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Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

16. bis 30. November 2005

Mittwoch, 16. November, bis Sonntag, 20. November
  • Nach dem US-Verteidigungsministerium hat auch die britische Regierung den Einsatz von weißem Phosphor im Irak bestätigt. "Britische Truppen besitzen weißen Phosphor, aber um Rauch zu erzeugen, und dafür wurde es auch im Irak benutzt", sagte ein Sprecher von Premierminister Tony Blair am 16. Nov. in London. (Siehe hierzu: "Phosphorwaffen sind völkerrechtswidrig!".)
  • Nach den jüngsten Berichten über Gefangenenmisshandlungen im Irak wollen die USA die von Bagdad eingesetzten Sonderkommissionen zur Aufklärung möglicher Missstände unterstützen. Bei der Untersuchung "aller uns bekannten Haftanstalten" würden die US-Verantwortlichen der irakischen Seite "mit allen Mitteln" helfen, sagte der Kommandeur der US-Truppen in der Region Bagdad, General William Webster, am 16. Nov. Derzeit liefen die Vorbereitungen dazu, Justizvertretern Zugang zu den von ihnen gewünschten Orten zu verschaffen und für ihre Sicherheit zu sorgen. Die Regierung in Bagdad habe signalisiert, dass sie die Vorwürfe "sehr ernst" nehme und habe gleichzeitig um die Unterstützung der US-geführten Truppen gebeten.
    Die US-Regierung hat die Forderungen irakischer Sunniten nach einer internationalen Untersuchung zu angeblichen Gefangenenmisshandlungen in einem Bagdader Geheimgefängnis zurückgewiesen. Die Vorwürfe würden von irakischen und US-Experten untersucht, das Hinzuziehen ausländischer Ermittler sei "nicht nötig", sagte US-Außenamtssprecher Adam Ereli am 16. Nov. in Washington. Es werde eine "vollständige, transparente und effektive Untersuchung" geben.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich "tief besorgt" über die Berichte von Misshandlungen nicht registrierter Häftlinge in einem Gebäude des irakischen Innenministeriums gezeigt. Die Vereinten Nationen hätten sich bereits in der Vergangenheit wiederholt beunruhigt zu Menschenrechtsverletzungen im Irak geäußert, hieß es in einer am 16. Nov. von Annans Büro verbreiteten Erklärung. Dies betreffe vor allem den Mangel an Rechtsstaatlichkeit für Häftlinge und deren Misshandlung.
  • Bei Kämpfen im Irak sind nach Angaben des US- Militärs vom 16. Nov. fünf amerikanischen Soldaten ums Leben gekommen. Bei den Gefechten im Rahmen der Offensive "Eiserner Vorhang" starben nahe der Stadt Ubeidi unweit der syrischen Grenze auch 16 Iraker. Nach Angaben des US-Zentralkommandos sind 1000 irakische und 2500 Koalitions- Soldaten an der Offensive beteiligt. In der Gegend operieren überwiegend amerikanische Truppen. Der Einsatz begann am 5. November.
  • Die US-Streitkräfte im Irak haben nach eigenen Angaben innerhalb von zwei Tagen zehn Soldaten verloren. Ein Soldat sei am 16. Nov. seinen Verletzungen erlegen, die er sich tags zuvor zuvor bei einem Bombenanschlag in der Nähe von Bagdad zugezogen habe, teilten die Streitkräfte am 17. Nov. mit. Ebenfalls am 16. Nov. waren fünf Marineinfanteristen bei Gefechten nahe der Grenze zu Syrien getötet worden. Am 15. Nov. starben nach Armeeangaben bei zwei Anschlägen vier US-Soldaten.
  • Nach Foltervorwürfen hat der irakische Innenminister Bajan Bakr Solagh am 17. Nov. eine konsequente Bestrafung der Schuldigen angekündigt. Eine Kommission unter Leitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Rosch Nuri Schawis werde die Vorwürfe untersuchen.
  • Zum ersten Mal hat ein einflussreicher US-Kongressabgeordneter öffentlich zu einem sofortigen Truppenabzug aus dem Irak aufgerufen. Es sei an der Zeit, den Irak den Irakern zu übergeben, sagte der Demokrat John Murtha, der Topexperte seiner Partei für Militärausgaben und selbst ein dekorierter Vietnamkriegsveteran ist, am 17. Nov. Nach zwei Jahren Einsatz seien die US-Soldaten zum Hauptziel des Aufstands im Irak geworden, fuhr Murtha fort, der seinerzeit eine Kongressresolution unterstützt hatte, die grünes Licht für den Irak- Krieg gab. Die Rebellen hätten sich gegen die US-Truppen verbündet, "und wir sind zum Katalysator für Gewalt geworden". Viele der Soldaten seien demoralisiert, sagte der Politiker, der dem Kongress seit über 30 Jahren angehört. "Unsere Streitkräfte haben alles getan, was von ihnen verlangt worden ist. Es ist Zeit, sie nach Hause zu bringen", schloss Murtha, der ranghöchster Demokrat im Unterausschuss des Abgeordnetenhauses für Verteidigungsausgaben ist und führende Parteikollegen in Militärfragen berät. Er sprach auf einer Pressekonferenz und konnte mehrfach nur mühsam die Tränen zurückhalten.
    Der Präsident der Kongresskammer, der Republikaner Dennis Hastert, warf Murtha und anderen demokratischen Kritikern des Irak-Kriegs indirekt Feigheit vor. "Sie vertreten eine Politik des 'Davonlaufens'", sagte Hastert. "Sie würden eine Kapitulation vor den Terroristen vorziehen, die wiederum unschuldigen Amerikanern Schaden zufügen."
