Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

April 2010


Donnerstag, 1. April, bis Sonntag, 4. April
  • Der irakische Wahlsieger Ijad Allawi hat bei seinen Bemühungen um eine Regierungsbildung einen wichtigen Teilerfolg erzielt. Seine Allianz Irakija sicherte sich die möglicherweise entscheidende Unterstützung einer einflussreichen schiitischen Formation. "Wir werden uns nicht an einer Regierung beteiligen, die nicht die Allianz Irakija umfasst", erklärte am 1. April der Oberste islamische Rat des Irak auf seiner Internetseite. Er gehört der Irakischen Nationalen Allianz an, einem Bündnis schiitischer Religionsgruppen. Allawis sunnitisch-schiitisches Wahlbündnis war nach Angaben der Wahlkommission knapp als stärkste Kraft aus der Wahl am 7. März hervorgegangen und hatte 91 der 325 Sitze im Parlament erobert. Die Rechtsstaatsallianz des amtierenden Regierungschefs Nuri el Maliki kam auf 89 Mandate. Die Irakische Nationale Allianz ist künftig mit 70 Abgeordneten im Parlament vertreten.
  • In einer gemeinsamen Aktion haben irakische und US-Truppen sechs mutmaßliche Al-Kaida-Führer getötet beziehungsweise festgenommen. Nach Angaben der US-Streitkräfte vom 1. April erfolgte die mehrtägige Aktion Mitte März in der nordirakischen Stadt Mossul. Die mutmaßlichen Al-Kaida-Mitglieder sollen einen Erpresserring geführt haben, der Ölfirmen und kleinere Geschäfte ins Visier nahm. Die Einnahmen sollen der Finanzierung von Al-Kaida im Nordirak gedient haben.
  • Die Bewegung des radikalen schiitischen Predigers Moktada Sadr hat am 2. April in einem internen Referendum über den zukünftigen Ministerpräsidenten im Irak abgestimmt. In allen Provinzen des Landes außer in den kurdischen Gebieten seien hunderte Wahllokale eröffnet worden, erklärte die Bewegung. Die Organisatoren liefen auch durch die Straßen und forderten Menschen auf, über den künftigen Regierungschef abzustimmen. Die Anhänger Sadrs hatten erklärt, die Abstimmung stehe jedem offen, die meisten Teilnehmer dürften jedoch Anhänger Sadrs sein. Die Sadr-Bewegung hatte als Teil der religiösen Schiitenallianz bei den Wahlen Anfang März 40 der 325 Sitze im Parlament erobert, die Allianz kam insgesamt auf 70 Sitze.
  • In den USA sind einer Bürgerrechtsvereinigung zufolge mehr als 800 Anträge auf Schmerzensgeld von Familien eingegangen, die durch die US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan Angehörige verloren haben. Die Vereinigung American Civil Liberties Union (ACLU) veröffentlichte am 2. April mehr als 13.000 Seiten interner Behördenunterlagen, auf deren Freigabe sie erfolgreich vor Gericht geklagt hatte. Die Dokumente belegen den Bürgerrechtlern zufolge, dass viele Anträge von Hinterbliebenen zurückgewiesen worden seien und dass "zivile Opfer und deren Familien immer noch nicht angemessen für ihre Verluste entschädigt" würden. Die US-Behörden beriefen sich demzufolge bei der Ablehnung auf eine Ausnahmeklausel, demzufolge die USA im Ausland keine Entschädigungen zahlen müssen, wenn der Schadensfall in einem Kampfgebiet erfolgte - selbst dann nicht, wenn der Geschädigte nichts mit den Kämpfen zu tun hatte. Die ACLU wies darauf hin, dass die US-Streitkräfte trotzdem nach freiem Ermessen Entschädigungen zahlen könnten, was aber zu selten geschehe. Die Gruppe rief US-Präsident Barack Obama auf, das "unzureichende Entschädigungssystem zu reformieren."
