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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

Mai 2009


Freitag, 1. Mai, bis Sonntag, 3. Mai
  • Großbritannien und der Irak wollen ihre Beziehungen deutlich ausbauen, wie die Presse am 1. Mai meldete. Laut irakischer Regierung unterzeichneten beide Länder am Vortag anlässlich des Besuchs des irakischen Regierungschefs Nuri el Maliki in London einen Vertrag über die Ausweitung der strategischen, technischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Darin sei unter anderem die Schaffung eines britisch-irakischen Komitees vorgesehen, das die Zusammenarbeit beider Länder auf etlichen Gebieten koordiniert, unter anderem im Finanzwesen, bei Energiefragen und Umweltangelegenheiten. Der Vertrag wurde vom britischen Handelsminister Peter Mandelson und dem stellvertretenden irakischen Ministerpräsidenten Barham Saleh unterzeichnet. Er ersetzt ein Abkommen von 1981. Parallel zur Unterzeichnung des Vertrags wurde vergangenen Donnerstag (30. April) der Kampfeinsatz der britischen Armee im Irak offiziell beendet.
  • Bei einem Anschlag auf ein Café im Nordirak hat ein Selbstmordattentäter am Freitag, den 1. Mai, fünf Zivilisten mit in den Tod gerissen. Sechs weitere Menschen seien verletzt worden, teilte ein Polizeisprecher mit. Der Anschlag wurde im Gebiet Sadd Mossul etwa 50 Kilometer nördlich der Stadt Mossul verübt. Mossul ist mit mehr als 1,5 Millionen Einwohnern, darunter Sunniten, Schiiten, Christen und Kurden, die zweitgrößte Stadt des Irak. Nach US-Angaben sind die Anhänger des Terrornetzwerks El Kaida dort besonders aktiv. Mit zahlreichen schweren Anschlägen war der Monat April im Irak der blutigste Monat seit mehr als einem halben Jahr. Im vergangenen Monat kamen nach Regierungsangaben 355 irakische Zivilisten, Soldaten und Polizisten durch Gewalt ums Leben.
Montag, 4. Mai, bis Sonntag, 10. Mai
  • Bagdad hält trotz der jüngsten Anschläge an den Plänen zum Abzug der US-Streitkräfte aus dem Irak fest. Der irakischen Regierung sei es wichtig, dass der 30. Juni als Datum für den Abzug der US-Soldaten aus allen Städten im Land eingehalten werden, erklärte Regierungssprecher Ali el Dabbagh. Dies gelte auch für den vollständigen Abzug der US-Streitkräfte bis Ende 2011. Diese Termine könnten nicht aufgeschoben werden. Der Abzug gehöre dazu, wenn die Verantwortung für die Sicherheit wie geplant von den US-Streitkräften an die irakische Armee übergehen solle, sagte der Regierungssprecher am 4. Mai. Die Rückzugsdaten sind im Sicherheitsabkommen festgeschrieben, das Washington und Bagdad im November (2008) geschlossen hatten. Zwar ist der Irak in den vergangenen beiden Jahren insgesamt sicherer geworden. Allerdings wurden einige Provinzen wie Ninive im Norden, Dijala im Landesinneren und Bagdad in jüngster Zeit wieder Schauplätze von Anschlägen mit vielen Opfern. Vergangene Woche hatte der Sprecher der US-Armee im Irak, General David Perkins, angedeutet, die US-Soldaten könnten auch länger als bis zum 30. Juni in Mossul - der Provinzhauptstadt von Ninive - stationiert bleiben. Dies sei möglich, wenn sowohl Bagdad als auch Washington diesem Plan zustimmten.
  • Bei einer Explosion auf einem Markt in Bagdad sind mindestens zwölf Menschen getötet und weitere 44 verletzt worden, das ist die Tagesbilanz vom 6. Mai. Nach Angaben von Vertretern des Innen- und Verteidigungsministeriums ereignete sich die Explosion am Morgen auf einem Gemüsemarkt in dem von Sunniten und Schiiten bewohnten Stadtteil Dora. Die genauen Hintergründe sind noch unklar. In den vergangenen Wochen war es nach einer längeren Ruhephase wiederholt zu Anschlägen in der irakischen Hauptstadt gekommen. Mit 355 Anschlagstoten war der April nach Behördenangaben der blutigste Monat seit vergangenem September. In den vergangenen beiden Jahren hatte sich die Sicherheitslage im Irak schrittweise stabilisiert. In weniger als zwei Monaten steht der Rückzug der US-Truppen aus allen irakischen Städten an. Trotz der neuerlichen Gewaltwelle will die Regierung in Bagdad an dem Zeitplan festhalten.
