Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Irak: Chronik wichtiger Ereignisse

1. bis 14. März 2004

1. bis 7. März
  • Im Streit über eine provisorische Verfassung für Irak ist nach Angaben eines Mitglieds des von den USA eingesetzten Regierungsrats ein Kompromiss erzielt worden. Ein Sprecher von Ahmed Tschalabi, Intifadh Kanbar, teilte am frühen Morgen des 1. März mit, dass die Verhandlungen "in voller Übereinstimmung über jeden Artikel" beendet worden seien. Er erwarte, dass das Dokument am Mittwoch - nach dem schiitischen Fest Aschura - unterzeichnet werde. Kanbar zufolge wird der Islam in der Übergangsverfassung als "eine Quelle für die Gesetzgebung" - und nicht wie von einigen Delegierten gewünscht als "die Quelle" - bezeichnet. Es dürfe kein Gesetz verabschiedet werden, das gegen die islamische Lehre verstoße. Eine bundesstaatliche Struktur werde akzeptiert, die Ausgestaltung eines Föderalismus aber einer zukünftigen, neu gewählten Nationalversammlung überlassen, die auch über die Selbstverwaltung der kurdischen Minderheit entscheiden solle.
    US-Außenminister Colin Powell hat die Verabschiedung einer Übergangsverfassung im Irak als "wunderbar" begrüßt. Er gehe davon aus, dass die US-Zivilbehörden im Irak den Entwurf gutheißen werden, sagte Powell dem Fernsehsender CBS. Der britische Premierminister Tony Blair nannte die Einigung einen wichtigen Grundstein beim Aufbau eines neuen Irak.
  • Ein heftige Explosion hat am 1. März das Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad erschüttert. Die Detonation ereignete sich offenbar in der Nähe des Sitzes der amerikanischen Besatzungstruppen. Ein Hubschrauber kreiste über der so genannten grünen Zone mit den wichtigsten Einrichtungen der US-Streitkräfte. Weitere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt.
  • Iran und Irak haben sich einem Pressebericht zufolge prinzipiell auf den gemeinsamen Bau einer Öl-Pipeline geeinigt. Die zehn Kilometer lange Leitung solle durch das gemeinsame Flussdelta von Euphrat und Tigris, dem Schatt el Arab, bis zur iranischen Hafenstadt Abadan verlaufen, berichtete die Londoner "Financial Times" am 1. März unter Berufung auf den irakischen Ölminister Ibrahim Bahr el Ulum. Der Minister sagte der Zeitung, die USA hätten keine Einwände gegen das Projekt vorgebracht.
  • Der Vorsitzende des Obersten Rats der Islamischen Revolution (SCIRI) in Irak, Abdel Asis el Hakim, hat von den Vereinten Nationen ein konkretes Datum für die Abhaltung von allgemeinen Wahlen verlangt. Es sei "notwendig", dass die UNO ein solches Datum festlege, da Wahlen "die beste Lösung" für das Land seien, sagte Hakim am 1. März zum schiitischen Aschura-Fest vor zehntausenden Anhängern der Konfession in Bagdad. Die Schiiten beharrten auf dem Thema, damit "Irak auf solider Basis aufgebaut" werden könne. Ohne Wahlen werde es keine Stabilität geben.
  • Wegen möglicher Kriegsverbrechen im Irak will eine Vereinigung britischer Juristen Klage gegen den englischen Premierminister Tony Blair beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag einreichen. Blair solle dafür belangt werden "absichtlich den Irak angegriffen und dabei den Tod und die Verletzungen von Zivilisten in Kauf genommen zu haben" erklärte die Gruppe "Legal action against war" ("Gesetzliche Initiative gegen den Krieg") am 2. März in London. Auch gegen den britischen Verteidigungsminister Geoff Hoon, Außenminister Jack Straw sowie Justizminister Peter Goldsmith wollen die Juristen Klage einreichen.
  • Bei einer der blutigsten Anschlagsserien im Irak seit dem Sturz des Saddam-Regimes sind am 2. März fast 150 Menschen getötet und mehr als 200 teils schwer verletzt worden. Die nahezu zeitgleichen Sprengstoffanschläge in der Hauptstadt Bagdad und dem Wallfahrtsort Kerbela richteten sich gegen schiitische Gläubige, die sich zu zehntausenden anlässlich ihres Aschura-Festes versammelt hatten. Ein Sprecher der schiitischen Bevölkerungsmehrheit vermutete die Täter im Umkreis des Terrornetzwerks El Kaida oder unter den Anhängern des alten Regimes.
    Bei einem schiitischen Schrein im Bagdader Außenbezirk Kadhimija hatten sich nach Angaben der lokalen Miliz drei Selbstmordattentäter unter die Menge gemischt und ihre Sprengstoffgürtel gezündet. 75 Menschen seien ums Leben gekommen, berichtete der arabische Nachrichtensender El Dschasira unter Berufung auf Krankenhaus- Mitarbeiter.
    Zur selben Zeit wurden in der für Schiiten heiligen Stadt Kerbela südlich von Bagdad bei mehreren Explosionen mindestens 70 Menschen getötet. Unter den Opfern seien zahlreiche Pilger aus dem Nachbarland Iran, berichtete die iranische Nachrichtenagentur IRNA. Die Zahl der Verletzten gab El Dschasira für beide Städte mit mehr als 200 an. Der US-Sender CNN berichtete sogar von rund 200 Verletzten in Bagdad und 300 in Kerbela.
    Nach den blutigen Anschlägen in Kerbela wurden zwei Verdächtige festgenommen, die weitere Anschläge mit Mörsergranaten beabsichtigt hätten. Sie hätten dank der "schnellen Reaktion der irakischen Polizei und der Ordnungskräfte" gefasst werden können, teilte der polnische Generalstab in Warschau mit. Polen hat das Kommando über die im Raum Kerbela eingesetzte multinationale Besatzungstruppe.
    Unter den Gläubigen brach nach den Anschlägen Panik aus. Die aufgebrachte Menge bewarf eintreffende US-Truppen mit Steinen.
    Vor einer Moschee in Basra wurde nach Polizeiangaben am 2. März eine Autobombe entdeckt, die rechtzeitig entschärft werden konnte.
  • Bei einem Bombenanschlag nahe Bagdad wurde am 2. März ein US-Soldat getötet und ein weiterer lebensgefährlich verwundet. Nach Militär-Angaben hatten Unbekannte eine selbst gebastelte Bombe auf das Fahrzeug der beiden Soldaten geschleudert.
