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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

Dezember 2007


Samstag, 1. Dezember, bis Sonntag, 9. Dezember
  • Türkische Soldaten haben am 1. Dez. im Irak eine Gruppe von 50 bis 60 kurdischen Rebellen angegriffen. Ob Truppen in das Nachbarland einmarschiert sind, blieb zunächst unklar. Eine pro-kurdische Nachrichtenagentur berichtet von einem zweistündigen Artilleriebeschuss. Die Operation werde so lange andauern wie nötig. Ob türkische Truppen in den Irak eingedrungen sind, war zunächst nicht klar. Die US-Streitkräfte erklärten, sie hätten keine Berichte über einen türkischen Einmarsch im Nordirak. Die USA teilen Geheimdienstinformationen mit der türkischen Armee. Die türkische Militärführung teilte aber nicht mit, ob der Angriff am Samstag mit amerikanischer Hilfe geführt wurde.
  • Niederschmetternde Bilanz des Einsatzes der Briten am 3. Dez. im Irak. Der Verteidigungsausschuss des Parlaments hat festgestellt, dass die Einheiten ihr Einsatzziel im Südosten des Landes nicht erreicht haben. Jetzt dominierten Milizen und kriminelle Banden Basra.
  • Hunderte irakische Familien haben sich in den vergangenen Jahren in Bagdads Green Zone gerettet. Nun wollen die Behörden sie wieder loswerden (6. Dez.) - doch außerhalb des Sperrgebiets lauert der Tod. Besuch in einer Zwischenwelt mitten in der irakischen Hauptstadt.
  • Im Irak entstehen immer mehr Anti-Qaida-Allianzen. Jetzt reagiert das Terrornetzwerk: Eine eigene "Brigade" soll die Stammeswehren bekämpfen. Die US-Armee gab unterdessen am 6. Dez. bekannt, dass sie den "Pressesprecher" von Abu Omars Vorgänger Abu Musab al-Sarkawi getötet hat.
  • Bei zwei Bombenanschlägen am 7. Dez. in der zentralirakischen Provinz Dijala sind am Freitag mindestens 26 Menschen getötet worden. Eine Frau sprengte sich inmitten einer Versammlung von Angehörigen einer Bürgerwehr in der Stadt Mukdadija in die Luft. Die Selbstmordattentäterin riss heute 16 Menschen mit in den Tod. Nach Angaben von Augenzeugen und Polizisten brachte sie ihren Sprengstoffgürtel im Büro einer lokalen Bürgerwehr zur Explosion. Da das Büro der Bürgerwehr in einem Wohnviertel neben einem Markt liegt, starben auch Frauen und Kinder. Bei einem zweiten Selbstmordanschlag gegen Mitglieder der Bürgerwehr und irakische Soldaten starben ebenfalls in der Provinz Dijala mindestens zehn weitere Menschen. Der Täter sprengte sich an einem Kontrollpunkt nordöstlich der Provinzhauptstadt Bakuba in die Luft. Die Provinz Dijala gilt als Hochburg des Terrornetzwerks al-Qaida.
Montag, 10. Dezember, bis Sonntag, 23. Dezember
  • Bei einem Granatenangriff am 10 Dez. auf ein Gefängnis in Bagdad sind mindestens fünf Häftlinge getötet und Dutzende weitere verletzt worden. In der Haftanstalt des irakischen Innenministerium werden mutmaßliche Aufständische gefangengehalten.
  • Bei der Explosion von drei Autobomben am 12. Dez. sollen Dutzende Menschen im Südirak getötet worden sein. Die irakischen Truppen hatten in der Region erst vor kurzem die Verantwortung für die Sicherheit übernommen. In der südirakischen Stadt Amara sind durch die Explosion dreier Autobomben laut Augenzeugen rund 40 Menschen ums Leben gekommen. Krankenhauskreise sprachen sogar von bis zu 60 Toten. Das größte Krankenhaus in Amara meldete zunächst jedoch, in die Klinik seien 26 Todesopfer und hundert Verletzte eingeliefert worden.
  • Nach fast fünf Jahren hat das britische Militär die Kontrolle über die südirakische Provinz Basra an die einheimischen Truppen am 16. Dez. übergeben. Der Vize-Chef des Terrornetzwerks al-Qaida sieht darin einen Beleg für die Stärke seiner Kämpfer - und die wachsenden Probleme der USA. Basra ist der wichtigste Erdöl-Umschlagplatz im Irak. Es war die letzte von vier Provinzen unter Kontrolle des britischen Militärs.