  • Bei drei Selbstmordanschlägen auf ausländische Botschaften in Bagdad sind am 4. April mindestens 42 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 200 Menschen wurden bei der Explosion der mit Sprengstoff vollgepackten Autos verletzt, wie die Polizei mitteilte. Einer der Attentäter sprengte sich in unmittelbarer Nähe der deutschen Botschaft in die Luft, wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte. Dabei wurde ein irakischer Wachmann getötet, drei weitere wurden verletzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprachen allen Betroffenen ihr Beileid aus. Die beiden anderen Selbstmordanschläge richteten sich offenbar gegen die iranische Botschaft und das ägyptische Konsulat. Bei den mindestens 21 Todesopfern vor der iranischen Vertretung handelte es sich überwiegend um Besucher, Sicherheitskräfte und Mitarbeiter einer benachbarten Bank, wie Botschafter Hassan Kasemi Komi und Polizeibeamte berichteten. Innerhalb der Botschaft sei niemand zu Schaden gekommen, sagte der Botschafter. Dennoch bestehe kein Zweifel, dass die Anschläge «gegen diplomatische Vertretungen gerichtet» waren, sagte der irakische Generalmajor Kassim al Mussawi der Nachrichtenagentur AP. «Das ist ein Terrorakt.»
Montag, 5. April, bis Sonntag, 11. April
  • Unbekannte Täter haben in einem Ort 25 Kilometer südlich von Bagdad am 5. April eine sechsköpfige schiitische Familie erschossen. Der Mann habe ein Textilgeschäft gehabt, mit ihm seien seien Frau und seine vier Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren getötet worden, sagte Polizeisprecher Asis al-Amarah. Das Motiv sei nicht bekannt.
  • Bei Explosionen in Wohngebäuden in Bagdad sind am 6. April mindestens 34 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt worden. Unter den Opfern waren nach Angaben von Polizei und Sanitätern Frauen und Kinder. Nach Angaben eines irakischen Militärsprechers ließen die Detonationen Wohnhäuser in mindestens drei Stadtvierteln einstürzen.
  • Der französische Erdölkonzern Total muss sich im Zusammenhang mit dem UN-Programm "Öl für Nahrungsmittel" für den Irak nun doch wegen Bestechung verantworten. Ein Untersuchungsrichter habe "entgegen allen Erwartungen" Anklage erhoben, teilte Firmenanwalt Jean Veil mit. Wie die französische Wirtschaftszeitung "Les Echos" berichtete, werden dem größten französischen Unternehmen auch Mittäterschaft und Hehlerei vorgeworfen. Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte im September beantragt, die Ermittlungen gegen den früheren französischen Innenminister Charles Pasqua und Total-Chef Christophe de Margerie im Zusammenhang mit dem UN-Programm einzustellen. Das fragliche Programm erlaubte dem Regime unter dem damaligen irakischen Machthaber Saddam Hussein, von 1996 bis 2003 begrenzte Mengen an Erdöl auszuführen und mit den Erlösen von insgesamt 64 Milliarden Dollar Lebensmittel einzuführen. "Öl für Lebensmittel" sollte die Folgen des Embargos gegen den Irak für die Zivilbevölkerung abschwächen. Ein Untersuchungsausschuss unter Leitung des früheren Präsidenten der US-Zentralbank, Paul Volcker, kam später zu dem Schluss, dass die irakische Regierung mehrere Millionen Dollar aus dem Programm der Vereinten Nationen veruntreut hatte. Etwa 2200 Unternehmen aus 66 Ländern waren demnach an dem Skandal um Korruption und Misswirtschaft beteiligt, darunter 180 französische Firmen. In verschiedenen Ländern wurden daraufhin Ermittlungen eingeleitet. Im September wurde das britische Brückenbau-Unternehmen Mabey and Johnson zu einer Geldstrafe von 3,6 Millionen Euro verurteilt. Es soll im Rahmen des UN-Programms ebenfalls Schmiergelder an die damalige irakische Führung gezahlt haben, so die Presse am 6. April.
  • Nach der Veröffentlichung eines Videos, das einen US-Angriff auf Journalisten im Irak dokumentieren soll, hat ein irakischer Medienverband eine Untersuchung gefordert. Die Aufnahmen seien ein Beweise für ein Verbrechen, sagte Gewerkschaftschef Muijad al Lami am 6. April. Das Video wurde am 12. Juli 2007 von einem Apache-Kampfhubschrauber der US-Streitkräfte aus aufgenommen. Es dokumentiert, wie die Besatzung des Helikopters mehr als zehn Menschen tötet, die sie für Aufständische hält. Die Aufnahmen wurden von den US-Streitkräften geheim gehalten. Die Betreiber der Website wikileaks.org veröffentlichten das Material am 5. April im Internet. Sie wollen damit nachweisen, dass die Soldaten die Kameras der Opfer fälschlicherweise für Sturmgewehre und Granatwerfer hielten. Unter den Opfern sollen auch ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters, Namir Noor-Eldeen, und sein Fahrer sein. Ein hochrangiger US-Militärbeamter bestätigte die Echtheit des Materials.
