Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

16. bis 31. Dezember 2005

Freitag, 16. Dezember, bis Sonntag, 18. Dezember
  • Im Irak hat am späten Abend des 15. Dez. die Auszählung der Stimmen der Parlamentswahlen begonnen. Erste Wahlergebnisse werden frühestens in zwei Wochen vorliegen. Der Sprecher der Wahlkommission, Farid Ajar, sagte vor der Presse in Bagdad, das amtliche Endergebnis könnte zwei weitere Wochen auf sich warten lassen. (dpa, 16. Dez.)
  • Irakische Sicherheitskräfte haben den jordanischen Topterroristen Abu Mussab al-Sarkawi im vergangenen Jahr zwar gefasst, ihn jedoch versehentlich wieder freigelassen, weil ihnen nicht klar war, wer ihnen da ins Netz gegangen war. Das berichtete der amerikanische Nachrichtensender CNN am 15. Dez. unter Berufung auf den stellvertretenden irakischen Innenminister Hussain Kamal. Der Minister bestätigte demnach, dass Sarkawi sich im vergangenen Jahr zeitweilig in Gewahrsam befand. Einzelheiten nannte er jedoch nicht. Ein US-Militär wollte den Bericht weder bestätigen noch dementieren, sondern sagte nur: "Das ist glaubwürdig." (dpa, 16.12.2004)
  • Bei der Parlamentswahl im Irak haben nach Angaben der Wahlkommission mehr als 70 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Der Vorsitzende der Kommission, Farid Ajar, sagte dem Nachrichtensender Al-Arabija am 16. Dez., etwa zehn bis elf Millionen Iraker hätten gewählt.
  • Bei der Wahl des ersten regulären irakischen Parlaments seit dem Sturz Saddam Husseins haben über 300.000 Exil-Iraker ihre Stimme abgegeben. In 15 Staaten, darunter auch Deutschland, hätten sich 320.000 Exil-Iraker an der Wahl beteiligt, teilte die Vorsitzende der zuständigen Kommission am 16. Dez. mit. Allein im Iran hätten 59.000 Iraker gewählt, in Jordanien 31.000, sagte Hamida al Hussaini. Die Zahl der wahlberechtigten Iraker in den 15 Staaten, die eine Teilnahme an der Wahl ermöglichten, wird auf 1,5 Millionen geschätzt. Die Wahlbeteiligung in dieser Gruppe läge demnach bei 21 Prozent.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Wahlen im Irak als "weiteren Meilenstein" auf dem Weg in eine demokratische Zukunft des Landes bezeichnet. Die "historische Wahl" schaffe die Grundlage für die nationale Versöhnung, erklärte Annan am 16. Dez. in New York. Für alle Iraker gebe es nun die Möglichkeit, am Aufbau eines "friedlichen, demokratischen, vereinten und wohlhabenden" Iraks mitzuwirken. Gleichzeitig begrüßte er die "rege Wahlbeteiligung und die relative Ruhe" bei der Wahl am Vortag.
  • Bulgarien hat am 16. Dez. mit dem Abzug seiner Soldaten aus dem Irak begonnen. Die 400 Mann starke Truppe habe ihre Mission beendet und beginne gemäß einem Parlamentsbeschluss vom Frühjahr mit der Heimkehr, teilte das Verteidigungsministerium in Sofia mit. Mit der irakischen Parlamentswahl am Donnerstag habe das bulgarische Bataillon seine Aufgabe erfolgreich abgeschlossen. Die Verantwortung für die Sicherheit in der Stadt Diwanija, wo die Soldaten stationiert waren, werde an irakische Sicherheitskräfte abgetreten. Seit Beginn des bulgarischen Irak-Einsatzes im August 2003 sind 13 Soldaten getötet worden, auch sechs bulgarische Zivilisten kamen im Irak ums Leben.
  • Bei der irakischen Wahlkommission sind einen Tag nach der Parlamentswahl fast 200 Beschwerden eingegangen. Kommissionssprecher Essedin al Mohamadi erklärte am 16. Dez., in 35 Fällen gehe es um gewaltsame Übergriffe der Polizei und der Streitkräfte. Die restlichen drehten sich zumeist um Verstöße im Wahlkampf, wie das Zeigen religiöser Symbole zu Werbezwecken. "Bisher haben wir noch keine Beschwerden über Wahlbetrug erhalten", sagte er.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich bei einem Telefongespräch mit US-Präsident George W. Bush zufrieden über die Wahl im Irak geäußert. Annan sagte, das irakische Volk habe eine weitere Hürde auf dem Weg zur Demokratie genommen, wie der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Frederick Jones, am Abend des 16. Dez. in Washington mitteilte. Dabei habe der UN-Generalsekretär auf die geringe Gewalt und die hohe Wahlbeteiligung bei der Abstimmung vom Donnerstag verwiesen.
  • Nach der Parlamentswahl im Irak haben sunnitische und schiitische Politiker Bereitschaft zur Bildung einer Regierungskoalition geäußert. Der schiitische Abgeordnete Muwafak al Rubaje erklärte am 17. Dez., seine Volksgruppe solle eine Regierungskoalition bilden, auch wenn es nicht notwendig sei. Sein Kollege Dschauad al Maliki rechnete mit einem starken Abschneiden der Schiiten, die aber wohl dennoch einen Koalitionspartner benötigten.
  • Die im Irak verschleppte Susanne Osthoff ist nach einem "Focus"-Bericht vom 17. Dez. offenbar bei guter Gesundheit. Der Krisenstab im Auswärtigen Amt gehe fest davon aus, dass die 43-Jährige noch am Leben sei. Ein Sprecher des Außenministeriums wollte sich nicht zu Einzelheiten des Entführungsfalls äußern. Während es weiterhin kein Zeichen für eine baldige Freilassung Osthoffs gibt, wächst in Deutschland die Unterstützung für die Verschleppte. Mit einer Kampagne setzen sich auch Medienschaffende für die Archäologin ein.