  • Am 16. Dezember hat die türkische Luftwaffe massiv PKK-Stellungen im Kandil-Gebirge im nordirakischen Grenzgebiet bombardiert. Die Türkei hatte seit Oktober immer wieder mit Angriffen auf kurdische Kämpfer im Nordirak gedroht. Damals hatte das türkische Parlament der Regierung grünes Licht für grenzüberschreitende Militäreinsätze gegen die PKK gegeben. Ankara wirft der autonomen kurdischen Regierung im Nordirak vor, nicht ausreichend gegen die PKK-Rebellen vorzugehen, welche die Grenzregion als Rückzugsort für ihren Kampf gegen die Regierung in Ankara nutzen. Die türkische Regierung vermutet, dass sich in der Grenzregion 3.500 kurdische Kämpfer verschanzen.
  • Die türkische Armee hat am 23. Dez. erneut kurdische Stellungen im Nordirak angegriffen. Die türkische Luftwaffe habe zunächst Aufklärungsflüge rund um die Kandil-Berge unternommen und dann einzelne Stellungen bombardiert, meldete die halbamtliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf einen Sprecher der kurdischen Sicherheitskräfte. Vom türkischen Generalstab wurden die Angaben zunächst nicht bestätigt.
    Bereits am Samstag (22. Dez.) habe die türkische Armee "wichtige Stellungen" der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) attackiert, teilte der türkische Generalstab auf der Armee-Website mit. Anschließend habe die Artillerie Stellungen der PKK im Nordirak "bombardiert". Ein Sprecher der kurdischen Peschmerga-Kämpfer bestätigte den Luftangriff. Demnach bombardierte die türkische Luftwaffe Dörfer. Die angegriffene Gegend sei aber wenig bewohnt.
  • Die US-Regierung hat offenbar bis zum Blackwater-Skandal jahrelange Warnungen wegen des umstrittenen Vorgehens privater Sicherheitsfirmen im Irak ignoriert. Experten für Verteidigungs- und Justizfragen sowie irakische Regierungsvertreter hätten Washington schriftlich gewarnt, die von der US-Regierung bezahlten, aber kaum kontrollierten Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen im Irak stellten ein Risiko dar, berichtete die "Washington Post" am 24. Dez. unter Berufung auf US-Regierungskreise, Sicherheitsfirmen und Dokumente. Das Außen- und das Verteidigungsministerium hätten aber kaum Vorschriften für die Firmen erlassen, bis Blackwater-Mitarbeiter im September 17 irakische Zivilisten erschossen.
    Washington hat die privaten Wachleute zu Zehntausenden für den Irak-Einsatz angeheuert, weil die US-Armee wegen Personalmangels nicht genügend Soldaten für den Schutz von Konvois, Militäranlagen und Diplomaten bereitstellen kann. Der "Post" zufolge schätzt das Pentagon die Zahl der privaten Wachleute in dem Golfstaat auf rund 20.000, der Rechnungshof geht demnach sogar von rund 48.000 aus.
    Die Sicherheitsfirmen gerieten in den vergangenen beiden Jahren der Zeitung zufolge wiederholt in die Kritik - vor allem wegen ihres aggressiven Auftretens und mehreren Schießereien. Das Pentagon rechtfertigte den Einsatz der privaten Wachmannschaften der "Washington Post" zufolge als Sparmaßnahme. Außerdem hätten dadurch mehr Soldaten für den Kampf gegen Aufständische im Irak und andere wichtige Aufgaben zur Verfügung gestanden: "Unsere Ressourcen können besser genutzt werden, indem wir gegen die Schurken angehen, anstatt Lager zu bewachen und Konvois zu eskortieren."
    Infolge des Blackwater-Skandals hatten Vertreter des Verteidigungs- und des Außenministeriums jüngst neue Vorschriften für private Wachleute vereinbart. Diese enthalten auch Richtlinien für den Einsatz von Gewalt und die Meldung von ungewöhnlichen Vorfällen.
    Der Sicherheitschef des US-Außenamts war im Oktober wegen des Skandals zurückgetreten. Ihm wurde vorgeworfen, er habe die Wachmannschaften nicht gründlich genug beaufsichtigen lassen. Blackwater-Mitarbeiter, die einen Konvoi des US-Außenministeriums schützen sollten, hatten im September in der irakischen Hauptstadt Bagdad in eine Menge gefeuert und dabei 17 Zivilisten getötet. Zwar hatten die Wachleute später zu Protokoll gegeben, sie seien zuerst beschossen worden, die meisten Augenzeugenberichte widersprachen dem aber.