  • Laut 14. UNAMI-Report zur Lage der Menschenrechte im Irak sind gerade Frauen von gewalttätigen Übergriffen bedroht, so Zeitungen am 6. Mai. Dazu erklärt die Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach MdB am selbigen Tag: Frauen in aller Welt müssen vor Gewalt geschützt werden. Wir dürfen nicht tatenlos hinnehmen, dass die Rechte von Frauen in einigen Ländern nichts gelten, dass Frauen manchmal nur als Wert für die Ehre des Mannes gesehen werden. Besonders grausam ist es für Frauen in den weltweiten Krisenregionen, neben der Gefahr und den Nöten eines Krieges auch noch fürchten zu müssen, verschleppt, vergewaltigt, misshandelt oder getötet zu werden. Noch immer wird sexuelle Gewalt auch als perfide Kriegsstrategie eingesetzt. Nach Beendigung des Konflikts in den Krisenregionen tritt dann häusliche Gewalt verstärkt auf. Gewalttätige Übergriffe gegen Frauen sind laut des UN-Reports gerade in den kurdischen Gebieten des Iraks noch immer an der Tagesordnung. Zwangsverheiratungen, häusliche Gewalt, sogar Ehrenmorde sind Folgen eines fragwürdigen Ehrbegriffs, der die Rechte von Frauen außer Acht lässt. In einigen Regionen wird sogar der brutale Brauch der Genitalverstümmelung praktiziert.
  • Am 8. Mai wurde ein wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Mädchens und dessen Familie im Irak angeklagter US-Soldat für schuldig gesprochen. Steven Dale Green sei nach Auffassung des Bundesgerichts in allen 17 Punkten der Anklage, darunter Mord, Vergewaltigung und Behinderung der Justiz, schuldig, sagten Gerichtssprecher in Paducah im US-Bundestaat Kentucky. Das Verbrechen, das Green und seine Kameraden im März 2006 in Mahmudija begangen haben sollen, hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Dem 23-jährigen Green droht nun die Todesstrafe. Green und vier weitere Soldaten der 101. Luftlandedivision drangen in Mahmudija, 30 Kilometer südlich von Bagdad, in das Haus einer irakischen Familie ein. Seine vier Kameraden vergewaltigten nacheinander die 14-jährige Tochter. Green brachte währenddessen deren sechsjährige Schwester und die Eltern in einen Nebenraum und erschoss sie. Anschließend vergewaltigte er die 14-Jährige und erschoss sie ebenfalls. Um ihre Tat zu vertuschen, zündeten die Soldaten danach das Haus an. Greens Komplizen wurden zu hohen Haftstrafen verurteilt. Anders als seine Kameraden wurde Green nicht vor ein Militärgericht gestellt, da die Tat erst nach seinem Ausscheiden aus der US-Armee bekanntgeworden war. Das Verbrechen von Mahmudija hatte den ohnehin schon angeschlagenen Ruf der US-Streitkräfte im Irak weiter beschädigt.
  • Für die Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan stehen der US-Regierung zusätzliche Milliarden zur Verfügung, dies teilte ein Regierungssprecher am 8. Mai mit. Der Bewilligungsausschuss des Repräsentantenhauses segnete per Akklamation einen Nachtragshaushalt von 96,7 Milliarden Dollar (72,4 Milliarden Euro) ab. Der Löwenanteil des Pakets in Höhe von 47,7 Milliarden Dollar ist für die Kriege im Irak und in Afghanistan vorgesehen, weitere 23 Milliarden Dollar für den Materialnachschub.
