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Irak-Chronik

24. bis 30. April 2003

Die heiße Phase des Irakkriegs ist nach fünf Wochen zweifellos vorbei. Die Probleme des Landes, das nun unter US-amerikanischer Besatzung steht, sind nicht gelöst, neue Probleme dürften hinzu kommen. Unsere Chronologie der Ereignisse wird daher fortgeführt, wenn auch vielleicht nicht mehr in dem Umfang wie bisher.

24. April
  • Die US-Armee nahm nach Angaben des US-Zentralkommandos vom 24. April den Chef der irakischen Luftverteidigung, Musahim Saab Hassan el Tikriti, Militärgeheimdienstchef Sahair Talib Abdel Sattar el Nakib und Handelsminister Mohammed Mehdi el Saleh fest. Alle drei standen auf der US-Liste der 55 meistgesuchten Iraker. Mit den neuen Festnahmen erhöhte sich die Zahl der gefassten Gesuchten auf elf. Nicht auf der Liste stand der ebenfalls festgenommene Chef der Nordamerika-Abteilung im Militärgeheimdienst, Salim Said Chalaf el Dschumaili. Von ihm erhoffen sich die USA Erkenntnisse über Spione
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die amerikanischen und britischen Streitkräfte im Irak zur Wahrung der Genfer Konventionen aufgefordert. Er hoffe, die Koalition werde die Verantwortung der Besatzungsmacht für Ordnung, Sicherheit und das Wohlergehen der Zivilbevölkerung wahrnehmen, sagte Annan am 24. April vor der UN- Menschenrechtskommission in Genf. Die Krise der Menschenrechte im Irak habe nicht erst mit dem Krieg begonnen. Es sei aber zu hoffen, dass im Irak nun eine neue Epoche der Menschenrechte beginne.
  • Auch nach dem Ende des Bombenkrieges werden Kinder in Irak nach Angaben eines französischen Ärzte-Teams noch durch Streubomben verletzt. Das berichtete der Chirurg Daniel Roux am 24. April nach einer einwöchigen Bagdad-Mission bei einem Zwischenstopp in Amman. Mehrere Kinder seien teils schwerstens verletzt worden, als durch Streubomben ausgesäte Klein-Sprengkörper explodierten. Das französische Kinderhilfswerk "La Chaîne de l'Espoir" berichtete in Paris von "Chaos" in den Krankenhäusern Bagdads. "Immer noch werden Kinder in Irak verletzt", betonte Roux. Er selber habe von drei Tagen zwei etwa drei und sechs Jahre alte Kinder gesehen, berichtete der aus Toulouse stammende Mediziner nach seiner Mission für "La Chaîne de l'Espoir". "Das eine hatte eine Hand, die nur noch an einem Hautfetzen hing. Sie musste amputiert werden." Das andere Kind sei an beiden Augen getroffen worden. - Hilforganisationen treten seit längeren für ein Verbot von Streu- oder Clusterbomben ein, die über einem Zielgebiet zahlreiche kleine Bomben verstreuen. Schätzungen zufolge explodiert rund ein Zehntel dieser Klein-Bomben nicht sofort; die oft bunten Sprengkörper sind vor allem für Kinder und andere Zivilisten gefährlich. Das US-Verteidigungsministerium versprach bereits, sich mit den jüngsten Fällen zu beschäftigen.
  • Knapp fünf Wochen nach Kriegsbeginn im Irak hat ein technisches Korps der US-Armee erstmals wieder Öl gefördert. Die erste von zehn Förderanlagen auf dem Rumailah-Feld im Südirak sei wieder in Betrieb genommen worden, berichtet US-Brigadegeneral Robert Crear am 24. April in Basra. "Wir schätzen, dass es noch sechs bis 15 Wochen dauert, um eine Produktion zwischen 400 000 und 800 000 Barrel (je 159 Liter) pro Tag zu erreichen." Hilfe bekam das Armeekorps vom US-Unternehmen Kellogg Brown & Root (KBR) sowie von mehr als 1000 irakischen Ölarbeitern.