  • Angesichts der jüngst im Irak bekannt gewordenen Fälle von Folter hat der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Tom Koenigs (Grüne), Versäumnisse der USA kritisiert. Er warf den von den USA angeführten Streitkräften im Irak in der "Netzeitung" vom 18. Nov. vor, sie hätten durch eine "geeignete Personalauswahl" die Foltervorfälle "im Vorfeld" verhindern können. Die Überwachung der irakischen Behörden habe nicht funktioniert. Die internationale Gemeinschaft habe die Pflicht, auf einer "Untersuchung mit Konsequenzen" zu bestehen, die unter Umständen auch das irakische Innenministerium betreffen könnten. Sie habe darüber hinaus die Aufgabe, die "Wahrung der Menschenrechte umzusetzen" und entsprechende Strukturen zu schaffen, damit Menschenrechtsverletzungen verhindert würden.
  • Bei Selbstmordanschlägen auf zwei schiitische Moscheen im Nordosten des Irak sind mindestens 55 Gläubige getötet worden. 62 Menschen seien verletzt worden, teilte Regionalparlamentschef der Provinz Dijala mit. Die beiden Attentäter sprengten sich am 18. Nov. während des Freitagsgebets in der Ortschaft Chanekin in die Luft. Die Anschläge richteten sich gegen zwei Moscheen, die vor allem von schiitischen Kurden besucht werden. Der Ort liegt rund 170 Kilometer nordöstlich von Bagdad nahe der Grenze zum Iran und ist mehrheitlich von Kurden bewohnt. Unmittelbar nach den Anschlägen wurde eine Ausgangssperre über die Stadt verhängt. (Die Zahl der Toten stieg später auf über 65.)
    Zuvor waren bei Anschlägen in Bagdad sechs Menschen getötet worden. Die Attentate ereigneten sich nahe einem Gefängnis des Innenministeriums, in dem vor wenigen Tagen Häftlinge entdeckt wurden, die nach eigenen Angaben misshandelt worden waren. Bei den Anschlägen in Bagdad am Morgen wurden 40 weitere Menschen verletzt. Die beiden Autobomben gingen etwa zeitgleich vor einem Hotel und einem Gefängnis im Süden von Bagdad hoch, wie aus dem Innenministerium verlautete. Ein zweistöckiges Gebäude wurde völlig zerstört, weitere Häuser in der Umgebung schwer beschädigt. Nach Angaben des Innenministeriums könnte die Zahl der Toten weiter steigen, da viele Opfer noch unter den Trümmern vermutet wurden. Zum Zeitpunkt des Anschlags hatten zahlreiche Menschen noch geschlafen.
  • Die USA reagierten überrascht auf Berichte, Südkorea wolle in der ersten Hälfte 2006 ein Drittel seiner Soldaten aus dem Irak abziehen. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats sagte am Rande des APEC-Gipfels im südkoreanischen Pusan am 18. Nov., der US-Regierung liege keine offizielle Bestätigung des geplanten Truppenabbaus vor. Ein Sprecher der in Südkorea regierenden Uri-Partei hatte zuvor angekündigt, das Verteidigungsministerium wolle rund tausend der im Irak stationierten Soldaten abziehen. Südkorea hat derzeit rund 3.260 Soldaten im Nordes des Irak stationiert.
  • Die UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour hat am 18. Nov. eine internationale Untersuchung der Haftbedingungen im Irak gefordert. Die vom irakischen Ministerpräsidenten Ibrahim Dschaafari angekündigte Untersuchung der Misshandlungsvorwürfe reiche nicht aus, erklärte Arbour in Genf. Eine internationale Untersuchung könne den irakischen Behörden helfen, die Probleme der Gefängnisse objektiv zu untersuchen. Dadurch könne eine Atmosphäre geschaffen werden, die die Achtung der Menschenrechte garantiere und letztlich zu nationaler Versöhnung führe.
  • In einer von den Republikanern inszenierten Abstimmung lehnte das US-Repräsentantenhaus am Abend des 18. Nov. einen sofortigen Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak ab. Die Rückzugsforderung war von den Republikanern selbst eingebracht worden. Ausgelöst hatte die Debatte der demokratische Abgeordnete John Murtha, der sich am 17. Nov. für den sofortigen Abzug der US-Truppen ausgesprochen hatte. "Wir wollen deutlich machen, dass wir hinter unseren Soldaten stehen, die im Irak und in Afghanistan kämpfen", erklärte Parlamentspräsident Dennis Hastert. "Wir werden uns nicht zurückziehen." Die Entscheidung fiel mit 403 zu 3 Stimmen. Die Demokraten sprachen von einer politischen Show. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, begrüßte das Abstimmungsergebnis. Der Kongress habe sich dagegen ausgesprochen, sich einfach davonzumachen.
  • Ein US-Soldat, dessen Fahrzeug am 17. Nov. bei Beidschi gezielt von einem irakischen Auto gerammt wurde, erlag am 18. Nov. im US-Militärkrankenhaus Landstuhl seinen Verletzungen. Dies gaben die US-Streitkräfte am 19. Nov. bekannt.
  • Fast 50 Menschen sind am 19. Nov. bei zwei Bombenanschlägen im Irak ums Leben gekommen.
    Nahe der Stadt Bakuba fuhr ein irakischer Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Auto in einen schiitischen Beerdigungszug und riss mindestens 36 Menschen mit in den Tod. 50 weitere Personen wurden nach Polizeiangaben verletzt.
    Stunden zuvor kamen bei einem Bombenanschlag auf einen Markt unweit von Bagdad mindestens 13 Menschen ums Leben, 21 weitere wurden verletzt. Die Autobombe explodierte nahe der Dijala-Brücke südöstlich der irakischen Hauptstadt. Unter den Toten waren nach Polizeiangaben auch fünf Frauen.
  • Fünf US-Soldaten sind am 19. Nov. bei einem Einsatz nahe der nordirakischen Stadt Beidschi getötet worden. Weitere fünf wurden nach Angaben der Streitkräfte verletzt. Den Angaben zufolge detonierten zwei am Straßenrand versteckte Bomben. Drei der Verletzten wurden zur Behandlung in ein Militärkrankenhaus transportiert, die beiden anderen nahmen nach einer ärztlichen Versorgung ihren Dienst wieder auf. Die Soldaten befanden sich auf Patrouille. Beidschi liegt rund 250 Kilometer nördlich von Bagdad.