Montag, 11. Mai, bis Sonntag, 17. Mai
  • Am Montag, den 11. Mai, erschoss ein US-Soldat fünf seiner Kameraden auf dem größten US-Armeestützpunkt im Irak. Der Vorfall ereignete sich nach US-Armeeangaben auf der Militärbasis Camp Liberty, die in der Nähe des internationalen Flughafens von Bagdad liegt. Drei weitere US-Soldaten wurden verletzt. Der Angreifer wurde festgenommen, über sein Motiv wurde zunächst nichts bekannt. Die Schießerei ereignete sich den Angaben zufolge in einem Krankenhaus für Soldaten, die an kriegsbedingten psychischen Problemen litten. Berichte, nach denen der Schütze versuchte, sich selbst zu richten, wurden bisher nicht bestätigt. Pentagon-Sprecher Bryan Whitman bezeichnete den Vorfall als "sehr tragisch". Seit dem Beginn der US-Invasion im Irak im März 2003 wurden dort insgesamt 4293 US-Soldaten getötet. Es kam auch wiederholt vor, dass US-Soldaten ihre Kameraden angriffen. Im vergangenen September hatte ein Soldat zwei jüngere Vorgesetzte erschossen, von denen er gemaßregelt worden war.
  • Der mutmaßliche Chef von El Kaida im Irak, Abu Omar el Baghdadi, sitzt offenbar doch nicht im Gefängnis, hieß es am 12. Mai. Seine von der Regierung vermeldete Festnahme sei eine "Lüge", sagte Baghdadi in einer Audio-Botschaft, die von dem auf Überwachung radikalislamischer Websites spezialisierten US-Unternehmen SITE weiterverbreitet wurde. Die "Lüge" über seine Festnahme beweise einmal mehr, dass der Regierung in Bagdad nicht getraut werden könne. Der irakische Regierungschef Nuri el Maliki hatte Ende April die Festnahme Baghdadis verkündet. Dieser sei "der Kopf des Übels, der Anführer von El Kaida im Irak" und habe Verbindungen zu den Anhängern des gestürzten Regimes von Saddam Hussein unterhalten. Baghdadi wird vorgeworfen, der Drahtzieher einer ganzen Serie von Sprengstoffanschlägen auf Zivilisten und heilige Stätten der Schiiten zu sein.
  • Die Spionagevorwürfe gegen die US-iranische Journalistin Roxana Saberi im Iran haben offenbar im Zusammenhang mit einem geheimen Bericht der iranischen Regierung über den Krieg im Irak gestanden, so internationale Presseblätter am 13. Mai. Saberi sei Spionage vorgeworfen worden, nachdem sie den Bericht einer strategischen Forschungsabteilung des iranischen Präsidentenbüros erhalten habe, sagte einer der Anwälte der Journalistin, Salahe Nikbacht. Den als geheim eingestuften Bericht habe seine Klientin jedoch für ihre Arbeit nicht benutzt. Ein weiterer Anwalt Saberis, Abdolsamad Choramschahi, sagte, die Haftstrafe sei verringert worden, da sie das geheime Dokument über den Krieg im Irak nicht genutzt habe. Ansonsten hätten ihr zehn Jahre Haft gedroht. Die 32-jährige Saberi war im Iran zunächst wegen Spionage verurteilt worden, dann aber am Montag nach mehr als drei Monaten Haft aus einem Gefängnis in Teheran entlassen worden. Zuvor war in einem Berufungsverfahren ihre achtjährige Haftstrafe in eine zweijährige Bewährungsstrafe umgewandelt worden. Die als Tochter eines iranischen Vaters und einer japanischen Mutter in den USA geborene und dort aufgewachsene Journalistin lebte seit 2003 im Iran. Sie war für die US-Rundfunkanstalten NPR und Fox News sowie für die britische BBC tätig, bevor ihr die iranischen Behörden 2006 die Akkreditierung als Journalistin entzogen.