  • Der Ton zwischen den USA und dem Iran wird schärfer. Die US-Regierung hatte am 23. April Teheran vor einer Einmischung in die Angelegenheiten des Nachbarlandes Irak gewarnt. Der Sprecher des Weißen Hauses, Ari Fleischer, verwies dabei auf Berichte, wonach iranische Agenten versuchten, die Schiiten im Süden des Iraks zu beeinflussen. Teheran wies die Warnung der USA am 24. April zurück. Es sei absurd, dass die USA sein Land beschuldigten, sich in die inneren Angelegenheiten eines Staates einzumischen, in den sie selbst gerade einmarschiert seien. Gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Dominique de Villepin forderte der iranische Außenminister Kemal Charrasi eine bedeutende Rolle der Vereinten Nationen bei der politischen Neuordnung im Nachkriegs-Irak. Die UN müssten nicht nur bei der humanitären Hilfe im Irak die Federführung übernehmen, sondern auch bei den Schritten zu einer demokratisch gewählten Regierung, betonten sie am 24. April in Teheran. Präsident Mohammed Chatami zweifelte an, ob der von den USA eingesetzte Irak-Verwalter Jay Garner erfolgreich sein wird. Chatami habe in Frage gestellt, ob eine von den USA eingesetzte Interimsverwaltung den notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung haben werde, hieß es aus dem Umfeld Villepins. - Das US-Zentralkommando gab unterdessen bekannt, dass Marineinfanteristen bereits am Montag (21. April) mit der Überwachung der Grenze zu Iran im Nordosten des Iraks begannen.
  • Die Zahl der britischen Bodentruppen im Irak soll deutlich reduziert werden. Zudem wird Dänemark weniger Soldaten in den Irak schicken als ursprünglich geplant, wie Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen am 24. April bestätigte. Von den britischen Brigaden wird nach Angaben einer ranghohen Militärquelle am Oberkommando der Alliierten in Katar in den kommenden Monaten nur noch eine von bislang drei Brigaden übrig bleiben. Insgesamt waren etwa 45 000 britische Soldaten in der Region stationiert.
  • Der von Washington als Zivilverwalter für den Irak eingesetzte ehemalige US-General Jay Garner hat am 24. April erstmals in groben Zügen erklärt, wie er sich die Übergangsphase im Land vorstellt. Unter Garner sollen drei Amerikaner für die drei Regionen Nord-, Zentral- und Südirak verantwortlich sein. Eine irakische Beteiligung an dieser Regionalverwaltung ist zunächst nicht vorgesehen. Die Region um die irakische Hauptstadt soll von der amerikanischen Botschafterin im Jemen, Barbara Bodine, geleitet werden. Stellvertreter Garners ist Brite Tim Cross. Auf die Frage, wie und wann die Iraker ihre eigenen Volksvertreter wählen sollten, sagte Garner in Bagdad: "Wir gehen davon aus, dass die Menschen zu uns kommen werden und uns sagen, wie sie das machen wollen". Im Süden des Landes sei dies bereits ansatzweise geschehen.
  • Nach Frankreich hat auch Russland im Streit um die Aufhebung der Irak-Sanktionen Kompromissbereitschaft angedeutet. Die überwiegende Mehrheit der Staaten sei für eine teilweise und befristete Aufhebung der UN-Sanktionen, sagte Außenminister Igor Iwanow am 24. April in Moskau. Bislang hatte die russische Führung eine Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak von einem Einsatz der UN- Waffeninspekteure im Land abhängig gemacht. Die USA fordern eine komplette Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak.