  • US-Vizepräsident Dick Cheney hat am 18. Dez. überraschen den Irak besucht. Dabei handelte es sich um Cheneys erste Irakreise seit dem Beginn des Kriegs im März 2003. Bei einem Treffen mit den Befehlshabern der US-Armee im Irak sagte der Vizepräsident, die Beteiligung an der Parlamentswahl am 15. Dez. sei "bemerkenswert" und unterstütze den Aufbau einer politischen Struktur, "welche die verschiedenen Teile der Bevölkerung einen und für innere Sicherheit sorgen soll".
  • Die im Irak entführte Deutsche Susanne Osthoff ist frei. Das sagte ihr Bruder Robert Osthoff am Abend des 18. Dez. dem Nachrichtensender n-tv.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die Freilassung der im Irak entführten Deutschen Susanne Osthoff wenig später bestätigt. Die 43-Jährige sei in guter körperlicher Verfassung und befinde sich in der deutschen Botschaft im Irak, sagte Steinmeier am Abend des 18. Dez. in Berlin. Die Bundesregierung teile die Erleichterung der Familie über die Freilassung.
  • Nach drei Tagen relativer Ruhe im Irak haben Anschläge und Überfälle am 18. Dez. wieder zugenommen. Allein in der Hauptstadt Bagdad wurden am Vormittag zehn Menschen erschossen, zudem riss ein Selbstmordattentäter einen Polizisten mit in den Tod. Bei einem weiteren Bombenanschlag wurden eine Frau getötet und elf Personen verletzt. Auch in anderen Landesteilen kam es vereinzelt zu Anschlägen.
Montag, 19. Dezember, bis Sonntag, 25. Dezember
  • Mehrere Führungsfiguren der früheren irakischen Regierung, die nach dem US-geführten Einmarsch in das Land gefangengenommen worden waren, sind aus der Haft entlassen worden. Unter den Freigelassenen sind auch die beiden irakischen Wissenschaftlerinnen Huda Saleh Mehdi Amasch und Rihab Taha, die als "Doktor Milzbrand" und "Doktor Keim" bekannt geworden waren, wie ein irakischer Anwalt am 19. Dez. sagte. Mehrere der insgesamt 24 Freigelassenen hätten Ausweispapiere bekommen, damit sie den Irak verlassen könnten. Ein Sprecher der US-Armee sprach von acht Freilassungen.
  • Bei zwei Anschlägen in Bagdad starben am 19. Dez. fünf Menschen, weitere elf wurden verletzt. Unbekannte schossen im Süden der Stadt auf den Konvoi des stellvertretenden Gouverneurs, Siad Tarek el Subai. Der Gouverneur erlitt Verletzungen, drei seiner Leibwächter starben. Bei einem Autobombenanschlag wurde der Polizeichef des Stadtviertels Dora, Salam Aalag Sahal, verletzt; zwei Iraker kamen ums Leben.
  • US-Präsident George W. Bush hat mit zwei öffentlichen Auftritten kurz hintereinander eindringlich um Zustimmung zu seiner Politik geworben. Mit einer Fernseh-Ansprache an die Nation bat er am 18. Dez. zunächst um Unterstützung im Irakkrieg. Kaum zwölf Stunden später, am 19. Dez., kritisierte er heftig die US-Medien und den US-Kongress, die den Kampf gegen den Terrorismus schwächten. Die Enthüllung geheimer Lauschangriffe in den USA sei eine "schändliche Tat" und "Verrat von Geheimnissen", sagte Bush.
  • Nach Susanne Osthoff ist am 19. Dez. auch ihr im Irak entführter Fahrer wieder frei gekommen. Sein Verbleib ist aber noch unklar.
  • Im Irak sind fünf US-Soldaten wegen Misshandlung von Gefangenen verurteilt worden. Wie die US-Armee am 20. Dez. in Bagdad mitteilte, bekannten sich die Angeklagten vor einem Militärgericht schuldig. Gegen sie wurden Haftstrafen zwischen einem und sechs Monaten verhängt. Die Vorgänge, die ihnen zur Last gelegt wurden, hatten sich bereits im September abgespielt. Zwei der Verurteilten sollen nach Verbüßung ihrer Strafe aus der Armee entlassen werden.
  • In vier mehrheitlich sunnitischen Provinzen des Irak liegt nach Teilergebnissen der Parlamentswahl das Sunniten-Bündnis vorn. Nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen in der westlichen Provinz El Anbar gewann die Irakische Eintrachts-Front nach Angaben eines Vertreters der Wahlkommission vom 20. Dez. dort 73 Prozent der Stimmen. Im nordwestlichen Ninive erreichte das Bündnis aus Irakischer Islamischer Partei, Irakischem Nationalen Dialog und Konferenz für das Irakische Volk 36 Prozent, wie es nach Auszählung von 87 Prozent der Stimmzettel hieß. Ähnlich viele Stimmen erhielten die Sunniten-Parteien demnach in der ethnisch gemischten Provinz Dijala nördlich von Bagdad und in der Provinz Salaheddin, aus der der frühere Machthaber Saddam Hussein stammt.
  • Nach der Veröffentlichung erster Teilergebnisse der Parlamentswahl im Irak bahnt sich ein neuer Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten an. Die politische Parteien der sunntischen Minderheit wiesen die Zahlen am 20. Dez. als Verfälschung des Wählerwillens zurück und forderten eine umgehende Richtigstellung. Umstritten war insbesondere das von der Wahlkommission verkündete Teilergebnis aus der Hauptstadt Bagdad. Nach Auszählung von 89 Prozent der Wahlurnen liegt das schiitische Parteienbündnis Vereinte Irakische Allianz dort mit etwa 59 Prozent in Führung. Mit deutlichem Abstand folgen die sunnitische Vereinigung Irakische Eintracht mit 19 Prozent und die säkulare Irakische Liste des früheren Ministerpräsidenten Ajad Allawi mit 14 Prozent. Adnan al Dulaimi, der Vorsitzende der Irakischen Eintracht, erklärte, er erkenne dieses Ergebnis nicht an. Auch in anderen Wahlkreisen seien Beobachter seines Bündnisses aus drei sunnitischen Parteien zu anderen Ergebnissen gekommen als die Wahlkommission.