  • Während einer Patrouille im Nordirak sind zwei US-Soldaten ums Leben gekommen, wie die Streitkräfte am 8. April mitteilten. Damit stieg die Zahl der seit März 2003 im Irak getöteten US-Soldaten auf mindestens 4.390.
  • Die Terrorgruppe Al-Kaida im Irak hat sich zu den Anschlägen auf die deutsche und weitere ausländische Botschaften in Bagdad bekannt, bei denen am 4. April mindestens 42 Menschen ums Leben kamen. In einer am 9. April auf einer islamistischen Website veröffentlichten Mitteilung erklärte die Gruppe die Bombenserie zu «einem neuen Schlag ins Herz» der irakischen Hauptstadt. Alle ausländischen Diplomaten, Botschaften und internationalen Organisationen seien «legitime Ziele», hieß es in der Erklärung weiter.
  • Zehntausende Iraker haben am siebten Jahrestag (9. April) des Sturzes von Saddam Hussein gegen die Präsenz der US-Armee im Land demonstriert. In der den Schiiten heiligen Stadt Nadschaf im Süden von Bagdad skandierten die Menschen Parolen wie "Raus mit den Besatzern" und "Ja zum Irak". Dazu schleiften sie Flaggen der USA, Großbritanniens und Israels durch den staubigen Bogen und trampelten auf ihnen herum. Zu den Protesten hatte der radikale schiitische Prediger Moktada Sadr aufgerufen. Die Sadr-Bewegung gilt nach ihrem Erfolg bei den Parlamentswahlen Anfang März als möglicher Koalitionspartner. Moktada Sadr ist ein entschiedener Gegner der US-Präsenz im Irak. Er soll mehrere Jahre zu religiösen Studien im benachbarten Iran verbracht haben. Wenige Wochen nach dem Einmarsch der internationelen Truppen im Irak hatten hunderte Iraker unterstützt von US-Soldaten am 9. April 2003 bei einer Massenkundgebung auf dem Ferdus-Platz in Bagdad in einem symbolischen Akt die Statue des Machthabers vom Sockel gestoßen. Im Dezember 2003 wurde Saddam Hussein dann gefasst und drei Jahre später hingerichtet.
  • Die Partei des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki hat die Rechtmäßigkeit von rund 750.000 der bei der Parlamentswahl abgegebenen Stimmen in Zweifel gezogen. Eine Neuauszählung könne das Wahlergebnis entscheidend beeinflussen, sagte ein Sprecher des Wahlbündnisses Allianz für einen Rechtsstaat am 11. April. Bislang hat die Partei des früheren Regierungschefs Ajad Allawi einen Vorsprung von zwei Sitzen vor Al-Malikis Liste. Die Vorwürfe könnten die Gewalt in dem Land weiter anfachen. Die Allianz für einen Rechtsstaat habe Wählerstimmen in fünf der 18 irakischen Provinzen untersucht, sagte der Sprecher von Al-Malikis Partei. Zu den Verstößen zählten ungekennzeichnete Wahlurnen und Abweichungen bei Unterschriften. Internationale Beobachter hatten die Wahl vom 7. März als fair und transparent bezeichnet. Etwa 11,5 Millionen Wähler gaben damals ihre Stimme ab. Allawis Partei rief die Justizbehörden dazu auf, unabhängig zu bleiben. Der ehemalige Ministerpräsident sagte, er werde ein korrigiertes Ergebnis hinnehmen, wenn die Behörden professionell und objektiv arbeiteten.
Montag, 12. April, bis Sonntag, 18. April
  • In einer US-Haftanstalt in Bagdad ist ein irakischer Gefangener gestorben. Der Tod des 31-Jährigen in Camp Cropper nahe des Flughafens von Bagdad sei am 12. April festgestellt worden, teilte die US-Armee mit. Demnach alarmierten Mithäftlinge die Aufseher des Gefängnisses, weil der Mann, der an schwerem Asthma gelitten habe, nicht mehr atmete. Camp Cropper ist das letzte Gefängnis im Irak, das noch unter US-Aufsicht steht. Im Juli soll die Kontrolle an die irakischen Behörden übergeben werden.