  • Der bisherige irakische Vizeministerpräsident Tarik Asis befindet sich seit dem 24. April in der Hand der US-Streitkräfte. Das bestätigten das US-Zentralkommando in Katar und Mitarbeiter des Pentagons. Unklar war zunächst, ob Asis gefangen genommen wurde oder sich stellte. Asis ist eines der bekanntesten Mitglieder aus der ehemaligen Führungsriege um Saddam Hussein. "Wir können bestätigen, dass Tarik Asis jetzt unter Kontrolle der Alliierten ist," sagte eine Sprecherin des US-Streitkräfte am Donnerstagabend in Doha. Auf der von den USA erstellten Liste der 55 meistgesuchten Iraker steht der frühere Außenminister und stellvertretende Ministerpräsident an 43. Stelle. Asis war der einzige Christ in Saddam Husseins Führungszirkel. Sein letzter öffentlicher Auftritt war am 19. März auf einer Pressekonferenz in Bagdad.
  • Der Chef des britischen Rundfunksenders BBC hat die Berichterstattung einiger US-Medien über den Irak-Krieg scharf kritisiert. Er sei schockiert darüber gewesen, wie unkritisch Nachrichtensender in den USA über den Irak-Krieg berichtet hätten, sagte der Generaldirektor der BBC, Greg Dyke, am 24. April in London. Patriotismus und Journalismus seien miteinander verbunden worden. Dyke kritisierte insbesondere die Berichterstattung des Nachrichtenkanals Fox News und die des Radiosender-Netzwerks Clear Channel Communications. Fox News habe mit einem nahezu fanatischen Patriotismus über den Krieg berichtet. Dem mit über 1200 Sendestationen größten US-Radionetzwerk Clear Channel warf Dyke vor, während einiger Sendungen zu Pro-Kriegs-Demonstrationen aufgerufen zu haben.
  • Die USA haben nach den Worten des Präsidenten George W. Bush Beweise dafür, dass der irakische Präsident Saddam Hussein tot oder schwer verletzt sein könnte. "Die Leute fragen, ob Saddam Hussein tot ist oder nicht. Es gibt einige Beweise dafür, dass er ... es liegt nahe, dass er es möglicherweise ist", sagte Bush am 24. April in einem Interview des US-Fernsehsender NBC. Bush schränkte jedoch ein: "Wir würden das nie erklären, bevor wir nicht sicherer wären. Aber die Person, die uns dabei geholfen hat, die Angriffe zu dirigieren, geht davon aus, dass Saddam zumindest schwer verwundet wurde."
  • Der UN-Sicherheitsrat in New York hat am 24. April (Ortszeit) einstimmig die Fortführung des Irak-Hilfsprogramms "Öl für Nahrungsmittel" bis Juni beschlossen. Wegen des Krieges im Irak war das Programm zeitweise ausgesetzt worden. Eine Woche nach Kriegsbeginn hatte der Sicherheitsrat Annan bevollmächtigt, das Programm 45 Tage lang in Eigenregie zu verwalten. Diese Frist wäre am 12. Mai abgelaufen. Der Sicherheitsrat hatte Annan beauftragt, Nahrung, Medikamente sowie landwirtschaftliche Geräte aus den Erlösen aus dem Export irakischen Öls zu kaufen.
25. April
  • US-Soldaten haben den ehemaligen irakischen Spionagechef gefasst, wie am 25. April aus US-Kreisen verlautete. Faruk Hidschasi sei am Tag zuvor nahe der irakisch-syrischen Grenze gefangen genommen worden und befinde sich in US-Gewahrsam, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters. Nähere Angaben wurden nicht gemacht.
  • Wenige Stunden nach seiner Festnahme ist der stellvertretende irakische Regierungschef Tarik Asis von US-Soldaten verhört worden. "Er war lange Zeit ein Vertrauter von Saddam Hussein", sagte US-Leutnant Herb Josey am Freitag in Katar. Deshalb könne er möglicherweise darüber Aufschluss geben, ob der entmachtete Präsident Saddam Hussein noch am Leben sei und wo er sich aufhalte. Das US-Zentralkommando wollte keine genaueren Angaben zur Festnahme von Asis oder zu seinem derzeitigen Aufenthaltsort machen.
