Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Obamas Rückzug vom Rückzug

Bis August 2010 sollen nur US-Kampftruppen Irak verlassen / Viele Demokraten enttäuscht *

Es war ein Wahlversprechen von US-Präsident Obama, die US-Truppen aus Irak abzuziehen. Am Freitag (27. Feb.) gab er bekannt, dass dies ausschließlich die Kampftruppen betreffen soll. Damit würden mindestens 35 000 US-Soldaten in dem Land bleiben. Auch Teile seiner eigenen Partei sind damit nicht einverstanden.

Washington (Agenturen/ND). US-Präsident Barack Obama hat am Freitag (27. März) auf dem Militärstützpunkt Camp Lejeune im Bundesstaat North Carolina offiziell seine Pläne zum Truppenrückzug aus Irak bekannt gegeben. Bis August 2010, so hieß es, sollten alle Kampftruppen abgezogen sein. Die Pläne stießen noch vor der offiziellen Verkündung auf deutliche Kritik im eigenen Lager. Führende demokratische Abgeordnete monieren, dass Obama auch nach dem Abzug der Kampftruppen bis August 2010 weiterhin bis zu 50 000 Soldaten in Irak lassen will. Das wäre über ein Drittel der gegenwärtigen Truppenstärke von rund 140 000 Mann.

Um der Kritik auch unter den Demokraten bereits im Vorfeld der Rede entgegenzutreten, hatte Obama noch am Donnerstagabend (26. Feb.) Abgeordnete ins Weiße Haus geladen, berichtete die »Washington Post«. Die Sprecherin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, Nancy Pelosi, bezeichnete die Zahl von 50 000 in Irak verbleibenden Soldaten als zu hoch. Ähnlich äußerte sich der demokratische Fraktionschef im Senat, Harry Reid. »50 000, das ist eine etwas höhere Zahl, als ich erwartet hatte.« Der demokratische Senator Charles Schumer verlangte eine Rechtfertigung für die hohe Zahl.

Nach bereits vorab bekannt gewordenen Plänen Obamas sollen etwa 35 000 bis 50 000 Soldaten länger in Irak bleiben. Nach den Worten von Verteidigungsminister Robert Gates werden sie vor allem die Aufgabe übernehmen, irakische Truppen auszubilden und zu unterstützen. Allerdings ist dabei auch von Spezialeinsätzen gegen Terroristen die Rede. »Es wird eine ganz andere Mission sein, als wir sie jetzt haben«, meinte Gates. Wie der TV-Sender CNN berichtete, sollen die verbleibenden US-Soldaten 2011 abgezogen werden.

Es heißt, Obama habe sich nach Gesprächen mit führenden Militärs zum Verbleiben einer beträchtlichen US-Präsenz in Irak entschlossen. Ein rascher Rückzug war eines der zentralen Versprechen Obamas im Wahlkampf gewesen. Allerdings hatte er von einem Rückzug innerhalb von 16 Monaten nach seinem Amtsantritt gesprochen.

Das Verteidigungsministerium will Bildaufnahmen von Kriegssärgen aus Afghanistan und Irak nicht mehr verhindern. Es solle den Familien der gefallenen Soldaten überlassen bleiben, ob solche Bilder für die Medien gemacht werden dürfen. »Wir sollten uns nicht anmaßen, diese Entscheidungen für die Familien zu treffen«, sagte Gates am Donnerstag (Ortszeit) in Washington.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Februar 2009

Gehen und Bleiben

Unter dem Titel "Gehen und Bleiben – Obamas Irak-Abzug" analysiert Lutz Herden im "Freitag" das gebrochene Wahlversprechen des neuen US-Präsidenten. Ein Auszug daraus:

Barack Obama will zwar das Gros der US-Kampftruppen aus dem Irak zurückholen, doch 50.000 Mann sollen befristet bleiben. Im Wahlkampf hörte sich das anders an. (...)
Die Zahl 50.000 weckt brisante Erinnerungen. Anfang der siebziger Jahr hatte das Team Nixon-Kissinger die Zahl der GI's in Südvietnam in nur 18 Monaten von 550.000 auf 50.000 herunter gefahren. Die zurückgelassenen 50.000 Mann besetzten damals in der Tat Versorgungs- und Etappendienste. Eine symbolische Nachhut auf Zeit, die aus Image-Gründen aushielt, aber strategisch ohne Wert war. Eine schwer bedrängte südvietnamesische Armee konnte sie weder entlasten noch ersetzen – es sei denn die Air Force griff ein.

Barack Obama muss sich im Irak nicht derart entblößen. Er steht unter keinem vergleichbaren Druck wie seinerzeit Nixon in Vietnam – Obama steht „nur“ unter dem Druck der Erwartungen, die er im Wahlkampf geweckt hat. Da hörte man das Versprechen, wir gehen ohne Wenn und Aber. Jetzt lautet die Entscheidung: Wir gehen und bleiben, wir nehmen uns so viel Zeit, wie wir brauchen. Im Klartext: Wir halten die Iraker unter Kontrolle, damit sie sich nicht allzu schnell selbst überlassen bleiben.

* Auszug aus: Wochenzeitung "Freitag" (online-Ausgabe), 28. Februar 2009




Zurück zur Irak-Seite

Zur USA-Seite

Zurück zur Homepage