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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

März 2008


Samstag, 1. März, bis Sonntag, 2. März
  • Nach dem Ende der einwöchigen türkischen Bodenoffensive im Nordirak hat der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan die Kämpfer der verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zum Aufgeben aufgerufen. "Mit Terror kann nichts erreicht werden. Gebt diesen falschen Weg auf", sagte er in einer Fernsehansprache am 1. März. Damit solle noch "mehr Schmerz für Eure Mütter und Väter" verhindert werden. Bei den Gefechten wurden nach Angaben des Generalstabs mehr als 240 PKK-Kämpfer und 27 türkische Soldaten getötet. Die USA sagte der Türkei weitere Unterstützung im Kampf gegen die PKK zu. In seiner Fernsehansprache wies Erdogan zugleich den Kurden den Weg, mit legalen Mitteln für ihre Belange zu kämpfen. "Unsere Demokratie ist reif genug, alle Arten von Differenzen und alle Arten politischer Meinungen aufzunehmen, so lange sie auf legaler Grundlage stehen." Nach einem Ende der Gewalt könnten "Rechte und Lösungen" vereinbart werden, betonte Erdogan. Der türkische Ministerpräsident betonte zugleich, dass seine Regierung Terrorismus weiter "mit Entschiedenheit" bekämpfen werde. An das Nachbarland Irak gerichtet sagte Erdogan, beide Länder dürften nicht zulassen, dass die PKK "unsere Beziehungen vergiftet". Ankara und Bagdad müssten dieses Problem gemeinsam bekämpfen, unterstrich Erdogan. "Es ist klar, dass die Vereinigten Staaten, die Türkei und der Irak zusammen die PKK weiterhin als terroristische Organisation sehen, mit der umgegangen werden muss", sagte ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington. Die USA hatten den NATO-Verbündeten Türkei mehrfach aufgefordert, die Offensive so kurz wie möglich zu halten. Unterdessen bestritt der türkische Generalstabschef Yasar Büyükanit, dass Ankara seine Bodenoffensive im Nordirak auf Druck der USA beenden musste. Es habe sich um eine Entscheidung aus "rein militärischen Gründen" gehandelt, sagte Büyükanit der Zeitung "Milliyet". Die Entscheidung sei lange vor dem Eintreffen des US-Verteidigungsministers Robert Gates gefallen, der am 27. Feb. zu einem zweitägigen Besuch nach Ankara gekommen war. Am 29. Feb. hatte die türkische Armee ihre Bodenoffensive im Nachbarland beendet. Nach Berichten türkischer Medien waren zeitweise bis zu 10.000 Soldaten in den Nordirak einmarschiert. Ankara wirft der autonomen Kurdenregierung im Nordirak vor, nicht entschieden genug gegen die PKK-Rebellen vorzugehen.
  • US-Präsident George W. Bush hat es abgelehnt, einen weitergehenden Rückzug der US-Truppen aus dem Irak noch in diesem Jahr in Aussicht zu stellen. Trotz enormer Spekulationen könne er einen solchen Schritt nicht versprechen, sagte Bush auf seiner Ranch im texanischen Crawford vor Journalisten am 1. März. Prinzipiell müssten die Generäle entscheiden, ob mehr Truppen als bislang geplant abgezogen werden könnten, es sei jedoch unwahrscheinlich, dass dies vor den Provinzwahlen im Irak im Oktober passieren könne, sagte Bush. Bei ihrem Vorschlag über einen weiteren Truppenabzug sollten die Generäle bedenken, dass die Wahlen so gut und sicher durchgeführt werden sollten, dass die irakische Demokratie gestärkt daraus hervorgeht, sagte Bush. Damit wird das Thema des Abzugs der Soldaten aus dem Irak auch weiter eine große Rolle im US-Wahlkampf spielen.
  • Die US-Streitkräfte im Irak haben einen führenden Islamisten festgenommen, der Frauen für Selbstmordattentate rekrutierte und ausbildete. Darunter sei auch die Ehefrau des im Iran ausgebildeten Mannes gewesen, teilten die Streitkräfte am 1. März in Bagdad mit. Drei weitere Männer wurden ebenfalls festgenommen, der Hinweis dazu war aus irakischen Geheimdienstkreisen gekommen. Der Hauptverdächtige soll außerdem militante Islamisten im Gebrauch von Sprengstoffen für Anschläge auf Militärfahrzeuge geschult haben. Die Frauen sollten ihre Attentate mit Hilfe eines Sprengstoffgürtels begehen. Zuletzt war eine Zunahme von weiblichen Attentätern im Irak zu verzeichnen. Anfang Februar sprengten sich zwei Frauen, die in psychischer Behandlung waren, mit einem Sprengstoffgürtel auf einem belebten Markt in Bagdad in die Luft und rissen rund 100 Menschen mit in den Tod. Das Attentat wurde der Terrororganisation Al Kaida zugeschrieben. Die Zahl der getöteten US-Soldaten fiel im Februar unterdessen auf 29. Im Vormonat ließen 40 ihr Leben, im Februar 2007 waren es gar 81. Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP kamen im Februar mindestens 739 Zivilpersonen und Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte ums Leben - 129 Menschen mehr als noch im Januar. Im Februar des Vorjahres fielen 1.801 Iraker der Gewalt im Land zum Opfer. Die Zahl aller Opfer in der Zivilbevölkerung liegt vermutlich noch weit höher. Die Zählung der AP stützt sich auf Berichte der bekanntgewordenen Fälle.
  • Bei zwei Überfällen auf Busse schiitischer Reisender nordöstlich von Bagdad kamen am 1. März fünf Menschen ums Leben, elf wurden nach Polizeiangaben verletzt. Die US-Streitkräfte teilten mit, sechs Aufständische seien bei Gefechten im Nordirak getötet worden.
  • Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat bei einem historischen Besuch im lange Jahre verfeindeten Irak ein neues Kapitel freundschaftlicher Beziehungen zwischen beiden Ländern in Aussicht gestellt. Teheran und Bagdad wollten ihre Beziehungen so weit wie möglich verbessern, sagte Ahmadinedschad auf einer Pressekonferenz mit seinem irakischen Kollegen Dschalal Talabani am 2. März.
    Er ist der erste iranische Staatschef, der das Nachbarland besucht. Ein stabiler und souveräner Irak werde der gesamten Region nützen, erklärte Ahmadinedschad. Bereits am 1. März hatte er Vorwürfe zurückgewiesen, sein Land schüre die Unruhen im Irak. Teheran habe es nicht nötig, sich im Irak einzumischen, wurde er von der Nachrichtenagentur IRNA zitiert. Die USA haben Teheran wiederholt vorgeworfen, schiitische Extremisten im Irak zu unterstützen.
    Die Gespräche zwischen Washington und Teheran über den Irak hätten zu einer Verbesserung der Sicherheitslage in dem Land beigetragen, erklärte Ahmadinedschad am 2. März weiter. “Die Gespräche haben sehr dabei geholfen, die Lage im Irak zu stabilisieren“, sagte er zu irakischen Journalisten in Teheran. Vertreter des Irans und der USA haben seit Mai vergangenen Jahres in drei Gesprächsrunden die Sicherheitslage im Irak erörtert. Talabani erklärte er, habe mit Ahmadinedschad über Themen aus Wirtschaft, Politik, Sicherheit und über das Ölgeschäft gesprochen. Beide wollten mehrere Abkommen unterzeichnen. Der zwischen beiden Ländern umstrittene Wasserweg Schatt el Arab sei jedoch nicht zur Sprache gekommen. Ahmadinedschad traf außerdem mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki zusammen. Er sollte nach Angaben des iranischen Außenministers Hoschjar Sebari am morgen des 3. März wieder abreisen. Die Teheraner Regierung stellte dem Irak auch eine Milliarde Dollar an Krediten für Infrastrukturprojekte bereit. Der Kredit sei eines der Hauptthemen bei seinen Gesprächen mit irakischen Regierungsvertretern in Bagdad gewesen und stehe für Projekte bereit, die von iranischen Firmen mit iranischer Ausrüstung ausgeführt würden, sagte der stellvertretende Außenminister Ali Resa Scheich Attar laut IRNA am späten abend des 29. Februars.
    Der Irak und der Iran sind seit Jahrzehnten verfeindet und kämpften noch vor zwanzig Jahren einen blutigen Krieg gegeneinander. Der sogenannte erste Golfkrieg dauerte von 1980 bis 1988 und kostete Schätzungen zufolge eine Million Menschen das Leben.
