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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

August 2008


Freitag, 1. August, bis Sonntag, 3. August
  • US-Präsident George W. Bush hat am 1. August in Washington angesichts der zurückgehenden Gewalt im Irak eine Verkürzung der Einsatzdauer eines jeden Soldaten um drei auf zwölf Monate angekündigt. Er warnte jedoch, dass die erreichten Erfolge auch wieder umkehrbar seien. "Wir sind weiterhin im Krieg", betonte der Präsident, "die Terroristen bleiben gefährlich."
  • Das US-Verteidigungsministerium hat den Verkauf von Waffen für 10,7 Milliarden Dollar an den Irak genehmigt. Ziel sei es, die Streitkräfte des Irak aufzurüsten, damit sie selbst für Sicherheit im Land sorgen können. Bei Anschlägen in Bagdad starben am 3. August zwölf Menschen. Die US-Armee hat nach eigenen Angaben im Irak seit Jahresbeginn 10000 Menschen aus Gefangenenlagern freigelassen - mehr als im gesamten Jahr 2007. Derzeit würden noch 21 000 Verdächtige festgehalten. Zwei US-Soldaten wurden des Mordes an einem Gefangenen beschuldigt und müssen sich vor Gericht verantworten.
Montag, 4. August, bis Sonntag, 10. August
  • Der Irak will nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums mehr als 10 Milliarden Dollar für Panzer, Hubschrauber, Flugzeuge, Munition und Raketen, sowie für Kasernenbau und Infrastruktur ausgeben, das wurde am 4. August berichtet. Am gleichen Tag (4. August) starben zwölf Menschen im nördlichen Stadtteil Adamija, als in einem belebten Geschäftsviertel ein Sprengsatz in einem geparkten Fahrzeug explodierte. 23 weitere Personen wurden verletzt. Weiter kündigte der deutsche Botschafter in Bagdad, Hans Schumacher, an, dass die deutschen Konsule in naher Zukunft in den kurdischen Autonomiegebieten noch präsenter sein werden. Unter anderem soll ein Konsulat, sowie ein Goethe-Institut in Erbil (Nordirak) errichtet werden.
  • Die Regierung im Irak könnte in diesem Jahr einen Haushaltsüberschuss von annährend 50 Milliarden Dollar erzielen. Die sprudelnden Einnahmen seien vor allem auf den ölexport zurückzuführen, teilten die Wirtschaftsprüfer des US-Kongresses am 5. August mit. Gefordert wird nun, dass die irakische Regierung die Kosten für den Wiederaufbau mehr und mehr selbst zu tragen hätte, zumal zahlreiche Projekte vom Ausland schon finanziert werden. Der demokratische Senator Carl Levin kritisierte, dass das Haushaltsvorlumen des Iraks ausreichend sei, um den Wiederaufbau zu garantieren, deshalb sei es unverzeihlich die Vereinigten Staaten weiter zu belasten.
  • "Wir haben die Möglichkeit eingebüßt, die Wahlen im Oktober abzuhalten", sagte der Verwaltungschef der Wahlkommission, Kassem el Abudi am 7. August in Bagadad. Daraus folgt, dass die Regionalwahlen im Oktober nun verschoben werden, Grund seien die zahlreichen Probleme im Gesetzgebungsverfahren, ganz ungelegen für die US-Regierung. US-Präsident Bush hätte den Wahlgang als Etappe des "Demokratisierungsprozesses" verstanden und dies als innenpolitischen Konsens im Irak gedeutet. Nach Verabschiedung des erforderlichen Wahlgesetzes seien drei Monate für die Organisation des Wahlgangs erforderlich, sagte Hamdija el Husseini von der Wahlkommission. Die Abgeordneten des Parlaments in Bagdad waren am 6. August in die Sommerpause abgereist, ohne das Gesetz über die Wahlen am 1. Oktober zu verabschieden. Widerstand gegen eine Abhaltung der Wahlen nach den bislang geplanten Regeln kommt vor allem von den Kurden im Norden des Landes.
  • Der schiitische Prediger Al-Sadr bietet die Auflösung seiner Armee an, wie zahlreiche Presseblätter am 9. August verkündeten. Voraussetzung dafür sei allerdings der sofortige Truppenabzug der US-amerikanischen Streitkräfte aus dem Irak. Fakt ist, dass die letzten US-Kampftruppen bis Oktober 2010 das Land verlassen sollen, von 2009 an, so der Plan, sollen sich die amerikanischen Soldaten aus den Städten zurückziehen. Sadrs Angebot kämit damit zum richtigen Zeitpunkt, um sich wieder in das politische Geschehen einzuschalten. Ein von dem Prediger befohlener Waffenstillstand hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Gewalt im Irak zurückgegangen war. Der Geistliche, dessen Bewegung zehn Prozent der Parlamentsabgeordneten stellt, fordert seit dem Sturz der Hussein-Diktatur den vollständigen Abzug der US-Armee, sowie die Aufhebung der vollständigen Immunität der Soldaten gegenüber irakischem Recht.
