, die wohl so nicht stattgefunden hätte, wäre in diesen Tagen nicht gerade eine UNO-Vollversammlung. Die Ziele der USA und die der UNO decken sich nicht und werden sich nicht decken: was die Entscheidungen Bushs schlussendlich in keiner Weise beeinflussen wird. Was die UNO dann wieder einmal in den Rang der politischen Bedeutungslosigkeit verweisen wird. Beim Wiederaufbau des Irak darf sie dann wieder mitmachen.
(Der Standard, Online, 12.09.2002)
Der Tagesspiegel
Der US-Korrespondent des Berliner Tagesspiegel, Malte Lehming,
streicht die zentrale Botschaft der Bush-Rede heraus, wenn er schreibt,
dass die USA an ihrem ursprünglichen Plan gegenüber dem Irak festhalten
- die UNO kann sich dem anschließen, wenn nicht, dann machen es die USA
eben alleine. "Was er will", ist denn auch der Artikel
überschrieben:
...
Das irakische Regime habe jede
Legitimation verloren, sagte Bush am
Donnerstag vor der UN und fügte hinzu:
Und deshalb werde Bagdad auch
seine Macht verlieren. Einen ähnlich
harschen Ton hatte er bereits am
Vorabend in seiner Rede an die Nation
angeschlagen. Die Anspielungen
auf Saddam Hussein waren unüberhörbar.
„Wir werden keinem
Terroristen oder Tyrannen erlauben, die
Zivilbevölkerung mit
Massenvernichtungswaffen zu bedrohen",
sagte Bush in New York. Die
USA würden sich niemals der „Gnade einer
ausländischen
Verschwörung oder Macht aussetzen". Er
werde nicht eher ruhen, „bis die
Gerechtigkeit gesiegt hat und unsere
Nation sicher ist. Was unsere
Feinde begonnen haben, werden wir
beenden."
Das sind klare Worte. Auch die Botschaft
an die UN, die sich implizit als
Ultimatum verstehen lässt, war
unmissverständlich: Wenn der
Sicherheitsrat nicht endlich selbst
handelt und die permanente Verletzung
seiner eigenen Resolutionen durch Saddam
nicht ahndet, werden wir die
Sache in die eigenen Hände nehmen
müssen. Keinen Zweifel ließ der
US-Präsident daran, dass die Zeit für
ihn ein wesentlicher Faktor ist.
„Wenn wir dem Sicherheitsrat eine letzte
Frist geben", heißt es in
Regierungskreisen, „gehen wir von
wenigen Wochen aus, nicht Monaten."
Das Ziel steht fest, der Weg ist offen.
Denn wirklich konkret wurde Bush
nicht. Was genau er vom Sicherheitsrat
verlangt, bleibt vage. Auch das hat
seinen Grund. Einerseits will Bush den
UN keine Vorschriften machen,
andererseits will er sie nicht aus der
Verantwortung entlassen, eine
eigene Politik zu formulieren. Die
bislang verabschiedeten Resolutionen
sind eindeutig. Sie fordern vom Irak die
bedingungslose Zulassung von
Waffeninspektoren sowie die Vernichtung
aller
Massenvernichtungswaffen.
Die amerikanische Irak-Politik, wie sie
Bush gestern in groben Zügen
skizzierte, wird von seiner gesamten
Administration getragen.
Unterschiede gibt es in Nuancen, nicht
im Prinzip. Selbst Außenminister
Colin Powell, dessen Äußerungen im
Ausland gerne als Dissens
gewertet werden, befürwortet einen
Alleingang, falls die UN nicht
mitziehen. Auch er setzt sich für einen
„Regierungswechsel" in Bagdad
ein. Und eine Rückkehr der Inspektoren
ist für ihn ebenfalls nur ein erster
Schritt. „Wir sollten nicht glauben,
dass die Inspektoren an sich uns
schon jene Sicherheit geben können, die
wir brauchen", sagt er. Ihre
Rückkehr sei kein Ersatz für den
notwendigen Sturz Saddams.
...
Dass sich gegen ... extremen
Unilateralismus nun die
Powell-Linie durchsetzte, liegt daran,
dass die US-Regierung glaubt,
keine Karten aus der Hand gegeben zu
haben. Als Vorbild dient der
Oktober 1998. Damals gelang es nicht,
eine UN-Resolution zum Schutz
der Kosovo-Albaner zu erwirken. Das
hielt die Nato nicht davon ab, ohne
Genehmigung des Sicherheitsrates
zuzuschlagen. „Selbst wenn
Washington heute wieder die
Unterstützung verwehrt wird", sagt der
Ex-US-Botschafter bei der UN, Richard
Holbrooke, „werden wir auf einer
anderen Legitimationsbasis handeln
können." Anders formuliert: Die USA
bleiben bei ihrer Linie und setzen
zusätzlich die Weltgemeinschaft
moralisch unter Druck. Der Ball liegt im
Feld der Kritiker.
Der Tagesspiegel, 13.09.2002)
Neue Zürcher Zeitung
Die Neue Zürcher Zeitung ("Bush packt die Uno bei ihrer Ehre")
attestiert dem US-Präsidenten eine diplomatische Meisterleistung: Mit
seiner Rede habe er geschickt den Ball den Vereinten Nationen
zugespielt, ohne aber den Ball aus den Händen gegeben zu haben.
Auch Kritiker der Administration Bush und ihrer gegenwärtigen Fixierung
auf
das Regime von Saddam Hussein werden einräumen müssen, dass der
amerikanische Präsident beim Auftritt vor der Uno-Generalversammlung
sein
Anliegen geschickt und mit kraftvollen Argumenten vorgetragen hat.
