"Die Ablehnung der Herausgabe der angeforderten Unterlagen verletzt Artikel 44 des Grundgesetzes"
Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Eine schallende Ohrfeige für die Große Koalition - Das Geheim- und Zurückhalten wichtiger Regierungsunterlagen im BND-Untersuchungsausschuss war verfassungswidrig - Norman Paech für Fortsetzung des Ausschusses
Am 23. Juli 2009 verkündete der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts sein am 16. Juli d.J. abgefasstes Urteil über die regierungsseitigen Behinderungen des BND-Untersuchungsausschusses. Den Klägern (die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, FDP und DIE LINKE) wurde weitgehen Recht gegeben. Im Folgenden dokumentieren wir:
Koalition verstieß gegen Grundgesetz
Karlsruhe: Bundesregierung handelte gegenüber BND-Untersuchungsausschuß verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat die Kontrollrechte von Untersuchungsausschüssen gegenüber der Regierung deutlich gestärkt. Die Richter entschieden in einem am Donnerstag (23. Juli) veröffentlichten Beschluß, daß die große Koalition mit ihrem restriktiven Vorgehen im BND-Untersuchungsausschuß des Bundestages gegen das Grundgesetz verstoßen hat.
Die Regierung könne sich nicht pauschal auf das Staatswohl oder auf ihre »exekutive Eigenverantwortung« berufen, um die Herausgabe von Informationen an das Parlament zu verweigern und Zeugenaussagen zu beschränken. »Das Staatswohl ist nicht allein der Bundesregierung, sondern in gleicher Weise auch dem Bundestag anvertraut«, betonten die Richter.
Eine Organklage der Bundestagsfraktionen von FDP, Grünen und der Linken hatte damit überwiegend Erfolg. Grüne und Linke forderten nach dem Karlsruher Beschluß eine Wiederaufnahme der Arbeit des Ausschusses. Die FDP verlangte eine Sondersitzung, in der »zusätzliche Beweisaufnahmen« beschlossen werden sollten. Das 2006 eingesetzte Gremium hatte die Rolle deutscher Behörden bei mutmaßlichen Verletzungen rechtsstaatlicher Standards im sogenannten Krieg gegen den Terror untersucht.Der Ausschußvorsitzende Siegfried Kauder (CDU) lehnte eine Sondersitzung ab. Karlsruhe habe »nur einen Begründungsmangel festgestellt«, sagte Kauder. »Das Gericht sagt nicht, die Regierung muß mehr Fakten liefern, sondern es sagt, sie muß das Sperren besser begründen.«
Anders sah dies der Rechtsexperte der Linken Wolfgang Neskovic: »Durch diesen Richterspruch werden wir Zugang zu vielen Akten und Zeugen erhalten, die uns bisher von der Bundesregierung vorenthalten worden sind.« Für den damaligen Kanzleramtschef und heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) werde es nun »ganz bitter«. Auch Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele wertete den Richterspruch als »schwere Niederlage« für die große Koalition. (ddp/jW)
* Aus: junge Welt, 24. Juli 2009
Das Urteil - zusammengefasst
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Die in den Aussagegenehmigungen, die die Antragsgegnerin den Zeugen D., C., S., Dr. S., K., U. und Dr. K. im Hinblick auf ihre Vernehmungen durch den 1. Untersuchungsausschuss der 16. Wahlperiode erteilt hat, enthaltenen Einschränkungen in Bezug auf den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung und die anlässlich der Vernehmung der genannten Zeugen zutage getretene Auslegung der in diesen Aussagegenehmigungen enthaltenen Einschränkungen in Bezug auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung und Staatswohlbelange verletzen nach Maßgabe der Gründe Artikel 44 des Grundgesetzes.
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Die Ablehnung der Herausgabe der mit Beweisbeschlüssen 16-46, 16-177, 16-178, 16-179, 16-180, 16-181, 16-235, 16-248, 16-262, 16-295, 16-296, 16-297, 16-298, 16-299, 16-300, 16-301 und 16-305 des 1. Untersuchungsausschusses der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages angeforderten Unterlagen durch die Antragsgegnerin mit der hierfür jeweils gegebenen Begründung verletzt Artikel 44 des Grundgesetzes.