  • In einer politischen Kehrtwende hat US-Präsident Barack Obama die Veröffentlichung hunderter Fotos von misshandelten Gefangenen im Irak und Afghanistan abgelehnt. Die Bilder könnten "anti-amerikanische Stimmungen schüren" und die US-Armee "in größere Gefahr bringen", sagte Obama. Zudem seien sie bereits in Gerichtsprozessen verwendet worden und brächten keine neuen Erkenntnisse. Die US-Regierung hatte im vergangenen Monat zunächst zugestimmt, die Fotos zu veröffentlichen, die die Misshandlung von Gefangenen durch US-Soldaten während der Regierungszeit von Obamas Amtsvorgänger George W. Bush zeigen. Sie reagierte damit auf einen seit 2003 andauernden Rechtsstreit mit der Bürgerrechtsorganisation ACLU. Die Bilder waren bereits in Gerichtsverfahren gegen US-Soldaten verwendet worden. Daher brächte ihre Veröffentlichung keinen neuen Erkenntnisgewinn darüber, "was eine kleine Gruppe von Individuen in der Vergangenheit getan hat", sagte Obama nun. Dagegen könnte die Veröffentlichung sich negativ auf künftige Ermittlungen zu Misshandlungen auswirken. Obama betonte gleichzeitig, jegliche Misshandlung Gefangener sei inakzetabel und werde nicht toleriert. Das Weiße Haus kündigte an, sich weiter juristisch gegen die von der ACLU geforderte Veröffentlichung zu wehren. Dabei solle argumentiert werden, dass die Bilder die nationale Sicherheit der USA gefährdeten.
    Die Bürgerrechtsorganisation verurteilte Obamas Entscheidung gegen die Veröffentlichung. Damit habe er sein Versprechen gebrochen, den moralischen Ruf der USA wiederherzustellen und sich von der geheimnistuerischen Politik seines Vorgängers Bush abzuwenden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International reagierte "tief enttäuscht" über Obamas Entscheidung. Die US-Menschenrechtsorganisation ACLU hatte die Fotos 2004 bekommen und versuchte, deren Veröffentlichung per Klage durchzusetzen. In der Vergangenheit hatten Bilder von Misshandlungen im US-Gefangenenlager Abu Ghraib im Irak weltweit für Empörung gesorgt, so Medienaussagen am 14. Mai. Daraufhin reagierte Frank Herrmann (Rheinische Post) am gleichen Tag folgend: "Für Bürgerrechtler ist es eine Ernüchterung, ja, eine schallende Ohrfeige. Barack Obama hält Armee-Fotos unter Verschluss, die beleuchten, was während der Bush-Jahre in US-Militärgefängnissen in Irak und Afghanistan geschah. Da die Aufnahmen geheim sind, kann man über ihre Brisanz nur spekulieren. Obama beruft sich auf die Staatsräson. Er beugt sich dem Druck seiner Generäle, die einen schweren Imageschaden befürchten, gerade jetzt, da sie hoffen, dass auch die Army ein wenig vom Ruf des umjubelten Hoffnungsträgers im Weißen Haus zehrt. Der Präsident musste abwägen. Er muss ständig heikle Entscheidungen treffen, die selten hundertprozentig richtig sind oder falsch. Doch hier macht er einen Fehler. Es geht um seine Glaubwürdigkeit. Zum einen bricht Obama ein Wahlversprechen. Die Amerikaner haben sich nicht zuletzt deshalb für ihn erwärmt, weil er ihnen sein Wort gab, immer die Wahrheit zu sagen. Sie wählten ihn, weil er von allen Kandidaten den klarsten Bruch mit der Riesen-Enttäuschung George W. Bush symbolisierte. Im Amt agiert Obama vorsichtiger. Zum anderen ist es ein Pyrrhussieg für die Generäle. Denn nun machen Legenden und Verdächtigungen die Runde, man wird den GIs das Schlimmste unterstellen."
Montag, 18. Mai, bis Sonntag, 24. Mai
  • Im Irak wird am 30. Januar kommenden Jahres ein neues Parlament gewählt. Diesen Termin legte das Bundesgericht am 18. Mai in Bagdad fest, wie der stellvertretende Parlamentspräsident Chalid al Attijah am gleichen Tag sagte. Ursprünglich war etwa einen Monat früher mit der Wahl gerechnet worden. Zuletzt wurde im Irak im Dezember 2005 ein Parlament gewählt, die konstituierende Sitzung fand aber erst im März 2006 statt.