Natürlich
weiss man in Washington Bescheid über die unter den Uno-Mitgliedern weit
verbreitete Skepsis zu den kämpferischen amerikanischen Drohungen
gegenüber dem Machthaber in Bagdad. Doch Bush war klug genug, in seiner
Rede nicht Gegensätze oder Differenzen zwischen Amerika und den
Vereinten
Nationen zu betonen. So vermied er es, ein Klima der Konfrontation und
Rechthaberei zu schaffen.
Bush betonte vielmehr seinen Respekt für die Weltorganisation und
erinnerte
daran, dass die USA zu den Gründungsmitgliedern dieses wichtigsten
weltumspannenden Völkerforums gehörten. Es gehe ihm, argumentierte der
Präsident, mit seiner Druckpolitik gegenüber dem Irak nicht zuletzt um
den
Erfolg und die Glaubwürdigkeit der Uno. Damit packte er die
Weltorganisation
gewissermassen bei ihrer eigenen Ehre. Glaubwürdig könne die Uno nur
sein,
wenn sie die Resolutionen des Sicherheitsrates auch durchzusetzen
vermöge. ...
Bush hat mit seinem Auftritt vor der Uno die Verantwortung für die
nächsten
Schritte in dieser Auseinandersetzung taktisch geschickt der
Weltorganisation
selber und dem Machthaber in Bagdad zugeschoben. Der Uno-Sicherheitsrat
müsse nun durch entsprechende Entschliessungen dafür sorgen, dass der
Irak
seine Verpflichtungen zur Abrüstung und zur uneingeschränkten Inspektion
seiner Waffenarsenale lückenlos erfülle. Anders als vor kurzem noch sein
Stellvertreter Cheney wischte Bush die Möglichkeit neuer strikter
Überprüfungen des irakischen Waffenpotenzials nicht einfach als sinnlose
Übung beiseite. Gleichzeitig liess er kaum Zweifel offen, dass die USA
notfalls
auch ohne die Unterstützung der Weltorganisation die Ausschaltung Saddam
Husseins und seiner gefährlichen Fähigkeiten, Massenvernichtungswaffen
einzusetzen, betreiben würden.
... Manches spricht dafür, dass Bush mit diesem Auftritt sein bisheriges - auch von ihm
nahestehenden Beobachtern in Amerika beklagtes - Diplomatie-Defizit zum
Thema Irak erheblich abgebaut hat. Das Kunststück, die Uno einerseits
energisch zu klaren Entscheidungen herauszufordern und sich gleichzeitig
als
Hüter von deren Glaubwürdigkeit zu präsentieren, hatten viele Skeptiker
diesem
Präsidenten nicht ohne weiteres zugetraut.
Neue Zürcher Zeitung, 13.09.2002
IPPNW
Mit Besorgnis ist von der friedenspolitischen Ärzteorganisation IPPNW
die Rede des US-Präsidenten George W. Bush vor der Generalversammlung
der Vereinten Nationen aufgenommen worden. In einer ersten Reaktion auf
die Rede erklärte Dr. Ute Watermann, Sprecherin der IPPNW-Deutschland,
in Berlin:
Die Bush-Rede deutet klar darauf hin, dass die USA in Zukunft selbst
entscheiden werden, welches Land es wann vorbeugend angreifen wird. Der
Irak wird hier nur das erste Land auf der Liste potenzieller
Kriegsgegner sein. Damit verkommen die Vereinten Nationen zu reinen
Statisten in der Weltsicherheitspolitik. Ihre Zukunft steht auf dem
Spiel.
Es stellt sich die Frage, ob wir in Zukunft in einer Welt leben werden,
in der das mächtigste Land der Welt über Krieg und Frieden entscheiden
wird, oder ob wir weiter multilateral, also gemeinsam in der
Völkergemeinschaft, entscheiden werden.
Wie lange werden unsere Wertvorstellungen von Humanität, Freiheit und
Gleichheit, die zur Rechtfertigung dieser Entwicklung instrumentalisiert
werden, in dieser neuen unilateralen Welt überleben?
Natürlich ist es richtig, vom Irak die Befolgung von UN-Resolutionen zu
verlangen. Wenn dies allerdings die USA, die selbst mit solchen Vorgaben
nach eigenem Gutdünken verfährt, als Kriegsgrund anführt, ist das eine
unerträgliche Doppelmoral. Ein Beispiel ist die Resolution 687 vom April
1991. Sie erteilt dem Irak eine ganze Liste von Auflagen, fordert aber
zugleich von den Atomwaffenstaaten die Erfüllung ihrer völkerrechtlich
verbindlichen Abrüstungszusagen. Die USA hat ihre Zusagen nicht erfüllt.
Ohne das daraus Konsequenzen folgten.
Tatsächlich spielt sich im Irak eine humanitäre Katastrophe ungeheuren
Ausmaßes ab. Bedingt durch den Diktator Saddam Hussein - und die
Sanktionspolitik der UN. Es ist weder genügend Nahrung im Land, noch
gibt es eine angemessene medizinische Grundversorgung. Einfachste
Medikamente dürfen nicht importiert werden. Ein Krieg würde das Leid der
Bevölkerung weiter verstärken - und wird von den Zivilisten gefürchtet.
Schon heute fliehen Mütter und Kinder unter unerträglichen Bedingungen
in den Norden des Landes - aus Angst vor den Bombardierungen.
Hoffnung für eine friedliche Beilegung des Konfliktes besteht einzig in
der Aufhebung der Sanktionen und der Stärkung der innerirakischen und
arabischen Opposition. Die IPPNW begrüßt hier die Rede von Kofi Annan,
der multilaterales Handelns als Garant für eine friedliche Entwicklung
beschwört.
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