  • Unter Vermittlung der Arabischen Liga haben sich am 19. Nov. in Kairo erstmals Vertreter der irakischen Regierung und Opposition zu einer dreitägigen Konferenz zusammengesetzt, um ihre tief greifenden Konflikte zu überwinden. Der ägyptische Präsident Husni Mubarak mahnte die Konfliktparteien zu Beginn des Treffens in Kairo zur nationalen Versöhnung. Sie sei der Schlüssel zu einer erfolgreichen politischen Entwicklung im Land und damit für einen schrittweisen Abzug der US-geführten Streitkräfte. Der irakische Präsident Jalal Talabani und Ministerpräsiden Ibrahim Dschaafari riefen die Teilnehmer des Kairoer Treffens zu einer Verurteilung von Attentaten und Gewalt in dem Golfstaat auf. Sunnitische Politiker erklärten dagegen, der legitime Widerstand werde nicht aufhören, bis die Amerikaner das Land verließen. Talabani und Dschaafari lehnten es ab, religiöse Extremisten, Befürworter der Gewalt und Verbündete des gestürzten Präsidenten Saddam Hussein an den Gesprächen zu beteiligen. Die sunnitischen Vertreter warfen ihnen vor, damit die Spaltung des Landes zu vertiefen. Der Vertreter der größten schiitischen Gruppe, der Vereinigten Irakischen Allianz, drohte schließlich mit einem Boykott der Gespräche, weil ein Delegierter die neue Verfassung des Landes als ein Produkt der USA bezeichnete. Nach einem kurzfristigen Rückzug des schiitischen Vertreters aus dem Konferenzsaal glätteten sich die Wogen aber wieder und das Treffen wurde mit allen Vertretern fortgesetzt. (Quelle: Der Standard-Online, 19.11.2005)
  • In Bakuba ermordeten Aufständische am 19. Nov. den Bruder und die Schwester eines Polizisten, der bereits vor einem Monat getötet worden war. Die Polizei erklärte, die Schwägerin des Polizisten sei verletzt worden.
  • Bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe im Nordwestirak ist ein amerikanischer Soldat getötet worden. Der Anschlag ereignete sich am 19. Nov. in der Nähe von Haditha, 220 Kilometer nordwestlich von Bagdad, wie die US-Militärführung in Bagdad am 20. Nov. mitteilte. (Zu einer später aufgedeckten Racheaktion des US-Militärs, bei der 15 unbewaffnete Iraker, darunter sieben Frauen und drei Kinder, umgebracht worden seien, berichtet vier Monate später das Magazin "Time" (siehe unsere Chronik vom 20. März 2006).
  • Bei einem Bombenanschlag im Irak ist am 20. Nov. ein britischer Soldat getötet worden. Vier weitere erlitten Verletzungen, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz detonierte gegen 09.30 Uhr nahe Basra. In der südirakischen Stadt sind die meisten der britischen Soldaten stationiert. Nach Angaben aus London stieg die Zahl der im Irak getöteten britischen Soldaten auf 98.
  • Bewaffnete Männer haben am 20. Nov. in der irakischen Hauptstadt Bagdad einen Polizisten getötet. Sicherheitskräfte teilten mit, der Beamte sei in seinem Auto unterwegs gewesen, als mehrere Schüsse fielen.
  • Bei einem Bombenanschlag auf eine US-Patrouille in einem anderen Stadtteil Bagdads kamen den Angaben zufolge kurz zuvor fünf Zivilisten ums Leben.
    Durch Granatenbeschuss wurden außerdem sechs Zivilisten in Bagdad sowie 65 Kilomter südlich der Hauptstadt verletzt, unter ihnen drei Kinder. (AFP, 20. Nov.)
  • Im irakischen Kerbela sind innerhalb von zwei Tagen fünf Mitglieder der offiziell aufgelösten Baath-Partei von Ex-Präsident Saddam Hussein ermordet worden, meldet dpa am 20. Nov. Augenzeugen erklärten, die Mordkampagne gegen die Saddam-Getreuen stehe in Zusammenhang mit dem Vorbereitungstreffen für die Irak-Versöhnungskonferenz in Kairo. In Kerbela hätten sich viele Iraker darüber aufgeregt, dass auch Baathisten an der Versöhnungskonferenz unter Schirmherrschaft der Arabischen Liga teilnehmen sollen.
  • In Tikrit entführten Unbekannte am 20. Nov. zwei Frauen aus ihrem Haus. Augenzeugen erklärten, die beiden Irakerinnen arbeiteten in einem irakischen Militärstützpunkt in Samarra.
  • Die US-Regierung hat Medienberichte über den angeblichen Tod des jordanischen Extremistenführers Abu Mussab el Sarkawi als "höchst unwahrscheinlich" bezeichnet. Der Sprecher des Weißen Hauses, Trent Duffy, sagte der Nachrichtenagentur AFP am 20. Nov. am Rande des Besuches von US-Präsident George W. Bush in Peking, die Geschichte sei "nicht glaubwürdig". Medienberichten vom 20. Nov. zufolge könnte sich Sarkawi in dem Haus in der nordirakischen Stadt Mossul befunden haben, in dem am Vortag mehrere mutmaßliche El-Kaida-Mitglieder getötet worden sein sollen.
  • Im Streit um die Rechtfertigung des Irak-Kriegs haben deutsche Geheimdienstler den USA vorgeworfen, die Aussagen eines der wichtigsten irakischen Informanten zum irakischen Waffenarsenal überbewertet zu haben. Fünf Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstessagten in Interviews mit der US-Zeitung "Los Angeles Times" (Ausgabe vom 20. Nov.), der unter dem Codenamen "Curveball" geführte Informant habe nie behauptet, selber biologische Waffen produziert oder andere bei solchen Aktivitäten gesehen zu haben. "Curveball" befand sich in der ausschließlichen Obhut des BND und lebt dem Bericht zufolge heute unter falscher Identität in Süddeutschland.