  • Mit einer von einem Hubschrauber abgefeuerten Lenkrakete haben die US-Streitkräfte nach eigenen Angaben einen Kommandeur der Terrororganisation Al Kaida im Irak und dessen Begleiter getötet. Dschar Allah, der auch als Abu Jasir al Saudi bekannt war, sei unter anderem für einen Anschlag verantwortlich gewesen, bei dem fünf US-Soldaten getötet wurden, erklärte am 2. März US-Konteradmiral Gregory Smith. Der Raketenangriff ereignete sich am 27. Februar in Mossul. Die Stadt gilt als Zentrum der Al-Kaida- Aktivitäten im Irak. Seit Jahresbeginn wurden nach US-Angaben 142 Mitglieder der Al Kaida im Irak getötet oder gefangen genommen.
Montag, 3. März, bis Sonntag, 9. März
  • Beim Absturz eines Militärhubschraubers im Nordirak sind alle acht Insassen ums Leben gekommen. Unter den Opfern war ein US-Soldat, wie die Streitkräfte am 4. März mitteilten. Der Helikopter wurde am 3. März vermisst gemeldet und nach Angaben des irakischen Verteidigungsministeriums am 4.März südlich der Stadt Beidschi entdeckt. Die Maschine sei in schlechtes Wetter geraten, erklärte das Ministerium. Nach irakischen Angaben waren unter den Toten außerdem sechs Einheimische.
  • Die US-Truppen im Irak haben sich am 5.März zur Aushändigung des zum Tode verurteilten Ali Hassan al-Madschid - bekannt als «Chemie-Ali» - an die irakische Justiz bereiterklärt. Der wegen der Giftgasangriffe auf kurdische Dörfer berüchtigte Cousin von Saddam Hussein soll gehängt werden. Das Sondertribunal für die Verbrechen des Saddam-Regimes hatte Al-Madschid 2007 wegen seiner Beteiligung an der sogenannten Anfal-Kampagne gegen die Kurden 1987 und 1988 zum Tode durch den Strang verurteilt.
  • Bei einem Doppelanschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind mindestens 54 Menschen getötet worden. Mindestens weitere 123 Menschen seien verletzt worden, teilte das irakische Innenministerium am 6.März mit. Zunächst sei eine Bombe auf einer Hauptstraße im zentral gelegenen Geschäftsviertel Karrada explodiert. Als sich dann zahlreiche Menschen am Explosionsort versammelten, um den Opfern zu helfen, habe sich ein Selbstmordattentäter inmitten der Menge in die Luft gesprengt. Unter den Toten waren mehrere Frauen und Kinder. Es handelt sich um den schwersten Anschlag im Irak seit dem 1. Februar, als bei einem Doppelanschlag in Bagdad fast 100 Menschen starben. Damals waren zwei geistig behinderte Frauen mit Sprengstoffwesten ausgestattet worden. Ein weiterer schwerer Anschlag ereignete sich Ende Februar, als bei einem Selbstmordanschlag 48 schiitische Pilger auf dem Weg nach Kerbala starben.
    Nach einem kontinuierlichen Rückgang in den letzten Monaten hatte sich die Zahl der Gewalttaten im Irak zuletzt wieder erhöht. Laut einem Anfang März veröffentlichten Bericht der irakischen Regierung stieg die Zahl der Gewaltopfer im Februar erstmals seit sechs Monaten wieder an. Demnach kamen im vergangenen Monat mindestens 721 Iraker gewaltsam ums Leben, ein Drittel mehr als im Januar. Unter den Getöteten waren demnach 636 Zivilisten.
  • Die Zahl der Toten bei dem heimtückischen Bombenanschlag in einem Bagdader Geschäftsviertel ist nach Angaben irakischer Behörden auf 68 gestiegen. Rund 120 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Zahlreiche Opfer seien in der Nacht zum 7. März ihren Verletzungen erlegen, erklärten Polizei und Krankenhausmitarbeiter. In dem schiitischen Viertel Karradah fanden am 7.März bereits zahlreiche Bestattungen statt. Zunächst bekannte sich keine Gruppe zu dem Anschlag, die Methode wurde zuvor aber zumeist von Al Kaida im Irak benutzt: Eine erste Explosion bringt die Menschen dazu, zusammenzulaufen, dann sprengt sich ein Selbstmordattentäter in der Menge in die Luft, um möglichst viele Menschen zu töten. Als die erste Bombe am Abend des 6. März unter einem Verkaufsstand explodierte, waren viele Jugendliche auf dem Platz, die den lauen Frühlingsabend nutzten. Wenige Minuten später sprengte sich ein Attentäter mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft.
  • Der irakische Ministerpräsident Nuri el Maliki hat den Doppelanschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad als "barbarisches Verbrechen gegen Zivilisten" verurteilt. Er habe den Sicherheitskräften befohlen, die verantwortlichen "Kriminellen" zu verfolgen und festzunehmen, hieß es in einer Erklärung am 7.März. Bei dem Attentat am 6. März kamen mindestens 68 Menschen ums Leben, mehr als 120 weitere wurden verletzt. Ein Mitarbeiter des Innenministeriums brachte das Terrornetzwerk El Kaida mit der Tat in Zusammenhang. Rund drei Millionen Schiiten pilgerten anlässlich des Todestags des Propheten Mohammed in die irakische Stadt Nadschaf. Angestellte der Stadt räumten Trümmer von der Hauptstraße im zentral gelegenen Geschäftsviertel Karrada. Die Mehrzahl der Schaufenster anliegender Geschäfte wurde zerstört, als dort eine Bombe explodierte. Als sich dann zahlreiche Menschen am Explosionsort versammelten, um den Opfern zu helfen, sprengte sich ein Selbstmordattentäter inmitten der Menge in die Luft, wie das irakische Innenministerium erklärte. "Diese Vorgehensweise bei dem Anschlag entspricht den üblichen Praktiken von El Kaida", erklärte der Ministeriumsmitarbeiter, der nicht genannt werden wollte. Bei den meisten Opfern handele es sich um Mitglieder der Ordnungs- und Sicherheitskräfte. Zudem seien Frauen und Kinder unter den Toten und Verletzten. Der betroffene Stadtteil wird mehrheitlich von Schiiten und Christen bewohnt.
  • In Mossul im Nordirak starben vier Polizisten bei einem Selbstmordanschlag. 17 weitere wurden verletzt, als der Attentäter sein Auto gegen einen Polizeiposten im Stadtzentrum steuerte, wie die Polizei am 7. März mitteilte. Für den Ort südlich von Bagdad seien aus Angst vor Anschlägen strikte Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, sagte Ahmed Dweiba, Sprecher der Provinz Nadschaf. 35.000 Sicherheitskräfte seien vor Ort und hätten Straßensperren um die für Schiiten heilige Stadt errichtet.
  • Der irakische Präsident Dschalal Talabani hat in der Türkei für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern geworben. Eine Woche nach dem Ende der türkischen Bodenoffensive gegen PKK-Rebellen im Nordirak sagte Talabani am 7. März nach einem Treffen mit dem türkischen Staatschef Abdullah Gül, sein Besuch ziele auf "strategische und solide" Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Die Zusammenarbeit solle im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Bereich sowie auf dem Energiesektor verstärkt werden. Eine Kooperation zwischen dem Irak und der Türkei könne in der Region als Beispiel dienen, sagte Talabani. Der Besuch in Ankara ist Talabanis erste Reise als Staatschef in die Türkei. Der türkische Präsident Abdullah Gül hatte Talabani, einen Kurden, kurz nach dem Beginn der Bodenoffensive eingeladen. Die türkischen Militärschläge auf irakischem Territorium sollten bei dem Treffen der beiden Staatsoberhäupter zur Sprache kommen. Die bilateralen Beziehungen sind wegen des Kurdenkonflikts sehr angespannt. Die Türkei wirft den irakischen Kurden vor, Kämpfer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterstützen. Diese griffen demnach in den vergangenen Jahren immer wieder vom Nordirak aus Ziele in der Türkei an. Da der Irak selbst Ziel von Terroristen sei, sei das Land in der Lage, den Kampf der Türkei gegen die PKK zu verstehen, sagte Gül. Talabani betonte, die irakische Regierung werde keine bewaffneten Gruppen erlauben, die von irakischem Boden aus Nachbarstaaten angriffen.