  • Irakische Sicherheitskräfte haben nach eigenen Angaben einen Plan für Anschläge auf schiitische Heiligtümer aufgedeckt. Zwei Verdächtige seien verhaftet und der Flughafen nahe der Stadt Nadschaf geschlossen worden, teilten zwei hohe irakische Beamte am 14. April der Nachrichtenagentur AP in Bagdad mit. Ranghohe US-Geheimdienstkreise in Washington bestätigten die Information. Fraglich sei aber, wie weit die Verschwörer die Planungen bereits vorangetrieben hätten, mit dem die Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten im Irak neu angefacht werden sollten, hieß es in Washington. Unter anderem sei geplant gewesen entführte Flugzeuge in heilige schiitische Stätten wie dem Iman-Ali-Schrein in Nadschaf abstürzen zu lassen. Der Flughafen bei Nadschaf sei im Zuge der Ermittlungen seit dem 8. April geschlossen.
  • Der ehemalige Chef der umstrittenen US-Sicherheitsfirma Blackwater, Gary Jackson, ist am 16. April wegen Verstoßes gegen das Waffenrecht und Falschaussage angeklagt worden. Auch gegen vier weitere ehemalige Führungskräfte wurde Anklage erhoben, wie die Nachrichtenagentur AP erfuhr. Die Anklage ist zum Teil die Folge einer Razzia, bei der vor zwei Jahren 22 Waffen, darunter auch Sturmgewehre des Typs AK-47, sichergestellt wurden, für die Blackwater nicht die entsprechende Erlaubnis gehabt habe. Mitarbeiter von Blackwater waren im September 2007 an einer Schießerei in Bagdad beteiligt, bei der 17 Menschen, darunter Frauen und Kinder, ums Leben kamen. Im Irak hatte das Blutbad große Empörung hervorgerufen. Jackson verließ das Unternehmen im vergangenen Jahr im Zuge einer Management-Umstrukturierung. Etwa zur gleichen Zeit benannte sich Blackwater in Xe Services um.
Montag, 19. April, bis Sonntag, 25. April
  • Der Anführer der Al-Qaida im Irak ist nach Angaben der Regierung in Bagdad getötet worden. Der irakische Geheimdienst habe Abu Ajjub al-Masri aufgespürt, sagte Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Dieselbe Einheit habe auch den mutmaßlichen Chef einer verbündeten Islamistengruppe, Abu Omar al-Baghdadi, getötet. Das US-Militär habe die Identitäten mit Hilfe von DNA-Tests überprüft. Die amerikanische Armee bestätigte dies zunächst nicht, so die Presse am 19. April
  • Nachdem sie bei der Terrorfahndung monatelang auf der Stelle traten, melden die US-Armee und die irakischen Sicherheitskräfte jetzt jeden Tag neue Erfolge. Am 20. April töteten sie bei einer gemeinsamen Operation in Mossul Abu Soheib Ahmed al-Obeidi, der als Kommandeur der al-Qaida-Terroristen für die nördlichen Provinzen galt. Das verlautete aus Sicherheitskreisen in der 400 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Mossul.
  • Die meisten ungesühnten Morde an Journalisten gibt es laut einer neuen Studie im Irak. Das gab das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) am 20. April bekannt. Seit dem US-Einmarsch seien mindestens 88 Morde nicht aufgeklärt worden. Demnach stieg die Zahl der tödlichen Angriffe auf Medienvertreter in Somalia und auf den Philippinen besonders stark an. Auch in Mexiko und Russland seien viele Journalisten-Morde nicht aufgeklärt und die Täter nicht bestraft worden. Viele Regierungen hätten zwar immer wieder versprochen, die Mörder von Journalisten vor Gericht zu bringen, sagte CPJ-Chef Joel Simon. «Aber bis dahin werden Medien das Ziel all derer bleiben, die glauben, dass sie über dem Gesetz stehen und unangreifbar sind.» Bei allen Kritikpunkten gab es dem Komitee zufolge aber auch gute Nachrichten: Brasilien und Kolumbien, wo Journalisten allgemein mit am gefährlichsten Leben, hätten Fortschritte gemacht.
  • Nach Berichten über Folter in einem irakischen Geheimgefängnis hat Amnesty International (ai) eine Untersuchung durch die Regierung in Bagdad verlangt. "Die Existenz solcher Geheimgefängnisse zeigt, dass Menschenrechtsverletzungen des Militärs im Irak ohne Konsequenzen bleiben", sagte die für Nahost und Nordafrika zuständige ai-Vertreterin Hassiba Hadsch Sahraui am 20. April in Bagdad. Die Zeitung "Los Angeles Times" hatte am 18. April über Foltervorwürfe in einem Gefängnis auf einem alten Flughafengelände bei Bagdad berichtet. Dort sollen mehr als hundert Gefangene mit Stromstößen, Schlägen oder simulierten Erstickungen misshandelt worden sein. Im Januar sei ein Insasse gestorben, schrieb das Blatt unter Berufung auf offizielle Quellen.