    (Zum Blackwater-Skandal vgl. folgende drei Beiträge:)
Montag, 24. Dezember, bis Montag, 31. Dezember
  • Nördlich von Bagdad sind am 24. Dezember nach Polizeiangaben 14 Menschen, darunter Kinder, an einer falschen Straßensperre angehalten und entführt worden. Die Gegend, in dem sich der Vorfall ereignete, wird demnach vom irakischen El-Kaida-Arm kontrolliert. Entführungen sind im Irak sehr häufig, gingen aber 2007 nach Angaben des Innenministeriums in Bagdad um 70 Prozent zurück.
  • Bei zwei Selbstmordanschlägen im Irak sind am 25. Dez. nach Angaben der Sicherheitskräfte mindestens 29 Menschen getötet und dutzende verletzt worden. Beide Attentate richteten sich demnach gegen sunnitische Milizen, die im Anti-Terror-Kampf mit den US-Truppen zusammenarbeiten. Der erste Anschlag mit einem Lieferwagen voller Sprengstoff richtete sich gegen einen gemeinsamen Kontrollpunkt von irakischer Armee und Milizen nahe Baidschi, 200 Kilometer nördlich von Bagdad. Dabei kamen 25 Menschen ums Leben. In Bakuba riss ein Selbstmordattentäter bei einer Trauerfeier für zwei sunnitische Milizionäre mehrere Menschen mit in den Tod.
    Die US-Truppen töteten unterdessen nach eigenen Angaben bei Militäreinsätzen im Zentrum und im Norden des Irak "13 Terroristen".
  • Die irakische Regierung hat dem Entwurf eines umfassenden Amnestiegesetzes am 25. Dez. zugestimmt. Billigt auch das irakische Parlament das Gesetz, könnten Tausende Gefangene freikommen.
  • Die türkische Luftwaffe hat erneut Angriffe gegen mutmaßliche Stellungen kurdischer Rebellen im Nordirak geflogen. Der Einsatz habe sich gegen "Terroristen" der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gerichtet, erklärte das Militär am 26. Dez. in Ankara. Zu möglichen Opfern gab es keine Angaben. Ein Sprecher der kurdischen Peschmerga-Einheiten im Nordirak sagte, unter anderem seien unbewohnte Dörfer in der Provinz Dohuk bombardiert worden. Präsident Abdulllah Gül lobte laut türkischer Nachrichtenagentur Anadolu die Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten im Kampf gegen die PKK.
    Der jüngste Luftangriff sei nach Geheimdiensthinweisen auf eine "große Gruppe Terroristen" erfolgt, die lange beobachtet worden seien, teilte der Generalstab der türkischen Streitkräfte mit. Die Gruppe habe sich darauf vorbereitet, den Winter in Höhlen und anderen Verstecken zu verbringen. "Unsere Kampfflugzeuge haben die Ziele in einem wirkungsvollen Luftschlag getroffen", hieß es weiter. Es handelte sich um den dritten offiziell bestätigten Angriff der türkischen Luftwaffe im Nordirak.
    Der Sprecher der kurdischen Peschmerga in der autonomen Region im Norden Iraks, sagte, ihm lägen keine Informationen über mögliche Opfer oder materielle Schäden vor. Die PKK-nahe Nachrichtenagentur Firat berichtete, an dem Angriff seien mehr als zehn Kampfflieger beteiligt gewesen. Sprecher der Kurden im Norden Iraks hatten zuvor bereits von zwei türkischen Luftangriffen berichtet, die von Ankara nicht bestätigt wurden. Bei den Bombardements vom Dienstag in der Region um El Amadijah sei allerdings niemand verletzt worden, sagte ein Peschmerga-Sprecher.
    "Die Dinge laufen zur Zeit gut", weil die Türkei und die USA Geheimdienstinformationen austauschten, sagte Gül laut Anadolu. "Wir sind beide zufrieden. So soll es sein." Dies hätte bereits früher erreicht werden können, unterstrich Gül. Anfang November hatte US-Präsident George W. Bush dem türkischen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Geheimdienstinformationen zur Bekämpfung der PKK versprochen. Zuvor hatte Ankara der Regierung in Washington Untätigkeit gegenüber den Kurdenrebellen im Irak vorgeworfen.