  • Die USA wollen dem UN-Sicherheitsrat in der kommenden Woche eine Resolution zur Aufhebung der Sanktionen gegen Irak vorlegen. Der UNO würde bei der irakischen Ölausfuhr dann künftig nur eine beratende Rolle zukommen, berichtete die US-Zeitung "Washington Post" am 25. April unter Berufung auf hochrangige US-Regierungsbeamte. Ausländische Handelsaktivitäten in Irak sollten dem Entwurf zufolge so lange von der US-Regierung und ihren Koalitionspartnern kontrolliert werden, bis eine neue irakische Regierung ihr Amt antrete. Die Einkünfte aus der irakischen Ölausfuhr sollten künftig nicht mehr von den Vereinten Nationen, sondern von einer internationalen Finanzbehörde kontrolliert und für den Wiederaufbau des Landes verwendet werden.
  • Die USA schicken weitere gut 5.000 in Deutschland stationierte Soldaten zu Einsätzen in den Irak. Die Soldaten wurden am Morgen des 25. April auf dem US-Truppenstützpunkt im rheinland- pfälzischen Baumholder mit einer Militärzeremonie verabschiedet. Das sei nahezu das gesamte Kontingent des Stützpunktes im Hunsrück, sagte ein Sprecher der US-Armee. Die Dauer der Mission, die offiziell der "Friedenssicherung" dienen soll, sei unbefristet.
  • Die US-Truppen in Irak halten nach Angaben des Roten Kreuzes noch mehrere tausend Einheimische als Kriegsgefangene fest. Die Männer seien in einem Lager nahe der südirakischen Stadt Umm Kasr an der kuwaitischen Grenze untergebracht, sagte der Sprecher der Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Bart Vermeinen, am 25. April nach einem Besuch bei den Gefangenen. "Ihnen wird erlaubt, Angehörigen eine Botschaft zukommen zu lassen, die wir dann übermitteln." Persönliche Angaben dürfen die Gefangenen darin nicht machen, die Botschaften bestehen lediglich aus den Worten "gesund und sicher". Bis Freitag habe das IKRK 2600 Mitteilungen eingesammelt, die Zustellung habe zwei Tage zuvor begonnen.
  • Der britische Außenminister Jack Straw hat angedeutet, dass die USA und Großbritannien nach seiner Meinung nicht unbedingt Massenvernichtungswaffen im Irak finden müssen, um ihren Krieg zu rechtfertigen. "Die Leute versuchen jetzt irgendwie den Eindruck zu erwecken, dass die Entscheidung für eine Militäraktion ganz davon abgehangen hat, dass man nachher chemisches und biologisches Waffenmaterial finden würde", sagte Straw am 15. April in einem Rundfunk-Interview mit dem britischen Sender BBC. "Das war nicht der Fall." Die Beweise zur Rechtfertigung des Krieges lägen bereits vor, sagte Straw. "Wir hatten die Beweise vor dem Sicherheitsrat. Man denke nur an die 173 Seiten unbeantworteter Fragen dazu, was mit all diesen Waffen geschehen ist. Wenn es eine völlig unschuldige Erklärung dafür geben würde, was mit ihnen passiert ist, warum zum Teufel hat Saddams Regime die dann nicht gegeben?"
  • Die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen hat am 25. April in einer Resolution das irakische Regime unter dem ehemaligen Staatschef Saddam Hussein verurteilt. 31 Länder unterstützten die Entschließung, in der die Unterdrückung "durch Diskriminierung und Terror" beklagt wurde. Die Kommission konnte sich jedoch nicht auf eine Untersuchung einigen, ob die Invasion der alliierten Truppen einen Verstoß gegen Menschenrechte darstellt. Länder wie China, Libyen, Kuba und Südafrika bezeichneten die Resolution dagegen als einseitig und erklärten, sie gehe nicht auf die Rolle der Alliierten während des Krieges ein. "Diese Resolution ist eine Schande", sagte der kubanische Vertreter Juan Antonio Fernandez. Kuba, Malaysia und Simbabwe stimmten gegen die Resolution. Zwölf Länder enthielten sich, während sechs Länder, darunter China und Südafrika, eine Stimmabgabe ablehnten. Sie erklärten, sie wollten mit keiner Entscheidung in Verbindung gebracht werden.