Montag, 11. August, bis Sonntag 17. August
  • Bei blutigen Anschlägen im Irak, in den Städten Bagdad, Tel Afar und Chanakin, sind am 11. August mehr als 30 Menschen gestorben, zahlreiche wurden teils schwer verletzt. Am selbigen Tag (11. August) wurde im Beisein von Ministerpräsident Nuri al-Maliki das renovierte Parlamentsgebäude eingeweiht, welches unmittelbar neben der schwer bewachten Grünen Zone, in der die irakische Regierung, die US- und britische Botschaft untergebracht sind, liegt. Nach dem US-Einmarsch im März 2003 war es geplündert worden. Danach verfiel es, um nunmehr für seine neue Nutzung renoviert zu werden.
  • Der Irak und die Volksrepublik China wollen ein ölfeld-Entwicklungsabkommen von 1997 wiederbeleben, dessen Umsetzung wegen Sanktionen und Krief auf Eis gelegen hatte. China könne demnach das ölfeld Al-Ahdab 170 Kilometer südlich von Bagdad erschließen und entwickeln, schrieb die regierungsnahe Zeitung "Al Sabah" am 11. August. Der Vertrag habe einen Wert von 1,25 Milliarden Dollar. Bis Ende August 2008 würden beide Länder ein Abkommen über seine Umsetzung unterzeichnen. Das ölfeld Al-Ahdab erlaubt nach Expertenschätzung eine Förderung von bis zu 90000 Barrel (über 14 Millionen Liter) pro Tag.
  • Die Zahl der Opfer eines Selbstmordanschlags auf schiitische Pilger südlich von Bagdad ist auf 21 gestiegen. Rund 100 Menschen wurden verletzt, als sich am 14. August ein Attentäter inmitten der Pilgergruppe in die Luft sprengte. Die Mehrzahl der Opfer waren Frauen. Derzeit sind etliche schiitische Pilger auf dem Weg nach Kerbela. Sie wollen an den Festlichkeiten aus Anlass des Geburtstags des Imam Mahdi teilnehmen, da vermutet wird, dass dieser letzte Imam in der Nachfolge des Propheten Mohammed im zehnten Jahrhundert auf wundersame Weise verschwand und dass seine Rückkehr als Messias das Nahes des jüngsten Tags markieren wird.
  • Fünf Jahre nach dem verheerenden Bombenanschlag auf ihr Büro in Bagdad kehren die Vereinten Nationen in den Irak zurück. Die Weltorganisation will durch die Unterstützung der irakischen Behörden einen Wiederaufbau und die Förderung der Privatwirtschaft mehr Arbeitsplätze schaffen, um dem Terrorismus das Wasser abzugraben. Die UN hatte nach dem Attentat am 19. August 2003 fast alle Beamten abgezogen. Die Autobombe tötete damals 22 Menschen, darunter den Sonderbeauftragten und engen Freund des UN-Generalsekretärs Kofi Annan, Sergio Vieira de Mello. Mehr als 150 Personen wurden verletzt. Der neue Vertreter der UN im Irak, der Schwede Shaffan di Mistura, sieht jetzt "die Zeit für einen Wandel gekommen. Wir senden ein Signal, dass wir zurück sind und wir sind zurück, um zu bleiben." Derzeit befinden sich run 140 UN-Beamte im Irak, die meisten davon in der relativ sicheren kurdischen Region. Experten zweifeln allerding an der Fähigkeit der irakischen Regierung, eine Aufstockung des internationalen Personals und der Investitionen in erfolgreiche Projekte umzusetzen, so Berichten zufolge am 16. August.
Montag, 18 August bis Sonntag, 24. August
  • Ein massives Aufgebot irakischer Sondertruppen hat Montagnacht (18. August) die Provinzregierung in Bakuba, 60 Kilometer nördlich von Bagdad gelegen, gestürmt. In einem vierstündigen Feuergefecht mit den Wachen erschossen die Truppen den Kabinettschef des Gouverneurs der Provinz Dijala, Raad Raschid al-Tamimi, wie aus Polizeikreisen verlautete. In parallelen Aktionen nahmen die aus Bagdad angerückten und von US-Hubschraubern unterstützen Soldaten auch den Rektor der Universität von Dijala, Nissar al-Chasradschi, und den Vorsitzenden des Sicherheitsausschusses des Provinzparlaments, Hussein al-Subeidi, fest. "Die Regierung wurde im Dunklen belassen und wusste nichts von der Operation", erklärte ein Mitarbeiter des Sicherheitsapparates. Der irakische Ministerpräsident Nur al-Maliki habe unterdessen die Bildung einer Kommission angekündigt, die den Zwischenfall untersuchen soll, dies ging aus Berichten des staatlichen irakischen Fernsehens hervor.