  • Auf eine Ölpipeline im Nordirak ist am Abend des 2. März ein Anschlag verübt worden. Durch die Explosion eines Sprengsatzes sei die Leitung zwischen den Ölfeldern von Kirkuk und den 160 Kilometern entfernten Raffinerien von Bidschi in Brand geraden, sagte der Sicherheitsbeauftragte der North Oil Company. Feuerwehr und Polizei bemühten sich, den Brand zu löschen.
  • In einem Wohngebiet von Bagdad sind am frühen Morgen des 3. März drei Geschosse eingeschlagen, wie die Polizei mitteilte. Dabei wurde eine Person schwer verletzt und eine Telefonzentrale beschädigt. Die fast zeitgleichen Attacken folgten einen Tag auf die beiden verheerende Anschläge auf schiitische Heiligtümer in Bagdad und Kerbela, bei denen mindestens 143 Menschen getötet worden waren. Die Bestätigung bisher inoffizieller Angaben aus Kerbela würde die Opferzahl sogar auf bis zu 223 erhöhen. Die irakischen Behörden riefen zu Beginn einer dreitägigen Staatstrauer zu Ruhe auf. Bis zum Abend des 3. März erhöhte sich nach Angaben des regierenden Rats die Zahl der Todesopfer auf 271.
  • Nach der blutigen Anschlagsserie in Irak haben die Behörden in Kerbela insgesamt 15 Verdächtige festgenommen. Neun von ihnen seien von der Polizei ergriffen worden, sechs von den Koalitionstruppen, sagte ein Vertreter der US-geführten Truppen am 3. März. Von den Festgenommenen hätten vier Persisch gesprochen; vermutlich seien sie Iraner.
  • Der irakische Regierungsrat hat die für den 4. März geplante feierliche Unterzeichnung der gestern vereinbarten Übergangsverfassung verschoben. Grund sind die blutigen Anschläge in Bagdad und Kerbela. Mit Rücksicht auf die allgemeine Trauer wird das Dokument voraussichtlich erst am 5. März unterzeichnet.
  • Das Terrornetzwerk El Kaida hat in einer ihm zugeschriebenen Erklärung die Verantwortung für die Anschläge auf Schiiten in Irak zurückgewiesen. El Kaida stehe nicht hinter den Attentaten in Bagdad und Kerbela, hieß es in einem Schreiben an die arabische Zeitung "El Kuds El Arabi", das der Nachrichtenagentur AFP am 3. März als Kopie vorlag. "Wir schlagen die amerikanischen Kreuzritter und ihre Verbündeten. Wir schlagen die irakische Polizei im Sold der Amerikaner", schrieben die Verfasser, die sich als "Abu-Haf- Brigaden/El Kaida" bezeichneten, weiter. Datiert ist das Schreiben, dessen Echtheit nicht bestätigt werden konnte, auf den 2. März.
    Der US-Regierung liegen nach den Worten von Zentralkommando-Chef John Abizaid Hinweise auf die Verwicklung des mutmaßlichen El-Kaida-Topterroristen Abu Mussab el Sarkawi in die jüngsten Anschläge in Bagdad und Kerbela vor. "Die Art der Organisation und das Bestreben, den Tod von unschuldigen Gläubigen herbeizuführen, sind ein klares Markenzeichen des Sarkawi-Netzwerks", sagte der General am 3. März vor dem Streitkräfteausschuss des US- Abgeordnetenhauses in Washington. "Und wir haben Geheimdiensthinweise, die Sarkawi mit diesen Anschlägen in Verbindung bringen." Der weltweit gesuchte Jordanier stehe außerdem in Kontakt mit Mitgliedern des früheren irakischen Geheimdienstapparats von Saddam Hussein, fuhr Abizaid fort.
  • Am 3. März ist ein Raketenangriff auf eine Telefonzentrale in Bagdad verübt worden. Die Verbindungen ins Ausland waren anschließend fast landesweit unterbrochen, ein Iraker kam ums Leben.
  • Auf dem Gelände des Hauptquartiers der US-geführten Besatzungsmacht in Bagdad sind am Abend des 3. März nach Armeeangaben drei Raketen eingeschlagen. Die Explosionen ereigneten sich zu dem Zeitpunkt, als US-Zivilverwalter Paul Bremer dort eine Pressekonferenz abhalten wollte, sagte ein US-Armeesprecher. Angaben über mögliche Opfer oder Schäden lagen zunächst nicht vor.
  • Im Norden Iraks sind am 4. März erneut Angriffe auf irakische Sicherheitskräfte verübt worden. In der Stadt Mossul detonierte eine Bombe vor einer Polizeiwache, kurze Zeit später schossen die Angreifer auf das Gebäude. Vier Polizisten wurden verletzt, wie Krankenhausmitarbeiter erklärten.
    In der nordirakischen Stadt Mossul detonierte am 4. März eine Bombe vor einer Polizeiwache, kurze Zeit später beschossen die Angreifer das Gebäude. Vier irakische Polizisten wurden verletzt, wie Krankenhausmitarbeiter mitteilten.
    Ebenfalls in Mossul wurde eine Polizei-Patrouille aus einem fahrenden Auto heraus beschossen, wobei ein weiterer Polizist verletzt wurde.
  • Beim einem Raketenangriff nahe einer Telefonzentrale im Südosten der Hauptstadt wurden am 4. März drei Menschen getötet.
  • Bei Hadid nördlich von Bagdad ging am Straßenrand ein Sprengsatz hoch, als ein US-Militärfahrzeug vorbeifuhr. Ein Soldat wurde nach Militärangaben verletzt.
  • In Falludscha wurden am 4. März Granaten auf US-Soldaten abgefeuert, die ein Treffen amerikanischer Verwaltungsbeamter mit dem Stadtrat bewachten. Augenzeugen zufolge stürmten Soldaten das Gebäude, aus dem die Schüsse fielen, und nahmen einen Iraker fest.
  • In Ramadi westlich der Hauptstadt Bagdad protestierten am 4. März fast 1.000 Menschen gegen die blutigen Bombenanschläge vom 2. März und riefen zu nationaler Einheit auf. Bei einer Trauerprozession für drei Opfer der Anschläge in Kerbela riefen mehrere tausend Schiiten amerikafeindliche Parolen. "Keine Amerikaner, keine Israelis, keine Terroristen", skandierten sie.