  • Rund 40.000 schiitische Gläubige haben sich am 25. April im Bagdader Stadtteil Saddam-Stadt zum Freitagsgebet versammelt. Ein führender sunnitischer Geistlicher im Irak hat die Bevölkerung zur Zurückweisung der US-Präsenz im Land aufgerufen.
26. April
  • Bei einer Serie von Explosionen in einem Munitionsdepot nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am 26. April zahlreiche Menschen getötet und verletzt worden. Allein im Haus einer Familie in dem Vorort Safaranije starben nach Angaben von Augenzeugen acht Menschen, darunter mehrere Kinder. Das US-Zentralkommando in Doha (Katar) sprach von mindestens sechs toten und vier verletzten Zivilisten. Es werde aber damit gerechnet, dass die Zahl der Opfer steige, hieß es. Ein Rettungshelfer sprach von 14 Toten und mindestens 50 Verletzten. Über die Ursache gab es widersprüchliche Angaben. Eine "unbekannte Anzahl" von Angreifern habe die US-Soldaten attackiert, die das Depot bewacht hätten, teilte das US-Zentralkommando in einer Stellungnahme im Stützpunkt El Sailijah in Katar mit. Dabei sei ein nicht näher bestimmter Brandsatz in das Waffenlager geschleudert worden, der zur Explosion geführt habe. In dem von der US-Armee eingerichteten Depot in dem Vorort Saafaraniah, 15 Kilometer südöstlich des Zentrums von Bagdad, befanden sich beschlagnahmte irakische Waffen. Anwohner in Safranije widersprachen den Angaben des US-Militärs. Das Depot sei so gut bewacht, dass niemand von außen auf die Munitionslager habe schießen können. "Die Amerikaner wollten offenbar Munition und Bomben der irakischen Armee zerstören, als das Feuer plötzlich auf weitere Geschütze und Raketen übergriff", sagte ein Klinikarzt in Safranije. Die Nachbarn zeigten sich fassungslos. "Wie können die Amerikaner direkt neben einem Wohnviertel Munition sprengen, das ist doch verantwortungslos", sagte ein Nachbar. Major McLeary bestätigte, dass mehrere Bewohner des Viertels kurz vor der Explosion zu dem Munitionsdepot gekommen waren und die US- Soldaten aufgefordert hätten, die am Vorabend dorthin gebrachten Raketen aus Sicherheitsgründen an einen anderen Ort zu verlegen. "Wir haben hier in den vergangenen Tagen mehrere kontrollierte Explosionen durchgeführt, aber die Raketen wollten wir an einen Ort bringen, wo es keine Häuser gibt", erklärte er. "Wir haben nicht genug Kapazität, um die ganze in Bagdad herumliegende Munition einzusammeln", fügte er hinzu. Im Zentrum Bagdads versammelten sich am Mittag etwa 300 Einwohner des von der Explosion betroffenen Viertels zu Protesten gegen die US-Streitkräfte. "Die Amerikaner töten Iraker mit den Waffen Saddam Husseins", hieß es auf einem der Spruchbänder.
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld reiste am 26. April an den Persischen Golf. Aus Sicherheitsgründen wurden die einzelnen Stationen nicht bekannt gegeben. Der Minister will nach eigenen Worten mit Regierungen befreundeter Staaten über eine mögliche Verringerung der amerikanischen Militärpräsenz beraten, nachdem das irakische Regime gestürzt ist und keine Bedrohung mehr darstellt.