  • Die am 18. Dez. aus der Geiselhaft freigelassene deutsche Archäologin Susanne Osthoff hat den Irak inzwischen verlassen. Das bestätigte am 21. Dez. das Auswärtige Amt auf dpa- Anfrage. Sie wolle ihrem Wunsch entsprechend fernab der Öffentlichkeit zunächst einige Tage mit ihrer Tochter verbringen. Wohin die 43-Jährige reiste, blieb unklar.
    Im Zusammenhang mit der Entführung von Susanne Osthoff gehen die deutschen Sicherheitsbehörden nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios dem Verdacht nach, dass ihr Fahrer, Chalid el Schimani, ein Komplize der Entführer war. Wie der Sender am 21. Dez. berichtete, vermuten die Behörden nach den bisherigen Ermittlungen hinter der Geiselnahme Angehörige des Duleimi-Stammes, der mehrheitlich dem sunnitischen Widerstand gegen die jetzige Regierung angehört. Ein Duleimi-Scheich soll der deutschen Archäologin demnach den Fahrer zur Verfügung gestellt haben. Dieser Scheich sei deshalb ins Fadenkreuz der deutschen Ermittler gerückt. Für eine Verantwortung dieses Stammes spreche auch, dass einer der Mittelsmänner ihm angehöre. Durch ihn hätten die deutschen Unterhändler schon relativ schnell nach der Geiselnahme Kontakt zu den Entführern gehabt.
  • Der ehemalige irakische Machthaber Saddam Hussein ist nach der Festnahme durch die US-Armee nach eigenen Angaben misshandelt worden. "Ich wurde von den Amerikanern geschlagen und gefoltert", sagte Saddam Hussein am 21. Dez. vor dem Sondergericht in Bagdad. Er sei am ganzen Körper geschlagen worden, die Zeichen seien überall sichtbar. US-Truppen hatten den früheren irakischen Präsidenten Ende 2003 festgenommen.
    Der Prozess gegen den ehemaligen irakischen Staatschef Saddam Hussein ist vertagt worden. Die nächsten Anhörungen seien am 22. Dez. geplant, teilte das Sondertribunal am Abend des 21. Dez. in Bagdad mit.
    Mit Empörung hat die US-Regierung den Vorwurf des früheren irakischen Machthabers Saddam Hussein zurückgewiesen, er sei in US-Gewahrsam misshandelt worden. Angesichts der Grausamkeit von Saddam Husseins Regime sei es "hochgradig zynisch", dass der frühere Staatschef nun derartige Beschuldigungen erfinde, sagte Präsidentensprecher Scott McClellan.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist am 22. Dez. zu einem unangekündigten Besuch im Irak eingetroffen. Der aus Afghanistan kommende Rumsfeld wollte sich mit US-Soldaten und irakischen Führern treffen. Zuvor hatte er bei einem Besuch der in Afghanistan stationierten US-Truppen erklärt, der "Sieg" im Irak werde erreicht sein, wenn die politische Lage zu einem Erfolg werde und die irakischen Sicherheitskräfte "kompetent genug" seien, um den Abzug der US-Truppen zu ermöglichen.
  • 35 politische Gruppierungen im Irak haben am 22. Dez. das bisher vorliegende Teilergebnis der Parlamentswahl vom 15. Dezember als "gefälscht" zurückgewiesen und die Einrichtung eines internationalen Untersuchungsausschusses gefordert. Das von der Wahlkommission veröffentlichte Teilergebnis müsse annulliert werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der wichtigsten sunnitischen Gruppierungen und des laizistischen Bündnisses des schiitischen Ex-Regierungschefs Ijad Allawi. "Wir weisen die Ergebnisse dieser gefälschten Wahl vollständig zurück."
  • Der Prozess gegen den früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein wird am 24. Januar fortgesetzt. Das teilte der Vorsitzende des irakischen Sondertribunals am 22. Dez. in Bagdad mit. Zuvor war die siebte Anhörung in dem Verfahren nach einer einstündigen Sitzung hinter verschlossenen Türen beendet worden. Saddam Hussein hatte am Donnerstag seinen Vorwurf bekräftigt, in US-Gewahrsam geschlagen und gefoltert worden zu sein. Auch sein Halbbruder Barsan Tikriti erhob Misshandlungsvorwürfe.
  • Die anhaltende Gewalt im Irak hat erneut fast 20 Menschen das Leben gekostet. Wie die US-Streitkräfte am 22. Dez. mitteilten, wurden in Bagdad sechs irakische Polizisten erschossen, drei weitere wurden in Samarra nördlich der Hauptstadt getötet.
    In Samarra starben nach Angaben der örtlichen Polizei außerdem vier Menschen, als ein Sprengsatz ein Fahrzeug mit städtischen Angestellten zerriss.
    Bewaffnete erschossen in der Hauptstadt einen Politiker der unabhängigen Irakischen Reformbewegung.
    Im südlich gelegenen Basra wurde ein irakischer Dolmetscher getötet, der für das britische Konsulat arbeitete. Der Mann war nach Angaben eines Polizeisprechers am Abend des 21. Dez. entführt worden.
    In Chalis eröffneten Bewaffnete das Feuer auf zwei Lastwagen und töteten einen Fahrer, der zweite wurde laut Polizei verschleppt.
    Bei einer Bombenexplosion wurde in Bagdad ein US-Soldat getötet, wie die Streitkräfte erklärten. Seit Beginn des Irak-Krieges im März 2003 sind nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP mehr als 2.150 Angehörige der US-Truppen ums Leben gekommen.
  • Die Vereinten Nationen lehnen eine Überprüfung der Parlamentswahl im Irak ab. Mehrere irakische Parteien haben der Wahlkommission Manipulationen vorgeworfen und gefordert, eine internationale Körperschaft müsse den Beschwerden nachgehen. UN-Sprecher Robert Sullivan erklärte am Abend des 22. Dez. jedoch, die Vereinten Nationen würden diese Aufgabe nicht übernehmen.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat am 23. Dez. den Abzug von zwei Kampfbrigaden aus dem Irak zum Frühjahr 2006 angekündigt. US-Präsident George W. Bush habe bei den Kampfbrigaden eine Reduzierung von 17 auf 15 genehmigt, sagte Rumsfeld bei einem unangekündigten Treffen mit etwa 300 US-Soldaten im irakischen Falludscha rund fünfzig Kilometer westlich der Hauptstadt Bagdad. Eine Brigade besteht aus 4.000 bis 5.000 Soldaten, im Irak könnten die Kampfbrigaden allerdings kleiner sein.