Montag, 21. November, bis Sonntag, 27. November
  • US-Vizepräsident Dick Cheney hat die Kritiker des Irak-Krieges erneut hart angegriffen. Cheney sagte am 21. Nov. in einer Rede in Washington, wer den Vorwurf erhebe, die Regierung habe vor dem Krieg gezielt die Geheimdienstinformationen manipuliert, mache sich eines "Revisionimus der korruptesten und schamlosesten Sorte" schuldig. Die Mängel in den Geheimdienstdaten seien im Nachhinein mehr als offensichtlich, räumte Cheney mit Blick auf die niemals gefundenen irakischen Massenvernichtungswaffen ein. Doch seien die Vorwürfe, dass diese Daten von US-Präsident George W. Bush "verzerrt, aufgebauscht oder fabriziert" worden seien, "völlig falsch".
  • Bei einem Autobombenanschlag nördlich von Bagdad sind am Morgen des 21. Nov. nach Polizeiangaben vier Zivilisten getötet und zehn weitere verletzt worden. Das Auto explodierte demnach in Kanaan bei Baakuba, als ein Konvoi der US-Armee vorbeifuhr. Der Militärkonvoi sei nicht getroffen worden.
  • Beim irrtümlichen Beschuss ihres Fahrzeugs durch US-Soldaten sind am 21. Nov. fünf Mitglieder einer irakischen Familie getötet worden. Die Soldaten hätten das Feuer an einer Straßensperre vor einem US-Stützpunkt nahe Baakuba eröffnet, teilte die Provinzpolizei von Dijala mit. Zwei Männer und drei Kleinkinder seien getötet, zwei Frauen und ein weiteres Kind verletzt worden.
  • Bei einem Vorbereitungstreffen zur geplanten Versöhnungskonferenz für den Irak haben Vertreter der irakischen Volksgruppen am 21. Nov. einen Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen aus dem Land gefordert. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, verlas zum Abschluss des dreitägigen Treffens in Kairo eine Erklärung, in der zugleich Terroranschläge auf Zivilisten verurteilt wurden. Die Arabische Liga strebt an, die Versöhnungskonferenz in der letzten Februarwoche in Bagdad abzuhalten.
  • Eine Veranstaltung mit dem US-Botschafter im Irak, Zalmay Khalilzad, ist am 22. Nov. Ziel eines Granatenanschlags geworden. Der Sprengkörper explodierte, als Khalilzad der Zeremonie zur Übergabe von Saddam Husseins ehemaligem Palastkomplex in der Stadt Tikrit an das irakische Volk beiwohnte, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Ein Mensch sei dabei leicht verletzt worden. Die Granate schlug nahe des Veranstaltungsorts ein und löste unter den Gästen Panik aus. Der Palast des früheren Präsidenten Saddam Hussein hatte seit dessen Sturz im April 2003 der US-Armee als Stützpunkt gedient.
  • Bei einem Selbstmordanschlag in der nordirakischen Stadt Kirkuk sind am 22. Nov. mindestens 15 Menschen getötet und weitere 25 verletzt worden. Ein Selbstmordattentäter lockte die Opfer nach Angaben der Polizei in eine Falle: Zunächst explodierte auf einem Marktplatz in der Stadt eine kleine Bombe. Als die Polizei zum Tatort eilte, rammte der Attentäter mit seinem Wagen ein Polizeiauto und ließ es so explodieren. Die Wucht der Detonation war so groß, dass mindestens 20 umliegende Geschäfte beschädigt und fünf Autos komplett zerstört wurden. Viele der Opfer, unter ihnen viele Polizisten, seien verbrannt, teilte die Polizei in Kirkuk weiter mit. (Die Zahl der Toten stieg laut AP bis zum Abend auf mindestens 21.)
  • Der einflussreiche demokratische US-Senator Joseph Biden hat sich für einen teilweisen Truppenabzug aus dem Irak ausgesprochen. Bis Ende des kommenden Jahres sollten 50.000 US-Soldaten das Land verlassen haben, sagte der Führer der oppositionellen Demokraten am 22. Nov. im Außenausschuss des US-Senats. Im Jahr darauf solle eine "bedeutende Zahl" der verbleibenden Soldaten folgen. Einen vollständigen Abzug bezeichnete Biden trotz der Kosten des Einsatzes und der vielen getöteten Soldaten als Fehler. Zusätzlich sei es allerdings wichtig, einer politischen Lösung des Konflikts mehr Bedeutung beizumessen. "Der Irak kann nicht mit militärischer Macht allein gerettet werden", sagte er.
  • Die Bedingungen für eine Reduzierung der US-Truppen im Irak könnten nach Einschätzung von Außenministerin Condoleezza Rice schon "sehr bald" gegeben sein. Rice verwies am 22. Nov. im US-Fernsehsender Fox News Channel auf Aussagen von Präsident George W. Bush, nach denen die Reduzierung erfolgen solle, sobald der Aufbau der irakischen Sicherheitskräfte dies erlaube. "Ich glaube, dass diese Tage sehr bald kommen werden", sagte Rice. Die irakischen Sicherheitskräfte seien zunehmend in der Lage, diese Aufgaben "selbst zu übernehmen".
  • Die iranische Führung hat dem Nachbarland Irak Hilfe beim Kampf gegen die Aufständischen zugesagt. Der Iran sei "an der Stabilität des Iraks genauso interessiert wie an seiner eigenen", sagte der irakische Präsident Dschalal Talabani am 23. Nov. zum Abschluss seines Iran-Besuchs. Anschuldigungen, wonach der Iran die Rebellen im Irak in ihrem Kampf gegen die USA unterstüzt, griff Talabani nicht auf. Seine Gesprächspartner in Teheran hätten ihm "alle eines gesagt: dass Irans Zusammenarbeit mit dem irakischen Volk und der Regierung keine Grenzen hat".