  • Ein US-Militärgericht im Irak hat am 22. April einen Soldaten der Eliteeinheit SEAL freigesprochen. Dem 29-jährigen Obermaat Julio Huertas wurde vorgeworfen, bei der Misshandlung eines irakischen Gefangenen nicht eingegriffen und die anschließende Untersuchung behindert zu haben. Der Ex-Gefangene Ahmed Haschim Abed erklärte beim Prozessauftakt am 21. April im Victory Base Camp bei Bagdad, US-Soldaten hätten ihm die Augen verbunden, ihn an einen Stuhl gefesselt und dann mit Fäusten traktiert. Der Hauptgefreite Kevin Demartino, der für den Gefangenentransport zuständig war und nicht zur Eliteeinheit gehört, bestätigte Abeds Aussage: Er habe gesehen, wie der Maat Matthew McCabe den Gefangenen mit Fäusten geschlagen habe, so dass Blut aus dessen Mund gelaufen sei. Dabei seien Huertas und der Maat Jonathan Keefe anwesend gewesen. McCabe und Keefe müssen sich noch vor dem US-Militärgericht verantworten. Die sechsköpfige Jury befand Huertas nach zweistündiger Beratung in beiden Anklagepunkten für nicht schuldig. Der Prozess fand auf Anordnung eines Militärrichters im Irak statt, um die Gegenüberstellung des Angeklagten mit Abed zu ermöglichen. Abed wurde im September vergangenen Jahres unter dem Verdacht verhaftet, der Drahtzieher hinter dem Tod von vier Söldnern der US-Sicherheitsfirma Blackwater im Jahre 2004 gewesen zu sein. Deren verbrannte Leichen wurden durch die Straßen der Stadt Falludscha gezogen; zwei Leichen wurden an einer Brücke über dem Euphrat aufgehängt.
  • Bei mehreren Bombenanschlägen auf überwiegend schiitische Einrichtungen sind am 23. April im Irak mindestens 69 Menschen getötet worden. Ein Sprecher der Sicherheitskräfte in Bagdad vermutete hinter der Anschlagserie einen Racheakt des von Sunniten dominierten Terrornetzwerks Al-Kaida. Vor knapp einer Woche sind bei einer gemeinsamen Militäraktion irakischer und US-amerikanischer Einheiten die beiden Anführer der Extremistengruppe im Irak getötet worden. Die folgenreichste Explosion ereignete sich zur Zeit des Freitagsgebets in der Nähe des Büros eines schiitischen Geistlichen und einer Moschee im Bagdader Armenviertel Sadr City. Hier wurden mindestens 36 Menschen getötet und 200 verletzt. Bei weiteren Anschlägen an anderen Orten kamen mindestens 33 Menschen ums Leben. In der westirakischen Stadt Al Chalidija waren die Wohnhäuser von Polizisten Ziel von Anschlägen, wie es aus Kreisen der Polizei und des Innenministeriums hieß.
  • Die US-Regierung spricht von einem "vernichtenden Schlag" gegen den Terror: Die irakische Qaida hat bekannt gegeben, dass ihre wichtigsten Anführer tot sind. Das Terrornetzwerk El Kaida im Irak hat den Tod seiner beiden Anführer Abu Omar el Bagdadi und Abu Ajjub al-Masri bestätigt. Wie das auf die Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE berichtete, verbreitete die Gruppe am 24. April eine entsprechende Erklärung im Internet. Demnach bestätigte der irakische Al-Qaida-Ableger, Bagdadi und Masri seien während eines Treffens von "feindlichen Kräften" angegriffen und getötet worden.