  • Ein Gericht in Den Haag hat am 23. Dez. einen niederländischen Geschäftsmann wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen im Irak zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 63 Jahre alte Frans van Anraat in den achtziger Jahren Grundstoffe für die irakische Giftgasproduktion geliefert hatte. Die Richter sprachen ihn aber von der Anklage der Beihilfe zum Völkermord frei. Nach ihrer Ansicht konnte nicht nachgewiesen werden, dass er Bescheid wusste über die Verwendung der von ihm gelieferten Stoffe.
  • Bei zwei Anschlägen im Irak kamen am 23. Dez. mindestens 13 Menschen ums Leben. In der Ortschaft Adhaim überfielen Bewaffnete einen Kontrollpunkt der irakischen Streitkräfte und töteten acht Soldaten, 17 weitere wurden nach Angaben eines Offiziers verletzt. Vor einer schiitischen Moschee in Balad Rus riss ein Selbstmordattentäter vier Menschen mit in den Tod, die Zahl der Verletzten gab die Polizei mit acht an. Adhaim und Balad Rus liegen nordöstlich von Bagdad.
  • Die Angehörigen der vier im Irak entführten christlichen Friedensaktivisten haben erneut die Freilassung der Geiseln gefordert. "Wir appellieren an Sie, uns zu helfen, dass unsere Angehörigen unbeschadet zurückkehren", heißt es in der Erklärung, die in den kommenden Tagen in arabischer Übersetzung in den irakischen Medien verbreitet werden soll, wie das britische Außenministerium am 23. Dez. mitteilte. In den vergangenen Tagen hätten bereits mehrere religiöse Vertreter aus der moslemischen und arabischen Welt zu ihrer Befreiung aufgerufen, erklärten die Angehörigen.
  • Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat dem Irak einen Kredit in Höhe von 685 Millionen Dollar (577 Millionen Euro) auf Abruf zugesagt. Der IWF würdigt mit seiner Entscheidung am 23. Dez. die Bemühungen der Regierung in Bagdad um den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes. Trotz der "äußerst schwierigen Sicherheitslage" hätten die irakischen Behörden 2005 wirtschaftliche Erfolge erzielt, sagte der stellvertretende IWF-Direktor Takatoshi Kato in Washington.
  • Die Bundesregierung will laut einem Bericht der "Neuen Osnabrücker Zeitung" keine Projekte im Irak mehr unterstützen, an denen die deutsche Archäologin Susanne Osthoff in irgendeiner Form beteiligt ist. Unter Berufung auf das Auswärtige Amt in Berlin berichtet die Zeitung am 24. Dez., Osthoff sei nach dem Ende ihrer Entführung "unmissverständlich" aufgefordert worden, nicht mehr in den Irak zurückzukehren. Als Konsequenz aus dem Geiseldrama wolle das Auswärtige Amt daher auch kein Projekt fördern, die "mit einem Aufenthalt von Frau Osthoff in dem Land verbunden wäre".
  • Bei verschiedenen Angriffen im Irak sind am 24. Dez. mindestens 18 Menschen getötet worden, darunter zwei irakische Soldaten und vier Polizisten. Zudem seien acht nicht identifizierte Leichen gefunden worden, verlautete aus Sicherheitskreisen. Im Zentrum von Samarra 125 Kilometer nördlich von Bagdad wurden drei Zivilisten getötet, wie das örtliche Krankenhaus mitteilte. Zuvor kamen drei Polizisten bei der Explosion einer Bombe in Baakuba 60 Kilometer nördlich der irakischen Hauptstadt ums Leben. Ein weiterer Polizist wurde im nördlichen Mossul erschossen.
  • Gefangene in dem von Großbritannien betriebenen Gefängnis Schaiba nahe der südirakischen Stadt Basra haben in den vergangenen Tagen gegen ihre Haftbedingungen protestiert. Wie die britische Zeitung "The Guardian" am 24. Dez. berichtete, traten mehrere Häftlinge vorübergehend in den Hungerstreik. Sie hätten dagegen protestiert, dass sie ohne Anklage und ohne Prozess festgehalten würden. Der "Guardian" zitierte Angehörige der Häftlinge, die den britischen Soldaten vorwarfen, die Insassen während des Gebets anzugreifen und Hunde gegen sie einzusetzen. Die Zeitung konnte die Informationen nicht überprüfen. Ein britischer Armeesprecher sagte, das Gefängnis werde regelmäßig vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz inspiziert. Alle Insassen sitzen wegen mutmaßlicher terroristischer Aktivitäten oder Aufruhrs ein.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat den US-Truppen im irakischen Mossul eigenhändig das Weihnachtsessen serviert. "Was hätten Sie gerne?", fragte der Minister mit einer weißen Kochmütze auf dem Kopf am Heiligabend jeden Soldaten in der Kantine, der bei ihm anstand. Die Soldaten hatten die Wahl zwischen Languste, Steak oder Krabbe und ließen sich stolz mit dem Pentagonchef fotografieren. Rumsfeld dankte den Truppen anschließend für ihren Einsatz im Irak. "Im Kampf zwischen Freiheit und Tyrannei wird die Freiheit schließlich siegen, sie wird dank der Opferbereitschaft und der Ausdauer derjenigen siegen, die die Uniformen Amerikas tragen", sagte der Verteidigungsminister.
  • Ein US-Soldat ist am 24. Dez. im Norden des Iraks bei einem Granatenangriff tödlich verletzt worden. Wie die Streitkräfte mitteilten, befand sich der Soldat nahe der Stadt Hawidscha auf einer routinemäßigen Patrouille. Er sei bei dem Angriff verwundet und später seinen Verletzungen erlegen, hieß es.
  • Die Kidnapper eines im Irak entführten Jordaniers fordern von Amman die Freilassung einer irakischen Terroristin. In einem Video verlas der entführte Fahrer der jordanischen Botschaft in Bagdad am 24. Dez. eine Erklärung der Kidnapper. Sie drohten mit seiner Ermordung, sollte die jordanische Regierung der Forderung nicht binnen dreier Tage nachkommen. Die Irakerin, deren Freilassung gefordert wird, war nach Anschlägen am 9. November auf Hotels in Amman verhaftet worden. Ihr Sprengstoffgürtel war nicht explodiert.
