Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bombenterror erschüttert Irak

Über 60 Tote bei Anschlagsserie in mehreren Städten des Landes *

Bei der blutigsten Anschlagsserie in Irak seit Jahresbeginn sind am Montag mehr als 60 Menschen getötet und über 230 weitere verletzt worden.

Beim schwersten Anschlag starben allein in Kut nach Behördenangaben 40 Menschen, 65 weitere wurden verletzt. In der rund 160 Kilometer südöstlich von Bagdad gelegenen Stadt detonierten nach Polizeiangaben am Morgen kurz hintereinander zwei Sprengsätze an einem belebten Ort im Stadtzentrum. Eine der Bomben war in einem Auto, die andere am Straßenrand versteckt. Unter den Toten waren auch Frauen und Kinder. Es war der schwerste Anschlag in der 400 000-Einwohner-Stadt seit August 2010, als zwei Autobomben 33 Menschen in den Tod rissen.

In der den Schiiten heiligen Stadt Nadschaf detonierten laut einem ranghohen Polizeioffizier zwei Autobomben. Bei dem Angriff auf einen Polizeiposten starben nach Angaben der Gesundheitsbehörden sieben Menschen, 60 weitere wurden verletzt. Die meisten Opfer waren Polizisten.

In Bakuba, 60 Kilometer nördlich von Bagdad, wurden laut einem Arzt vier Soldaten getötet, als mehrere Bewaffnete einen Kontrollpunkt attackierten. Nach Ärzte- und Behördenangaben wurden in Bakuba sowie in weiter südlich gelegenen Städten zudem bei vier Sprengstoffanschlägen ein Mensch getötet und zahlreiche Menschen verletzt, der Gouverneurssitz wurde evakuiert.

Im Büro der Anti-Terror-Behörde im nordirakischen Tikrit sprengten sich ebenfalls am Montagmorgen zwei Selbstmordattentäter. Dabei rissen sie drei Polizisten mit in den Tod, wie die Armee mitteilte. Sieben Menschen wurden verletzt. Die Angreifer trugen Polizeiuniformen und wollten nach Angaben aus Sicherheitskreisen inhaftierte Kämpfer des Terrornetzwerks Al Qaida befreien.

Insgesamt wurden am Montag (15. Aug.) in rund einem Dutzend irakischer Städte Angriffe und Anschläge verübt, darunter auch in Bagdad. Beim bislang tödlichsten Anschlag im Jahr 2011 hatte Ende März ein bewaffnetes Kommando in Tikrit ein Verwaltungsgebäude attackiert und 58 Menschen getötet.

Eine syrisch-orthodoxe Kirche im irakischen Kirkuk wurde durch einen Bombenanschlag schwer beschädigt. In der Nacht zu Montag explodierten mehrere Sprengladungen an der Sankt-Efrem-Kirche in der Innenstadt. Menschen kamen dort den Angaben zufolge nicht zu Schaden.

Iraks Parlamentspräsident Osama al-Nudschaifi verurteilte die Anschläge und forderte, die Drahtzieher ausfindig zu machen sowie derartige Attentate künftig zu verhindern.

* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2011


Extrem gefährlich

Von Olaf Standke **

Hoffnungsvoll »vorsichtig optimistisch« zeigte sich der scheidende UNO-Sondergesandte für Irak kürzlich mit Blick auf die Lage im Zweistromland. Bei allen Problemen habe es erhebliche Fortschritte gegeben, so Ad Melkert. Kaum gesagt, starben bei einem heimtückischen Doppelanschlag im nordirakischen Tikrit zwölf Menschen, als zunächst vor einer Bankfiliale eine Autobombe explodierte und sich dann nach dem Eintreffen der Rettungskräfte ein Selbstmordattentäter in die Luft jagte. Inzwischen ein bevorzugtes Vorgehen der Aufständischen und Terroristen. Gestern nun wurden bei der blutigsten Anschlagsserie seit Jahresbeginn in rund einem Dutzend irakischer Städte gar über 60 Menschen getötet und mehr als 230 verletzt, darunter viele Frauen und Kinder. Das Büro der Anti-Terror-Behörde in Tikrit war dabei ein Ziel der Angreifer.

Die Gewalt im Lande mag zwar im Vergleich zu den Jahren 2006 oder 2007 tatsächlich zurückgegangen sein. Doch starben allein im Juli 259 Menschen, und das nicht nur durch Anschläge. Auch die verbliebenen US-Soldaten verantworten etwa bei Razzien weiter den Tod irakischer Zivilisten. Schlagzeilen macht das aber vor dem Hintergrund der Ereignisse in Libyen und Syrien kaum noch. Dabei ist Irak noch immer einer der meistgefährdeten Staaten der Welt. Und nach Einschätzung des Washingtoner Sondergeneralinspekteurs für den Wiederaufbau des Landes ein gefährlicherer Ort als noch vor einem Jahr, »extrem gefährlich, um dort zu arbeiten«. Irak befinde sich in einem »Sommer der Unsicherheit«, schätzt Stuart Bowen ein. »Erhebliche Fortschritte« sehen anders aus.

** Aus: Neues Deutschland, 16. August 2011 (Kommentar)


Zurück zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage