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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

September 2009


Dienstag, 1. September, bis Sonntag, 6. September
  • "Beispielhaft" nannte der für Einwanderung zuständige EU-Kommissar Jacques Barrot die deutsche Initiative zur Aufnahme verfolgter Iraker aus dem vergangenen Jahr. In Deutschland fanden nach EU-Kommissionsangaben rund 2500 Menschen Zuflucht, EU-weit waren es in den vergangenen drei Jahren rund 8000. Die Bundesrepublik Deutschland erhielt dafür 8,6 Millionen Euro aus dem Flüchtlingsfonds, so die Presse am 2. September.
  • Fachminister aus der Türkei, dem Irak und Syrien sind am 3. September in der türkischen Hauptstadt Ankara zu Gesprächen über die Verteilung der Wasserressourcen aus Euphrat und Tigris zusammengekommen. Zum Auftakt der eintägigen Konferenz wies der türkische Energieminister Taner Yildiz Vorwürfe zurück, sein Land halte Wasser aus den beiden Strömen zurück und sorge damit für Versorgungsprobleme in den Nachbarstaaten Irak und Syrien. Irak und Syrien fordern vom nördlichen Nachbarn, mehr Wasser als bisher durch die Schleusen an den aufgestauten Strömen Richtung Süden fließen zu lassen. Erst vor wenigen Wochen hatte die irakische Regierung kritisiert, die Türkei habe trotz einer versprochenen Steigerung der Durchflussmenge im Euphrat die Wassermenge noch weiter gedrosselt. Nach Presseberichten sollte bei dem Dreiertreffen unter anderem über die Einrichtung gemeinsamer Mess-Stationen gesprochen werden, um Streit über die jeweiligen Durchflussmengen zu vermeiden.
  • Bei Anschlägen im Irak sind am 4. September mindestens fünf Menschen getötet und 96 weitere verletzt worden. Drei Gläubige seien in der rund sechzig Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Ortschaft El Mussajeb von einer Bombe getötet worden, die in einem schiitischen Mausoleum explodierte, wie die Polizei mitteilte. 51 weitere Menschen wurden verletzt. In Mahauil rund zwanzig Kilometer weiter südlich tötete eine Autobombe in der Nähe eines schiitischen Mausoleums zwei Menschen und verletzte neun weitere. In Aun, einer Ortschaft nahe der Stadt Kerbela, wurden acht Menschen verletzt, als auf einem Markt eine Bombe explodierte. In der Hauptstadt Bagdad wurden vier Mitglieder der sunnitischen Sahwa-Miliz und vier Zivilisten durch eine Bombenexplosion verletzt. Ebenfalls eine Bombe verletzte fünf Zivilisten in Kasra nördlich von Bagdad. In Baakuba wurden zehn Menschen verletzt, darunter neun Kinder, als eine Autobombe neben einer Polizeipatrouille in die Luft ging.
  • Wegen eines grausamen Gewaltverbrechens gegen eine Familie im Irak ist ein ehemaliger US-Soldat am 4. September zu fünf Mal lebenslanger Haft ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung verurteilt worden. Ein Bundesrichter im US-Bundesstaat Kentucky sprach das Urteil gegen den 24 Jahre alten Steven D. Green. Der Angeklagte war bereits im Mai für schuldig befunden worden, im März 2006 in Mahmudija südlich von Bagdad gemeinsam mit anderen US-Soldaten eine 14-jährige Irakerin vergewaltigt und sie danach ebenso wie ihre Eltern und ihre sechsjährige Schwester erschossen zu haben. Die zwölf Geschworenen hatten Green in allen 17 Anklagepunkten, darunter Mord, Vergewaltigung und Behinderung der Justiz, schuldig gesprochen. Auf die von der Staatsanwaltschaft geforderte Todesstrafe hatten sie sich nicht einigen können. Dafür wäre eine einstimmige Entscheidung der Geschworenen notwendig gewesen. Greens drei Komplizen wurden bereits zu lebenslanger Haft verurteilt, der vierte Soldat, der Wache gestanden hatte, zu gut zwei Jahren Gefängnis. Anders als seine Kameraden wurde Green vor ein Zivil- und nicht vor ein Militärgericht gestellt, da die Tat erst bekanntgeworden war, als er wegen einer Persönlichkeitsstörung aus der Armee ausgeschieden war.
Montag, 7. September, bis Sonntag, 13. September
  • Bei einem Selbstmordanschlag im Irak sind am 7. September acht Menschen getötet worden. Nach Angaben der Polizei explodierte in Ramadi im Westen des Landes ein mit Sprengstoff beladenes Auto. Der Anschlag ereignete sich demnach an einer von Polizei und Armee errichteten Straßensperre. Unter den Opfern seien vier Zivilisten. 15 weitere Menschen wurden demnach verletzt.
  • In der irakischen Stadt Bakuba hat sich am 8. September ein Selbstmordattentäter vor einer schiitischen Moschee in die Luft gesprengt. Er tötete fünf Zivilisten. 21 weitere Menschen wurden bei der Explosion verletzt. In der Hauptstadt Bagdad kam ein Beamter ums Leben, als ein Sprengsatz neben einem Kleinbus des Gesundheitsministeriums detonierte.
  • 17 Menschen sind bei einem Selbstmordattentat am 10. September getötet worden. Mindestens 25 weitere Menschen wurden laut Polizei verletzt, als der Attentäter im Dorf Wardak nahe der nordirakischen Stadt Mossul einen mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in die Luft jagte. Sicherheitskräfte erschossen demnach einen zweiten Selbstmordattentäter, bevor dieser sein Fahrzeug in die Luft sprengen konnte. Die Region rund um Mossul, 350 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad, ist eine der gefährlichsten im Irak. Dort kommt es fast täglich zu Anschlägen.
  • Bei mehreren Anschlägen am 12. September sind im Irak mindestens acht Menschen ums Leben gekommen. Bei einem Angriff auf einen Checkpoint in der nordirakischen Stadt Kirkuk starben fünf Polizisten. Wie aus Sicherheitskreisen bekanntwurde, hatte eine Gruppe Angreifer am Vorabend das Feuer auf die Polizisten eröffnet. Bevor sie flüchteten setzten die Angreifer noch zwei der Leichen in Brand. Bei einem Anschlag mit einer Autobombe sind in Bagdad drei Zivilisten getötet und acht weitere verletzt worden.
  • Ein amerikanischer Angestellter eines Dienstleisters der US-Streitkräfte im Irak ist am 13. September auf einem Militärstützpunkt erschossen worden. Ein Soldat wurde im Zusammenhang mit dem tödlichen Zwischenfall im Camp Speicher in der Stadt Tikrit festgenommen, wie ein Sprecher der US-Streitkräfte mitteilte. Einzelheiten zum Hergang der Tat wurden nicht mitgeteilt. Der in Houston ansässige Dienstleister KBR bestätigte in einer Stellungnahme, dass ein 27-jähriger Mitarbeiter getötet wurde. KBR ist der wichtigste Dienstleister der US-Streitkräfte im Irak, der beispielsweise für Unterkünfte, das Essen, die Wäsche oder die Postzustellung zuständig ist.
  • Kurz nach dem Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 hat sich deren mutmaßlicher Drahtzieher Osama bin Laden wieder zu Wort gemeldet. Wie das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen IntelCenter berichtete, verbreitete der El-Kaida-Mediendienst As Sahab am 13. September ein neues Video mit einer angeblichen Botschaft Bin Ladens "an das amerikanische Volk". In dem Video sei ein Standbild des Extremistenführer mit einem gesprochenen Text unterlegt, in dem dieser den USA mit einem "Zermürbungskrieg" droht, falls die Kriege im Irak und in Afghanistan nicht beendet würden, berichtete Intel. Bin Laden zieht IntelCenter zufolge einen Vergleich mit dem Zerfall der früheren Sowjetunion, die "zehn Jahre lang zermürbt" worden sei, bis sie schließlich der Vergangenheit angehört habe. Die US-Bürger forderte Bin Laden laut der Video-Auswertung durch IntelCenter auf, Druck auf ihre Regierung auszuüben, damit diese ihre Unterstützung für Israel aufgebe. Den Rückhalt für Israel nannte Bin Laden demnach als einen der wichtigsten Gründe für die Anschläge vom 11. September vor acht Jahren. Obama sei außerdem zu schwach, die Kriege in Afghanistan und im Irak zu beenden, so Bin Laden.
Montag, 14. September, bis Sonntag, 20. September
  • Neun Monate nach seinem Schuhwurf auf George W. Bush ist der irakische Journalist Munthadar al Seidi am 15. September aus dem Gefängnis entlassen worden. In einer Pressekonferenz sagte er anschließend, Sicherheitskräfte hätten ihn unmittelbar nach seiner Festnahme und am Folgetag mit Schlägen und Elektroschocks misshandelt. Er habe Angst um sein Leben und befürchte, dass US-Geheimdienstagenten hinter ihm her seien. Al Seidi war wegen tätlichen Angriffs auf den früheren US-Präsidenten in Bagdad zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Weil gegen den 30-Jährigen keine Vorstrafen vorlagen, wurde das Strafmaß dann reduziert. Der Schuhwurf auf Bush fand am 14. Dezember statt, als der scheidende US-Präsident bei seinem Abschiedsbesuch in Bagdad gemeinsam mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki eine Pressekonferenz gab. Getroffen wurde niemand, doch Al Seidi wurde über Nacht zum Volkshelden in der arabischen Welt, die den Irak-Krieg und die anschließende amerikanische Besatzungspolitik stets verurteilt hat. In der Pressekonferenz im Gebäude des Fernsehsenders Al Bagdadija, bei dem er arbeitet, sagte Al Seidi, er befürchte, körperlich, sozial oder beruflich ausgeschaltet zu werden. Er kündigte an, die Namen ranghoher Regierungs- und Militärvertreter zu nennen, die ihn misshandelt hätten. Als Motiv für seinen Schuhwurf nannte er die Besetzung des Iraks durch US-Truppen. Zwar sei er selbst nun frei, sein Land werde aber noch immer gefangengehalten. Al Seidis Bruder Udai sagte, der Freigelassene werde am 17. September zu medizinischen Untersuchungen und aus Sicherheitsgründen nach Griechenland reisen.
  • China bildet rund 40 Offiziere aus dem Irak und Afghanistan in Minenräumtechniken aus. Die Ausbildung erfolgt auf einer militärischen Einrichtung in der ostchinesischen Stadt Nanjing. Laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua vom 15. September betrachtet Peking die Aktion dennoch als zivile humanitäre Hilfe. Der Kurs zeige, dass die chinesische Regierung freundschaftlichen Beziehungen zu Afghanistan und dem Irak große Bedeutung beimesse, berichtete Xinhua unter Berufung auf das chinesische Außenministerium. China war gegen den US-Einmarsch im Irak 2003 und beteiligt sich auch nicht am internationalen Einsatz in Afghanistan. Das Land hat zuletzt bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen eine stärkere Rolle übernommen und entsandte auch Schiffe zur Bekämpfung der Piraterie vor Somalia.
  • US-Vizepräsident Joe Biden ist am 15. September zu einem nicht angekündigten Besuch im Irak eingetroffen. Auf seinem Programm standen Gespräche mit irakischen Regierungsvertretern sowie Mitgliedern der UN-Mission in Bagdad. Auch der kurdischen Region im Nordirak wollte Biden einen Besuch abstatten. Es ist bereits die dritte Reise des Vizepräsidenten in den Irak in diesem Jahr. Zuletzt feierte er mit US-Soldaten in dem Golfstaat den amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli. Beobachter werteten den neuerlichen Besuch Bidens als Signal an die Regierung in Bagdad, dass der Irak trotz der erhöhten Konzentration Washingtons auf Afghanistan weiterhin eine wichtige Rolle in der US-Politik spiele.
  • Weltweit sei das Jahr 2009 für Kinder in Konfliktregionen "furchtbar" gewesen, sagte Coomaraswamy am 15. September vor der Vorstellung eines für den UN-Menschenrechtsrat angefertigten Berichts. Konflikte in Afghanistan, Sri Lanka, Pakistan, der Demokratischen Republik Kongo sowie im Irak und im Gazastreifen hätten zu vielen Todesopfern und Vertriebenen geführt, darunter besonders viele Kinder. Besorgt äußerte sich Coomaraswamy auch über die Auswirkungen des Terrorismus und des Anti-Terror-Kampfs auf Kinder. Kinder würden oft als Selbstmordattentäter und Kämpfer missbraucht, bei Anti-Terror-Einsätzen häufig festgenommen und inhaftiert.