  • Irakische Rebellen haben am 23. Nov. einen sunnitischen Stammesführer erschossen, der eine Beteiligung an der bevorstehenden Parlamentswahl unterstützte. Bei dem Überfall in Bagdad wurden auch vier weitere Mitglieder der Familie getötet, wie ein Sprecher des Innenministeriums mitteilte.
  • Die USA und Großbritannien könnten nach Ansicht einer britischen Forschergruppe noch Jahrzehnte in den Irak-Konflikt verwickelt sein. Die Besetzung des Landes komme zudem einem "Geschenk" an die Terrororganisation El Kaida gleich, stellte die Oxford Research Group in einer Studie fest. Es gelinge El Kaida, immer neue Rekruten für Terroranschläge zu gewinnen. ("In a general sense it is certainly the case that the continuing western occupation of Iraq is very useful to the al-Qaida movement." Siehe den Bericht: Al-Qaida Evolving [Die Entwicklung von Al Kaida].)
  • Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA können laut Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "weiterentwickelt" werden. Die bisherige Politik Deutschlands im Irak will die Bundesregierung laut Merkel aber nicht ändern, sagte die Kanzlering am 23. Nov. in Brüssel nach einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Im Gespräch, an dem auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) teilnahm, hätten sie deutlich gemacht, dass sich Deutschland an der Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte auch künftig nicht innerhalb des Iraks beteiligen werde, aber weiter in den umgebenden Ländern helfe. Bei der Irak-Politik werde es Kontinuität geben.
  • Vor der texanischen Ranch von US-Präsident George W. Bush sind am 23. Nov. rund ein Dutzend Demonstranten festgenommen worden, die gegen den Krieg im Irak protestiert hatten. Wie Augenzeugen berichteten, befand sich unter den Festgenommenen die Schwester der bekannten Kriegsgegnerin Cindy Sheehan. Bush hielt sich bereits seit dem 22. Nov. auf seiner Ranch auf, wo er am 24. Nov. den Thanksgiving-Feiertag begehen wollte.
  • Bei einem Autobombenanschlag vor einem Krankenhaus im Irak sind am 24. Nov. mindestens 30 Menschen getötet worden. Mindestens 23 weitere wurden nach Behördenangaben verletzt, als die Autobombe vor einer Klinik in Mahmudijah südlich von Bagdad explodierte. Der Anschlag in Mahmudijah richtete sich offenbar gegen einen vorbeifahrenden US-Militärkonvoi. Vier US-Soldaten wurden den Angaben zufolge verletzt. Mahmudijah liegt im so genannten Todesdreieck südlich der irakischen Hauptstadt. Die mehrheitlich von Sunniten bewohnten Region ist wegen zahlreicher Gewaltakte von Aufständischen berüchtigt.
    Bei weiteren Zwischenfällen wurden mindestens acht Menschen getötet, darunter drei Leibwächter von Industrieminister Ussama el Nadschafi. Die drei Leibwächter kamen ums Leben, als ihr Auto in Bagdad von Unbekannten beschossen wurde.
    In Jussufijah ebenfalls südlich von Bagdad wurden die Leichen von zwei Männern und zwei Frauen entdeckt, die Folterspuren, Würgemale und Schusswunden aufwiesen.
    Die US-Armee teilte am 24. Nov. mit, dass am 23. Nov. drei ihrer Soldaten im Irak erschossen worden seien.
  • Bei einem Autobombenanschlag in der irakischen Stadt Hilla sind am 24. Nov. mindestens zwei Menschen getötet worden. Acht weitere wurden verletzt, als ein mit Sprengstoff präpariertes Auto am Abend in einer Einkaufsstraße explodierte, wie die Polizei mitteilte. Zu der Tageszeit ist die Straße voller Menschen. Hilla liegt rund hundert Kilometer südlich der irakischen Hauptstadt Bagdad.
  • Bei einer Bombenexplosion südlich von Bagdad ist am 24. Nov. ein kleines Mädchen getötet worden. Es habe mit einer Gruppe von Kindern gespielt, als der Sprengsatz in der Nähe einer US-Armeepatrouille detonierte, teilten die multinationalen Streitkräfte mit. Bei dem Anschlag nahe Diwanijah 180 Kilometer südlich der irakischen Hauptstadt wurden auch drei Soldaten der US-geführten Truppen verletzt.
  • Drei Wochen vor der Parlamentswahl im Irak haben die irakischen Behörden am 25. Nov. eine deutliche Verschärfung der Sicherheitskontrollen angekündigt. Angesichts von mehr als 180 Toten in der vergangenen Woche sollten in Kürze bis zu 10.000 zusätzliche Sicherheitskräfte in besonders gefährlichen Gegenden eingesetzt werden. Die Parlamentswahl findet am 15. Dezember statt.
  • Dutzende Demonstranten haben am 25. Nov. im texanischen Crawford nahe der Ranch von US-Präsident Bush erneut gegen den Irak-Krieg demonstriert. "Wir gehen nicht weg", sagte die zur Symbolfigur der Antikriegsbewegung aufgestiegene Soldatenmutter Cindy Sheehan. "Wir hassen niemanden", fügte sie hinzu. "Aber nur weil jemand Präsident der Vereinigten Staaten ist, heißt das nicht, dass er von jeder Verantwortung ausgenommen ist." Das Töten im Irak müsse ein Ende haben, forderte sie. Die Demonstranten weihten einen kleinen Garten ein, der dem Gedenken der im Irak getöteten Soldaten gewidmet ist. In dem Areal befindet sich eine Steinskulptur mit zwei Friedenszeichen und den Namen getöteter Soldaten.
  • Bei zwei Bombenanschlägen sind am 26. Nov. im Irak zehn Zivilpersonen getötet worden.