  • Die türkischen Luftangriffe auf kurdische Ziele im Nordirak lösen zunehmend Irritationen in der EU aus. Der deutsche EU- Abgeordnete Herbert Reul forderte in der "Bild"-Zeitung vom 27. Dez. eine sofortige Einstellung der Angriffe. Die Türken müssten die Angriffe sofort stoppen, so der CDU-Politiker. Alleingänge dieser Art seien nicht zu verantworten. Auch der EU-Abgeordnete Alexander Alvaro von der FDP lehnt die türkischen Angriffe auf den Norden des Irak ab. Die Türkei entferne sich immer weiter von den Grundsätzen der EU.
  • US-Präsident George W. Bush hat nach langem Tauziehen mit den Demokraten im Kongress den Haushalt 2008 mit zusätzlichen Mitteln für den Einsatz im Irak unterzeichnet. Der zuvor von Senat und Repräsentantenhaus gebilligte Etat biete mit 70 Milliarden Dollar (49 Milliarden Euro) für die Einsätze in Afghanistan und dem Irak eine "Finanzierung der Mittel, die unsere Truppen brauchen, ohne willkürliche Zeitvorgaben für einen Abzug", erklärte Bush laut AFP vom 27. Dez. nach der Unterzeichnung des Haushaltsgesetzes.
    Außerdem liege der Gesamtetat für das bis Ende September dauernde Haushaltsjahr in Höhe von 555 Milliarden Dollar innerhalb der von ihm vorgeschlagenen "vernünftigen und verantwortungsvollen Ausgabenhöhen", sagte Bush weiter.
    Ursprünglich hatte der US-Präsident 196 Milliarden Dollar für die Einsätze im Irak und in Afghanistan gefordert. Das Repräsentantenhaus wollte hingegen lediglich 31 Milliarden Dollar für Afghanistan bewilligen, aber keine zusätzlichen Mittel für die US-Truppen im Irak. Daraufhin drohte Bush mit seinem Veto gegen den gesamten Etat.
    Wegen des Streits war der bereits im Februar vorgelegte Haushaltsentwurf nicht wie geplant im Oktober verabschiedet worden, sondern hatte erst vergangene Woche in veränderter Fassung die beiden Kongresskammern passiert. Dabei konnten sich die Demokraten nicht mit ihren Plänen durchsetzen, die Bewilligung der Kriegskasse an bestimmte Forderungen zu knüpfen - wie etwa einen Zeitplan für den US-Truppenabzug aus dem Irak.
    Mit Blick auf den Gesamtetat äußerte sich Bush enttäuscht darüber, dass die Abgeordneten und Senatoren erneut zahlreiche Ausgaben für bestimmte Vorhaben durchsetzten, die insbesondere ihrem Wahlkreis oder Bundesstaat zugute kommen. "Diese Projekte sind nicht durch einen leistungsorientierten Prozess gerechtfertigt und verursachen verschwenderische Regierungsausgaben", bemängelte er.
  • Eine neuerliche Botschaft von El Kaida-Chef Osama bin Laden vom 30. Dez. ist von der US-Regierung als Zeichen für den Erfolg ihrer Strategie im Irak gewertet worden. Das irakische Volk wende sich zusehends von El Kaida ab, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Fratto. Bin Laden hatte in der 56 Minuten langen Tonaufzeichnung nach Angaben des spezialisierten US-Instituts SITE diejenigen Iraker als "Verräter" kritisiert, die mit den USA oder US-freundlichen Gruppierungen zusammenarbeiten.
    "Dies sollte uns daran erinnern, dass El Kaidas Ziel im Irak die Verhinderung von Demokratie und Freiheit für alle Iraker ist", sagte Fratto. Bin Ladens Äußerungen unterstrichen erneut, dass der Kampf gegen das Terrornetzwerk im Irak "von entscheidender Bedeutung ist und gewonnen werden muss", fügte der Sprecher hinzu. "Das irakische Volk entscheidet sich jeden Tag und in immer größerer Anzahl für Freiheit und gegen die mörderische, hasserfüllte Ideologie von El Kaida im Irak - und wir stehen ihm zur Seite", verkündete Fratto.