  • Tausende Menschen haben am 8. März in Basra gegen die schlechte Sicherheitslage in der südirakischen Stadt protestiert. Die Demonstranten trugen dabei Bilder der Opfer der jüngsten Gewalttaten. Die irakischen Sicherheitskräfte hatten im Dezember von den Briten die Verantwortung für die zweitgrößte Stadt des Landes übernommen. Schiitische Gruppen kämpfen hier um die Vorherrschaft. Die Einwohner klagen, seit dem Abzug der Briten hätten Morde, Entführungen und andere Verbrechen zugenommen. Auch in anderen Teilen des Iraks hält die Gewalt an. In der nordöstlich von Bagdad gelegenen Provinz Dijala wurden bei zwei Bombenexplosionen sechs Menschen getötet. In der gleichen Provinz wurde bei Kämpfen auch wieder ein US-Soldat getötet. Wie die US-Streitkräfte mitteilten, wurde er bei Kämpfen am 7.März so schwer verwundet, dass er später seinen Verletzungen erlag. Im Irak sind seit Beginn der US-Invasion im März 2003 mindestens 3.975 Angehörige der US-Streitkräfte getötet worden. Die USA und der Irak wollten am Samstag Verhandlungen über ihre langfristigen Beziehungen aufnehmen. Es gehe auch darum, eine rechtliche Grundlage für die Präsenz der US-Truppen in dem Land zu schaffen, erklärte das US-Verteidigungsministerium am Freitag. Die amerikanische Delegation wird von US-Botschafter Ryan Crocker angeführt. Außerdem gehören ihr ranghohe Vertreter des Pentagons, des Außenministeriums und des Nationalen Sicherheitsrates der USA an.
    Mögliche Probleme könnten bei den Verhandlungen daraus entstehen, dass die USA auf das Recht beharren, im Irak weiter Terroristen verfolgen zu dürfen. Pentagon-Pressesprecher Geoff Morrell erklärte, die USA erwarteten lange Verhandlungen, die aber im Dezember abgeschlossen sein sollten, wenn das Mandat des UN-Sicherheitsrats abläuft, das die Anwesenheit der US- und anderer Truppen im Irak regelt.
    Kritik gibt es im US-Kongress an den Verhandlungen. Dies bezieht sich vor allem darauf, dass die Regierung der Ansicht ist, dass das Abkommen nicht vom Kongress gebilligt werden müsse. Dahinter steht die Sorge, dass sich die USA in dem Abkommen zu einem bestimmten Truppenniveau im Irak verpflichten könnten.
  • In der nordirakischen Stadt Erbil wurde am 8. März eine französische Journalistin niedergestochen. Sie wurde leicht verletzt, wie Polizei mitteilte. Die Hintergründe der Tat waren unklar. Erbil liegt im vorwiegend von Kurden bewohnten Teil des Iraks und gilt als eine der sichersten Regionen im Irak.
  • Irakische Sicherheitskräfte haben in der Provinz Dijala ein Massengrab mit etwa 100 Leichen entdeckt. Die Toten seien nach ersten Untersuchungen dort schon vor langer Zeit begraben worden, teilten die Streitkräfte am 8. März mit. Das Massengrab befindet sich den Angaben zufolge in der Nähe der schiitischen Stadt Chalis, rund 80 Kilometer nördlich von Bagdad.
Montag, 10. März, bis Sonntag, 16. März
  • Ein Selbstmordattentäter hat in Bagdad am 10. März fünf US-Soldaten mit sich in den Tod gerissen. Nach Angaben der US-Armee und von Augenzeugen zündete der elegant gekleidete Attentäter einen Sprengstoffgürtel, nachdem die Soldaten ihren Militärkonvoi verlassen hatten, um im Stadtteil Mansur einkaufen zu gehen. Zwei Passanten wurden ebenfalls getötet, knapp 20 Menschen erlitten Verletzungen, darunter drei weitere US-Soldaten sowie ihr irakischer Übersetzer. Nach dem Anschlag sperrten irakische und US-Sicherheitskräfte das Gebiet weiträumig ab. Dieser muss die Gewohnheiten seiner Opfer offenbar gut gekannt haben. Ein irakischer Polizist berichtete, dass die US-Soldaten fast täglich nach Mansur kämen, um einkaufen zu gehen oder Eis zu essen. Erst am 6.März waren bei einem Doppelanschlag im Zentrum der irakischen Hauptstadt mindestens 68 Menschen umgekommen. Die US-Streitkräfte machten den irakischen El-Kaida-Ableger für den Anschlag verantwortlich. US-Kommandeur John Kelly warnte am 10.März davor, das Terrornetzwerk könne seine Taktik im Irak ändern und zu spektakulären Anschlägen übergehen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. "Wir haben Hinweise, nach denen sie großangelegte Ereignisse planen könnten, die die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen", sagte der General aus dem Westirak in einer Telefonkonferenz. Bislang hatte El Kaida vor allem Selbstmord- und Autobombenanschläge verübt.
    Im Zentrum der Kurden-Stadt Suleimanija sprengte sich unterdessen ein Attentäter mit seinem Wagen vor dem größten Hotel, dem Palace, in die Luft. Dabei wurde ein Mensch getötet, 13 weitere wurden verletzt. Suleimanija, rund 300 Kilometer nördlich von Bagdad, ist die zweitgrößte Stadt der autonomen Kurden-Region. Anschläge sind dort selten.
  • Eine Selbstmordattentäterin hat am 10. März nordöstlich von Bagdad vier Menschen mit in den Tod gerissen. Unter den Opfern war ein fünf Jahre altes Mädchen. Der Anschlag richtete sich offenbar gegen Scheik Thaeir Ghadhban al Karkhi, der mit einer Gruppe Sunniten gegen die Al Kaida kämpfte, wie sein Bruder erklärte. Die Attentäterin zündete ihren Sprengstoffgürtel im Haus von Al Karkhi in Kanaan, 20 Kilometer östlich von Bakuba.
  • Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, erhält nach eigenen Angaben von den USA keinen Zugang zu US-Gefängnissen im Irak. Die irakischen Behörden hätten einem Besuch zugestimmt, und auch von britischer Seite habe er die Erlaubnis erhalten, mit Gefangenen zu sprechen, sagte Nowak am 11. März vor Journalisten in Genf. “Die USA haben Nein gesagt“, erklärte Nowak. Dabei sei sein Besuch durchaus im Interesse Washingtons: Er habe glaubwürdige Berichte erhalten, dass sich die Haftbedingungen in den von den USA betriebenen Gefängnissen seit dem Skandal von Abu Ghraib verbessert hätten. Viele Häftlinge zögen US-Gefängnisse offenbar inzwischen den irakischen vor. Nowak ist in der Vergangenheit mit Washington wegen des Gefangenenlagers in Guantanamo auf Kuba und der Anwendung bestimmter Verhörmethoden bei Terrorverdächtigen aneinander geraten.
  • Irakische Stammesführer, ehemalige Politiker und Intellektuelle haben die Vereinten Nationen zu einem deutlich stärkeren Engagement in ihrem Land aufgerufen. Die UN müssten die Kontrolle im Irak übernehmen, erklärte die Gruppe in einem Schreiben an Generalsekretär Ban Ki Moon, das am 12. März dem UN-Büro in Kairo übergeben wurde. Der Irak müsse eine Zeit lang “unter die Aufsicht der Vereinten Nationen“ gestellt werden. Nach einem Anschlag im August 2003 haben die UN ihr Engagement im Irak stark zurückgefahren. Die Vereinten Nationen sollten zudem einen neuen Sicherheitsplan für den Irak beaufsichtigen, heißt es in dem Schreiben. Das Land könne allein durch Engagement der internationalen Gemeinschaft, vertreten durch die Vereinten Nationen, “vor einer dunklen, aber nicht unvermeidlichen Zukunft“ gerettet werden. Dann könnten auch die US-Truppen aus dem Irak abgezogen werden. “Es gibt keine andere Möglichkeit, alle anderen Lösungen sind gescheitert, und es ist an der Zeit, dass die Vereinten Nationen ihre Verantwortung schultern“, sagte einer der Unterzeichner, der frühere Politiker Ahmed al Habubi. Ihre Bitte werde von Dutzenden irakischen Würdenträgern unterstützt, erklärte die Gruppe. Die US-Regierung und die Regierung in Bagdad dürfte der Petition allerdings ablehnend gegenüberstehen.
  • Der britische Verteidigungsminister Des Browne ist am 12. März zu einem nicht angekündigten Besuch im Irak eingetroffen. Dies bestätigte das Ministerium in London, ohne nähere Einzelheiten zu nennen. Am 11.März hatte die britische Regierung erklärt, dass sich die Kosten für die Konflikte im Irak und Afghanistan im vergangenen Jahr auf mehr als drei Milliarden Pfund (4 Milliarden Euro) fast verdoppelt haben. Darüber hinaus verlautete aus Verteidigungskreisen, dass der geplante Abzug britischer Soldaten aus dem Irak langsamer als zunächst angekündigt vonstatten gehen könne.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad sind 18 Menschen getötet und 64 weitere verletzt worden. Nach Angaben der Rettungsdienste am 13. März sprengte sich der Attentäter im Zentrum der irakischen Hauptstadt mit seinem Fahrzeug in die Luft. Der Ende Februar im Irak entführte Erzbischof von Mossul, Faradsch Rahu, wurde unterdessen nach Angaben der katholischen Kirche tot aufgefunden. Es bestand der Verdacht, dass ein zweiter Täter in Bagdad kurz vor der Explosion mit seinem Sprengstoffgürtel aus dem Fahrzeug gesprungen und zu Fuß geflüchtet sei, teilten Rettungskräfte weiter mit. Die Sicherheitskräfte nahmen die Fahndung auf.