  • Das US-Verteidigungsministerium verzichtet nach eigenen Angaben inzwischen darauf, seinem täglichen Lagebericht Zitate aus der Bibel voranzustellen. Das sagte Pentagon-Sprecher Bryan Whitman am Montag (18. Mai) in Washington. Zuvor hatte das Magazin «GQ» in seiner Juni-Ausgabe berichtet, unter der Regierung des früheren US-Präsidenten George W. Bush seien auf der Titelseite der vertraulichen Berichte vor allem zur Zeit des Irak-Kriegs Bibelzitate zu lesen gewesen. Die Zitate hätten Bush offenbar in einer Zeit Kraft spenden sollen, in der immer mehr US-Soldaten im Irak getötet wurden, hieß es in dem «GQ»-Bericht. Mindestens ein muslimischer Mitarbeiter des Pentagon sowie weitere Beschäftigte hätten diese Praxis aber als unangemessen kritisiert. Im «Worldwide Intelligence Update» vom 10. April 2003 wurde laut «GQ» aus Psalm 33 zitiert: «Siehe, das Auge des Herrn Auge sieht auf die, die ihn fürchten, ... dass er ihre Seele errette vom Tode». In dem Papier waren dann Fotos vom Sturz der Saddam-Hussein-Statue und von jubelnden Irakern zu sehen. Zwei Wochen zuvor war über dem Foto eines durch die Wüste fahrenden US-Panzers der Epheser-Vers zu lesen: «Deshalb ergreift die ganze Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag widerstehen und, wenn ihr alles ausgerichtet habt, stehen bleiben könnt.» Die Organisation Americans United for Separation of Church and State kritisierte die Praxis scharf. US-Soldaten seien «keine christlichen Kreuzritter, und sie sollten nicht als solche dargestellt werden», sagte der stellvertretender Direktor der Organisation, Barry W. Lynn. «Den Irak-Konflikt als eine Art Heiligen Krieg darzustellen, ist schlichtweg skandalös.»
  • Ein Richter im US-Staat New Jersey hat eine Klage gegen die Regierung wegen des Irak-Krieges abgewiesen. Die Gerichte seien für solche im wesentlichen politischen Themen nicht zuständig, erklärte Richter Jose Linares am 19. Mai zur Begründung. Zwei Frauen, deren Söhne im Irak stationiert waren, hatten gemeinsam mit der Gruppe New Jersey Peace Action geltend gemacht, der damalige Präsident George W. Bush habe mit dem Einmarsch im Irak 2003 seine Kompetenzen überschritten, weil er Bagdad nicht offiziell den Krieg erklärt hatte.
  • Bei einer neuen Welle der Gewalt sind im Irak binnen 48 Stunden mehr als 70 Menschen getötet worden. Am 21. Mai starben bei Anschlägen in der Hauptstadt Bagdad und in der Ölstadt Kirkuk im Norden des Landes mindestens 29 Menschen. Das teilten die irakische Polizei und das US-Militär mit. Unterdessen stieg die Zahl der Toten nach einem verheerenden Anschlag am Abend des 20. Mai auf 45, mindestens 80 Menschen wurden verletzt, als eine Autobombe in der Nähe eines beliebten Restaurants im äußersten Nordwesten Bagdads detonierte. Es war der verheerendste Anschlag seit mehr als drei Wochen. Am 21. Mai riss ein Selbstmordattentäter auf einem Markt in Dura, südlich von Bagdad, mindestens 14 Menschen mit in den Tod. Ziel seien offensichtlich US-Soldaten gewesen, teilte die irakische Polizei mit. Nach Angaben der US-Armee wurden drei Soldaten bei einem Anschlag getötet. Ob sie auf dem Markt in Dura starben oder bei einem anderen Zwischenfall, war zunächst unklar. Bei einem weiteren Anschlag in Bagdad wurden zwei Polizisten getötet. In Kirkuk reihte sich am Donnerstag, 21. Mai, ein Selbstmordattentäter in eine Schlange mit sunnitischen Sicherheitskräften ein und riss acht Menschen mit in den Tod. Die Opfer waren Mitglieder einer sunnitischen Miliz. Sie gehörten einem sogenannten Erweckungsrat an. Diese arbeiten mit der irakischen Regierung und den US-Truppen im Kampf gegen das Terrornetzwerk El Kaida zusammen. Sie hatten sich gerade versammelt, um ihren Sold entgegenzunehmen.