    Bin Laden hatte sich SITE zufolge auf dem Band in erster Linie gegen die Islamische Partei im Irak gewandet, eine Gruppe, die eng mit der irakischen Regierung zusammenarbeitet. Die Gruppe unterstütze die USA, kritisierte der meistgesuchte Islamist der Welt. Muslime, die mit ihr zusammenarbeiteten, seien "Verräter". Wer immer mit den US-Truppen oder der von ihnen gestützten Regierung des irakischen Ministerpräsidenten Nuri el Maliki zusammenarbeite, sei ein "Abtrünniger vom Glauben".
    Das Innenministerium in Bagdad hatte zuvor mitgeteilt, drei Viertel der Verstecke, Hochburgen und Netzwerke El Kaidas im Irak seien von irakischen und US-Truppen zerstört worden. "El Kaida bewegt sich nach Norden und wir jagen sie", sagte Ministeriumssprecher Abdul Karim Chalaf.
  • Gegen den britische Pharmariesen GlaxoSmithKline (GSK) und den britisch-schwedischen Konzern AstraZeneca wird wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen an das Regime des hingerichteten irakischen Machthabers Saddam Hussein ermittelt. Beide Firmen bestätigten am 30. Dez. in London, dass sie von der Justiz aufgefordert wurden, Papiere auszuhändigen, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen die UN-Sanktionen gegen den Irak unter Saddam geprüft werden sollen. Beide Konzerne versicherten, sie hätten keinerlei Verstöße begangen und arbeiteten voll mit der Betrugsbehörde zusammen.
    "GSK geht nicht davon aus, dass seine Angestellten oder Vertreter im Irak wissentlich gegen das Öl-für-Lebensmittel-Programm verstoßen haben", sagte ein Sprecher des Unternehmens. Die britische Betrugsbehörde hatte im Februar den Beginn von Ermittlungen über Verstöße gegen das UN-Embargo gegen den Irak bekanntgegeben.
    Das Programm Öl-für-Lebensmittel galt von 1996 bis 2003 und sollte der irakischen Führung ermöglichen, trotz eines UN-Embargos Öl zu exportieren, um dafür dringend benötigte Lebensmittel für die Bevölkerung einzukaufen. Doch die irakische Führung erschlich sich Millionen-Dollar-Beträge mit Hilfe des Programms. Ein unabhängiger Bericht aus dem Jahr 2005 kam zu dem Ergebnis, dass die irakischen Behörden für die Erteilung von Lieferaufträgen riesige Summen Schmiergelder verlangten und dass rund zweitausend Firmen dem Folge leisteten.
  • Am ersten Jahrestag der Hinrichtung von Saddam Hussein haben am 30. Dez. in seinem Geburtsort Audscha mehrere Dutzend Menschen des ehemaligen irakischen Machthabers gedacht. In Anwesenheit zahlreicher Sicherheitskräfte rezitierten sie an seinem Grab Koranverse. Mit dem Gedenken werde "einem Präsidenten Ehre erwiesen, der dem Irak gedient und die Würde des Irak und seiner Bürger geschützt und bewahrt" habe, sagte Ali el Nida, Anführer des Baidschat-Stammes, dem auch Saddam Hussein angehörte.
    In Audscha und anderen ehemaligen Hochburgen des sunnitischen Machthabers waren die irakischen Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft versetzt worden. In Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit war die Lage am Sonntag (30. Dez.) zunächst ruhig, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Über die Ortschaft El Daur, wo Saddam Hussein im Dezember 2003 von US-Truppen in einem unterirdischen Versteck entdeckt und festgenommen worden war, verhängten die Behörden eine Ausgangssperre.
    Ein Sprecher des Innenministeriums hatte am 29. Dez. erklärt: "Unsere Einheiten sind bereit zum Eingreifen, um jede kriminelle Handlung zu verhindern." Saddam Hussein habe immer noch Anhänger. Saddam Hussein war im November 2006 wegen der Hinrichtung von 148 Bewohnern des Dorfes Dudschail zum Tode verurteilt worden. Am 30. Dezember 2006 wurde er gehängt. Für einen Skandal sorgten anschließend veröffentlichte Videobilder, auf denen zu sehen ist, wie Umstehende Saddam Hussein noch vor seinem Tod beleidigen.
  • Mutmaßliche Mitglieder vom irakischen Arm des Terror-Netzwerks El Kaida haben unweit von Kirkuk 13 Zivilisten entführt. Die Entführer hätten auf einer Straße zwischen den Ortschaften Sulaiman Beg und Tus Churmatu im Norden des Landes eine falsche Straßensperre errichtet und dort drei Fahrzeuge gestoppt, teilte die örtliche Polizei am 30. Dez. mit. Die 13 Insassen wurden demnach verschleppt.