  • Bei einem Treffen irakischer Oppositionsgruppen in Madrid hat sich ein Vertreter des schiitischen Obersten Rats der Islamischen Revolution (SCIRI) gegen eine Regierung nach iranischem Vorbild ausgesprochen. Islamische Gruppen aus Irak betrachteten eine theokratische Regierung, also eine allein religiös legitimierte Staatsgewalt, als "nicht angemessen für Irak", sagte Akram el Hakim am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Auf US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld angesprochen, der erklärt hatte, die USA würden die Einsetzung einer pro-iranischen Regierung in Bagdad nicht zulassen, sagte Hakim, der Pentagon-Chef vermische einige Fragen. Die Teilnehmer des Treffens waren sich darin einig, dass die Präsenz ausländischer Truppen im Irak bis auf weiteres erforderlich sein werde. Zudem müsse die territoriale Integrität des Iraks erhalten werden. Die rund 100 Exil-Iraker, darunter der Irakische Nationalkongress (INC), Schiiten- und Kurden-Vertreter, waren zuvor vom spanischen Ministerpräsident José Maria Aznar empfangen worden. Die Konferenz dauert bis Sonntag (27. April).
  • Die US-geführten Streitkräfte sollen nach den Worten des kuwaitischen Außenministers Sabah el Ahmed el Sabah nach der Bildung einer irakischen Regierung aus Kuwait abziehen. "Wie alle Araber werden wir einen Rückzug der ausländischen Truppen fordern, sobald eine Regierung gebildet wurde, die für alle Iraker akzeptabel ist", sagte der Außenminister am 26. April nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in Scharm el Scheich. Kuwait sei sich darüber im Klaren, dass das irakische Volk nach Freiheit strebe. "Aus diesem Grund haben wir die Befreiung des irakischen Volks unterstützt", sagte Sabah.
  • Nach Ansicht der USA sind in Irak keine Massenvernichtungswaffen zu finden, weil die frühere irakische Regierung sie zerstört hat. "Vielleicht werden wir eines Tages herausfinden, was sie dazu getrieben hat, das zu tun", sagte US-Regierungssprecher Ari Fleischer am 26. April. "Vielleicht war es die Angst davor, entlarvt zu werden, auf frischer Tat mit eben den Waffen ertappt zu werden, von denen wir gesagt haben, dass sie sie haben", fügte Fleischer hinzu.
  • Bei ihrem Einsatz gegen irakische Plünderer haben US-Soldaten ausländischen Augenzeugen zufolge Verdächtige nackt ausgezogen und so auf die Straße getrieben. Die Soldaten hätten den Männern auf die Brust "Ali Baba - Sündhafte Diebe" geschrieben, sagte die norwegische Journalistin Line Fransson, die die Szene in Bagdad beobachtete, der Nachrichtenagentur AFP am 26. April. Ein US-Offizier bestätigte, seine Einheit habe die Iraker ausgezogen und ihre Kleidung verbrannt, weil die US-Armee Probleme mit Waffendieben gehabt habe. Er werde diese Methode auch weiterhin anwenden, sagte Oberleutnant Eric Canaday. "Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht", beteuerte Canaday. So werde nur mit Menschen verfahren, die Waffen stehlen. "Ein bisschen öffentliche Beschämung, keine körperlichen Verletzungen, und morgen ist alles wieder in Ordnung." Die US-Armee wollte den Vorfall offiziell nicht bestätigen.
27. April
  • US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld will nach Informationen des US-Fernsehsenders CNN in Kürze nach Irak reisen. Nach CNN-Angaben vom 27. April ist die genaue Route aus Sicherheitsgründen geheim.
  • Das Pentagon gab am 27. April den Fund "verdächtiger Fässer" mit Chemikalien bekannt. In einem mobilen Chemielabor der US-Armee werde derzeit der Inhalt der in Nordirak sichergestellten Behälter geprüft, sagte Ministeriumssprecherin Megan Fox in Washington. Nach einem Bericht des US-Fernsehsenders ABC News bestehe der Inhalt nach vorläufigen Tests aus drei Chemikalien. Darunter seien ein Nervengas und ein verätzender Kampfstoff.