  • Die EU will in diesem Jahr 160 Millionen Euro für den Wiederaufbau Iraks ausgeben. Nach dem am 4. März von der EU-Kommission in Brüssel verabschiedeten Programm soll mit 90 Millionen Euro der Großteil des Geldes für die Verbesserung der Infrastruktur ausgegeben werden. Dazu sollen Trink- und Abwassersysteme, aber auch Schulen und das Gesundheitssystem unterstützt werden. Für arbeitsplatzschaffende Projekte in der Privatwirtschaft und in der Landwirtschaft werden 60 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mit zehn Millionen Euro sollen die Wahlvorbereitungen, die Reform des Justizsystems und örtlicher Verwaltungen sowie der Aufbau freier Medien gefördert werden.
  • Japan hat am 5. März die Einzahlung von 450 Millionen Dollar für den irakischen Wiederaufbau in internationale Treuhänderfonds angekündigt. In einen Fonds, der vom Entwicklungshilfeprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) überwacht wird, sollen 360 Millionen Dollar (296 Millionen Euro) eingezahlt werden. Die übrigen 90 Millionen (74 Millionen Euro) werden einem Fonds der Weltbank zufließen, wie Außenminister Yoriko Kawaguchi ankündigte. Das Geld ist Teil des Fünf-Milliarden-Dollar-Pakets (rund 4,1 Milliarden Euro), das Japan zur Unterstützung des irakischen Wiederaufbaus versprochen hat.
  • Die USA und Großbritannien hatten nach Ansicht des früheren UN- Chefwaffeninspekteurs Hans Blix keine rechtliche Grundlage für ihre Militäraktion gegen den Irak. In einem Interview der britischen Tageszeitung "The Independent" (Ausgabe vom 5. März) kritisiert Blix insbesondere das Fehlen einer zweiten UN-Resolution. "Ich akzeptiere das Argument nicht, dass der Krieg auf Grund von Verstößen des Irak gegen vorherige Resolutionen gerechtfertigt war", sagte der frühere schwedische UN-Diplomat. Die Anwendung von Gewalt hätte im Vorfeld des Krieges in einer zweiten Resolution des UN-Sicherheitsrates sanktioniert werden müssen, fügte Blix hinzu.
  • Die Informationen über angebliche mobile irakische Biowaffenlabore vor dem Irak-Krieg sind einem Zeitungsbericht zufolge von den USA ungeprüft aus zweiter Hand übernommen worden. Wie die "Washington Post" (Ausgabe vom 5. März) unter Berufung auf ehemalige US- Geheimdienstmitarbeiter und Experten im US-Kongress berichtete, vertraute Washington offenbar blind einem irakischen Überläufer, der den auf Krieg drängenden Exil- Irakern nahe stand. Der Informant sei nicht einmal von US- Geheimdienstlern persönlich befragt worden; vielmehr habe sich Washington auf Berichte des Mannes verlassen, die über andere Geheimdienste übermittelt worden seien. Wenige Stunden vor der geplanten Unterzeichnung einer irakischen Übergangsverfassung haben Unbekannte mehrere Mörsergranaten auf den Flughafen von Bagdad gefeuert. Zudem explodierten am 5. März in der Hauptstadt zwei an Straßen deponierte Bomben. Verletzt wurde nach US-Angaben bei den Vorfällen niemand.
  • Das sunnitische Verwaltungsratsmitglied Mahmud Othman verteidigte vor der Unterzeichnungszeremonie die neue Verfassung gegen Einwände, sie trage die Handschrift der US-Verwalter: "Mit dem neuen Grundgesetz kann unser Land regiert werden", sagte er dem Sender El Arabija. "Die Amerikaner hatten Ideen und Vorschläge, aber es ist ein irakischer Entwurf. Wer immer die Gesetze sieht, wird erkennen, dass es sich um die Arbeit von Irakern handelt." Mehrere radikal-schiitische Mullahs wandten sich in Freitagsgebeten am 5. März gegen den Text. Der höchste Imam des Bagdader Kasimija-Schreines, Scheich Jawad el Chalisi, sagte, die Charta sei von einem nicht gewählten Gremium unter US-Dominanz erarbeitet worden. "Ihr fehlt die Legitimität." Moderatere schiitische Geistliche wie Sheich Sadr-Aldin el Kubanji lobten den Text dagegen als Erfolg, weil er den Islam als Staatsreligion anerkenne.
    Vor allem um die Rolle des Islams in einem souveränen Irak war bis zuletzt verhandelt worden. In dem Entwurf wird der Islam nun als eine Quelle für die Gesetze genannt. Zudem ist festgelegt, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze der islamischen Religion verstoßen darf.
    Dem föderalen Staatssystem zufolge wäre es allen 18 irakischen Provinzen erlaubt, selbstständige Regionen zu werden. Damit öffnet sich für die Schiiten die Tür zu einer autonomen Region im Süden ähnlich der kurdischen Selbstverwaltung im Norden. Details derartiger Entwicklungen müsste jedoch eine Nationalversammlung festsetzen.
    Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch kritisierte dagegen am 5. März den ihrer Ansicht nach zu geringen Schutz für Frauen. "Gleichberechtigung in der Familie, beim Erbe und hinsichtlich der Bürgerrechte der Kinder dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden", sagte LaShawn Jefferson. "Eine Übergangsverfassung müsste diese Rechte explizit garantieren."
  • Im letzten Moment ist in Bagdad die feierliche Unterzeichnung der irakischen Übergangsverfassung auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Einzelne Mitglieder des provisorischen Regierungsrats hätten Änderungswünsche geäußert, über die man bislang keine Einigung erzielt habe. Das sagte ein Sprecher der US-Verwaltung am späten Nachmittag des 5. März im Irak. Das Dokument war am 1. März von allen 25 Mitgliedern des Regierungsrates einmütig gebilligt worden.