    In Samarra nördlich von Bagdad riss ein Selbstmordattentäter sechs Menschen an einer Tankstelle mit in den Tod, wie die Polizei berichtete. Zwölf weitere wurden verletzt.
    In Bagdad detonierte eine Autobombe, als zwei gepanzerte Wagen vorbeifuhren, in denen Ausländer saßen. Von ihnen wurde niemand verletzt, doch kamen bei dem Anschlag vier Iraker ums Leben.
  • Die US-Streitkräfte bestätigten am 26. Nov. den Tod eines wichtigen Vertrauten des Führers von Al Kaida im Irak, Abu Mussab al Sarkawi. Bilal Mahmud Awad Scheba sei während einer Razzia am 14. Oktober in Ramadi getötet worden, hieß es. Ein Familienmitglied habe seinen Tod bestätigt. Der auch als Abu Ubajda bekannte Mann habe nach Angaben von inhaftierten Al-Kaida-Mitgliedern als Sekretär für Al Sarkawi gearbeitet, Botschaften übermittelt und den Terroristen regelmäßig getroffen.
  • Bereits am 25. Nov. wurde ein US-Soldat getötet, dessen Fahrzeug von einer Bombe am Straßenrand zerfetzt wurde, wie die amerikanischen Streitkräfte am 26. Nov. mitteilten. Der Anschlag ereignete sich nahe Hit, rund 140 Kilometer westlich von Bagdad.
  • Der arabische Fernsehsender Al Dschasira forderte unterdessen weitere Informationen über eine angeblich von US-Präsident George W. Bush geplante Bombardierung seiner Büros in Katar. Der "Daily Mirror" hatte am 22. Nov. von einem Regierungsmemo berichtet, wonach Bush bei einem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair im vergangenen Jahr über einen Angriff auf Al Dschasira gesprochen haben soll. Die US-Regierung hat dem Sender wiederholt vorgeworfen, antiamerikanische Ressentiments zu verbreiten. "Wir fordern eine angemessene Erklärung, und wir würden gern die Fakten über diesen Brief kennen", sagte Wadah Chanfar, ein ranghoher Al-Dschasira-Mitarbeiter in einem Interview der BBC am 26. Nov. Blair solle das vom "Daily Mirror" zitierte Memo veröffentlichen. Der Regierungschef habe sich gegen Bushs Pläne ausgesprochen, hatte das Blatt berichtet. Chanfar erklärte, der Sender habe auch das Weiße Haus um eine Erklärung gebeten.
  • Zweieinhalb Wochen vor der Parlamentswahl im Irak häufen sich die Angriffe auf Kandidaten und Wahlhelfer. In Bagdad schossen Bewaffnete nach Polizeiangaben am 26. Nov. auf Wahlhelfer der schiitischen Partei Vereinte Irakische Allianz, die Plakate aufhängten. Ein Wahlhelfer wurde getötet, drei weitere verletzt. In Mossul nördlich der Hauptstadt berichteten Mitglieder der sunnitischen Islamischen Partei, sie seien beim Plakate kleben beschossen worden. Ein Parteimitglied sei verletzt worden. Es sei bereits der zweite Angriff in zwei Tagen gewesen.
  • Die Führer des wichtigsten sunnitischen Bündnisses im Irak haben die Sunniten aufgefordert, sich an der Parlamentswahl Mitte Dezember zu beteiligen. Nichtteilnahme an der Wahl sei "Verrat und ermutigt andere, uns abzuschlachten", sagte Scheich Ajad el Essi von der Irakischen Eintrachts-Front am 26. Nov. bei einem Treffen von hunderten sunnitischen Geistlichen und Stammesführern in Bagdad. Staat und Religion müssten vereint werden. Die Sunniten wollten sich "nie wieder verstecken".
  • Die UNO hofft nach den Worten des UN-Gesandten Ashraf Qazi auf eine Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen an der Parlamentswahl im Irak Mitte Dezember. Es gebe "ermutigende Anzeichen" dafür, dass sich alle Volksgruppen und Konfessionen an dem Urnengang beteiligen wollten, sagte Qazi am 26. Nov. in Bagdad. Die vorangegangene Wahl eines Übergangsparlaments im Januar war von der sunnitischen Minderheit boykottiert worden.
  • Der frühere irakischen Regierungschef Ijad Allawi hat die Menschenrechtssituation im Irak scharf kritisiert. In einem Interview mit der in London erscheinenden Zeitung "The Observer" (Ausgabe vom 27. Nov.) sagte Allawi, um die Menschenrechte sei es derzeit ebenso schlecht oder schlechter bestellt als unter dem früheren Machthaber Sassam Hussein. Viele Iraker würden gefoltert oder während Verhören getötet, fügte Allawi hinzu. Er machte dafür nicht Innenminister Bajan Baker Solagh persönlich verantwortlich, aber das von ihm geleitete Ministerium.
  • Wegen der prekären Sicherheitslage im Irak hält der vorsitzende Richter im Prozess gegen den früheren irakischen Machthaber Saddam Hussein eine Verlegung des Verhandlungsortes für nicht ausgeschlossen. Er erwäge, "ob man das Gericht nicht in kurdische Gebiete verlegen sollte", sagte Richter Risgar Mohammed Amin dem "Focus", wie am 27. Nov. berichtet wurde. Als Grund für seinen Vorschlag habe Amin die bessere Sicherheitslage in seiner kurdischen Heimat genannt. "Ein Gerichtsverfahren sollte unter möglichst normalen Bedingungen stattfinden - aber die Situation im Irak ist dieser Tage leider nicht normal", sagte Amin. Zugleich wehrte sich Amin gegen Vorwürfe, er und seine Landsleute würden den Prozess dazu benutzen, alte Rechnungen mit Saddam Hussein zu begleichen. Das Gericht entscheide auf Grundlage der Gesetze. "Rache gibt es für uns nicht", sagte der Jurist.