    Wie der Weihbischof von Bagdad, Schlemon Warduni, dem Informationsdienst der katholischen Kirche Italiens sagte, wurde die Leiche des Erzbischofs von Mossul unweit von Mossul entdeckt. Unklar ist, ob Rahu von den Entführern getötet wurde oder an einer Krankheit starb. Die Entführer hätten die Leiche Rahus in der Nähe von Mossul begraben, sagte Warduni. Demnach teilten die Geiselnehmer dem Weihbischof von Bagdad am 12. März zunächst mit, dass Rahu sehr krank sei - später dann, dass der Geistliche tot sei. Am Donnerstag gaben die Entführer telefonisch Hinweise darauf, wo Rahu begraben worden sei. Rahu war Ende Februar nach einer Schießerei in Mossul von bewaffneten Männern verschleppt worden. Der Geistliche war Bischof der traditionsreichen chaldäisch-katholischen Gemeinde von Mossul im Norden des Irak. Die Chaldäer sind die größte christliche Gemeinschaft im Irak. Vor Rahu waren bereits zahlreiche christliche Würdenträger im Irak entführt worden. Im Juni vergangenen Jahres wurden der chaldäisch-katholische Priester Raghid Ganni und drei seiner Diakone. nach einer Messe in Mossul ermordet. Papst Benedikt XVI. sei von dem Tod des Geistlichen "berührt und tief getroffen", teilte der Vatikan mit. Der Tod Rahus habe das Kirchenoberhaupt "berührt und tief getroffen". Die Christen im Irak werden immer häufiger von radikalen Gruppen verfolgt und sind Opfer ethnisch motivierter Vertreibungen. Ihre Zahl soll nach Schätzungen bereits um die Hälfte gesunken sein, weil viele ins Ausland flüchten. Vor dem US-geführten Einmarsch im März 2003 gab es rund 800.000 Christen im Irak.
  • Bei einer Protestaktion gegen den Irak-Krieg sind am 12. März im US-Senat zehn Demonstranten verhaftet worden. Während einer Debatte über den Bundeshaushalt riefen die Kriegsgegner von der Besuchertribüne aus: «Der Krieg ist unmoralisch! Stoppt die Kriegsfinanzierung!» Einer der Demonstranten sagte, die Teilnehmer an der Aktion gehörten zur Nationalen Kampagne für Gewaltfreien Widerstand.
  • Das US-Verteidigungsministerium hat in einer ausführlichen internen Untersuchung keinerlei Belege für Verbindungen zwischen dem früheren irakischen Machthaber Saddam Hussein und dem Terrornetzwerk El Kaida gefunden. Es sei "kein direkter Zusammenhang zwischen Saddam Husseins Irak und El Kaida gefunden worden", heißt es laut US-Medienberichten im Resümee der Studie am 13. März. Der Befund der Pentagon-Analysten entkräftet eines der Hauptargumente der Regierung von US-Präsident George W. Bush für die Irak-Invasion vor fast genau fünf Jahren. Den Angaben zufolge wurden mehr als 600.000 Seiten irakischen Aktenmaterials und Protokolle der mehrere tausend Stunden langen Vernehmungen von irakischen Ex-Amtsträgern ausgewertet. Das Pentagon lehnte es zunächst ab, die Unterlagen sofort der Presse zugänglich zu machen.
    Im Einleitungskapitel der Studie, das der US-Sender ABC auf seiner Webseite veröffentlichte, heißt es, dass die damalige Bagdader Regierung zwar durchaus den internationalen Terrorismus förderte - etwa durch Unterstützung radikaler palästinensischer Gruppen. Eine Verbindung zur El Kaida, die für die Anschläge vom 11. September verantwortlich gemacht wird, gebe es aber nicht. Der Irak unter Saddam Hussein habe sich zwar des "Staatsterrorismus" schuldig gemacht - "die vornehmlichen Opfer waren aber irakische Bürger", heißt es in dem Bericht. Dem Sender ABC zufolge war der Bericht des Pentagons zunächst zur Veröffentlichung bestimmt. Dieser Plan sei dann aber verworfen worden. Das Ministerium bot Journalisten an, ihnen eine Kopie auf dem Postweg zukommen zu lassen. Eine persönliche Übergabe oder Übermittlung per Email lehnte es entgegen sonstiger Gepflogenheiten ab. Am 20. März jährt sich die US-Invasion im Irak zum fünften Mal.
    Bush hatte den Krieg unter anderem mit Verbindungen von Saddam Hussein zum internationalen Terrorismus begründet. Auch die vom US-Kongress eingesetzte Untersuchungskommission zu Vorgeschichte und Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001 hatte das Argument bereits verworfen, sie hatte allerdings weitaus weniger Zugang zu irakischem Beweismaterial als die Pentagon-Kommission.
  • US-Soldaten haben im Irak ein junges Mädchen erschossen. Zuvor hatten sie einen Warnschuss auf eine Frau abgegeben, die einer Straße, an der zuletzt mehrere Bomben gefunden wurden, “anscheinend jemandem Signale gegeben“, teilte ein US-Militärsprecher am frühen Morgen des 13. März mit. Der Vorfall ereignete sich am Nachmittag des 12. März in der Provinz Dijala nördlich von Bagdad. In jüngster Zeit wurde im Irak beobachtet, dass immer mehr Frauen für Selbstmordattentate rekrutiert wurden. Die Soldaten hätten zwar nicht geglaubt, dass die Frau selbst eine Attentäterin sei, wohl aber, dass sie Signale über den US-Konvoi an jemanden weitergegeben habe. Der Warnschuss sei in einer Straßenböschung eingeschlagen. Hinter der Böschung sei dann ein Mädchen mit einer Schussverletzung gefunden worden, erklärte der Militärsprecher weiter. Das Kind sei auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Der Vorfall werde untersucht.
Montag, 17. März, bis Sonntag, 23. März
  • Eine Selbstmordattentäterin hat in der irakischen Stadt Kerbela am 17. März mindestens 42 Menschen mit in den Tod gerissen. Mehr als 70 Personen wurden nach Polizeiangaben verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen schiitische Gläubige, die sich etwa einen Kilometer vom Imam-Hussein-Schrein versammelt hatten. Unterdessen besuchte US-Vizepräsident Dick Cheney überraschend den Irak und warnte vor einem übereilten Abzug der amerikanischen Truppen. Ein solcher Schritt würde die jüngsten Fortschritte gefährden, sagte Cheney auf einer Pressekonferenz mit US-Botschafter Ryan Crocker und dem Oberbefehlshaber der US-Truppen im Irak, General David Petraeus. Kurz vor dem fünften Jahrestag des Irak-Kriegs sagte Cheney, die Iraker befänden sich auf einem “schwierigen, aber historischen Weg zur Demokratie“. Die Verbesserung der Sicherheitslage seien auf die von US-Präsident George W. Bush angeordnete Verstärkung der Truppen zurückzuführen. Cheney traf zunächst mit US-Kommandeuren und dann mit irakischen Regierungsmitgliedern zusammen, darunter eine Stunde lang mit Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Kurz zuvor sprach auch der designierte republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain mit Al-Maliki. Er betonte, es sei wichtig, das US-Engagement im Irak aufrechtzuerhalten. Al Kaida sei auf der Flucht, aber noch nicht besiegt, sagte der Senator nach dem Treffen mit dem Regierungschef. Er traf am 16. März in Bagdad ein.
    Während des Transports Cheneys per Hubschrauber in die Grüne Zone waren in der Hauptstadt mehrere Explosionen zu hören - ein deutlicher Hinweis, dass die Gewalt im Land immer noch nicht gebannt ist. Der Besuch Cheneys war sein dritter im Irak. Anschließend wird er auch in Oman, Saudi-Arabien, Israel, im palästinensischen Autonomiegebiet sowie in der Türkei erwartet.
  • Die US-Streitkräfte gaben den Tod von zwei amerikanischen Soldaten bekannt. Die beiden seien am 17. März bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe ums Leben gekommen.
  • Fünf Jahre nach Beginn des Irak-Kriegs herrscht in dem Land nach Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) eine desolate humanitäre Lage. Viele Iraker hätten keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung, sanitären Einrichtungen und sauberem Wasser, hieß es in einem am 17. März veröffentlichten Bericht. In irakischen Krankenhäusern fehlen demnach qualifiziertes Personal, wichtige Medikamente und tausende Betten.