    Einem Gewährsmann zufolge wandte sich der schiitische Großayatollah Ali el Husseini el Sistani gegen die den Kurden zugestandenen Autonomierechte. "Es gibt einige Vorbehalte, wir versuchen sie auszuräumen", erklärte auch Hamed el Bajati vom Obersten Rat für eine Islamische Revolution in Irak, der die Vorlage ebenfalls nicht unterschreiben wollte. Nach Bajatis Angaben wollten die Kurden sicherstellen, dass die künftige permanente Verfassung die aus drei Provinzen bestehende kurdische Autonomiezone im Norden Iraks beibehalten würde. Sie hätten deshalb durchsetzen wollen, dass durch Zweidrittelmehrheiten in jeweils drei beliebigen Provinzen jede Änderung der Übergangsverfassung hätte blockiert werden können. Angesichts der geringen Bevölkerungsdichte in den drei kurdischen Provinzen hielten die Schiiten dies für inakzeptabel, sagte Bajati.
    Ein Vertreter Sistanis wandte sich auch bei den Freitagsgebeten am 5. März in Kerbela gegen diese Klausel. Wenn eine bestimmte Partei das Recht erhalte, ein Veto gegen die künftige Verfassung einzulegen, dann sei dies eine gefährliche Sache, betonte Scheich Abdel Mehdi el Kerbalai. Dem geplanten Föderalsystem zufolge wäre es allerdings allen 18 irakischen Provinzen erlaubt, zu selbstständigen Regionen zu werden. Damit öffnet sich für die Schiiten die Tür zu einer autonomen Region im Süden ähnlich der kurdischen Selbstverwaltung im Norden. Details müsste jedoch die künftige Nationalversammlung festsetzen. Vorbehalte gab es laut Bajati auch noch über die künftige Präsidentschaft, die gemäß der Vorlage aus einem Staatsoberhaupt und zwei Stellvertretern bestehen soll. Die Schiiten wollten dagegen eine fünfköpfige rotierende Präsidentschaft. Wann eine Einigung erzielt werden könnte, blieb zunächst unklar.
    Die Unterzeichnung der neuen Verfassung musste bereits zwei Mal verschoben werden. Schon am vergangenen Wochenende gab es Unstimmigkeiten über den Text. Eine weitere Verzögerung brachte die Staatstrauer nach den verheerenden Anschlägen zum schiitischen Aschura-Fest am 2. März.
  • Frankreich und Russland haben sich am 5. März für eine internationale Irak-Konferenz ausgesprochen. Sie forderten zugleich eine größere Rolle der Vereinten Nationen bei der Wiederherstellung der Stabilität in Irak, wie der französische Außenminister Dominique de Villepin erklärte. Villepin äußerte sich nach einem Treffen des französisch-russischen Kooperationsrats für Sicherheitsfragen in Paris. An den Gesprächen nahmen die Außen- und Verteidigungsminister der beiden Staaten teil.
  • Der frühere UN-Waffeninspekteur Hans Blix hat dem britischen Premierminister Tony Blair das Fehlen von "kritischem Denken" in der Irak-Krise vorgeworfen. Blix sagte der britischen Zeitung "The Guardian" (Ausgabe vom 6. März), er beschuldige Blair nicht, mit schlechten Absichten gehandelt zu haben. Aber der Premier habe sich vor dem Krieg zu sehr auf Geheimdienstberichte über das irakische Waffenpotenzial verlassen. Während die UN-Waffenexperten unter seiner Leitung in Irak nach Massenvernichtungswaffen suchten, hätten sich die Regierungen von Großbritannien und der USA "wie Geisterbeschwörer" benommen, sagte Blix. Erneut kritisierte er, dass das UN-Team keine Zeit bekommen hätte, seine Arbeit zu beenden. Die Experten der Vereinten Nationen hätten eine akkuratere Analyse des fehlerhaften Geheimdienstmaterials liefern können, mit dem Washington und London den Krieg begründeten. "Schrittweise hätten die Regierungen zu dem Schluss kommen müssen, dass in Irak nichts war", zitierte ihn das Blatt. "Schrittweise hätten sie herausgefunden, dass die Informationen der Überläufer nicht stimmten."
  • Trotz Bedenken der Schiiten gegen Teile der irakischen Übergangsverfassung hat der Regierungsrat in Bagdad die bereits zweimal verschobene Unterzeichnung für den 8. März angekündigt. Der Rat werde erneut zusammenkommen, um die "Diskussionen zu beenden und die Verfassung zu unterzeichnen", hieß es in einer Erklärung des Gremiums vom 6. März. In der Erklärung des Regierungsrates heißt es, der Aufschub solle den Ratsmitgliedern die Möglichkeit geben, ihre Diskussion über bestimmte Fragen abzuschließen. Unterzeichner der Erklärung sind der schiitische Ratsvorsitzende Mohammed Bahr el Ulum, Kurdenführer Massud Barsani und der Sunnit Abdul Hamid.
    Schiitische Ratsmitglieder kamen am 6. März bei dem schiitischen Großayatollah Ali Sistani in Nadschaf zu Beratungen zusammen. Auch ein Vertreter der größten Schiitenpartei, dem Obersten Rat der Islamischen Revolution (SCIRI), nahm an dem Treffen teil, wie Reporter vor Ort berichteten. Die Delegation hatte nach eigenen Angaben jedoch keinen direkten Kontakt zu Sistani. "Wir sind auf dem Weg zu einer Einigung über die offenen Fragen", sagte Bahr el Ulum.
  • Die Bundeswehr wird laut Verteidigungsminister Peter Struck auf absehbare Zeit nicht in Irak eingesetzt. Es gebe in nächster Zeit kein Szenario, bei dem die Bundesregierung ihre bekannte Haltung ändern müsse, sagte der SPD-Politiker der Zeitung "Die Welt" (Ausgabe vom 6. März). Die politischen Bedingungen für einen NATO-Einsatz seien noch nicht gegeben. Und selbst wenn der NATO-Gipfel in Istanbul im Juni einen Grundsatzbeschluss für einen Einsatz fassen sollte, entscheide jedes Land souverän, ob es sich beteilige, sagte Struck. Struck wies zugleich Vermutungen zurück, der Bundeswehretat solle gekürzt werden. Er habe mit Finanzminister Hans Eichel (SPD) die Vereinbarung, dass die Einsparungen aus der Bundeswehr-Reform in den nächsten Jahren dem Verteidigungshaushalt erhalten blieben.
  • Die Alliierten im Irak wollen nach der Übergabe der Macht Ende Juni mindestens sechs Stützpunkte im Land behalten. So soll die Sicherheit der Bürger beim Übergang der Macht an das Volk gewährleistet werden. Die Koalitionstruppen hätten aber nicht vor, längerfistig zu bleiben, sagte ein Sprecher der US-Zivilverwaltung am 6. März.