Montag, 26. April, bis Freitag, 30. April
  • Sieben Wochen nach der Parlamentswahl im Irak hat ein Gericht 52 Kandidaten disqualifiziert. Die Entscheidung könnte die Mehrheitsverhältnisse zugunsten des unterlegenen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ändern, denn unter den betroffenen Politikern ist mindestens ein siegreicher Bewerber der Liste von Al-Malikis Herausforderer Ajjad Allawi. Die Koalition Irakija hatte bei der Wahl am 7. März 91 Mandate gewonnen, das Parteienbündnis von Al-Maliki 89. Noch sei unklar, welche Auswirkungen die Gerichtsentscheidung auf das Wahlergebnis habe, erklärte das für die Kontrolle von Wahlen zuständige Gremium am 26. April. Einer der disqualifizierten Irakija-Kandidaten, Ibrahim al Mutlak, nannte die Gerichtsentscheidung politisch motiviert, um Al-Maliki in Führung zu bringen. Das Gericht hatte aufgrund einer Beschwerde des Ministerpräsidenten bereits die Neuauszählungen aller Stimmen aus der Provinz Bagdad angeordnet. 140 andere Beschwerden wurden nach Angaben der Wahlkommission dagegen abgewiesen.
  • Der Generalarzt der US-Armee hat sich besorgt über den übermäßigen Medikamentengebrauch der aus Afghanistan und dem Irak heimkehrenden Soldaten geäußert. Die übermäßige Einnahme von Medikamenten gegen Schmerzen und psychische Probleme zeige den generellen Trend, das Leiden der heimkehrenden Soldaten zuerst mit Medikamenten zu behandeln, sagte Generalleutnant Eric Schoomaker am 26. April in Washington vor Journalisten. Darüber sei er "sehr besorgt". Er regte alternative Therapien wie Yoga, Meditation, Akupunktur und Bewegungstherapie an.
  • Die letzte Gruppe der von Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge aus dem Irak ist am 27. April auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen gelandet. Mit der Ankunft der 186 Iraker sei die erste humanitäre Aufnahmeaktion dieser Art abgeschlossen, teilte das niedersächsische Innenministerium am 27. April in Hannover mit. Über das Grenzdurchgangslager Friedland nahe Göttingen seien seit März 2009 insgesamt 2501 Flüchtlinge nach Deutschland eingereist und auf die Bundesländer verteilt worden. Niedersachsen nimmt den Angaben zufolge voraussichtlich 232 von ihnen auf. Die Innenminister der EU-Staaten hatten im November 2008 beschlossen, 10 000 Irak-Flüchtlinge aufzunehmen.
  • US-Präsident Barack Obama hat sein Ziel einer "neuen Partnerschaft" mit der muslimischen Welt bekräftigt. Bei einem Treffen von muslimischen Geschäftsleuten und Unternehmern aus 60 Nationen in Washington erinnerte er an seine Rede in Kairo vom 4. Juni 2009, in der er für einen "Neubeginn" auf der Basis gemeinsamer Interessen und gegenseitigen Respekts geworben hatte. Er habe daran gearbeitet, "sicherzustellen, dass Amerika wieder seiner Verantwortung nachkommt, vor allem, wenn es um die Sicherheit und politischen Fragen geht, die sehr oft eine Quelle von Spannungen gewesen sind", sagte der Präsident am 27. April. Er wies unter anderem darauf hin, dass die USA den Krieg im Irak "auf verantwortungsvolle Weise" beendet haben und in Afghanistan und der Region neue Partnerschaften zur Isolierung gewalttätiger Extremisten sowie zur Bekämpfung von Korruption gebildet haben.
  • Angesichts der ungeklärten Machtverhältnisse nach der Parlamentswahl im Irak fordert Wahlsieger Ajad Allawi die Einrichtung einer neutralen Übergangsregierung. Die Vereinten Nationen, die Arabische Liga, die EU und die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) müssten bei der Zusammenstellung einer solchen Regierung helfen, sagte Allawi am 28. April in einem Fernseh-Interview. Der Führer des Parteienbündnisses Irakija fürchtet angesichts einer laufenden Neuauszählung und verschiedener Gerichtsverfahren offenbar um seine Mehrheit. Ein mit Beschwerden gegen das Wahlergebnis vom 7. März befasstes Gericht hatte am 26. April einen frisch gewählten Abgeordneten der Irakija-Liste disqualifiziert. Das Parteienbündnis hat damit nur noch ein Mandat mehr als das Wahlbündnis Allianz für einen Rechtsstaat des amtierenden Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Eine Gerichtsentscheidung über neun weitere Abgeordnete, darunter sieben Parteigänger Allawis, soll nach Angaben der Wahlkommission nächsten Montag (3. Mai) fallen.


Zurück zur "Chronik eines angekündigten Krieges"

Zur Irak-Seite (Gesamtverzeichnis)

Zurück zur Homepage