  • In Bagdad haben am 25.Dez. rund 1.000 Schiiten gegen Forderungen nach einer Wiederholung der irakischen Parlamentswahl vom 15. Dezember demonstriert. Die von religiösen schiitischen Parteien gebildete Vereinte Irakische Allianz stellt nach bisherigen unvollständigen Ergebnissen die Mehrheit der Abgeordneten im künftigen Parlament. Sunnitische Araber sprachen bei Protestveranstaltungen in Falludscha und Bakuba indes erneut von Betrug und forderten eine neuerliche Abstimmung. Aus Protest gegen die Wahl blieben in Falludscha alle Ämter geschlossen. Im Zusammenhang mit der Wahl sind rund 1.500 Beschwerden erhoben worden, sunnitische Araber und säkulare Schiiten fordern eine Überprüfung durch ein internationales Gremium.
  • Die US-Streitkräfte werden keine Gefängnisse oder Häftlinge mehr in die Zuständigkeit der irakischen Behörden übergeben, bis dort die Rechte von Gefangenen gewährleistet sind. Dies erklärte Oberstleutnant Berry Johnson am 25. Dez. in Bagdad, zwei Wochen, nachdem die Misshandlung von 120 Häftlingen in Gefängnissen des irakischen Innenministeriums bekannt wurde. Militärsprecher Johnson sagte, einen Zeitplan für die Übergabe gebe es nicht. Sie werde davon abhängen, "dass Standards eingehalten werden, kein Zeitplan". Zuerst müssten die irakischen Behörden zeigen, dass die Rechte der Häftlinge garantiert würden und internationales Recht für deren Behandlung befolgt werde.
  • Der US-Generalstabschef Peter Pace hat eingeräumt, dass die US-Truppen im Irak unerwünscht sind. Die Iraker wollten die US-Soldaten und ihre internationalen Verbündeten "so früh wie möglich" außer Landes haben, sagte der oberste US-Militär am 25. Dez. in einem Interview mit dem US-Fernsehsender Fox News. "Sie wollen nicht, dass wir morgen abziehen, aber so früh wie möglich". Pace fügte hinzu, die Stärke der US-Truppen im Irak werde von nun an monatlich überprüft. Seine Ankündigung folgte auf die von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 23. Dez. bekannt gegebene Entscheidung, bis zum kommenden Frühjahr zwei Kampfbrigaden aus dem Irak abzuziehen, die insgesamt etwa 7.000 Soldaten umfassen.
  • Der anhaltenden Gewalt fielen am 25. Dez. mindestens 16 Menschen zum Opfer. Allein in Bagdad starben bei einem Selbstmordanschlag fünf irakische Soldaten, wie die Polizei mitteilte. Sieben weitere Menschen seien verletzt worden.
Montag, 26. Dezember, bis Samstag, 31. Dezember
  • Bei neuer Gewalt im Irak sind am 26. Dez. zahlreiche Menschen getötet worden.
    Sieben Menschen kamen bei sechs Selbstmordanschlägen in der Hauptstadt ums Leben.
    Zwei Iraker starben in Mahmudija rund 30 Kilometer südlich von Bagdad, als ein Lastwagen beschossen wurde. Anschließend steckten die Angreifer das Fahrzeug in Brand.
    Bei einem Rebellenangriff auf eine Polizeiwache nahe der irakischen Stadt Baakuba sind am 26. Dez. mindestens sieben Menschen getötet worden. Nach Polizeiangaben griffen etwa 30 Rebellen den Kontrollpunkt mit Mörsern, Panzerabwehrraketen und Gewehren an. Fünf Polizisten kamen ums Leben, vier weitere wurden verletzt. Auch zwei der Angreifer wurden getötet.
  • Wenige Tage vor dem Abzug der letzten ukrainischen Soldaten stattete Präsident Viktor Juschtschenko den Truppen im Irak am 26. Dez. einen Überraschungsbesuch ab. Die Regierung in Kiew will bis zum 30. Dezember die noch verbleibenden 867 Soldaten nach Hause holen.
    Auch der australische Generalgouverneur traf über die Weihnachtstage im Irak ein. Generalmajor Michael Jefferey erklärte am 26. Dez., er habe nach dem Truppenbesuch im Irak am 25. Dez. auch Soldaten in Afghanistan besucht.
  • Die vor gut einer Woche aus der Geiselhaft entlassene Deutsche Susanne Osthoff will in den Irak zurückkehren. Sie wolle ihre Arbeit als Archäologin fortsetzten, sagte sie am 26. Dez. dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira. Einen Zeitpunkt für die Rückkehr nannte sie nicht. Osthoff war Ende November im Irak entführt worden und am Sonntag vor einer Woche freigekommen. Derzeit hält sie sich vermutlich in einem anderen arabischen Land auf. Die Bundesregierung will sie von einer Rückkehr in den Irak abhalten.
  • Bei der irakischen Parlamentswahl Mitte Dezember haben im Ausland lebende Iraker sowie Kranke, Häftlinge und Sicherheitskräfte mehrheitlich für die Kurdische Allianz gestimmt. Wie die Wahlkommission am 26. Dez. mitteilte, kam die Allianz bei dem Sonderwahlgang auf 36,56 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei folgte die schiitische Liste Vereinigte Irakische Allianz mit 30,28 Prozent. Auf dem dritten Platz landete die Nationale Irakische Liste, das laizistische Bündnis von Ex-Regierungschef Ijad Allawi. Sie kam auf 11,10 Prozent der Stimmen.
  • Bei einem Hubschrauberabsturz in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind zwei US-Soldaten getötet worden. Die Militärmaschine sei am Abend des 26. Dez. im Westteil der Stadt abgestürzt, erklärte die Armee am 27. Dez. Es habe keinen Beschuss durch Rebellen gegeben. Ein Sprecher wollte sich weder zum Helikoptertyp noch zu den Umständen des Unfalls äußern.