  • Bei der Explosion eines mit Sprengstoff beladenen Lastwagens westlich von Bagdad sind am 6. März der Fahrer getötet sowie drei US-Soldaten verletzt worden. Die Soldaten hätten am Morgen nahe einer Brücke rund 80 Kilometer westlich der Hauptstadt das Feuer auf das ihnen verdächtig erschienene Fahrzeug eröffnet, teilte ein Sprecher der US-Armee mit. Daraufhin sei der Lastwagen in eine Betonmauer gefahren und explodiert. Dabei seien auch mehrere Artilleriegeschosse aus dem Fahrzeug gefallen und detoniert.
  • Eine Gruppe von rund 50 Ermittlern will nach US-Angaben in Irak ein "Kriegsverbrechertribunal" gegen den früheren Staatschef Saddam Hussein und andere Mitglieder seines Regimes vorbereiten. Dem amerikanischen Team gehören Beamte des Justizministeriums, der Bundespolizei FBI und ranghohe Vertreter anderer Justizbehörden an, wie am 6. März aus Regierungskreisen in Washington verlautete. Sie würden bei ihrer Arbeit vor Ort dem US-Zivilverwalter Paul Bremer unterstellt. Zum Ermittlungsteam gehören den Angaben zufolge auch Justizbeamte aus Großbritannien, Spanien und Polen. All diese Länder haben die USA im Krieg gegen Irak unterstützt. Wie es hieß, sollen die Juristen das tausende Seiten starke Beweismaterial sichten. Auf dieser Grundlage könnte dann ein Plan für ein Verfahren gegen Saddam Hussein und seine Mitstreiter vor einem irakischen "Kriegsverbrechertribunal" erarbeitet werden.
  • Der Oberbefehlshaber der britischen Truppen im Irakkrieg, Admiral Michael Boyce, hat Medienberichte über Vorbehalte des Generalstabs gegen die Invasion im März 2003 bestätigt. Er habe damals um ein "eindeutiges Gutachten" zur Frage der Rechtmäßigkeit des Krieges gebeten und eine entsprechende Mitteilung erst fünf Tage vor dem Angriff erhalten, sagte Boyce der Sonntagszeitung "Observer" (7. März). Auf seine Bitte um "zwei oder drei Zeilen" zur Vereinbarkeit des Krieges mit dem nationalen und internationalen Recht habe er vom Rechtsberater der Regierung, Generalstaatsanwalt Peter Goldsmith, eine unmissverständliche einzeilige Bestätigung der Rechtmäßigkeit erhalten.
  • Bei einem Anschlag auf eine Polizeistation in der nordirakischen Stadt Mossul sind am 7. März zwei irakische Passanten getötet wurden. Zwei irakische Polizisten wurden verletzt, wie ihre Kollegen mitteilten. Demnach wurde die Polizeistation am Morgen aus einem vorbeifahrenden Auto heraus mit Granaten beschossen. Die Beamten feuerten zurück, doch war zunächst unklar, ob das Fahrzeug getroffen wurde.
  • Im Ringen um eine irakische Übergangsverfassung hat der geistliche Führer der Schiiten seinen Widerstand am 7. März offenbar aufgegeben. Nach einem Gespräch mit Großayatollah Ali el Husseini el Sistani in dessen Heimatstadt Nadschaf erklärte das schiitische Verwaltungsratsmitglied Muwafak el Rubaie: "Die Nachricht ist sehr gut und wir werden die Verfassung morgen unterzeichnen." Man sei froh, dass der Großayatollah die Position der schiitischen Politiker verstanden habe. Damit scheint der Weg endgültig frei für das In-Kraft-Treten des Grundgesetzes, was schon drei Mal verschoben werden musste.
    Mit seinem Widerstand gegen zwei Klauseln hatte Sistani die Unterzeichnung der Charter am 5. März in letzter Minute platzen lassen. Auf sein Drängen wandten sich fünf von 13 schiitischen Ratsmitgliedern gegen die im Verfassungstext verankerten Autonomierechte der Kurden und stellten auch die geplante Präsidentschaft aus einem Staatsoberhaupt und zwei Stellvertretern in Frage. Aus Kreisen der Besatzungsbehörden verlautete, weder Kurden noch Sunniten seien zu einer Änderung des Textes bereit.
  • Die Grenzen der freien Marktwirtschaft
    Die USA wollen im Laufe der nächsten Tage mit der Vergabe von Verträgen für den irakischen Wiederaufbau im Wert von fünf Milliarden Dollar (vier Milliarden Euro) beginnen. Zunächst würden Verträge zur Koordinierung der Bauvorhaben vergeben, teilte ein Vertreter des US-geführten Programm-Management-Büros (PMO) am 7. März in Bagdad mit. Sie sollen an Firmen aus Unterstützerstaaten des Irak-Kriegs gehen. Diesen stehe es aber frei, Unterverträge mit Firmen abzuschließen, deren Heimatstaaten den Waffengang nicht unterstützt hatten.
    Das Pentagon hat sich im Machtkampf mit dem Außenministerium in der US-Regierung durchgesetzt und bekommt nun weitgehend die Kontrolle über die 18,4 Milliarden Dollar für den Aufbau Iraks. Dies teilte ein US-Vertreter am 7. März in Bagdad. Aufbauprojekte, die seit einem Monat auf Eis lagen, würden nun in dieser Woche in Angriff genommen. Das Hilfspaket sieht 2.300 Bauprojekte in den kommenden vier Jahren vor. Das Außenministerium ist dabei nur für rund zehn Prozent zuständig. Mit der Entscheidung bleibt das Pentagon auch nach dem Ende der Besatzung in Irak maßgeblich zuständig für den Wiederaufbau des Landes, wie es weiter hieß.
  • Mehrere Raketen haben das Gelände der US-Verwaltung und des provisorischen Regierungsrats in Bagdad getroffen. Das meldet der arabische TV-Sender El Dschasira am 7. März. Angaben über Opfer liegen noch nicht vor. Die irakische Polizei erklärte, mehrere Raketen seien von einem Fahrzeug aus abgeschossen worden. Im Gebäude des Regierungsrats war zuletzt über die Übergangsverfassung des Irak gestritten worden. Ein Augenzeuge sagte, eine der Raketen habe auch das Raschid-Hotel getroffen. Dort sind Mitarbeiter der Besatzungsmacht untergebracht.