  • Das Regime des gestürzten irakischen Machthabers Saddam Hussein und das Terrornetzwerk El Kaida von Osama bin Laden haben angeblich direkt zusammengearbeitet. Reporter des Londoner "Sunday Telegraph" fanden nach eigenen Angaben Geheimdienstunterlagen, die direkte Verbindungen zwischen Bagdad und Bin Laden belegen. Die im ausgebombten Hauptquartier des irakischen Geheimdienstes gefundenen Papiere von 1998 enthielten eine Einladung zum Besuch eines El-Kaida-Gesandten in der irakischen Hauptstadt.
  • Eine weitere geheimdienstverdächtige Nachricht kommt von der anderen britischen Sonntagszeitung: Die "Sunday Times" meldet am 27. April, Frankreich habe der Regierung von Saddam Hussein regelmäßig über Treffen mit US-Vertretern Bericht erstattet. Diese Informationen hätten den irakischen Machthaber stets über Washingtons Pläne auf dem Laufenden gehalten und ihm so möglicherweise bei seinen Kriegsvorbereitungen geholfen. Mitarbeiter der Zeitung hätten im früheren Informationsministerium in Bagdad entsprechende Unterlagen gefunden.
  • Bei einem Überfall auf eine US-Militärkolonne in Bagdad sind am 27. April nach US-Angaben vier Soldaten verletzt worden. Ein einzelner Angreifer habe auf die Fahrzeuge geschossen, als die Kolonne im Stadtverkehr stehen geblieben sei, teilte das US-Zentralkommando am Sonntag auf dem katarischen US-Stützpunkt El Sailijah mit. Die Soldaten, von denen einer schwere Verletzungen erlitten habe, seien in Gesundheitsfragen unterwegs gewesen. Sie wurden in ein Militärkrankenhaus gebracht.
  • Die US-Streitkräfte im Irak haben am 27. April den selbst ernannten "Bürgermeister" von Bagdad, Mohammed el Subaidi, festgenommen. Wie das US-Zentralkommando mitteilte, habe Subaidi sich Befugnisse angemaßt, die er nicht besitze. Subaidi sei gegen 16.00 Uhr Ortszeit festgesetzt worden, als er sich in der Nähe des Koordinationszentrums der Kriegskoalitionstruppen befunden habe.
  • Das irakische Führungsmitglied Hossam Mohamed Amin, der als Verbindungsgeneral zu den UN-Waffeninspektoren tätig war, befindet sich in US-Gewahrsam. Das teilte am 27. April das US-Zentralkommando in Katar mit. Mohamed Amin ist der 13. gesuchte Iraker, der sich nun in US-Gewahrsam befindet. Auf der US-Fahndungsliste mit den 55 meistgesuchten Irakern steht er an Stelle 49. Zu den Umständen seiner Ergreifung machte die US-Armee bisher keine Angaben.
  • Der Exekutivdirektor des Weltumweltprogramms (UNEP), Klaus Töpfer, hat eine Überprüfung der Trinkwasseranlagen sowie der humanitären Situation in Irak verlangt. Dazu sollten möglichst bald wissenschaftliche Experten ins Land gelassen werden, forderte Töpfer am 27. April zum Abschluss eines dreitägigen Treffens der G-8-Umweltminister in Paris. Einer UNEP-Studie zufolge haben zwei Jahrzehnte Krieg, Misswirtschaft und internationale Sanktionen in Irak eine katastrophale Umweltlage hinterlassen. Töpfer verwies etwa auf Schäden, die das Atom- und Chemiewaffenprogramm des gestürzten irakischen Staatschefs Saddam Hussein hinterlassen haben könnte. Hier sei eine genaue Analyse notwendig. Gleichzeitig gelte es, potenziell gefährlichen Müll fachgerecht zu entsorgen und die Ökosysteme wieder ins rechte Gleichgewicht zu bringen. Dies gelte vor allem für die Qualität des Wassers. Offiziell hat die Umweltbehörde der Vereinten Nationen allerdings noch keinen Antrag auf Entsendung von Experten nach Irak gestellt. Von Seiten der Kriegsalliierten USA und Großbritanniens lag zum Ende des G-8-Treffens auch keine Stellungnahme zum jüngsten UNEP-Bericht vor. Die britische Umweltministerin Margaret Beckett erklärte lediglich, die Studie sei höchst interessant, werde in London aber noch geprüft. Die Leiterin der amerikanischen Umweltschutzbehörde, Christine Todd Whitman, hatte das G-8-Treffen zum Zeitpunkt der Abschlusskonferenz bereits verlassen, um nach französischen Angaben einen dringlichen Termin in New York wahrzunehmen.