  • Fünf Jahre nach dem Einmarsch der US-Truppen wollen trotz der verbesserten Sicherheitslage immer noch vier Millionen Iraker ihr Land verlassen. Das geht aus einer am 17. März veröffentlichten Umfrage hervor, die von der ARD zusammen mit vier britischen und amerikanischen TV-Sendern in Auftrag gegeben worden war. Danach haben 18 Prozent der Iraker sogar schon konkrete Auswanderungspläne. Mehr als zwei Millionen Iraker sind seit Kriegsbeginn bereits geflohen. Die meisten von ihnen leben heute in den Nachbarländern Jordanien und Syrien. Unterdessen traf US-Vizepräsident Dick Cheney zu einem vorab nicht angekündigten Besuch im Irak ein. Er und der republikanische US-Präsidentschaftskandidat John McCain, der bereits am 16.März in Bagdad gelandet war, trafen unabhängig voneinander mehrere US- Generäle sowie Mitglieder der irakischen Regierung zu Gesprächen über Sicherheitsfragen und die jüngsten innenpolitischen Entwicklungen.
    Die meisten Iraker beurteilen die Sicherheit in ihrem Wohnbezirk heute laut der Umfrage wesentlich positiver als noch vor einem Jahr. Dies wertet allerdings die überwiegende Mehrheit als Verdienst der irakischen Sicherheitskräfte und der neuen lokalen Bürgerwehren, nicht als Erfolg der US-Truppen. Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist die Lage der Iraker heute keineswegs besser als vor dem Sturz des Saddam-Regimes. “Saddam Husseins Regime war ein Synonym für die Verletzung von Menschenrechten“, sagte Malcolm Smart, Amnesty- Abteilungsleiter für den Nahost, “aber sein Sturz hat den Irakern keinerlei Erleichterung gebracht.“ Der Amnesty-Bericht zum 5. Jahrestag des Beginns der US-geführten Invasion in der Nacht vom 19. auf den 20. März 2003 hat den Titel “Gemetzel und Hoffnungslosigkeit“. Er berichtet von Massakern durch bewaffnete Gruppierungen, Folter durch die Sicherheitskräfte und fortgesetzter Inhaftierung durch die amerikanischen und irakischen Truppen. “Die verbesserte Sicherheitslage in einigen Teilen des Iraks darf nicht davon ablenken, dass Millionen von Menschen weiterhin in einer Notlage leben und sich praktisch völlig selbst überlassen sind“, hieß es zudem in einem in Genf veröffentlichten Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Seit 2003 sollen mehr als 2200 Ärzte und Krankenschwestern getötet und mehr als 250 Mediziner entführt worden sein. Von den 1990 registrierten 34 000 Ärzten hätten mindestens 20 000 das Land verlassen. Bei neuer Gewalt starben am 16. März sechs Menschen im Irak.
  • Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat am 18. März in Bagdad eine Versöhnungskonferenz mit mehreren hundert Teilnehmern eröffnet. Bei der zweitägigen Veranstaltung sollen Stammesführer und Gruppierungen, die außerhalb der Regierung stehen, für den politischen Prozess gewonnen werden. Die irakische Polizei gab unterdessen die Festnahme von sechs Verdächtigen bekannt, die den Anschlag vom Vortag in der schiitischen Pilgerstadt Kerbela geplant haben sollen. Ein Polizeisprecher sagte am 18. März, die Explosion, durch die 42 Menschen ums Leben gekommen waren, sei nicht - wie zunächst berichtet - von einer Selbstmordattentäterin ausgelöst worden. Vielmehr hätten die Täter eine in der Stadt selbst zusammengebaute Bombe detonieren lassen. Nach Angaben der Sicherheitskräfte wurden durch die Explosion auch 73 Menschen verletzt. Unter den Opfern waren auch zahlreiche Pilger aus dem Iran.
  • Die Nachrichtenagentur Aswat al-Irak meldete, in der Nacht zum 18. März seien im Nordosten der Hauptstadt Bagdad durch einen Mörserangriff auf ein Wohnhaus sechs Kinder getötet worden. Zwei Zivilisten seien in der Nähe eines Marktes im Al-Schaab- Viertel von einer Bombe getötet worden.
  • Begleitet von Misstönen hat am 18. März in Bagdad eine von der irakischen Regierung organisierte nationale Versöhnungskonferenz begonnen. Die Anhänger des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr verließen unter Protest den Saal, in dem sich rund 500 Delegierte versammelt hatten. Die Regierung habe sie bewusst erst in letzter Minute eingeladen, damit die Sadr-Bewegung keinen Einfluss mehr auf die Tagesordnung habe nehmen können, sagte ein Angehöriger der Partei. Die größte Fraktion der Sunniten im Parlament, die Irakische Konsensfront, boykottierte das Treffen aus ähnlichen Gründen. Parlamentspräsident Mahmud al-Maschhadani erklärte, wer die Konferenz boykottiere und stattdessen an Irak-Konferenzen im Ausland teilnehme, sei auf dem falschen Weg. “Wir müssen unser Öl exportieren, nicht unsere Probleme“, sagte er. In der jordanischen Hauptstadt Amman fand parallel zu dem Versöhnungstreffen eine Regionalkonferenz über die Lage der irakischen Flüchtlinge statt.
    Bei der zweitägigen Veranstaltung in Bagdad sollten Stammesführer und Gruppierungen, die außerhalb der Regierung stehen, für den politischen Prozess gewonnen werden. Al-Maliki sagte in seiner Eröffnungsrede, man wolle denjenigen unter den ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei von Ex-Präsident Saddam Hussein, die keine Verbrechen begangen hätten, eine Brücke bauen. Dies bedeute aber nicht, dass man bereit sei „für eine Rückkehr zur Diktatur“.
  • In Erbil, der Hauptstadt des nordirakischen Autonomiegebietes der Kurden, traf am 18. März US-Vizepräsident Dick Cheney ein, der am Vortag Bagdad besucht hatte. Cheney erklärte nach einem Treffen mit Massud Barsani, er setze bei den Verhandlungen über einen amerikanisch-irakischen Freundschaftsvertrag in den kommenden Monaten auf den Kurdenpräsidenten. Er lud ihn zu einem Besuch in den USA ein. Cheneys Gespräche in Erbil drehten sich dem Vernehmen nach auch um die Aktivitäten der Kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihres iranischen Ablegers PJAK im Nordirak.
  • Fünf Jahre nach Beginn des Irak-Kriegs sieht US-Präsident George W. Bush keinen Anlass für eine Kurskorrektur. In einer von Siegeszuversicht und Durchhaltewillen geprägten Rede zum Jahrestag des Einmarsches verteidigte Bush am 19. März seine Irak-Politik: "Der Sturz Saddam Husseins war die richtige Entscheidung - und dies ist ein Kampf, den Amerika gewinnen kann und muss." Bekräftigt sah sich der Präsident durch die Stabilisierung, welche die Aufstockung der US-Truppen im vergangenen Jahr im Irak gebracht habe. Ohne diesen Schritt hätte die Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten im Irak "die Ausmaße eines Völkermords erreichen können", sagte Bush. Der Präsident räumte ein, dass der Krieg mit "hohen Kosten an Menschenleben und Kosten" verbunden sei. Es sei "verständlich, dass darüber debattiert wird, ob dieser Krieg die Anstrengung wert gewesen ist". Ohne ausdrücklich auf den gegenwärtigen Wahlkampf einzugehen, warnte Bush den nächsten Amtsinhaber im Weißen Haus vor einer raschen Beendigung des Einsatzes. Dies würde ein Vakuum schaffen, "in dem Terroristen und Extremisten Unterschlupf finden und zur Verbreitung von Chaos und Gewalt nutzen könnten", sagte Bush. "Der Irak würde im Chaos versinken." Radikalislamische Terroristen würden dadurch gestärkt werden und die USA mit neuen Angriffen bedrohen.Die Truppenaufstockung habe "die Tür für einen großen strategischen Sieg im weiteren Kampf gegen den Terror geöffnet", sagte Bush. Der Irak sei zu einem Land geworden, in dem arabische und US-Streitkräfte gemeinsam gegen El Kaida kämpften. Der Irak-Einsatz der USA hatte in der Nacht vom 19. zum 20. März 2003 mit Luftangriffen auf Bagdad begonnen. Seitdem sind fast 4000 US-Soldaten und zehntausende Iraker gestorben. Umfragen zufolge lehnt eine Mehrheit der US-Bürger den Einsatz inzwischen ab.