8. bis 14. März
  • Der irakische Regierungsrat hat die Übergangsverfassung für das Land einstimmig gebilligt. Dies wurde am Mittag des 8. März in Bagdad bekannt gegeben. Die 25 Mitglieder des von den USA eingesetzten Gremiums bekannten sich bei einer Abstimmung per Hand einmütig zu dem vor einer Woche ausgehandelten Entwurf. Anschließend begannen sie, ihre Unterschriften unter das Dokument zu setzen. An der Zeremonie nahmen auch der US-Zivilverwalter Paul Bremer sowie der britische Irak-Beauftragte Jeremy Greenstock teil.
  • Kurz vor der geplanten Unterzeichnung erschütterte eine heftige Explosion die Hauptstadt. Rauch stieg nahe des Hotels El Mansur auf, das in der Nähe der so genannten Grünen Zone liegt. Dort sind zahlreiche Einrichtungen der Besatzungstruppen untergebracht. Die Zeremonie zur Unterzeichnung der Interimsverfassung fand in einem Kongresszentrum innerhalb der Grünen Zone stattfinden.
  • US-Soldaten in Irak haben einen Geistlichen festgenommen, der zum Heiligen Krieg gegen die Besatzungstruppen aufgerufen haben soll. Scheich Mohammed Moriah wurde bereits am Morgen des 7. März bei Bakuba südöstlich von Tikrit gefasst, wie die US-Streitkräfte am 8. März mitteilten. Den Angaben zufolge leitet Moriah die so genannte Chalas-Bewegung der Wachhabi-Sekte, einer radikalislamischen Gruppierung der Sunniten. Auch der mutmaßliche Chef des Terrornetzwerks El Kaida, Osama bin Laden, soll zu dieser Sekte gehören. Militärsprecherin Josslyn Aberle brachte Moriah ferner mit einem Bombenanschlag in Nordirak in Verbindung, bei dem im Dezember ein Iraker getötet wurde. Bei Razzien gegen mutmaßliche Aufständische im Umkreis von Bakuba wurden bis zum Morgen des 8. März nach US-Angaben noch 14 weitere Iraker festgenommen und zahlreiche Waffen beschlagnahmt, darunter Panzerabwehrgeschosse, Granaten und Maschinengewehre.
  • Nach der Unterzeichnung der irakischen Übergangsverfassung will UN-Generalsekretär Kofi Annan mögliche Einsatzfelder für die Weltorganisation in Irak ausloten. "Der Generalsekretär wird das Dokument sorgfältig prüfen und in dieser Hinsicht auch die mögliche Rolle prüfen, die die Iraker der UNO zuweisen könnten", erklärte Annans Sprecher Fred Eckhard am 8. März in New York.
  • Die US-Regierung fördert die Rechte von Frauen in Irak mit zehn Millionen Dollar (acht Millionen Euro). Zum Internationalen Frauentag verkündete US-Außenminister Colin Powell am 8. März in Washington nach einem Treffen mit der irakischen Ministerin für öffentliche Aufgaben, Nesrin Seddik Berwari, zwei entsprechende Initiativen. Beide Politiker betonten, dass Frauenorganisationen in Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein gestärkt worden seien. Basisorganisationen und Selbsthilfegruppen "erblühen von Bagdad bis Babylon und über Basra hinaus", sagte Powell.
  • Freudenschüsse zur Feier der irakischen Übergangsverfassung haben in Irak drei Menschen das Leben gekostet. 21 weitere Menschen wurden am Abend des 8. März bei der Kundgebung in Kirkuk verletzt, wie der Polizeichef der nordirakischen Stadt am 9. März mitteilte.
  • Schiitische Mitglieder des irakischen Regierungsrats haben die Kritik von Schiitenführer Großayatollah Ali Sistani an der Übergangsverfassung verteidigt. Sistanis Einwände gegen das Dokument bedeuteten nicht, dass der Großayatollah auf dessen Annullierung hinarbeite, sagte das Regierungsrats-Mitglied Muaffak el Rubai am 9. März der AFP. Der ebenfalls im Regierungsrat sitzende Schiite Abdel Asis Hakim betonte, die Schiiten hätten die Wahl gehabt, den politischen Prozess für Irak völlig aufzuhalten oder ihn mit der Verabschiedung der Übergangsverfassung fortzusetzen und anschließend Verbesserungen am Text durchzusetzen.
  • Eine Woche nach den verheerenden Bombenanschlägen auf schiitische Pilger in Irak sind die Ermittlungen kaum vorangekommen, wie US-Brigadegeneral Mark Kimmitt am 9. März in Bagdad mitteilte. Von den 24 festgenommenen Verdächtigen seien bis auf neun alle wieder freigelassen worden. Die neun noch Inhaftierten sind den Angaben zufolge vermutlich alles Iraker. Die Besatzungsbehörden hatten unmittelbar nach den Anschlägen in Bagdad und Kerbela ausländische Kämpfer verantwortlich gemacht und erklärt, sie hätten auch einige Ausländer als Verdächtige festgenommen. Bei den Anschlägen wurden mindestens 181 Menschen getötet und 573 verletzt.
  • Sechs Explosionen haben am 10. März die Umgebung des Hauptquartiers der US- Zivilverwaltung in Bagdad erschüttert. Die Detonationen hätten sich nahe dem Kontrollpunkt Nummer drei ereignet, sagte ein Sprecher der US-Armee. Die Ursache werde untersucht. Der Kontrollpunkt liegt an der Hauptverkehrsstraße, die das Hotel Bagdad mit den Gebäuden der US-geführten Besatzungsmächte verbindet. Die so genannte grüne Zone, innerhalb derer die Zivilverwaltung ihren Sitz hat, war erst vor drei Tagen (7. März) Ziel eines Angriffs mit mehreren Raketen gewesen.
  • Das US-Verteidigungsministerium hat aus einem Etat von insgesamt fünf Milliarden Dollar (4,1 Milliarden Euro) sieben Aufträge an britische und US-Firmen für Wiederaufbauprojekte in Irak vergeben. Wie das Pentagon am 10. März erklärte, sollen in den kommenden Tagen zehn weitere Aufträge folgen. Dabei gehe es um die Bereiche öffentliche Arbeiten und Wasser, Verkehr und Kommunikation, Sicherheit und Justiz, Bau-, Bildungs- und Gesundheitswesen.