  • Mehrere hundert Iraker haben am 27. Dez. in Bagdad gegen die Ergebnisse der Parlamentswahl Mitte des Monats protestiert. Zu der Demonstration hatte die Bewegung Maram aufgerufen, zu der sich 42 irakische Parteien zusammengeschlossen haben. Ein Sprecher verlangte zu Beginn des Protestzugs durch den Westteil der irakischen Hauptstadt die Neubesetzung der Wahlkommission und "ehrliche" Neuwahlen. Die Maram-Bewegung wirft der jetzigen Übergangsregierung Wahlbetrug und der Wahlkommission Parteilichkeit vor. Die bislang bekannt gewordenen Teilergebnisse der Wahl am 15. Dezember seien zugunsten der größten schiitischen Partei, der religiösen Vereinigten Irakischen Allianz, gefälscht worden. (AFP)
    Mehr als 10.000 Iraker haben am Dienstag für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit demonstriert. Sie forderten mehr Einfluss für die sunnitischen Parteien und die säkulare Irakische Liste und wandten sich gegen eine Wiederauflage der gegenwärtigen Regierung, die von religiösen Schiiten dominiert wird. (AP)
  • Eineinhalb Wochen nach der Parlamentswahl im Irak sollen am 28. Dez. die Führungskräfte der Fraktionen zusammenkommen, um über die Möglichkeiten zur Bildung einer gemeinsamen Regierung zu beraten. Das Treffen gehe auf eine Einladung von Präsident Dschalal Talabani zurück und solle in Duchan bei Suleimanijah rund 330 Kilometer nördlich von Bagdad stattfinden das irakische Präsidialamt am 27. Dez. mit. Neben dem konservativen Schiitenführer Abdel Asis Hakim würden auch der ehemalige Regierungschef Ijad Allawi und die Sunnitenführer erwartet, sagte ein Sprecher Talabanis. Ob sie jedoch tatsächlich teilnehmen würden, war vorerst nicht sicher.
  • Bei Schießereien in Bagdad wurden am 27. Dez. drei Polizisten und zwei Passanten getötet. Südlich der Hauptstadt fielen zwei Polizisten einer Bombenexplosion zum Opfer.
  • Polen will das Mandat für seine im Irak stationierten Truppen bis Ende 2006 verlängern. Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz teilte am 27. Dez. in Warschau mit, die Regierung habe Präsident Lech Kaczynski gebeten, das Mandat vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006 zu verlängern. Gleichzeitig solle jedoch die Zahl der Soldaten ab März von derzeit 1450 auf rund 900 verringert werden.
  • Die letzten ukrainischen Soldaten haben am 27. Dez. den Irak verlassen. Wie das Verteidigungsministerium in Kiew am Abend mitteilte, trafen die 44 Soldaten in einem Hafen in Kuwait ein, von wo aus sie in ihre Heimat zurückkehren sollten. Der Einsatz der ukrainischen Soldaten im Rahmen der US-geführten multinationalen Truppen im Irak war in der vergangenen Woche offiziell zu Ende gegangen. Rund 900 Soldaten waren mehr als zwei Jahre im Irak stationiert; dabei wurden insgesamt 18 Ukrainer getötet.
    Auch die bulgarischen Soldaten der multinationalen Streitkräfte im Irak schlossen am 27. Dez. ihren Abzug ab.
  • Die Bundesregierung beabsichtigt, ihr politisches und wirtschaftliches Engagement für den Irak zu verstärken. Deutschland wolle "nach den erfolgreichen Wahlen im Irak den Demokratisierungs- und Stabilisierungsprozess im Irak stärker unterstützen", sagte der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Friedbert Pflüger (CDU), der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Ausgabe vom 28. Dez.). Gleichzeitig betonte er, es bestehe in der großen Koalition Konsens darüber, dass keine deutschen Soldaten in den Irak entsendet würden. Die Bundesregierung beabsichtige weiter, die von Rot-Grün begonnenen Ausbildungslehrgänge von irakischen Sicherheitskräften in Deutschland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Quantität und Qualität fortzusetzen, sagte Pflüger dem Blatt. Allein in diesem Jahr habe es 90 Maßnahmen, unter anderem die Ausbildung von Stabsoffizieren, Logistikern und Sanitätspersonal, in der Bundesrepublik gegeben. Zudem seien der irakischen Armee hundert LKW und ein Feldlazarett übergeben sowie 250 Baupioniere in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgebildet worden.
  • Bei einem versuchten Gefangenenausbrauch im Irak sind nach Regierungsangaben 21 Menschen getötet worden. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums entrissen die Häftlinge in einem Gefängnis in Bagdad am Morgen des 28. Dez. einem Wärter die Waffe und erschossen einen Aufseher. Die übrigen Wärter hätten daraufhin das Feuer eröffnet und 20 Häftlinge erschossen. Viele der Gefangenen in der Haftanstalt saßen wegen Terrorismusverdachts ein. Ein Vertreter der US-Armee sagte, der Vorfall werde untersucht. (AFP)
    Ein Häftling hat in einem Bagdader Gefängnis ein Blutbad angerichtet: Der Iraker überwältigte am Morgen des 28. Dez. einen Aufseher und nahm dessen Gewehr an sich. Mit diesem feuerte er auf andere Gefängnisangestellte und Häftlinge und tötete acht von ihnen, wie die Polizei mitteilte. Drei weitere Menschen seien verletzt worden. Der Vorfall ereignete sich in einer Haftanstalt des Bezirks Kasimija. (AP)
  • Aus Protest gegen die vorläufigen Ergebnisse der Parlamentswahl im Irak sind am 28. Dez. erneut tausende Menschen auf die Straße gegangen. In der sunnitischen Hochburg Samarra demonstrierten nach Angaben der Organisatoren 4.000 Menschen gegen einen angeblichen Wahlbetrug zugunsten der Schiiten. Die Bewohner von Samarra lehnten die bekannt gegebenen Wahlergebnisse ab, sagte ein Sprecher der Protestbewegung Maram, der 42 sunnitische und säkulare Organisationen angehören.