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Die Ablehnung der Herausgabe der mit Beweisbeschluss 16-188 des 1. Untersuchungsausschusses der 16. Wahlperiode des Deutschen Bundestages angeforderten Organigramme der „Besonderen Aufbauorganisation USA“ des Bundeskriminalamtes, aus denen sich die personelle Besetzung der einzelnen Stellen seit ihrer Einrichtung ergibt, sowie aller Unterlagen zu ihrer Organisationsstruktur und ihren einzelnen Einsatzabschnitten durch die Antragsgegnerin verletzt Artikel 44 des Grundgesetzes.
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Im Übrigen werden die Anträge verworfen.
Hier geht es zum Urteil (einschließlich Begründung): www.bundesverfassungsgericht.de (externer Link)
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 84/2009 vom 23. Juli 2009
Beschluss vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07 –
Eingeschränkte Erteilung von Aussagegenehmigungen und Verweigerung der
Herausgabe von Unterlagen an BND-Untersuchungsausschuss zum Teil
verfassungswidrig
Seit dem Jahr 2004 und insbesondere im Jahr 2005 berichteten die Medien
verstärkt über Tätigkeiten des US-amerikanischen und deutschen
Nachrichtendienstes (BND) im Zusammenhang mit der Abwicklung von
CIA-Flügen mit Terrorverdächtigen an Bord über deutsche Flughäfen.
Außerdem gab es Meldungen über Tätigkeiten von BND-Mitarbeitern während
des Irak-Krieges in Bagdad, der Verschleppung deutscher
Staatsangehöriger oder in Deutschland lebender Personen durch US-Stellen
und über die Beobachtung von Journalisten durch den
Bundesnachrichtendienst. Im Jahr 2005 befasste sich sowohl der Deutsche
Bundestag als auch das Parlamentarische Kontrollgremium mit diesen
Themen. Die Bundesregierung legte am 20. Februar 2006 dazu einen
abschließenden Bericht vor, der vom Parlamentarischen Kontrollgremium
bewertet und teilweise veröffentlicht wurde (BTDrucks 16/800).
Zur Klärung offener Fragen, vorzunehmender Bewertungen und gebotener
Konsequenzen im Zusammenhang mit diesem Bericht beantragten die Fraktion
der FDP, die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
sowie eine aus drei Abgeordneten bestehende qualifizierte Minderheit des
Bundestages (die Antragstellerinnen), die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses. Am 7. April 2006 beschloss das Plenum die
Einsetzung dieses Ausschusses und beauftragte ihn im Wesentlichen damit,
anhand konkreter benannter Vorgänge und Fragen zu klären, "welche
politischen Vorgaben für das Handeln von Bundesnachrichtendienst (BND),
Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Militärischem Abschirmdienst
(MAD), Generalbundesanwalt (GBA) und Bundeskriminalamt (BKA) gemacht
wurden, und wie die politische Leitung und Aufsicht ausgestaltet und
gewährleistet wurde."
Der Chef des Bundeskanzleramtes wies den Vorsitzenden des Ausschusses
nach Aufnahme seiner Arbeit daraufhin, dass die Bundesregierung
angesichts ihrer Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit der
Bundesrepublik Deutchland im Untersuchungsausschussverfahren darauf
achten werde, dass hochrangige staatliche Interessen keinen Schaden
erleiden werden. Gleichzeitig erhoffe sie eine am Staatswohl orientierte
Zusammenarbeit.
Der Untersuchungsausschuss befasste sich zunächst mit den Komplexen der
Verschleppung von E. und K. und vernahm dazu Angehörige und Beamte der
Bundesregierung (Antragsgegnerin) und der ihr nachgeordneten Behörden
als Zeugen. Wiederholt verweigerten die Zeugen unter Verweis auf eine
ihnen nur eingeschränkt erteilte Aussagegenehmigung die weitere Aussage
oder gaben auf Fragen der Mitglieder des Untersuchungsausschusses keine
Antwort. Weiterhin verweigerte die Bundesregierung dem
Untersuchungsausschuss mehrmals die Vorlage von Akten oder
Aktenbestandteilen.