  • Vorläufiges Prozessende im Fall "Steven Dale Green". Ein früherer US-Soldat ist wegen der Vergewaltigung einer 14-Jährigen und der Ermordung ihrer Familie während seines Einsatzes im Irak am 22. Mai zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Tat in Mahmudija im März 2006 gehört zu den schwersten Verbrechen amerikanischer Truppen im Irak. Neben dem verurteilten 24-jährigen Steven Dale Green waren noch drei weitere Soldaten daran beteiligt. Sie wurden von Militärgerichten zu hohen Haftstrafen verurteilt und hatten in dem Prozess gegen Green ausgesagt. Die Todesstrafe blieb Green nur deshalb erspart, weil sich die Geschworenen in mehr als zehnstündigen Beratungen über zwei Tage nicht einstimmig auf ein Strafmaß verständigen konnten. Green war schon vor zwei Wochen der Taten schuldig befunden worden. Der Prozess fand vor einem Zivilgericht im Staat Kentucky statt, weil Green erst angeklagt wurde, nachdem er wegen einer Persönlichkeitsstörung aus der Armee entlassen worden war. In dem Prozess hatte seine Anwalt die Tat auch nicht bestritten, sondern nur versucht, die Todesstrafe zu verhindern. Er wies dabei auf den enormen psychologischen Druck hin, dem Soldaten in Kriegen ausgesetzt seien. Kameraden sagten aus, Greens Einheit habe gerade einen Einsatz hinter sich gehabt, bei dem etliche US-Soldaten getötet worden seien. Von der Führung seien die Soldaten nicht genügend unterstützt worden.
  • Der US-Senat hat grünes Licht für einen Nachtragshaushalt über 91,3 Milliarden Dollar gegeben, mit dem auch die Einsätze der Armee im Irak und in Afghanistan finanziert werden sollen, 86 Senatoren stimmten am 22. Mai für den Entwurf, drei dagegen. Gleichzeitig verweigerten sie US-Präsident Barack Obama die von ihm geforderten Gelder zur Schließung des US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba.
  • Die nach mehr als drei Monaten aus iranischer Haft freigelassene US-iranische Journalistin Roxana Saberi befindet sich auf dem Heimweg in Richtung USA. Die 32-Jährige stieg nach einem einwöchigen Aufenthalt in Wien am Morgen in ein Flugzeug nach Washington, teilte die US-Botschaft in Österreich am 22. Mai mit. Die Journalistin wurde demnach von ihren Eltern in die USA begleitet. Die 32-Jährige war vor gut zehn Tagen aus dem Gefängnis in Teheran entlassen worden, in dem sie vier Monate zugebracht hatte. Ihre achtjährige Haftstrafe wegen Spionage wurde in eine zweijährige Bewährungsstrafe umgewandelt. Nach Angaben ihrer Anwälte wurde Saberi Spionage vorgeworfen, nachdem sie einen Geheimbericht der iranischen Regierung über den Krieg im Irak erhalten hatte. Saberi war Ende Januar in Teheran festgenommen worden. Die als Tochter eines iranischen Vaters und einer japanischen Mutter in den USA geborene und dort aufgewachsene Journalistin lebte seit 2003 im Iran. Sie war für die US-Rundfunkanstalten NPR und Fox News sowie für die britische BBC tätig, bevor ihr die iranischen Behörden 2006 die Akkreditierung als Journalistin entzogen.
  • Wie amerikanische und irakische Behörden am Samstag (23. Mai) mitteilten, wurde am Freitag (22. Mai) ein Wachmann eines privaten Sicherheitsunternehmens tot in seinem Wagen aufgefunden. Nach irakischen Angaben wurde vermutet, dass es sich um ein Verbrechen handelt. Ein weiterer Wachmann wurde nach Militärangaben beim Einschlag einer Rakete in der Nähe der US-Botschaft getötet. Seit dem 1. Januar sind die Iraker für die Sicherheit in der Grünen Zone verantwortlich. Es wurde schon damit begonnen, die Schutzwälle um die Grüne Zone abzureißen, in der sich mehrere Ministerien und auch die US-Botschaft befinden. Bis 30. Juni sollen sich die US-Truppen einem Abkommen zufolge aus allen städtischen Gebieten im Irak zurückgezogen haben, bis Ende 2011 dann auch aus dem Rest des Landes. Präsident Barack Obama hat aber angekündigt, schon bis 31. August 2010 alle Kampftruppen aus dem Irak abzuziehen.