  • Als irakische Polizisten verkleidete Angreifer töteten am 10. März an einem südirakischen Kontrollposten zwei US-Zivilisten und ihren Übersetzer. Nach Angaben des polnischen Militärsprechers Robert Strzelecki wurden fünf Iraker verhaftet, in deren Auto die drei Leichen gefunden wurden. Die falschen Polizisten seien an die US-Militärbehörden überstellt worden, weil zwei der Opfer Amerikaner seien.
  • In Nassirijah wurden am 10. März bei einer Schießerei zwischen einer schiitischen Miliz und irakischen Polizisten vier Beamte getötet, bevor italienische Truppen das Gebäude stürmten und zwei dort festgehaltene Zivilisten befreiten. Die Carabinieri nahmen acht Personen fest.
  • Auf das Büro einer schiitischen Partei in Bakuba nordwestlich von Bagdad wurde am 10. März ein Sprengstoffanschlag verübt, bei dem zwei Personen verletzt wurde. Die Zwischenfälle wurden von Sprechern der Besatzungstruppen bestätigt. Das Gebäude des Obersten Rats für die Islamische Revolution in Irak (SCIRI) wurde beschädigt.
  • In der Nähe der nordirakischen Stadt Mossul griffen am 10. März US-Streitkräfte ein nicht näher genanntes Ziel mit Mörsergranaten an. Dabei wurde nach Militärangaben eine Zivilperson irrtümlich getötet.
  • Bei einem Bombenanschlag nördlich von Bagdad sind ein US-Soldat getötet und zwei weitere verletzt worden. Ein Armeekonvoi sei bei Bakuba von einer am Straßenrand deponierten Bombe getroffen worden, teilte ein US-Offizier am 11. März mit. Der Anschlag habe sich bereits am 10. März ereignet.
  • In der südirakischen Stadt Basra sind zwei Dolmetscherinnen der britischen Besatzungstruppen erschossen worden. Die beiden Irakerinnen waren am Abend des 10. März auf dem Heimweg, als Bewaffnete ihr Taxi anhielten und die Schwestern erschossen, wie ein Militärsprecher am 11. März mitteilte. In Irak werden häufig Mitarbeiter der Besatzungstruppen angegriffen. Möglicherweise standen hinter dem Überfall aber auch religiöse Fundamentalisten. Schiitische Milizen sollen in Basra schon mehrere Morde verübt haben, um das islamische Recht durchzusetzen.
  • Nach der für Ende Juni geplanten Machtübergabe in Irak werden die US-Truppen nicht sofort die komplette Kontrolle über die Sicherheit des Landes abgeben. "Wir werden die Kontrolle nicht übergeben, bevor die irakischen Sicherheitstruppen bereit sind", sagte US-General Ricardo Sanchez am 11. März in Bagdad. Die verbündeten Besatzungstruppen würden die Iraker so lange wie nötig bei der Ausrüstung und Beratung sowie beim Training und Kommando unterstützen.
  • Der ehemalige UN-Waffeninspektor im Irak, Hans Blix, hat am 11. März in Berlin sein Buch "Mission Irak" vorgestellt. In dem 350 Seiten starken Werk berichtet der schwedische Diplomat von seinen Erfahrungen im Land Saddam Husseins und von seinen Begegnungen mit Vertretern der amerikanischen und britischen Regierung. "Bush und Blair waren in gutem Glauben, sie dachten wirklich, es gebe Massenvernichtungswaffen im Irak", sagte Blix in Berlin. Der Schwede ermahnte Amerikaner und Briten zugleich, sich in "kritischerem Denken" zu üben. (Das Buch wird auf unserer Literaturseite kurz vorgestellt.)
  • Die irakische Polizei hat einen Kommandeur der Eliteeinheit Republikanische Garde von Ex-Machthaber Saddam Hussein festgenommen. Ex-General Raschid Hamid Abdallah Bajati sei von rund 80 Polizisten im Dorf Humaira etwa 25 Kilometer südlich von Kirkuk nach einem Gefecht überwältigt worden, sagte ein Polizeioffizier der Nachrichtenagentur AFP am 11. März. Bei dem Zugriff sei einer seiner Begleiter getötet worden. Bajati gelte als "Gehirn hinter mehreren Operationen gegen die Polizeikräfte und die amerikanische Armee". Die US-Truppen hätten nach ihm gefahndet.
  • Ein sunnitischer Geistlicher ist nach eigenen Angaben nur knapp einem Mordanschlag in Bagdad entgangen. Mehrere Bewaffnete seien am 11. Mäz neben seinem Wagen vorgefahren und hätten das Feuer eröffnet, berichtete Nasem Chalaf, der an Kopf und Hand verletzt wurde. Sein Sohn und sein Schwiegersohn seien erschossen worden. "Wer auch immer mich töten wollte, versucht, Gewalt zwischen den religiösen Gruppen anzustacheln", erklärte Chalaf. Vor einigen Tagen habe ein Mitglied einer militanten schiitischen Gruppe ihm mit dem Tod gedroht.
  • Eine amerikanische Journalistin ist wegen Spionage für den Irak festgenommen worden. Susan Lindauer soll 10.000 Dollar vom irakischen Geheimdienst erhalten haben, berichteten US-Medien am 11. März. Lindauer hatte zeitweise als Pressesprecherin für Kongressabgeordnete gearbeitet. Die Behörden werfen ihr Verschwörung, Spionage und Geldannahme von einem terroristischen Regime vor. Sie soll von 1999 bis 2002 mehrfach in der irakischen Mission bei den Vereinten Nationen in New York und 2002 im Irak gewesen sein.
  • Westlich von Bagdad sind am 11. März zwei US-Soldaten getötet worden. Nach Angaben der US-Armee wurde ein dritter Soldat verletzt. Die Soldaten seien in einem Auto unterwegs gewesen, das bei Habbanijah, 70 Kilometer von der irakischen Hauptstadt entfernt, auf eine selbstgefertigten Sprengsatz gefahren sei.
    Mit dem jüngsten Anschlag stieg die offizielle Zahl der seit Kriegsbeginn vor einem Jahr in Irak getöteten US-Soldaten auf 556.
  • Mehr als 1.000 Schiiten demonstrierten am 12. März in Bagdad für den sofortigen Abzug der US-Truppen. Sie riefen "Tötet Amerika" und "Ja zum Islam" und warfen Steine auf gepanzerte Fahrzeuge der US-Streitkräfte. Angaben über Verletzte lagen zunächst nicht vor.