Die Einschränkungen der Aussagegenehmigungen, die Ablehnung der
Herausgabe der angeforderten Unterlagen und Organigramme und der dazu
gegebenen Begründung haben die Antragstellerinnen mit ihren
verschiedenen genau bezeichneten Anträgen im Organstreitverfahren vor
dem Bundesverfassungsgericht beanstandet.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied, dass die
zulässigen Anträge überwiegend begründet sind. Die Bundesregierung
(Antragsgegnerin) hat durch die Beschränkung der Aussagegenehmigungen
für benannte Zeugen, durch die Auslegung dieser Beschränkungen und durch
die Verweigerung der Vorlage von angeforderten Akten mit den hierfür
gegebenen unzureichenden Begründungen das Informations- und
Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG verletzt.
Pauschales Berufen auf einen der verfassungsrechtlichen Gründe - wie den
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung und Gründe des Staatswohls -,
die dem parlamentarischen Untersuchungsrecht Grenzen setzen, genügt in
keinem Fall.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Anträge sind überwiegend begründet, weil die Bundesregierung den
Informationsanspruch aus Art. 44 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat.
Die in den Aussagegenehmigungen enthaltenen Einschränkungen in Bezug auf
den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung und Staatswohlbelange
und die anlässlich der Vernehmung der Zeugen zutage getretene Auslegung
dieser Einschränkungen verletzen das Beweiserhebungsrecht des
Bundestages. Auch die Auslegung der Aussagegenehmigungen, wonach
Vorgänge aus der Präsidentenrunde und der Nachrichtendienstlichen Lage
nicht von der Aussagegenehmigung erfasst sind, verkürzt in unzulässiger
Weise das parlamentarische Untersuchungsrecht.
Durch die Einschränkung der Beweiserhebung sind die Rechte des Deutschen
Bundestages und nicht nur die des Untersuchungsausschusses verletzt;
denn der eingesetzte Untersuchungsausschuss übt seine Befugnisse als
Hilfsorgan des Bundestages aus. Im Rahmen seines Untersuchungsauftrages
darf er Regierungsmitglieder sowie Beamte und Angestellte im
Verantwortungsbereich der Bundesregierung als Zeugen vernehmen und
diejenigen Beweise erheben, die er für erforderlich hält. Auf die
durchzuführenden Beweiserhebungen finden die Vorschriften der
Strafprozessordnung sinngemäß Anwendung. Gehören die vom
Untersuchungsausschuss zu vernehmenden Zeugen einem Personenkreis an,
der einer besonderen Verschwiegenheitspflicht unterliegt, kann der Zeuge
nur aussagen, wenn er eine u.a. auch eingeschränkte Aussagenehmigung
hat.
Die Bundesregierung ist vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen zur
Erteilung einer solchen Aussagegenehmigung für Zeugen verpflichtet.
Begrenzt wird die Verpflichtung allerdings zunächst durch den im
Einsetzungsbeschluss zu bestimmenden Untersuchungsauftrag, der sich im
Rahmen der parlamentarischen Kontrollkompetenz halten und hinreichend
deutlich bestimmt sein muss. Im vorliegenden Fall enthalten bereits die
Aussagegenehmigungen selbst eine zu weitgehende Beschränkung, indem sie
„insbesondere Angaben über die Willensbildung der Bundesregierung im
Kabinett oder ressortübergreifende und -interne Abstimmungsprozesse zur
Vorbereitung von Kabinett- und Ressortentscheidungen“ pauschal von der
Genehmigung ausnehmen.
Bei der Auslegung des erteilten Untersuchungsauftrages steht dem
Untersuchungsausschuss und der Bundesregierung weder ein
Ermessensspielraum noch eine Einschätzungsprärogative zu. Allerdings
können sich Gründe, einem Untersuchungsausschuss Informationen
vorzuenthalten, aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben.
Auch wenn sich die Kontrollkompetenz des Parlaments grundsätzlich nur
auf bereits abgeschlossene Vorgänge erstreckt, gebietet der
Gewaltenteilungsgrundsatz, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein
muss. Dies wäre nicht der Fall, wenn die dazu nötigen Informationen aus
dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dem Parlament
auch nach Abschluss der jeweiligen Vorgänge grundsätzlich verschlossen
blieben. Dem parlamentarischen Zugriff können daher grundsätzlich auch
Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung
unterliegen. Bei abgeschlossenen Vorgängen kann gegenüber einem
Untersuchungsausschuss der pauschale Verweis darauf, dass der Bereich
der Willensbildung der Regierung betroffen sei, die Zurückhaltung von
Informationen nicht rechtfertigen.