  • Trotz einiger Manipulationen bei der irakischen Parlamentswahl sehen die Vereinten Nationen keinen Grund für eine Wahlwiederholung. Die Abstimmung am 15. Dezember sei transparent und glaubwürdig verlaufen, sagte UN-Mitarbeiter Craig Jenness am 28. Dez. in Bagdad. Die Pressekonferenz wurde von der Unabhängigen Irakischen Wahlkommission organisiert, die von den Vereinten Nationen unterstützt wird. Mitarbeiter der Wahlkommission erklärten, man habe einige Betrugsfälle aufgedeckt, die eine Wiederholung der Stimmabgabe in den betreffenden Wahllokalen rechtfertigten. Eine generelle Wahlwiederholung sei jedoch nicht notwendig. Insgesamt gab es mehr als 1.500 Einsprüche gegen die Wahl, von denen der Kommission zufolge etwa 50 ernsthaft begründet sind. Wahlfälschungen seien in den Provinzen Bagdad, Erbil, Ninewa, Kirkuk, Anbar und Dijala entdeckt worden, sagte Abdul Hussein Hendawi von der Wahlkommission. In den nächsten Tagen werde darüber entschieden, was in den betreffenden Stimmbezirken geschehen solle. Jenness verwies auf die relativ geringe Zahl von Einsprüchen. Auf 7.000 Wähler käme weniger als eine Klage, sagte der UN-Mitarbeiter. «Die Wahlbeteiligung war hoch und der Verlauf friedlich», ergänzte er. Alle irakischen Gruppen hätten sich beteiligt.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad sind am 29. Dez. vier irakische Polizisten getötet worden. Vier weitere Beamte wurden verletzt, wie Polizei-Leutnant Bilal Ali Mahid mitteilte.
  • Nach der Mord-Drohung gegen die französische Irak-Geisel Bernard Planche hat die Regierung in Paris seine Freilassung gefordert. "Nichts rechtfertigt es, Bernhard Planche weiter in Gefangenschaft zu halten", erklärte der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy am 29. Dez. "Ich appelliere erneut an die Entführer, unseren Landsmann sofort freizulassen." Douste-Blazy verwies darauf, "dass Frankreich keine Militärpräsenz im Irak unterhält und immer eine Wiederherstellung der vollständigen Souveränität des Landes befürwortet hat".
  • Bei einem Überfall auf einen Minibus im Irak haben unbekannte Angreifer 14 Reisende erschossen. Die Insassen des Fahrzeugs seien mit Schüssen aus Maschinengewehren getötet worden, teite das Innenministerium am 29. Dez. mit. Bei den Opfern handelt es sich demnach um Schiiten, die seit dem Morgen vermisst wurden. Der Überfall habe sich in der Stadt Latifija etwa 40 Kilometer südlich von Bagdad ereignet.
  • Bei einem Bombenanschlag in der Hauptstadt starb ein US-Soldat, wie die Streitkräfte am 29. Dez. mitteilten.
    Ebenfalls in Bagdad erschossen Unbekannten den irakischen Fahrer eines französischen Unternehmens.
  • Nach Terrordrohungen schloss das irakische Ölministerium die größte Raffinerie des Landes. Tankwagenfahrer der Raffinerie in Beidschi hätten Todesdrohungen von Extremisten erhalten, sagte ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur Dow Jones am 29. Dez. Die Raffinerie 250 Kilometer nördlich von Bagdad hat ihre Produktion bereits am 24. Dez. unterbrochen. Sie lieferte täglich rund 140.000 Barrel Öl. Von den Produktionsausfällen ist vor allem Bagdad betroffen.
  • Die griechische Regierung hat nach Berichten über die Existenz eines angeblichen US-Geheimgefängnisses auf der Insel Kreta Ermittlungen eingeleitet. Das Außenministerium in Athen habe zwar "absolut keine Kenntnis" davon, dass die USA wie von dem rechtskonservativen Abgeordenten Giorgos Karatzaferis behauptet auf der Militärbasis Souda mutmaßliche Islamisten festhielten, erklärte ein Sprecher am 29. Dez. Trotzdem werde den Anschuldigungen nachgegangen.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Bereitschaft der irakischen Wahlkommission begrüßt, die Ergebnisse des Urnengangs vom 15. Dezember weiter prüfen zu lassen. Es sei wichtig, dass die irakischen Gruppen, die sich über den Verlauf der Parlamentswahl beschwert hätten, Gehör fänden, erklärte Annan am 26. Dez. Deshalb sei es positiv, dass die Internationale Mission für die irakischen Wahlen (IMIE) ein Expertenteam unter Einschluss von zwei Vertretern der Arabischen Liga in den Irak entsenden wolle, um den Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl nachzugehen. Dieses Team werde eine unabhängige Bewertung der Beschwerden vorlegen. (Vgl. hierzu auch die etwas andere Meldung aus der UNO vom 28. Dez., siehe oben.)
  • Die polnischen Truppen werden bis Ende 2006 im Irak bleiben. Entsprechende Pläne der neuen konservativen Regierung in Warschau (siehe Meldung vom 27. Dez.) wurden laut dpa vom 30. Dez. nach Worten von Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz von Staatspräsident Lech Kaczynski akzeptiert.
  • Bei zwei Anschlägen sind in Bagdad laut AFP mindestens fünf Menschen (AP: 6) getötet und zehn weitere verletzt worden. Die beiden Autobomben gingen am Nachmittag des 30. Dez. gegen 16.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MEZ) nahezu zeitgleich in die Luft, wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Tatort war eine Taxi-Haltestelle in der Nähe eines Busbahnhofs im Zentrum der irakischen Hauptstadt. Die Sammeltaxis fahren von dort meist in schiitische Stadtteile im Norden Bagdads.
  • Angesichts der Proteste gegen die Teilergebnisse der irakischen Parlamentswahl hat sich Präsident Dschalal Talabani für eine Regierung der nationalen Einheit ausgesprochen. "Die kurdische Koalition und die schiitische Allianz sind für das Prinzip einer Regierung der nationalen Einheit", sagte Talabani nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden der größten Schiitenpartei SCIRI, Abdel Asis Hakim, am 30. Dez. Die Einbeziehung anderer Parteien setze allerdings programmatische Übereinstimmungen voraus, sagte Präsident Talabani. Insbesondere müssten sich alle an der Regierung beteiligten Parteien in der Ablehnung des Terrorismus einig sein. Hakim pries die "strategische Allianz" zwischen seiner Schiiten-Partei und den Kurden. Sie sei "gegen niemanden" gerichtet.