  • Zwei Kanadier, ein Amerikaner und ein Brite sind im Irak entführt und als Geiseln genommen worden. Das berichtete die kanadische Zeitung "Globe and Mail" am 27. Nov. Zum Schutz der Betroffenen wurde keine Namen veröffentlicht. Das kanadische Außenministerium warnt alle Staatsangehörigen, humanitäre Helfer einschließlich, seit April 2004 vor Reisen nach Bagdad. Aufständische des Nahostlandes haben der Zeitung zufolge mehr als 220 Ausländer in ihre Gewalt gebracht und nachweislich 40 von ihnen getötet.
  • Bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe sind am 27. Nov. auf der östlichen Seite des Tigris' in Bagdad zwei irakische Soldaten verletzt worden. Die Soldaten befanden sich nach Angaben der Polizei auf Patrouille. Im Stadtteil Habibija wurden unterdessen die Leichen von drei erschossenen Soldaten entdeckt. Ihre Hände waren den Angaben zufolge auf den Rücken gefesselt.
Montag, 28. November, bis Mittwoch, 30. November
  • Wenige Stunden nach Wiederaufnahme des Prozesses gegen den irakischen Ex-Präsidenten Saddam Hussein ist das Verfahren am 28. Nov. auf den 5. Dezember vertagt worden. Das berichtete ein AFP-Korrespondent aus dem Gerichtssaal in Bagdad. Der Prozess war zuvor nach knapp sechs Wochen Pause fortgesetzt worden. Saddam Hussein und seine sieben Mitangeklagten müssen sich wegen der Tötung von 143 Bewohnern des schiitischen Dorfes Dudschail im Jahr 1982 verantworten.
    Saddam Hussein beklagte sich zu Beginn der Verhandlung über die Behandlung durch seine Aufseher: Er habe mit Fußfesseln vier Stockwerke hochgehen müssen, weil der Fahrstuhl defekt sei, sagte der Expräsident. Außerdem habe man ihm seinen Stift und seine Notizen abgenommen. Das Verfahren wird am 5. Dezember fortgesetzt. Auf der Seite der Verteidiger saß am Montag auch der frühere amerikanische Justizminister Ramsey Clark, der jedoch vom Gericht nicht als offizieller Rechtsberater anerkannt wird. Clark hat sich für eine Verlegung des Prozesses ins Ausland ausgesprochen, mit der Begründung, dass ein faires Verfahren im Irak nicht möglich sei.
    Beim Auftakt des Verfahrens am 19. Oktober hatte sich Saddam Hussein für nicht schuldig erklärt. Der Prozess, der in der so genannten Grünen Zone der irakischen Hauptstadt stattfindet, war damals nach wenigen Stunden vertagt worden.
  • Bewaffnete haben am 28. Nov. im Irak einen sunnitischen Kandidaten für die Parlamentswahl in zweieinhalb Wochen erschossen. Ajad Al Issi von der Irakischen Islamischen Partei sei zusammen mit zwei Leibwächtern auf einer Straße zwischen Falludscha und Bagdad getötet worden, teilte ein Parteisprecher mit. Die Irakische Islamische Partei tritt bei der Wahl am 15. Dezember in einer Allianz mit zwei weiteren sunnitischen Parteien an.
  • Erstmals seit dem Sturz des Diktators Saddam Hussein ist im Irak eine Deutsche entführt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte am 29. Nov. die Entführung der 43 Jahre alten Susanne Osthoff aus Bayern sowie ihres Fahrers in Berlin scharf. Für Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen oberste Priorität. Laut ARD sollen die Geiselnehmer die Bundesregierung in einem Video aufgefordert haben, die Zusammenarbeit mit Bagdad einzustellen. Sonst sterbe die Geisel. Nach Auskunft der Bundesregierung habe die Entführung bereits am 25. Nov. stattgefunden.
  • Neben der deutschen Archäologin Susanne Osthoff und ihrem Fahrer sind im Irak auch sechs iranische Pilger sowie vier Friedensaktivisten entführt worden. Die schiitischen Pilger aus dem Iran gerieten am Morgen des 29. Nov. in Balad in die Hände der unbekannten Geiselnehmer. Bei den gekidnappten Friedensaktivisten handelt es sich um Mitglieder der Gruppe Christian Peacemaker Teams. Unter den Geiseln sind zwei Kanadier und ein Brite. Sie seien schon am 26. November gekidnappt worden, hieß es in einer Erklärung der Organisation vom Dienstag. Eine gewaltsame Befreiung der Geiseln werde abgelehnt. Der Sender Al Dschasira strahlte am Abend ein Video mit den vier Aktivisten aus. Die bislang unbekannte Gruppe Schwerter der Rechtschaffenheit bezeichnete ihre Geiseln als christliche Spione.
  • Bei Anschlägen und Attentaten wurden am 29. Nov. mindestens zehn Menschen getötet. Zwei US-Soldaten kamen ums Leben, als eine Bombe nahe ihrer Patrouille nördlich von Bagdad explodierte. Ein Selbstmordattentäter raste in einen Kontrollpunkt der irakischen Armee und riss acht Soldaten mit sich in den Tod.
  • Zwei im Irak entführte Iranerinnen und eine Irakerin sind am 29. Nov. nach einem Tag in der Hand ihrer Kidnapper wieder freigelassen worden. Die drei Frauen seien bei guter Gesundheit, teilte das US-irakische militärische Koordinierungszentrum in Tikrit mit. Sie seien rund 70 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad auf einer Straße nahe Balad freigelassen worden. In der Gegend waren sie den Angaben zufolge einen Tag zuvor zusammen mit vier Iranern und ihrem irakischen Fahrer von Bewaffneten entführt worden. Die Polizei in Balad habe die Freilassung bestätigt, sagte ein Vertreter der iranischen Botschaft in Bagdad. Balad liegt in der Nähe von Samarra, einem heiligen Ort der Schiiten, den auch viele iranische Pilger aufsuchen.