  • Festnahmen und Verhöre mutmaßlicher Terroristen abseits der Kriegsschauplätze Afghanistan und Irak überlassen die USA zunehmend ausländischen Geheimdiensten. Wie die Zeitung "New York Times" am 24. Mai in ihrer Onlineausgabe berichtete, wurden in den vergangenen zehn Monaten rund ein halbes Dutzend Geldgeber und Logistiker des Terrornetzwerks El Kaida von ausländischen Diensten gefasst und verhört. Die mutmaßlichen El-Kaida-Kräfte der mittleren Ebene seien im Gewahrsam von vier nahöstlichen Diensten, hieß es unter Berufung auf neue und alte US-Regierungsmitarbeiter. Die Hinweise zur Festnahme stammten aus den USA. Bei ranghohen El-Kaida-Mitgliedern nähmen die USA die Sache weiter selbst in die Hand. Der pakistanische Geheimdienst habe mit US-Unterstützung in diesem Jahr einen Verdächtigen aus Saudi-Arabien und einen aus dem Jemen festgenommen, berichtete die Zeitung. Es handele sich um die ranghöchsten El-Kaida-Mitarbeiter, die seit der Amtsübernahme von US-Präsident Barack Obama im Januar aufgegriffen worden seien. Sie seien weiterhin in pakistanischem Gewahrsam. Pakistan teile jedoch die Ermittlungsergebnisse mit den USA. Ein Grund für die engere Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten sei die auf internationalen und juristischen Druck zurückzuführende Schließung von Geheimgefängnissen des US-Geheimdienstes CIA.
Montag, 25. Mai, bis Sonntag, 31. Mai
  • Trotz der heiklen Sicherheitslage und labilen politischen Machkonstellationen im Irak erwägt die Regierung nun, ausländischen Investoren den Erwerb von Grundstücken zu erleichtern. In einem am 26. Mai veröffentlichten Statement der irakischen Regierung soll eine Reform des Investitionsgesetzes noch bis Jahresende unter Dach und Fach gebracht werden. Auf diese Weise beabsichtigt man, dass ausländische Firmen künftig irakischen Grundbesitz kaufen und diesen anschließend auch behalten dürfen. "Der Irak weist derzeit ein immenses Wachstumspotenzial auf. Vor allem bei der Errichtung der gesamten Infrastruktur ist der Investitionsbedarf riesig. Dies bezieht sich neben dem Bau von Straßen und Gebäuden, der Elektrizitäts- und Wasserversorgung auch auf die Schaffung eines funktionierenden Bildungs- und Gesundheitssystems", erläutert Neugart auf Nachfrage von pressetext. Aufgrund des Ölpreisverfalls geriet selbst der Irak mit den zweitgrößten Öl-Reserven Ende des Vorjahres in die Bredouille. Noch vor einem Jahr verortete der Deutsche Industrie- und Handelskammertag bei der Ölförderung große Handelsoptionen für deutsche Unternehmen. Den Optimismus für eine Ansiedlung sahen die Fachleute mit Blick auf die 1960er- und 1970er-Jahre. Damals galt der Irak als einer der wichtigen Außenhandelspartner für die Bundesrepublik.
  • Bei einem Bombenanschlag in der irakischen Stadt Falludscha sind nach Militärangaben drei US-Bürger ums Leben gekommen, dies berichteten Medien am 26. Mai. Bei den Opfern handelt es sich um einen Mitarbeiter des Außenministeriums, einen Soldaten und einen Auftragnehmer des Pentagons, wie die Streitkräfte am Dienstag mitteilten. Ihr Konvoi wurde demnach am Montag von der Explosion eines am Straßenrand versteckten Sprengsatzes getroffen, als sie auf dem Weg zu einer Baustelle waren. Zwei weitere Menschen wurden verletzt. Falludscha war frühere eine Hochburg irakischer Aufständischer. Nachdem sich die Sunniten dem Kampf der US-Truppen gegen Al Kaida im Irak angeschlossen hatten, ging die Gewalt in der Region jedoch drastisch zurück.