  • In Folge des heftigen Streits um die drastische Erhöhung der Kraftstoffpreise im Irak hat Vize-Premierminister Ahmed Tschalabi das Amt des Ölministers übernommen. Der bisherige Amtsinhaber Ibrahim Bahr el Ulum sei wegen seines Widerstandes gegen die geplante Erhöhung beurlaubt worden, sagte ein irakischer Behördenvertreter am 30. Dez. Ulum hatte bereits Mitte Dezember mit seinem Rücktritt gedroht, sollte die Regierung in Bagdad an der zum Jahresanfang 2006 geplanten Erhöhung auf rund das Dreifache der bisherigen Preise festhalten, ohne gleichzeitig Kompensationen für sozial Schwache anzubieten.
  • Die Gewalt im Irak kostete zwei weiteren US-Soldaten das Leben, wie die Streitkräfte am 30. Dez. mitteilten. Einer der Soldaten wurde demnach während seiner Patrouille am 30. Dez. bei einer Bombenexplosion in Bagdad getötet. Der zweite erlag bereits am 29. Dez. in Falludscha Schussverletzungen.
  • Bei der Parlamentswahl im Irak Mitte Dezember hat es nach Ansicht des ehemaligen Ministerpräsidenten Ijad Allawi schwerwiegende Manipulationen gegeben. Ganze Lastwagenladungen voller Wahlurnen seien zugunsten der bisher regierenden Schiitenkoalition ausgetauscht worden, sagte der Spitzenkandidat der Irakisch-Nationalen Liste der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Ausgabe vom 31. Dez.) in Amman. Auch im kurdischen Norden sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Stimmenanteile von mehr als 90 Prozent in manchen Wahllokalen für eine Koalition oder Partei seien kein demokratisches Ergebnis. "Die Sunniten drohen mit einem Boykott des Parlaments, sollten die Betrugsvorwürfe nicht aufgeklärt werden", sagte Allawi.
  • In Bagdad sind am Abend des 30. Dez. neun am Flussufer sitzende Iraker aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen worden. Weitere 16 Männer wurden bei dem Angriff im Osten der Hauptstadt verletzt, wie Polizeisprecher Nadhim Nassar mitteilte. Seinen Angaben zufolge saßen die Männer friedlich am Ufer des Tigris, als aus einem schwarzen Opel Sedan heraus das Feuer auf die Gruppe eröffnet wurde. Die Motive für den Angriff waren zunächst unklar, die Polizei teilte allerdings mit, die Opfer hätten Alkohol konsumiert. (AP)
  • Die Regierung des Sudan ist der Forderung der Entführer von sechs Sudanesen im Irak nachgekommen und hat die Schließung ihrer Botschaft in Bagdad angekündigt. Ab sofort würden die sudanesischen Diplomaten aus der irakischen Hauptstadt abgezogen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Khartum am 30. Dez. Das Terrornetzwerk El Kaida hatte sich am Vortag im Internet zu der Geiselnahme bekannt und die Regierung in Khartum aufgefordert, binnen 48 Stunden die diplomatischen Beziehungen zu Bagdad abzubrechen, die Botschaft zu schließen und alle Repräsentanten aus dem Irak abzuziehen. Ansonsten würden die Geiseln getötet.
  • Bei der Explosion eines Sprengsatzes sind in Bagdad mindestens zwei Polizisten getötet worden. Die Detonation ereignete sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen am 31. Dez. im Norden der irakischen Hauptstadt beim Vorbeifahren einer Patrouille der irakischen Polizei. Vier Polizisten wurden den Angaben zufolge verletzt. Im Stadtteil Dura wurden bei der Explosion eines weiteren Sprengsatzes vier Mitglieder einer Polizeipatrouille verletzt.
  • Im Irak sind am 31. Dez. bei einem Bombenanschlag auf die Zentrale der sunnitischen Islamischen Partei mindestens fünf Menschen getötet worden. Zwei weitere Menschen wurden nach Angaben vom Augenzeugen bei der Explosion in dem Ort Chalis nördlich von Bagdad verletzt.
  • Wegen der anhaltenden Proteste gegen die Teilergebnisse der Parlamentswahl soll eine internationale Beobachtermission in Kürze im Irak mit der Überprüfung des Urnengangs beginnen. Vier Experten der Internationalen Mission für die irakischen Wahlen (IMIE) sollten binnen 48 Stunden im Irak eintreffen, sagte ein Sprecher der Organisation am 31. Dez. Das IMIE-Team besteht demnach aus zwei ranghohen Vertretern der Arabischen Liga, einem kanadischen Abgeordneten und einem von der EU entsandten Hochschullehrer. Die Experten sollen eine unabhängige Bewertung der bislang eingegangenen rund 1.500 Beschwerden wegen Wahlfälschung vornehmen.
  • Zum Jahreswechsel hat Präsident George W. Bush mit Blick auf den schwierigen Einsatz der US-Truppen im Irak an den Durchhaltewillen der Bevölkerung appelliert. Die USA würden sich bis zum "Sieg" im Irak engagieren, sagte Bush am 31. Dez. in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache. "Die Vereinigten Staaten haben ein entscheidendes Interesse am erfolgreichen Aufbau eines freien Irak, deshalb werden wir im bevorstehenden Jahr unsere Strategie für einen Sieg fortsetzen."
  • Der irakische Präsident Dschalal Talabani hat seine Landsleute in einer Fernsehansprache zum Jahreswechsel zur nationalen Versöhnung aufgerufen. Er hoffe, dass 2006 das Jahr sein wird, in dem die Volks- und Religionsgruppen des Irak eine Regierung der Eintracht bilden können, sagte Talabani am 31. Dez. Er räumte ein, dass das abgelaufene Jahr trotz der politischen Erneuerung für den Irak schwierig gewesen sei.


Zurück zur "Chronik eines angekündigten Krieges"

Zur Irak-Seite (Gesamtverzeichnis)

Zurück zur Homepage