  • Die US-Streitkräfte haben ihr ehedem größtes Militärgefängnis im Irak geschlossen. Die letzten 180 Gefangenen in Camp Bucca wurden am 16. September in Gefängnisse bei Bagdad verlegt. Die Schließung der in der südirakischen Wüste nahe der Grenze zu Kuwait gelegenen Anlage ist ein Ergebnis des Sicherheitsabkommens zwischen den USA und dem Irak. Das im Januar in Kraft getretene Abkommen bestimmt, dass alle Gefangenen der US-Streitkräfte entweder der irakischen Justiz übergeben oder freigelassen werden. In Camp Bucca, das nach der Invasion im März 2003 zunächst als Zeltlager eingerichtet wurde, kamen daraufhin 5.600 Gefangene mangels Beweisen frei, 1.400 wurden der irakischen Justiz übergeben. Die US-Streitkräfte im Irak halten nun noch etwa 8.400 Gefangene fest.
  • Bei der Explosion eines mit Sprengstoff präparierten Autos sind im Irak am 18. September mindestens sieben Menschen getötet worden. 21 weitere wurden verletzt, als das Fahrzeug in der südlich von Bagdad gelegenen Stadt Mahmudijah in die Luft ging, wie aus irakischen Sicherheitskreisen verlautete. Die Opfer waren demnach Besucher eines Markts, die sich vor dem Ende des abendlichen Fastenbrechens während des Ramadans mit Lebensmitteln versorgen wollten. Die Gegend, in der sich der Anschlag ereignete, wurde nach dem Einmarsch der US-Truppen im Irak im Jahr 2003 auch als "Dreieck des Todes" bezeichnet.
  • Im Irak zählte die Menschenrechtsorganisation Iraq Body Count vom Januar 2003 bis August dieses Jahres über 101.600 Zivilisten, die bei Anschlägen, Gefechten und Angriffen getötet wurden. Für Frieden, Entspannung und Abrüstung müsse man sich deshalb täglich einsetzen, erklärt das Mitglied des Parteivorstandes Helmut Scholz (Die Linke) am 20. September, anlässlich des am morgigen (21. September) stattfindenden UNO-Friedenstag.
  • Der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, hat die USA und den Irak aufgerufen, die Bewohner des irakischen Internierungs- und Flüchtlingslagers Aschraf vor Gewalt und Missbrauch zu schützen. Beide Staaten seien verpflichtet, die Rechte der Exiliraner in dem Camp zu schützen, erklärte das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche am 20. September auf seiner Website. Williams rief zur Entsendung eines UN-Beobachterteams in das Lager auf. Die irakische Regierung hat erst zu Beginn des Jahres von den US-Streitkräften die Verantwortung für die Provinz Dijala übernommen, in der Camp Aschraf liegt. Sie möchte das Lager am liebsten schließen und die Bewohner in den Iran abschieben. Die USA treten indessen für eine weitere Tolerierung ein, da den Menschen im Iran Verfolgung drohen würde. Ende Juli erstürmten die irakischen Sicherheitskräfte das Lager; dabei wurden nach Angaben der iranischen Volksmudschahedin (PMOI) neun Menschen getötet und hunderte verletzt. Die Anfänge von Camp Aschraf reichen in das Jahr 1986 zurück. Damals erlaubte der irakische Präsident Saddam Hussein den iranischen Volksmudschahedin die Ansiedlung. Diese wiederum unterstützten den Irak im Krieg gegen ihr Heimatland, weil sie den iranischen Gottesstaat ablehnen. Die EU strich die Volksmudschahedin im Januar nach einem jahrelangen Rechtsstreit von ihrer Terrorliste. Das Europaparlament rief den Irak dazu, keine Mitglieder der PMOI zu deportieren.