Die Berührung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung kann dem
parlamentarischen Untersuchungsrecht in Bezug auf abgeschlossene
Vorgänge nur nach Maßgabe einer fallbezogenen Abwägung zwischen dem
parlamentarischen Informationsinteresse auf der einen und der Gefahr
einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung
durch die einengenden Vorwirkungen eines Informationszugangs auf der
anderen Seite entgegengehalten werden. Die Notwendigkeit zwischen
gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des
Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer
Kontrollrechte. Dabei ist zu beachten, dass je weiter ein
parlamentarisches Informationsbegehren in den innersten Bereich der
Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger das
parlamentarische Informationsbegehren sein muss, um sich gegen ein von
der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen
zu können. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind
demgegenüber einer parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße
entzogen. Besonders hohes Gewicht kommt dem parlamentarischen
Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher
Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung
geht. Damit der Abwägungsvorgang und die eingestellten Belange überprüft
werden können, ist eine substantiierte Begründung der Ablehnung
erforderlich, wenn einem Ausschuss Informationen vorenthalten werden
sollen.
Eine weitere Grenze des Beweiserhebungsrechts eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes
(Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger
Informationen gefährdet werden kann. Das Staatswohl ist nicht allein der
Bundesregierung, sondern in gleicher Weise auch dem Bundestag
anvertraut, so dass der Umgang mit Informationen in einem
Untersuchungsausschuss eigenen Geheimschutzbestimmungen unterliegt und
dass Beschränkungen des Informationszugangs eines
Untersuchungsausschusses unter Berufung auf das Staatswohl daher
allenfalls unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen.
Mitteilungen über Kontakte mit ausländischen Geheimdiensten sind dem
Informationszugriff eines Untersuchungsausschusses nicht ohne weiteres
aus Gründen der Gefährdung des Staatswohls entzogen. Es liegt nicht auf
der Hand, sondern wäre begründungsbedürftig gewesen, dass das
Bekanntwerden von Einschätzungen US-amerikanischer geheimdienstlicher
Stellen, die dessen Gefährlichkeit betrafen, originäre
Geheimhaltungsinteressen dieser Stellen berühren und deshalb etwa die
notwendige künftige Zusammenarbeit belasten könnte. In dem bloßen
Umstand, dass das Bekanntwerden derartiger Informationen der
Bundesregierung selbst im Hinblick auf ihren eigenen Umgang mit den
betreffenden Erkenntnissen Unannehmlichkeiten bereiten könnte, läge
keine Gefährdung des Staatswohls, sondern eine hinzunehmende
verfassungsgewollte Folge der Ausübung des parlamentarischen
Untersuchungsrechts.
Die pauschale Behauptung der Gefährdung des Staatswohls ist keine
Begründung dafür, weshalb die konkret verlangten Unterlagen
Sicherheitsrelevanz besitzen sollen. Soweit ein Risiko des
Bekanntwerdens geschützter Informationen zu befürchten ist, kann unter
Berufung hierauf die Vorlage von Unterlagen jedenfalls nicht ohne
Berücksichtigung etwaiger zwischenzeitlicher Verbesserung der
organisatorischen Vorkehrungen im Bereich des Ausschusses und nicht ohne
eine Begründung verweigert werden, die erkennen lässt, weshalb die
fragliche Information von solcher Bedeutung ist, dass auch ein
geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen
hingenommen werden kann.
Soweit die Vorbereitung auf Sitzungen parlamentarischer Gremien in den
einzelnen Ressorts dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung
zuzuordnen und damit in der Vorbereitungsphase selbst dem
parlamentarischen Informationszugriff entzogen sein mag, gilt dasselbe
nicht ohne weiteres auch nach Abschluss des jeweiligen Vorgangs.
Vielmehr bedarf es insoweit einer Abwägung, in die das parlamentarische
Informationsinteresse mit dem ihm zukommenden Gewicht einzustellen ist.