  • In der südlichen Hafenstadt Basra sind innerhalb eines Tages 17 Angehörige der irakischen Grenztruppen getötet worden. Ein Sprecher der Sicherheitskräfte sagte am 19. März, die Leichen der Grenzpolizisten seien - fast auf den Tag genau fünf Jahre nach Beginn des Irakkrieges - in verschiedenen Vierteln der Stadt gefunden worden. Ein Vertrauter des geistlichen Oberhauptes der Schiiten im Irak, des Großajatollahs Ali al-Sistani, wurde in Basra von Attentätern schwer verletzt.
  • In einer neuen Botschaft hat der Chef des Terrornetzwerks El Kaida, Osama bin Laden, die Muslime zur Unterstützung der Aufständischen im Irak aufgerufen. "Das nächstgelegene Schlachtfeld des Dschihad, um unser Volk in Palästina zu unterstützen, ist das Schlachtfeld im Irak", heißt es in dem Band, das der arabische Fernsehsender El Dschasira ausstrahlte. Zuvor hatte bin Laden Europa wegen der in dänischen Zeitungen veröffentlichten Mohammed-Karikaturen mit Vergeltung gedroht. Europa müsse sich auf eine "Abrechnung" gefasst machen. In der neuesten Botschaft warf bin Laden den arabischen Führern vor, sie billigten die israelischen Angriffe auf den von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gazastreifen. Zur Echtheit der Botschaft gab es zunächst keine unabhängigen Angaben. Am 19. März war im Internet eine Tonbotschaft Bin Ladens aufgetaucht, in der er den Europäern mit gewaltsamer Vergeltung für die Mohammed-Karikaturen droht. Die US-Geheimdienste stuften das Band nach einer ersten Auswertung als authentisch ein. Der El-Kaida-Chef richtete sich in seiner Tonbandbotschaft laut dem das auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierte US-Institut SITE an die "Intelligenten" in der Europäischen Union. Die Veröffentlichung der Karikaturen sei ein größeres Verbrechen als das Vorgehen der westlichen Truppen gegen muslimische Dörfer und die Tötung von Frauen und Kindern, sagte er. Die "Abrechnung" werde noch "ernster" sein. Kryptisch fügte Bin Laden hinzu, die Antwort der Muslime werde sein, was der Feind sehe, nicht was er höre.
    Der dänische Polizeigeheimdienst PET will die Sicherheitsvorkehrungen im Land nicht erhöhen. "PET glaubt nicht, dass die jüngsten Drohungen eine Änderung unserer Einschätzung erfordern", hieß es in einer Erklärung. Dennoch könne eine Erhöhung der Gefahr für Dänemark und seine Einwohner durch "militante Extremisten" im Ausland nicht ausgeschlossen werden. Auch in der Bundesrepublik hat sich die Bedrohungslage nach Aussage einer Sprecherin des Bundesinnenministeriums durch die neue Bin-Laden-Botschaft nicht verändert. Sollte die Drohung echt sein, "besteht kein konkreter Anlass, stärker beunruhigt zu sein." Zudem werde Deutschland gar nicht in der Botschaft genannt. Deshalb gebe es auch keine Überlegung zur Erhöhung der Sicherheitsstufe, sagte die Sprecherin.
  • In den irakischen Provinzen südlich von Bagdad eskaliert der Machtkampf zwischen den verschiedenen Schiiten-Parteien. In ungewöhnlich deutlichen Worten drohte ein Parlamentarier der Bewegung des radikalen jungen Predigers Muktada al-Sadr am 21. März den Angehörigen der anderen religiösen Parteien damit, in der 100 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Provinz Babylon große Protestaktionen zu organisieren. Ahmed al-Massudi sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Aswat al-Irak, Regierungschef Nuri al-Maliki mit seiner Dawa-Partei und der Oberste Islamische Rat im Irak (SICI) planten eine gemeinsame Militäraktion ihrer Milizen, um die Sadristen in Babylon auszulöschen. “Wir haben aber noch viele Möglichkeiten, um den politischen Status quo in der Provinz Babylon zu verändern“, fügte er hinzu. Al-Massudi erklärte, genau wie in Babylon so hätten die Parteimilizen, die Teil der lokalen Sicherheitskräfte geworden seien, auch schon in den Städten Diwanija, Al-Kut und Kerbela die Sadr-Bewegung bekämpft. Die Miliz der Bewegung ist die sogenannte Mahdi-Armee. Al-Sadr hatte die Milizionäre der Mahdi-Armee im vergangenen Jahr aufgefordert, ihre Angriffe auf die US-Truppen einzustellen. Diese erst auf ein halbes Jahr befristete “Waffenruhe“ wurde kürzlich von ihm verlängert. Besonders viele Opfer fordert der Machtkampf zwischen den Schiiten-Parteien in Basra, wo jüngst auch viele Geistliche ermordet wurden. In der Regel sprechen die schiitischen Politiker aber nicht so offen wie jetzt Al-Massudi über diese blutigen “Bruderkämpfe“.
  • Mindestens 15 Mitglieder einer Familie sollen bei einem US-Luftangriff in Bakuba getötet worden sein. Unter den Opfern sollen sich auch Frauen und Kinder befinden. Kampfhubschrauber hätten Angriffe auf vier Wohnhäuser geflogen, sagten Behörden in Bagdad am 23. März. Das US-Militär tötete nach Angaben der Nachrichtenagentur Aswat al-Irak zudem 15 El-Kaida-Terroristen in der selben Region. Von der US-Armee gab zunächst keine Stellungnahmen. Mindestens 13 irakische Soldaten starben bei einem Selbstmordanschlag auf einen Stützpunkt in Mossul.
  • Im Irak sind mindestens 14 Menschen getötet worden, darunter zwei US-Soldaten. Die Amerikaner starben nach Angaben des Militärs im Nordwesten der Hauptstadt Bagdad, als eine Bombe in der Nähe ihres Fahrzeugs explodierte. Zwei irakische Zivilisten seien auch getötet worden. In Bakuba nördlich der Hauptstadt wurden drei Iraker getötet, nachdem sie eine irakische Bürgerwehr angegriffen hatten, berichtete die Nachrichtenagentur Aswat al-Irak am 23. März. In Kirkuk im Norden des Landes starb bei einem Bombenanschlag ein Zivilist.
Montag, den 24. März, bis Montag den 31. März
  • Bei Granatenangriffen auf Ziele im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad sind ein Zivilist getötet und 14 weitere verletzt worden. Wie die irakische Nachrichtenagentur Aswat al-Irak am 24. März berichtete, wurden insgesamt drei Mörsergranaten abgefeuert. Nach Angaben der Armee traf ein Geschoss ein Krankenhaus in der besonders geschützten Grünen Zone. Am 23. März seien bereits einige Mörsergranaten in den Außenbezirken der Grünen Zone in Bagdad eingeschlagen, ohne dass es dabei Opfer gab, sagte ein Armeesprecher weiter.
  • Abgeordnete der Bewegung des radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al Sadr haben am 25. März die Ausweitung einer Kampagne des zivilen Ungehorsams von Bagdad auf den gesamten Irak angekündigt. Die Anhänger Al Sadrs protestieren damit gegen Razzien und Festnahmen, die sich nach Angaben der irakischer und amerikanischen Streitkräfte lediglich gegen abtrünnige Kämpfer richten, die vom Iran unterstützt werden. “Wir warnen (Ministerpräsident Nuri) al-Maliki und politische Parteien, die die Sicherheitskräfte infiltriert haben, dass sie ihre Praxis (der Festnahmen) aufgeben müssen“, erklärte der Abgeordnete Ghufran al Saidi. “Andernfalls haben wir andere Optionen“, erklärte er weiter. In mehreren überwiegend schiitischen Vierteln Bagdads blieben Geschäfte und Schulen geschlossen, offenbar in Befolgung der Anweisung zum zivilen Ungehorsam. Kämpfer der Mahdi-Miliz patrouillierten in einigen schiitischen Vierteln. Raketen und Granaten, die aus schiitischen Gebieten abgefeuert wurden, nahmen zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage die schwer gesicherte Grüne Zone in Bagdad ins Visier. In Basra kam es zu Gefechten zwischen irakischen Sicherheitskräften und Mahdi-Kämpfern um die Kontrolle wichtiger Stadtviertel. Nach Angaben von Polizei und Krankenhäusern wurden mindestens 22 Menschen getötet und 58 verletzt. Die Ölproduktion sei von den Kämpfen nicht tangiert, erklärte ein Vertreter des Ölministeriums. Al Sadr hat seinen einseitig erklärten Waffenstillstand im Irak bis Mitte August verlängert. Der Verzicht auf Anschläge seitens seiner Mahdi-Miliz hat mit dazu beigetragen, dass sich das Ausmaß der Gewalt im Irak deutlich verringert hat. Der Geistliche sagte seinen Anhängern kürzlich, dass die Waffenruhe zwar in Kraft bleibe, sie sich aber selbst gegen Angriffe verteidigen dürften.