Montag, 21. September, bis Sonntag, 27. September
  • Die Innenminister der Europäischen Union beraten am 21. September in Brüssel über die gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik. Auf dem Tisch liegt ein neuer Vorschlag der EU-Kommission zur Schaffung eines "EU-Umsiedlungsprogramms". Damit sollen mehr Menschen in Europa Schutz finden, die aus dem Irak oder afrikanischen Krisenländern wie Somalia oder dem Sudan fliehen mussten und keine Chance auf Rückkehr haben. Weitere Themen sind die geplante Angleichung der Asylpraxis der EU-Staaten und die Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
  • Ein dänisches Gericht hat es am 21. September abgelehnt, ein Buch eines früheren Elitesoldaten zu verbieten. Die dänischen Streitkräften hatten dies gefordert, weil der Soldat an Kommandoeinsätzen im Irak und in Afghanistan beteiligt war und ein Geheimnisverrat befürchtet wurde. Thomas Rathsack beschreibt in dem Buch einige der Einsätze, an denen er teilnahm. Das Gericht erklärte, ein Verbot sei sinnlos, weil Zeitungen schon Auszüge aus dem Buch, eine sogar das ganze Manuskript gedruckt hätten. Auch stehe der Text schon im Internet, weshalb ein Verbot nicht verhindern könne, dass unerwünschte Informationen verbreitet würden.
  • Durch ein kleines Toilettenfenster sind im Irak 15 gefährliche Terroristen in die Freiheit geklettert. Wie aus Sicherheitskreisen bekanntwurde, gelang ihnen in der Nacht zum 24. September die Flucht aus dem Gefängnis in der nordirakischen Stadt Tikrit. Vier der Ausbrecher waren als Mitglieder des Terrornetzes El Kaida zum Tode verurteilt worden. Die Polizei verhängte nach dem Ausbruch sofort eine Ausgangssperre rund um die Haftanstalt. Einer der vier Todeskandidaten wurde wenige Stunden nach der Flucht gefasst.
  • Die Serie tödlicher Bombenanschläge in den letzten Monaten im Irak hat nach Meinung von Präsident Dschalal Talabani das Ausmaß von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erreicht. Die Terrorangriffe sollten deswegen nach internationalem Recht bestraft werden, forderte Talabani am 24. September in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York. Die Anschlagsserien hätten nicht ohne Hilfe aus dem Ausland durchgeführt werden können. Deshalb solle der UN-Sicherheitsrat eine Untersuchung anordnen, forderte Talabani. Die irakische Regierung müsse sich an die Vereinten Nationen wenden, um das «Vergießen des Blutes unschuldiger Iraker zu stoppen». Der Irak bezichtigt Syrien, Extremisten zu beherbergen, die die koordinierten Anschläge vom 19. August im Herzen Bagdads vor dem Finanz- und dem Außenministerium durchgeführt haben sollen. Dabei wurden etwa 100 Menschen getötet. Ministerpräsident Nuri al-Maliki hatte bereits in der Vergangenheit mehrmals eine Untersuchung durch den UN-Sicherheitsrat gefordert.
  • In den britischen Gefängnissen sitzen einer neuen Studie zufolge immer mehr ehemalige Soldaten. Sie machten inzwischen fast zehn Prozent aller Häftlinge aus, heißt es in der am 25. September veröffentlichten Studie der Bewährungshelfergewerkschaft Napo. Viele dieser früheren Soldaten, die oft in Krisengebieten wie Bosnien, Irak, Afghanistan und Nordirland dienten, litten unter Drogen- und Alkoholproblemen, hieß es weiter. Laut der Studie sitzen derzeit rund 8.500 Ex-Soldaten im Gefängnis. Insgesamt 20.000 befinden sich entweder hinter Gittern, sind auf Bewährung entlassen oder ihre Strafe wurde ausgesetzt.
  • Nach mehrjährigem juristischen Tauziehen haben die US-Streitkräfte dem Antrag eines Leutnants auf Entlassung stattgegeben, der sich der Einberufung zum Irak-Krieg widersetzt hat. Das teilte der Anwalt des 31-jährigen Ehren Watada am 25. September mit. Die Streitkräfte hatten zweimal versucht, den Leutnant wegen Befehlsverweigerung vor einem Kriegsgericht zu verurteilen. Ein erster Prozess gegen Watada war wegen Verfahrensfehlern eingestellt worden. Ein von den Streitkräften angestrengter zweiter Prozess wurde von einem Richter nicht zugelassen, weil dies gegen das Verbot der zweimaligen Strafverfolgung wegen des gleichen Vergehens verstoße. Im Fall einer Verurteilung vor dem Kriegsgericht hätten dem Leutnant bis zu sechs Jahre Haft und eine unehrenhafte Entlassung gedroht. Watada wurde Befehlsverweigerung und ein für Offiziere unziemliches Verhalten vorgeworfen. Dies bezog sich auf vier Fälle von öffentlichen Äußerungen, in denen der Leutnant 2006 den Irak-Krieg oder den damaligen US-Präsidenten George W. Bush kritisiert hat. Watada hat erklärt, dass er mit seiner Weigerung verhindern wollte, sich einer Beteiligung an Kriegsverbrechen in einem illegalen Krieg schuldig zu machen. Watada hat nach Angaben seines Anwalts Kenneth Kagan bereits vor dem Einberufungsbefehl in den Irak seinen Antrag auf Entlassung gestellt. Dieser sei jedoch von den Streitkräften abgelehnt worden. Watada zeigte sich in einem Interview der Zeitung «Honolulu Star Bulletin» zufrieden, dass der Fall nun endlich abgeschlossen sei.