  • Wegen des Todes von 24 Menschen in der irakischen Stadt Haditha muss sich ein 27-jähriger Stabsunteroffizier vor einem US-Militärgericht verantworten. In dem Verfahren gegen Frank Wuterich geht es um die Anklagepunkte Totschlag, schwere Körperverletzung, Pflichtvernachlässigung und Behinderung der Justiz, wie die US-Streitkräfte am 31. Dez. in Los Angeles mitteilten. Ein Datum für den Prozessbeginn war noch nicht bekannt.
    Die Einheit Wuterichs ging im November 2005 massiv gegen Bewohner von Haditha vor, nachdem ihr Militärkonvoi auf einen Sprengsatz gefahren war. Dabei wurde der Fahrer getötet, zwei weitere Marineinfanteristen erlitten Verletzungen. Der Einheit wird vorgeworfen, daraufhin zunächst fünf Männer aus einem Fahrzeug heraus erschossen zu haben. Danach gingen die Marineinfanteristen von Haus zu Haus und töteten 19 Bewohner. Von insgesamt acht Ermittlungsverfahren wurden bislang vier wieder eingestellt. Keiner der Beschuldigten muss sich wegen Mordes verantworten.
    Wuterichs Anwalt kündigte an, sein Mandant werde sich für nicht schuldig erklären. Er sei optimistisch, dass Wuterich freigesprochen werde. Der Stabsunteroffizier erklärte bei einer Anhörung, er bedauere die Todesfälle. Er habe jedoch geglaubt, er werde aus den Häusern heraus beschossen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 160 Jahre Haft.
  • Gewaltstatistik 2007
    Trotz neuer Sicherheitsoffensiven ist die Zahl der im Irak getöteten Zivilpersonen 2007 weiter gestiegen. Die Regierung in Bagdad vermeldete am Montagabend (31. Dez.) 16.232 Tote nach 12.371 im Jahr davor. Des weiteren kamen demnach 432 irakische Soldaten und rund 1.300 Polizisten ums Leben. Die Vergleichszahlen von 2006 betrugen 603 und 1.224. Am Dienstag wurden allein bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad weitere 32 Menschen getötet.
    Im Großen und Ganzen decken sich diese Angaben mit den Erhebungen der Nachrichtenagentur AP. Danach wurden 2007 insgesamt 18.610 Iraker getötet, fast 5.000 mehr als im Jahr zuvor. Diese Zahl umfasst sowohl Zivilpersonen als auch Sicherheitskräfte. Die Zahl der zivilen Opfer entwickelte sich im Jahresverlauf rückläufig von 2.155 im Mai auf 710 im Dezember.
    Für die US-Truppen im Irak war 2007 mit 899 getöteten Soldaten das verlustreichste Jahr seit Beginn des Krieges vor fast fünf Jahren. Auch hier ging die Opferzahl von Mai bis Dezember zurück - von 126 auf 21. Insgesamt kamen seit der US-Invasion im März 2003 mindestens 3.902 US-Soldaten ums Leben.
    Den Rückgang in der zweiten Jahreshälfte führen Beobachter nicht zuletzt auf zwei wesentliche Entwicklungen zurück: die einseitig verkündete Feuerpause einer großen schiitischen Miliz und der gemeinsame Kampf sunnitischer Stämme mit den irakischen und US-Streitkräften gegen aufständische Extremisten. Die Bildung so genannter Erweckungsräte aus Sunniten, die sich gegen Al Kaida im Irak gestellt haben und von den USA für örtliche Sicherungsaufgaben bezahlt werden, gilt als entscheidender Faktor für einen Rückgang der Anschläge seit Juni um rund 60 Prozent.
    In den Provinzen Anbar, Bagdad und anderen Regionen mit hohem sunnitischen Bevölkerungsanteil haben sich mehr als 70.000 Menschen diesen Erweckungsräten angeschlossen. Ihre Mitglieder werden allerdings immer häufiger selbst zur Zielscheibe von Attentaten. Zwölf von ihnen wurden am Montag (31. Dez.) bei einem Selbstmordanschlag auf eine Kontrollstelle in der Stadt Mischada nördlich von Bagdad getötet. (AP, 1. Jan. 2008)


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