  • Heftige Kämpfe zwischen irakischen Regierungstruppen und Milizionären der schiitischen Mahdi-Armee haben den südlichen Erdölhafen Basra nahezu lahmgelegt. Nach Polizeiangaben am 25. März gab es mindestens sieben Tote und 40 Verletzte, unter ihnen mehrere Zivilisten. Britischen Militärs zufolge überwachte Ministerpräsident Nuri el Maliki persönlich den Großeinsatz der Sicherheitskräfte. In der Hauptstadt Bagdad demonstrierten hunderte Anhänger des Schiitenführers Moktada Sadr gegen die Festnahme von Mitgliedern ihrer Bewegung. Ein von Sadr ausgegebener Aufruf zum Generalstreik in Bagdad wurde in den von seinen Anhängern kontrollierten Vierteln der Hauptstadt breit befolgt. Geschäfte, Schulen und Büros blieben geschlossen. Die Regierung beschuldigte Sadrs Mahdi-Miliz, die Einwohner mit Waffengewalt zur Befolgung des Streikaufrufs gezwungen zu haben. Ein Milizsprecher bestritt die Vorwürfe und forderte das Ende der gegen die Mahdi-Armee gerichteten Angriffe. Sadr selbst drohte für den Fall weiterer Angriffe der Regierungskräfte auf seine Bewegung mit einem landesweiten Generalstreik. In einem in der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf verlesenen Text des schiitischen Predigers hieß es unter anderem, "wenn die Regierung nicht auf uns hört, rufen wir zum zivilen Ungehorsam in Bagdad und den anderen Provinzen auf". In diesem Fall werde es auch einen "Rückgriff auf andere Methoden" geben. Welcher Art diese Methoden sein könnten, ging aus dem Text nicht hervor.
    Nach den heftigen Kämpfen zwischen Milizionären und Sicherheitskräften im Südirak verhängten die Behörden Ausgangssperren über vier Städte südlich von Bagdad: Hilla, Kut, Samawa und Nassirijah. Für die südirakische Provinz Basra war bereits vorher eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. Dort liefern sich konkurrierende schiitische Gruppen einen erbitterten Machtkampf. Ein Sprecher der Sadr-Bewegung in Basra bedauerte die dortigen Kämpfe und rief dazu auf, durch Verhandlungen zur Beruhigung der Lage beizutragen. Die Sadr-Bewegung bezichtigt die Regierung, ihren Erzrivalen innerhalb der schiitischen Gemeinde, den Obersten Islamischen Rat im Irak von Abdel Asis Hakim, zu unterstützen. Der Gouverneur von Basra, Mohammed el Waelli, gehört wiederum der schiitischen Partei Fadhila (Tugend) an, die über großen Einfluss im Erdölsektor verfügt, der Haupteinnahmequelle des irakischen Staats.
  • Angesichts heftiger Gefechte mit dutzenden Toten hat die irakische Regierung den Milizionären des radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al Sadr in Basra ein Ultimatum gestellt. Die Kämpfer müssten sich binnen drei Tagen ergeben, erklärte ein Sprecher von Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 26. März. Seit dem 25. März wurden in Basra und Bagdad mindestens 55 Menschen getötet und 300 weitere verletzt, wie Polizei und Krankenhausmitarbeiter erklärten. Al-Maliki setzte den Milizionären Al Sadrs eine Frist bis zum 28. März, wie sein Berater Sadik al Rikabi mitteilte. Bis dahin müssten sich die Kämpfer stellen, ihre Waffen abgeben und sich zu einem Gewaltverzicht bekennen. Der Regierungschef war am 24. März nach Basra geflogen und hatte den Militäreinsatz gegen die Miliz angekündigt. Nach Angaben des Innenministeriums wurde Verstärkung in die Hafenstadt verlegt. Zahlreiche Bewaffnete seien festgenommen worden, sagte ein Sprecher.
    In Bagdad und Kerbela gingen am 26. März hunderte Anhänger Al Sadrs auf die Straße und forderten ein Ende des Einsatzes in Basra und den Abzug aller Sicherheitskräfte. Der Geistliche selbst forderte Al-Maliki nach Angaben seines Umfelds in Nadschaf über Mittelsmänner auf, Basra zu verlassen und den Konflikt friedlich zu lösen. Bis die zusätzlich nach Basra entsandten Truppen die Stadt verlassen hätten, könne es allerdings keine Verhandlungen geben, hieß es.
  • In Bagdad wurde am 26. März die stark gesicherte Grüne Zone erneut mit Raketen und Mörsergranaten angegriffen. Dabei wurden drei US-Bürger schwer verletzt, wie die amerikanische Botschaft mitteilte. Bei mehreren Explosionen in der Hauptstadt wurden Polizei und Krankenhausmitarbeitern zufolge acht Iraker getötet. US-Präsident George W. Bush ließ sich unterdessen in Washington vom Generalstab über die aktuelle Lage im Irak informieren. Dabei sollte es auch über eine mögliche Reduzierung der Truppenstärke gehen. Bereits am 25. März hatte sich Bush mit Verteidigungsminister Robert Gates und General David Petraeus beraten.
  • Angesichts der heftigen Gefechte haben die Behörden eine mehrtägige Ausgangssperre für Bagdad verhängt. Die Maßnahme gelte bis zum 30. März, berichtete die irakische Nachrichtenagentur Aswat al-Irak am 28. März unter Berufung auf Behördenangaben. Unterdessen rief der radikale Prediger Moktada al-Sadr in einer Erklärung zum Ende des Blutvergießens auf. Ungeachtet der schweren bewaffneten Auseinandersetzungen lobte US-Präsident George W. Bush militärische Fortschritte im Irak.
  • Die irakische Regierung hat den Milizionären des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr Geld angeboten, falls sie ihre Waffen abgeben sollten. In einer Regierungserklärung, die am 28. März in Bagdad veröffentlicht wurde, hieß es: “Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat den Bewaffneten eine Frist von zwölf Tagen gesetzt, vom 28. März bis zum 8. April, um den Sicherheitskräften ihre mittleren und schweren Waffen auszuhändigen, dafür gibt es dann eine finanzielle Belohnung.“ Ein konkreter Betrag wurde nicht genannt. Damit verlängerte Al-Maliki ein am 26.März gestelltes dreitägiges Ultimatum. Die Nachrichtenagentur Aswat al-Irak meldete unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden, seit Beginn der Kämpfe in Basra in der Nacht zum 25. März seien mehr als 60 Leichen und rund 300 Verletzte in die Krankenhäuser der südlichen Hafenstadt gebracht worden. Augenzeugen berichteten, die Polizei habe am 18. März mit Schüssen in die Luft Hunderte von Sadr-Anhängern auseinandergetrieben, die für eine friedliche Beilegung der Krise demonstriert hätten. Bei Gefechten in der Stadt Nassirija seien zwei Polizisten und fünf Milizionäre getötet worden. Mehrere Milizionäre seien festgenommen worden.
  • Die US-Armee meldete am 28. März, ein amerikanischer Soldat sei am 27. März durch eine Sprengstoffattacke in Ost-Bagdad ums Leben gekommen. In Bagdad galt am 29. März Ausgangssperre. Bereits am 26. März töteten US-Soldaten nach Armeeangaben in Bagdad 24 “Terroristen“. Am 27. März habe man weitere 26 “Terroristen“ in der Hauptstadt getötet, hieß es.
  • Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und schiitischen Milizen stürzen den Süden des Iraks wieder in offenen Krieg: Britische und US-Truppen flogen am 28. März Luftangriffe in Basra und Bagdad. Die irakischen Sicherheitskräfte hätten um die Angriffe auf mindestens zwei Ziele in Basra gebeten, erklärte ein britischer Militärvertreter. Anhaltende Gefechte zwischen Sicherheitskräften und Milizen wurden außerdem in vier weiteren Städten gemeldet. US-Präsident George W. Bush sprach von einem “entscheidenden Moment in der irakischen Geschichte“. “Es wird eine Weile dauern, aber es handelt sich um einen notwendigen Teil der Entwicklung hin zu einer freien Gesellschaft“, sagte er vor Journalisten in Washington.
    Über Basra warfen von britischen Kampfflugzeugen unterstützte US-Truppen Bomben ab, wie ein britischer Militärsprecher mitteilte. In Bagdad schoss ein US-Kampfhubschrauber eine Rakete in der Hochburg des radikalen schiitischen Predigers Muktada Al Sadr ab, dabei wurden nach US-Angaben vier Bewaffnete getötet. Bodentruppen in Sadr City hätten um den Luftangriff gebeten. Nach Polizei- und Krankenhausangaben kamen dabei außerdem fünf Zivilpersonen ums Leben, vier weitere erlitten Verletzungen.