Montag, 28. September, bis Mittwoch, 30. September
  • Bei zwei Bombenanschlägen im Irak sind am 28. September wieder mindestens elf Menschen getötet worden. Im Westen des Iraks riss ein Selbstmordattentäter fünf Menschen mit in den Tod, als er einen Tanklaster in der Nähe eines Kontrollpostens mit Sprengstoff zur Explosion brachte, wie die Polizei mitteilte. Mindestens acht Menschen wurden hier verletzt. Bei der Explosion einer Bombe in einem Bus im Südirak kamen zudem sechs Menschen ums Leben, zwei wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich in der vorwiegend von Schiiten bewohnten Stadt Diwanijeh.
  • Mehr als 1400 Flüchtlinge aus dem Irak haben in den vergangenen sechs Monaten das Grenzdurchgangslager Friedland bei Göttingen durchlaufen. Wie das katholische Dekanat Göttingen am 29. September mitteilte, brachte ein Flugzeug in der letzten Woche weitere 159 Frauen, Männer und Kinder nach Deutschland. Es handelte sich dabei um den elften Transport. Neben anderen Hilfswerken betreuen die örtliche katholische Kirchengemeinde und der Caritas-Verband die Neuankömmlinge in Friedland. Die EU hatte im vergangenen Jahr beschlossen, etwa 10 000 Irak-Flüchtlinge aufzunehmen. 2500 Personen sollen nach Deutschland kommen. Bei den meisten Flüchtlingen handelt es sich um Christen, die zuvor aus dem Irak nach Syrien oder Jordanien geflohen waren. Sie bleiben zunächst etwa zwei Wochen in Friedland, bevor sie nach einem festgelegten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden. Flüchtlinge, die später in Niedersachsen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern leben, nehmen in Friedland an einem dreimonatigen Integrationskurs teil.
  • Ein Militärgericht hat am 29. September einen US-Soldaten vom Vorwurf des Mordes an einem irakischen Gefangenen freigesprochen. Der 28-jährige Angeklagte hatte zuvor auf "nicht schuldig" plädiert, wie ein Sprecher des Gerichts auf dem Stützpunkt Camp Pendleton im US-Bundesstaat Kalifornien sagte. Er habe aber eine "Pflichtverletzung" eingeräumt. Über das Strafmaß soll demnach später entschieden werden. Dem Unteroffizier und zwei weiteren Soldaten war vorgeworfen worden, im November 2004 bei Kämpfen in der sunnitischen Rebellenhochburg Falludscha vier irakische Gefangene erschossen zu haben. Die Staatsanwaltschaft warf dem Unteroffizier vor, selbst zwei der Gefangenen erschossen und seinen Untergebenen befohlen zu haben, die beiden anderen zu töten. Auch sie waren vor Militär- und Zivilgerichten freigesprochen worden. Der Fall war erst 2006 bekannt geworden. Bei einer Bewerbung bei der Polizei gab der mittlerweile aus der Armee ausgeschiedene Chef der Einheit damals zu, an ungerechtfertigten Tötung im Irak beteiligt gewesen zu sein.
  • Die USA wollen im Oktober 4.000 weitere Soldaten aus dem Irak abziehen. Ende des Monats sollen dann noch rund 120.000 amerikanische Soldaten vor Ort sein, wie General Ray Odierno am 30. September vor dem Militärausschuss des Repräsentantenhauses sagte. Die Ankündigung ist Teil einer Truppenreduzierung, die mit dem vollständigen Abzug aus dem Irak bis Ende 2011 enden soll.


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