  • Trotz des bereits vereinbarten Abzugs der amerikanischen Soldaten bis 2012 wären die USA nach den Worten von Heeres-Stabschef George Casey in der Lage, Kampftruppen noch weitere zehn Jahre im Irak zu lassen. Der US-General sagte am Dienstag (26. Mai) in Washington, nach seinen Planungen könnten Truppen im Kampf gegen Extremismus und Terrorismus noch für ein Jahrzehnt in Afghanistan und dem Irak bleiben. Die Welt bleibe gefährlich und unvorhersehbar, und das Pentagon müsse sich darauf einstellen, sagte Casey: «Die globalen Trends weisen in die falsche Richtung.»
  • Bei einem Bombenanschlag in Bagdad sind am 29. Mai nach Polizeiangaben mindestens vier Menschen getötet und zehn verletzt worden. Die Bombe detonierte in einem Busbahnhof im schiitischen Viertel Chalis. Wenige Stunden zuvor wurde in einem Vorort der Stadt Bakuba ein örtlicher Führer des sogenannten Erweckungsrats bei einem Bombenanschlag getötet, wie die Polizei erklärte. Der von der Regierung unterstützte sunnitische Erweckungsrat kämpft gegen Al Kaida im Irak. Der Angriff ereignete sich am Freitag, den 29. Mai, in der Nähe einer Patrouille in der Provinz Niniveh. Im Mai kamen damit bislang mindestens 21 US-Soldaten im Irak ums Leben - die höchste Zahl in einem Monat seit vergangenem September. Seit Beginn der US-Invasion im März 2003 wurden laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AP mindestens 4.303 Mitglieder der US-Streitkräfte getötet.
  • Der wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretene frühere irakische Handelsminister Falah al Sudani ist am 30. Mai festgenommen worden. Er wurde am Bagdader Flughafen aufgegriffen, als er versuchte, das Land zu verlassen, wie der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Rechtschaffenheit mitteilte. Wenige Stunden zuvor hatte die Regierung einen Haftbefehl gegen Al Sudani ausgestellt. Dem Exminister wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, während des Rationierungsprogramms im Irak verdorbene Lebensmittel verteilt zu haben. Kurz vor seinem Rücktritt hatte er vor dem Parlament Aussagen zu Korruptionsvorwürfen verweigert. Der Vorsitzende des Rechtschaffenheits-Ausschusses, Sabah al Saedi, erklärte, die beiden Brüder Al Sudanis hätten Bestechungsgelder in Höhe von mehreren Millionen Dollar eingesteckt. Einer von ihnen sitzt in Haft, nachdem er aus dem Irak flüchten wollte. Der Fall wurde landesweit bekannt, als bei YouTube ein Video auftauchte, das die beiden Brüder angeblich beim Feiern mit Alkohol zeigt. Seit Jahresbeginn hat die Bagdader Regierung bereits hunderte Haftbefehle gegen Behördenvertreter ausstellen lassen, darunter 51 in bedeutenden Positionen. Ministerpräsident Nuri al-Maliki kündigte in den vergangenen Tagen an, er werde sich für kein einziges Mitglied seiner Dawa-Partei einsetzen, dem Korruption vorgeworfen werde. Al Sudani gehört ebenfalls der Dawa an.
  • Ein irakischer Sportreporter ist bei einem Anschlag am 31. Mai in Mossul getötet worden. Vorerst unbekannte Täter hätten einen Sprengsatz am Auto des 37-Jährigen befestigt, teilte die Polizei in der nordirakischen Stadt am Sonntag mit. Die Irakische Journalistenunion verurteilte den Anschlag aufs Schärfste und rief die Regierung dazu auf, Reporter besser zu schützen. Seit Beginn des Irak-Kriegs im März 2003 sind nach einschlägigen Statistiken rund 140 Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs im Irak ums Leben gekommen.


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