  • Die Weltbank hat am 29. Nov. erstmals seit über 30 Jahren einen Kredit für die irakische Regierung genehmigt. Das Geld in Höhe von 100 Millionen Dollar (knapp 85 Millionen Euro) solle zur Verbesserung der teils katastrophalen Lage im Bildungswesen verwendet werden, hieß es in einer in Washington veröffentlichten Erklärung der Bank. In vielen Schulen des Landes stünden nur halb so viele Räume zur Verfügung wie benötigt. Oft finde daher der Unterricht in anderen Gebäuden statt, oder es würden mehrere Klassen parallel unterrichtet. 82 Schulen sollen nun Geld für den Neubau von Gebäuden oder für den Erwerb von Mobiliar erhalten. Das Vorhaben soll vom irakischen Erziehungsministerium verwaltet werden; die Aufträge sollen an irakische Unternehmen gehen.
    Kürzlich hatte die Weltbank bereits zwei Kredite in Höhe von insgesamt 100 Millionen Dollar für den Wiederaufbau zerstörter Schulen und den Erwerb von Schulbüchern genehmigt. Die Kredite gingen aber nicht an die Regierung in Bagdad, sondern an einen von der Weltbank selbst verwalteten internationalen Treuhänderfonds für den Irak.
  • US-Außenministerin Condoleezza Rice hat nach einem Gespräch mit dem neuen deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Aufklärung über angebliche Flüge des US- Geheimdienstes CIA zugesagt. Nach einem gut einstündigen Meinungsaustausch sagte Steinmeier am 29. Nov. in Washington, die Besorgnis der europäischen Öffentlichkeit und der Parlamente wegen angeblicher Flüge auch im deutschen Luftraum werde in der US- Hauptstadt verstanden. Dem könne man nur durch Aufklärung Rechnung tragen, sagte der deutsche Außenminister. Rice habe dies zugesagt. Berichte, wonach die CIA mit Tarnflügen über Europa Terrorverdächtige in mutmaßliche Verhörgefängnisse gebracht haben soll, hatten in Deutschland für erhebliche Irritationen gesorgt. Steinmeier sagte, er rechne mit einer ausführlichen Antwort auf einen Brief des britischen Außenministers Jack Straw dazu. Großbritannien hat derzeit die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union inne. Rice habe überdies versichert, so Steinmeier, dass alle Bemühungen der USA im Kampf gegen den Terrorismus im Einklang mit dem amerikanischen und dem Völkerrecht stünden.
  • Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bei seinem Besuch in Washington außerdem die Zusage erhalten, dass die USA bei der Suche nach der im Irak entführten Deutschen Susanne Osthoff helfen werden. Zunächst gehe es der Bundesregierung darum, den Aufenhaltsort der 43-Jährigen und ihres ebenfalls verschleppten Fahrers festzustellen, sagte Steinmeier. Er stellte zugleich klar, dass Berlin nicht auf die Forderungen der Geiselnehmer eingehen will. "Die Bundesregierung ist nicht erpressbar", sagte Steinmeier auf eine entsprechende Frage nach einem Treffen mit seiner US-Kollegin Condoleezza Rice.
  • Beim Beschuss eines Kleinbusses im Irak sind am 30. Nov. mindestens neun Menschen getötet worden. Zwei weitere wurden nach Behördenangaben verletzt, als Unbekannte nahe Baakuba mit Maschinengewehren das Feuer auf das Fahrzeug eröffneten. Die Opfer seien allesamt Tagelöhner, die sich aus dem rund 30 Kilometer nordwestlich von Baakuba gelegenen Dorf Abu Saida auf den Weg zu ihrer Arbeit auf nahe gelegene Farmen machten.
  • Angesichts wachsender Kritik und schlechter Umfragewerte hat US-Präsident George W. Bush seinen Kurs in der Irak-Politik verteidigt. Zugleich lehnte Bush immer lauter werdende Forderungen nach einem Zeitplan für den Abzug der rund 160 000 Soldaten aus dem Irak ab. "Amerika wird nicht vor Autobombern und Attentätern fliehen, so lange ich oberster Befehlshaber bin", versprach er am 30. Nov. in der Marineakademie von Annapolis (US-Bundesstaat Maryland). Bush richtete seine Landsleute auf eine längere Dauer des Krieges ein und bat sie angesichts von Fortschritten um Geduld und Vertrauen.
  • Nach der Entführung der Deutschen Susanne Osthoff im Irak bemüht sich die Bundesregierung intensiv um deren Freilassung, will sich nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jedoch nicht erpressen lassen. Die Regierung wisse noch nichts über Motive und Hintergründe der Geiselnahme, sagte Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung am 30. Nov. Die Entführer erhielten möglicherweise Hinweise von Terrorsympathisanten unter den irakischen Sicherheitskräften.
  • Die Forderung nach einem raschen Abzug der US-Truppen aus dem Irak hat im Kongress in Washington neue prominente Unterstützung gefunden. Die Fraktionschefin der oppositionellen Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, stellte sich am 30. Nov. hinter einen entsprechenden Gesetzesantrag ihres Parteifreunds John Murtha. Senator Murtha vertrete eine Position von "großer Weisheit", sagte sie. Während Präsident George W. Bush sich immer weiter mit seiner Irak-Politik verstricke, spreche Murtha in voller Klarheit "über die Realitäten" in dem Zweistromland.
  • Die Sozialisten im Europaparlament wollen den Botschafter der USA bei der EU zu den Berichten über mutmaßliche geheime Gefangenentransporte und Gefängnisse befragen. Wie ein Sprecher am 30. Nov. mitteilte, schlugen die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, der Österreicher Hannes Swoboda und der Niederländer Jan Marinus Wiersma, vor, den Diplomaten in die Ausschüsse für Außenpolitik und bürgerliche Freiheiten einzuladen. Dort solle er zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Die Ausschüsse müssen nun entscheiden, ob sie der US-Botschaft in Brüssel eine solche Einladung übermitteln.


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