  • Das US-Verteidigungsministerium hat zwei weitere Großaufträge im Wert von einer Milliarde Dollar (rund 817 Millionen Euro) für den Wiederaufbau der Stromversorgung in Irak vergeben. Der in Princeton (US-Bundesstaat New Jersey) ansässige Konzern Washington International Inc. sei mit der Instandsetzung des Elektrizitätswesens im Norden Iraks beauftragt worden, teilte das Pentagon am 12. März mit. Im Süden des besetzten Landes kommt demnach das US-Unternehmen Perini Corp. zum Zuge. Die Aufträge haben einen Wert von jeweils 500 Millionen Dollar.
  • Bei einem Angriff auf einen US-Konvoi sind am 13. März zwei US-Soldaten getötet und fünf weitere verletzt worden. Die Soldaten seien im Zentrum von Tikrit rund 180 Kilometer nördlich von Bagdad attackiert worden, sagte ein Sprecher der US-Armee. Neben dem Konvoi sei zunächst eine Bombe explodiert; anschließend hätten Unbekannte die Soldaten beschossen. Einige der Verwundeten schwebten in Lebensgefahr. Das in Deutschland stationierte US-Regiment war erst vor kurzem nach Irak geschickt worden und übernahm am 13. März die Kontrolle in Saddam Husseins Heimatstadt.
  • Ein US-Soldat wurde bei einem Angriff in der Stadt Ramadi (100 Kilometer westlich von Bagdad) getötet, als aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug eine Handgranate auf eine US-Patrouille geschleudert wurde, berichteten Augenzeugen am 13. März. Drei weitere Soldaten wurden dabei verletzt.
  • Bei der Explosion einer Bombe in der Stadt Bakuba (60 Kilometer nordöstlich von Bagdad) wurden am 13. März drei Iraker verletzt. Nach Angaben von Augenzeugen kurz zuvor eine amerikanische Militärstreife vorbeigefahren.
  • Bei einem Sprengstoffanschlag in Bagdad ist am 13. März ein irakischer Geschäftsmann getötet worden. Ziel des Anschlags war dessen Laden im Geschäftsviertel Karrada, wie die US-Armee mitteilte. Der Getötete war nach Angaben von Augenzeugen verwandt mit Ibrahim el Dschaafari, einem Mitglied des irakischen Regierungsrates. Der Inhaber des Nachbarladens beobachtete nach eigenen Angaben einen etwa 30 Jahre alten Mann mit Brille und einer Zeitung, der vor der Explosion eine Tasche vor dem Geschäft abgestellt habe und anschließend mit einem weißen Fahrzeug verschwunden sei. Nach Augenzeugenangaben wurden auch drei Menschen verletzt; das Geschäft wurde durch die Wucht der Detonation völlig zerstört.
  • Durch Granatenbeschuss sind in einem Dorf nahe der irakischen Stadt Baakuba nach Angaben von Augenzeugen fünf irakische Zivilisten getötet worden. Am 13. März seien auf das Dorf Siham vier Granaten abgeschossen worden, berichtete der 35-jährige Dschalil Ali am 14. März. Fünf Bewohner seien getötet und drei weitere verletzt worden. Ein anderer Augenzeuge, der 40-jährige Karim Hassan, wies darauf hin, dass das Dorf in der Nähe eines US-Militärstützpunktes liegt, der häufig von Gegnern der Besatzungstruppen unter Beschuss genommen werde. US-Soldaten würden gewöhnlich den Beschuss erwidern. Wer für den Granatenbeschuss verantwortlich ist, wurde zunächst nicht bekannt.
  • Zum Frühjahrs-Parteitag der regierenden britischen Labour-Partei haben am 13. März in Manchester mehrere tausend Menschen gegen den Irak-Krieg demonstriert. Die Demonstranten zogen friedlich durch die nordwestenglische Stadt. In Anlehnung an die Entmachtung des irakischen Staatschefs Saddam Hussein brachten die Teilnehmer eine Puppe mit den Zügen des britischen Premierministers Tony Blair zu Fall. In einer Petition forderten die Organisatoren eine unabhängige Untersuchung über die Gründe der britischen Beteiligung am Irak-Krieg.
  • Zur Abwehr ausländischer Extremisten hat die US-geführte Koalition in Irak die Verschärfung der Kontrollen an der Grenze zu Iran angekündigt. Die Zahl von 8.000 Grenzsoldaten werde verdoppelt, erklärte der Chef der US-Zivilverwaltung, Paul Bremer, am 13. März in Bagdad. Zudem werde die Zahl der Kontrollposten von etwa 15 auf drei reduziert. Einreisende aus Iran können demnach künftig nur noch in den Ortschaften Munsirijah, Surbatijah und Schalamschah die Grenze überqueren. Mit dieser "ersten Stufe" von Maßnahmen solle verhindert werden, dass weiter bewaffnete Ausländer unerkannt nach Irak einreisten, teilte Bremer mit.
  • Drei Soldaten der 1. US-Panzerdivision kamen am späten Abend des 13. März südwestlich von Bagdad ums Leben, als ihr Fahrzeug bei einer Patrouille auf einen Sprengsatz auffuhr, wie ein US-Militärsprecher am 14. März mitteilte. Ein Soldat sei dabei verletzt worden.
  • Bei einem Anschlag in Bagdad ist am Morgen des 14. März ein US-Soldat getötet worden. Das teilte eine Militärsprecherin der Alliierten mit. Der Anschlag sei mit einem an einer Straße versteckten Sprengsatz verübt worden.
  • Hunderte Menschen haben in den USA gegen den Irak-Krieg demonstriert, darunter zahlreiche Angehörige von in Irak getöteten oder noch in Irak eingesetzten US-Soldaten. Die Demonstranten zogen am 14. März im einem Marsch "zu Ehren unserer gefallenen Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter" vor einen Luftwaffenstützpunkt in Dover im nordöstlichen Bundesstaat Delaware. Nach Dover werden die Leichen von in Irak getöteten US-Soldaten ausgeflogen. Die US-Regierung lässt jedoch kaum Kameras auf das Gelände, um Bilder von aus Flugzeugen geladenen Särgen zu vermeiden.


Zurück zur "Chronik eines angekündigten Krieges"

Zur Irak-Seite

Zurück zur Homepage