  • Am 20. August gingen Gerüchte herum, dass sich Washington und Bagdad über ein Sicherheitsabkommen geeinigt hätten, das die Bedingungen für den Verbleib US-amerikanischer Truppen im Irak nach Ablauf des UN-Mandats Ende 2008 regeln soll. Wenig später gab es doch wieder offene Fragen. Am 21. August sprach die ohne Vorwarnung in der irakischen Hauptstadt auftauchende USA-Außenministerin Rice ein Machtwort. Bagdad drängt auf eine klare zeitliche Begrenzung für die US-amerikanische Truppenpräsenz. Rice betonte erneut, die Zahl der Einheiten müsse auch künftig der jeweils aktuellen Sicherheitslage angepasst werden. Zu hören war beispielsweise der Plan, dass die US-Armee bis Sommer 2009 aus den irakischen Städten abrücken und sich lediglich auf Stützpunkte in anderen Landesteilen zurückziehen sollen. Auch der Umgang mit den irakischen Häftlingen und vor allem die von Washington angestrebte Immunitätsgarantie für sein Militär bleiben weiter ungeklärt. Zudem müsste das Parlament in Bagdad einem fertigen Abkommen erst noch zustimmen, was zu weiteren Verzögerungen führen wird.
  • Das Sicherheitsabkommen zwischen dem Irak und den USA sieht nach irakischen Angaben einen Abzug der US-Streitkräfte bis Ende 2011 vor. Chefunterhändler Hammud sagte der Nachrichtenagentur AFP am 22. August, dieser in den Verhandlungen vereinbarte Zeitpunkt müsse nun von den höchsten irakischen Regierungsstellen geprüft werden. Zuvor teilte das Pentagon mit, dass bis Ende Juni 2009 die Soldaten aus den Städten vollständig abkommandiert werden. Ziel sei es, die sichtbare Anwesenheit der US-Soldaten in den Städten aufzugeben und stattdessen den Schwerpunkt auf die Ausbildung der irakischen Streitkräfte an Stützpunkten zu legen.
Montag, 25. August bis Sonntag, 31. August
  • Die im Irak stationierten ausländischen Truppen sollen nach den Worten von Ministerpräsident Nuri al-Maliki bis zum Ende des Jahres 2011 abgezogen werden. Darüber sei in den Gesprächen mit den USA über einen Sicherheitspakt Einvernehmen erzielt worden, stagte Maliki in einer Rede vor Stammesführer in Bagdad am 26. August. Die USA dementierten allerdings umgehend, dass sich beide Seiten abschließend geeinigt hätten. Bisher existiere nur der Entwurf eines Abkommens, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington. Das Papier müsse im Irak noch mehrere politische Hürden nehmen. Außerdem müsse es noch von US-Präsident George W. Bush unterzeichnet werden.
  • Bei Terroranschlägen sind am 26. August im Irak mehr als 40 Menschen ums Leben gekommen. Der blutigste Anschlag galt einer Gruppe von Bewerbern für den Polizeidienst in der Provinz Dijala. Augenzeugen berichteten, ein Selbstmordattentäter sei vor der Polizeiwache der Ortschaft Dschalula nordöstlich von Bagdad aus einem Auto gesprungen und habe inmitten der Freiwilligen einen Sprengstoffgürtel gezündet. Ein weiterer Anschlag ereignete sich nur wenige Kilometer entfernt, bei dem 4 Menschen getötet wurden. Auch ein Soldat, der sich auf Patrouille befand, wurde am gleichen Tag im Norden Bagdads bei einem Schusswechsel getötet.
  • US-Soldaten haben einem Zeitungsbericht zufolge eingeräumt, im Irak vier schiitische Milizionäre nach der Gefangennahme erschossen zu haben. In eidesstattlichen Erklärungen hätten zwei Mitglieder des Heeres zugegeben, gemeinsam mit einem dritten Soldaten im Frühjahr 2007 nahe Bagdad aus Zorn über den Tod von Kameraden die Gefangenen mit Kopfschüssen hingerichtet zu haben, berichtet die New York Times am 27. August. Vorgesetzte hätten zuvor befohlen, die Iraker mangels Beweisen freizulassen. Die drei, die ihre Aussagen vor US-Militärermittlern in Schweinfurt abgegeben hätten, müssen nach Einschätzung von Rechtsexperten mit Mordanklagen rechnen. In ihren Aussagen gaben zwei Soldaten an, auf Befehl eines Ranghöheren je einen Iraker mit Pistolenschüssen getötet zu haben. Der Vorgesetzte selbst habe zwei Gefangene erschossen.


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