  • Wegen der heftigen Kämpfe sagte der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki seine Teilnahme am bevorstehenden Gipfel der Arabischen Liga in Damaskus ab. Stattdessen sei Vizepräsident Adel Abdul Mahdi am 28. März nach Syrien gereist, erklärten zwei ranghohe Regierungsbeamte. Al-Maliki hält sich seit dem 24. März in Basra auf. Er setzte den Einwohnern nach Angaben seines Büros eine Frist bis zum 8. April, ihre Waffen gegen eine finanzielle Entschädigung abzugeben. Den schiitischen Kämpfern stellte Al-Maliki bereits ein Ultimatum, das am 28. März ausläuft. Das irakische Parlament berief am 28. März eine Vermittlungskommission, die ein Ende der Kämpfe im Süden herbeiführen soll. Geleitet wird sie von Parlamentspräsident Mahmud al Maschhadani, einem Sunniten. Die größte schiitische Gruppierung im Parlament, die Vereinigte Irakische Allianz, boykottierte die Sitzung. Bei der Militäraktion handele es sich um eine Frage von Recht und Ordnung und nicht um eine Angelegenheit der Gesetzgebung, erklärte die Allianz. Ein ranghoher schiitischer Geistlicher im Iran rief die Bagdader Regierung und die Milizen am 28. März zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf. Teheran könne bei Gesprächen vermitteln, schlug Ayatollah Ahmad Dschannati in einer im Fernsehen übertragenen Predigt vor. Die Anhänger Al Sadrs werfen der irakischen Regierung vor, den von dessen Mahdi-Miliz ausgerufenen Waffenstillstand auszunutzen, um die Kämpfer ins Visier zu nehmen. Die Regierung hat erklärt, sie gehe gegen kriminelle Banden vor.
  • Serbien und der Irak brachten unterdessen ein Abkommen über die Lieferung von militärischer Ausrüstung an Bagdad unter Dach und Fach. Der Irak habe eine Anzahlung geleistet, erklärte das Verteidigungsministerium in Belgrad am 28. März. Der bei einem Besuch des irakischen Verteidigungsministers Abdul Kadir al Obeidi in Belgrad im vergangenen Jahr vereinbarte Vertrag über die Lieferung von Waffen, Flugzeugen und Munition und weiterer Ausrüstung hat ein Volumen von umgerechnet 149 Millionen Euro. Der serbische Verteidigungsminister Dragan Sutanovac sprach von einem Jahrundertdeal für die Militärindustrie.
  • Die US-Bundespolizei FBI hat die Leiche eines im Irak entführten Österreichers identifiziert. Bert N. arbeitete dort als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma, als er zusammen mit vier Kollegen im November 2006 entführt worden war. Die Familie des Opfers sei am 28. März verständigt worden, sagte FBI-Sprecher Richard Kolko in Washington. Die sterblichen Überreste würden nach Österreich überführt. Der Fall hatte Anfang März Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als die abgehackten Finger der fünf Männer den US-Streitkräften zugeschickt worden waren. Die Männer arbeiteten für die Crescent Security Group.
  • Die US-Armee hat bei Kämpfen mit schiitischen Milizionären nach eigenen Angaben 41 Aufständische getötet. Die "Kriminellen" seien am 30. März bei Luftangriffen und Kampfeinsätzen im Osten und Nordosten Bagdads ums Leben gekommen, erklärten die US-Streitkräfte. Damit stieg die Zahl der Toten bei den tagelangen blutigen Gefechten im Irak auf mehr als 320, davon mindestens 140 in Bagdad. Am 30. März hatte der radikale Schiitenführer Moktada Sadr seine Gefolgsleute zum Rückzug aufgerufen. In Bagdad kehrte nach dem Ende der Ausgangssperre am Morgen des 31. März wieder Normalität ein. Autofahrer und Fußgänger wagten sich nach dem Ende der Kämpfe auf die Straße, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Auch im südirakischen Basra wurde die Ausgangssperre aufgehoben, Geschäfte hatten wieder geöffnet. Angesichts der sich abzeichnenden Entspannung der Lage im Irak hatte die militärische Führung am Abend des 30. März die Aufhebung der Maßnahme verkündet. Ausgenommen seien jedoch die Stadtteile Sadr City, Kadhimija und Schuala, drei Hochburgen schiitischer Milizen. Die Kämpfe zwischen Sadrs Mahdi-Miliz und den Sicherheitskräften hatten am 25. März in der Ölstadt Basra begonnen und sich auf mehrere Städte des Landes ausgeweitet. Die US-geführten Koalitionstruppen hatten am 28. März auf Seiten der Regierung in die Gefechte eingegriffen.
  • Nach tagelangen blutigen Gefechten zeichnet sich ein Ende der Kämpfe zwischen schiitischen Milizen und Regierungstruppen im Irak ab. Der radikale Schiitenführer Moktada Sadr rief seine Gefolgsleute am 30. März zum Rückzug auf. Zuvor hatten die irakischen Behörden und die Milizionäre Verhandlungen aufgenommen. Der irakische Regierungschef Nuri el Maliki begrüßte Sadrs Aufruf. Sadrs Erklärung sei eine "gute Initiative, die in die richtige Richtung geht". "Wir wollen, dass die Iraker aufhören, Blut zu vergießen, und dass sie ihre Unabhängigkeit und die Stabilität des Landes verteidigen", hieß es in der in Nadschaf veröffentlichten Erklärung des Schiitenführers. Seine Gefolgsleute rief Sadr auf, sich von den Straßen in Basra und anderen Regionen zurückziehen. Zugleich forderte er die irakische Regierung auf, inhaftierte Anhänger seiner Bewegung freizulassen und die Angriffe zu stoppen. Die Kämpfe zwischen Sadrs Mahdi-Miliz und den irakischen Sicherheitskräften hatten am 25. März in der Ölstadt Basra begonnen und sich auf mehrere Städte des Landes ausgeweitet. Mehr als 270 Menschen wurden dabei getötet. Maliki erklärte, Sadrs Aufruf werde hoffentlich zur Stabilisierung der Lage im Irak und zum Wiederaufbauprozess beitragen. Zugleich sicherte der Regierungschef zu, die Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte richteten sich nicht gegen eine politische oder religiöse Gruppe wie die Sadr-Bewegung. Zuvor hatte Maliki seine Entschlossenheit bekräftigt, die Offensive in Basra fortzusetzen.
    Die Sadr-Anhänger werfen Maliki vor, von den USA gekauft worden zu sein, und fordern seinen Rücktritt. Die schiitische Sadr-Bewegung verfügt über großen Einfluss in der Bevölkerung und fordert mehr Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen. Sadr hatte seine Anhänger aber seit August 2007 zur Waffenruhe angehalten.
  • Bei zwei Angriffen in der nördlich von Bagdad gelegenen Provinz Salaheddin wurden nach Angaben der irakischen Polizei am 30. März elf Sicherheitskräfte getötet. Sechs Polizisten kamen demnach ums Leben, als sie in der Nähe von Dhuluijah von bewaffneten Männern angegriffen worden seien. In der Nähe von Baidschi starben bei einem Selbstmordanschlag fünf Mitglieder einer Miliz, die von der US-Armee für den Kampf gegen das Terrornetzwerk El Kaida angeheuert wurde.
  • Polizisten haben nahe der irakischen Kleinstadt Al- Makdadija erneut ein Massengrab entdeckt. Laut US-Armee wurden am 30. März die Leichen von 14 Menschen gefunden. Erst zwei Tage zuvor waren dort 37 Leichen entdeckt worden, die zum Teil Folterspuren aufwiesen. In Al-Makdadija hatte es vor einigen Wochen heftige Gefechte gegeben.
  • Gestiegene Einnahmen aus Ölexporten haben dem Irak zusätzliche fünf Milliarden Dollar (3,17 Milliarden Euro) für den diesjährigen Etat beschert. Das Geld soll unter anderem in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden, wie ein Regierungssprecher am 31. März mitteilte. Das Budget umfasst nach bisherigen Angaben 48,8 Milliarden Dollar. Rund ein Fünftel - neun Milliarden Dollar - sind für die landesweite Sicherheit vorgesehen. Nach Angaben des irakischen Ölministeriums wurden allein über den wichtigsten Hafen in Basra im Februar pro Tag durchschnittlich 1,54 Millionen Barrel Öl verschifft. Die seit Tagen andauernden Kämpfe zwischen Milizen und Sicherheitskräften in Basra haben den Ölexport, Behörden zufolge, kaum beeinträchtigt.


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