Das Interesse der Bundesregierung an der Vertraulichkeit von
Informationen ist umso schutzwürdiger, je weiter ein
Informationsbegehren in den innersten Bereich der Willensbildung der
Regierung eindringt. Auch hier ist eine fallbezogene Abwägung
erforderlich, die auch das Gewicht des konkreten parlamentarischen
Informationsinteresses zu würdigen hat.
Sollen einem Untersuchungsausschuss Unterlagen unter Berufung auf Art.
44 Abs. 2 Satz 2 GG vorenthalten werden, bedarf dies daher einer
Begründung, die nicht nur spezifiziert, inwiefern die enthaltenen
Informationen auf einem Eingriff in Art. 10 GG beruhen, sondern
substantiiert auch darlegt, warum die erhobenen Informationen einem
Verbot der Verwertung durch den Ausschuss unterliegen sollen.
Art. 44 GG ist schließlich auch insoweit verletzt, als die
Antragsgegnerin Beweisbeschlüssen, ganz oder teilweise unter Berufung
auf fehlenden Bezug zum Untersuchungsgegenstand nicht nachgekommen ist.
Insoweit fehlt es bereits an der erforderlichen Begründung; zudem nimmt
die Antragsgegnerin eine Befugnis zu enger Auslegung des
Untersuchungsauftrages und restriktiver Einschätzung der
Auftragszugehörigkeit in Anspruch, die ihr nicht zusteht.
Soweit über die organisationsbezogenen Unterlagen hinaus die erwähnten
weiteren, personenbezogenen Unterlagen angefordert wurden, verletzt die
Ablehnung der Vorlage das parlamentarische Informations- und
Kontrollrecht des Deutschen Bundestages aus Art. 44 GG nicht. Dasselbe
gilt für den Umgang der Antragsgegnerin, die die Vorlage aller
Unterlagen verlangt, „die im Rahmen der Planung, Einrichtung und
Tätigkeit der ‚Besonderen Aufbauorganisation USA’ des BKA an US-Stellen
weitergegeben worden sind, aus der deren jeweiliger Inhalt genau
hervorgeht, soweit ein persönlicher Bezug zu einem oder mehreren
Personen oder Sachverhalten der Untersuchungsgegenstände. Dafür, dass
die Prüfung von einem Verständnis des Untersuchungsauftrages seitens der
Bundesregierung bestimmt gewesen wäre, das mit dem der
Antragstellerinnen nicht übereinstimmt, haben die Antragstellerinnen
nichts vorgebracht und ist auch nichts ersichtlich.
Quelle: www.bundesverfassungsgericht.de
Hier geht es zum Urteil (einschließlich Begründung):
www.bundesverfassungsgericht.de (externer Link)
Keine Rechtshindernisse für eine Fortsetzung des BND-Ausschusses
Pressemitteilung des Bundestags-Abgeordneten Prof. dr. Norman Paech (Fraktion DIE LINKE)
Zu dem gemeinsamen Antrag der Oppositionsfraktionen, aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom gestrigen Tage eine Sondersitzung des BND-Untersuchungsausschusses einzuberufen, erklärt Norman Paech, Obmann der Fraktion DIE LINKE. im 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags:
"Einer Fortsetzung der Arbeit des BND-Ausschusses stehen keine Rechtshindernisse entgegen. In den gesetzlichen Grundlagen für Untersuchungsausschüsse findet sich nirgendwo eine Regelung, die nach Vorlage eines Untersuchungsberichts an das Plenum des Bundestags eine weitere Beweiserhebung verböte. Die gesetzliche Pflicht eines Untersuchungsausschusses, dem Bundestag einen Bericht zu erstatten, bedeutet nicht, dass er danach nicht mehr existiert und seine Arbeit demgemäß nicht fortsetzen kann.
Im Fall des BND-Ausschusses stand die Überweisung des Berichts an das Plenum des Bundestages unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Sollte diese Entscheidung im Sinne der Opposition ausfallen, war eine Fortsetzung der Arbeit des BND-Untersuchungsausschusses vorgesehen. Durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist nun eine neue Sachlage eingetreten, die eine Fortsetzung der Arbeit des BND-Ausschusses erforderlich macht."
Quelle: Pressedienst DIE LINKE im Deutschen Bundestag, 24. Juli 2009
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