28. April
  • Die US-geführte Zivilverwaltung und irakische Vertreter verschiedener Teile der Gesellschaft haben am 28. April Gespräche über die politische Zukunft des Landes begonnen. Zu den etwa 250 Teilnehmern der Gespräche mit dem US-Verwalter Jay Garner gehören schiitische und sunnitische Geistliche, Kurden, Stammeschefs in traditionellen Gewändern und Stadtbewohner in Anzügen. Das Treffen im Regierungsviertel der Hauptstadt begann mit einer Lesung aus dem Koran und im Gegensatz zu einem ersten, kleineren Treffen am 9. April in Nassirijah entsandte auch die schiitische Oppositionsgruppe Hoher Rat für die Islamische Revolution im Irak (Sciri) Vertreter. "Uns obliegt die Verantwortung, hier und heute die Geburt der irakischen Demokratie einzuleiten", sagte Garner. Hussein Sadr vom Islamischen Rat aus London sagte, das irakische Volk wolle nach seiner Befreiung nun Sicherheit und Stabilität. "Die Menschen wollen ein wirkliches Mitspracherecht", sagte er. Das Treffen soll nach dem Willen der USA den Weg für die Einsetzung einer irakischen Übergangsregierung ebnen. Die Übergangsregierung soll nach den Worten des Staatsministers im britischen Außenministerium, Mike O'Brien, nur eine begrenzte Zeit im Amt bleiben. "Ich hoffe, es kommt dann zu einer Verfassung gebenden Versammlung, einer Volksabstimmung und einer neuen Verfassung und dann zu einer direkt und ordentlich gewählten demokratischen Regierung des Iraks", sagte O'Brien.
    Zeitgleich mit dem Oppositionstreffen demonstrierten tausende Schiiten in Bagdad für eine stärkere Rolle ihrer religiösen Führer bei der politischen Neuordnung des Landes.
  • Für den Wiederaufbau Iraks werden nach Aussage der Weltbank von ausländischen Gebern bis zu drei Milliarden Dollar im Jahr benötigt. Die Finanzierung "ist an sich kein großes Problem", sagte der Chef der Weltbank, James Wolfensohn der französischen Zeitung "La Tribune" weiter. Entscheidend sei, wie schnell das ölreiche Land wieder zu seiner Fördermenge von 3,5 Millionen Barrel pro Jahr zurückkehren könne.
  • Nach dem Ende der Kampfhandlungen wollen die USA ihre Militärpräsenz in der Golfregion neu ordnen. Der Chef des US-Zentralkommandos, Tommy Franks, sprach am 28. April in Abu Dhabi von einem "Neuarrangement des Fußabdrucks" der US-Armee in der Region in den kommenden Monaten.
  • Syrien (nicht ständiges) und Russland (ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat) haben stärkere Bemühungen um einen raschen Rückzug der Alliierten aus Irak gefordert. Die "fremde Besetzung" des Landes müsse so rasch wie möglich enden, erklärten der syrische Außenminister Faruk el Scharaa und sein stellvertretender russischer Kollege Alexander Sultanow am 28. April nach einem Treffen in Damaskus. Sie sprachen sich außerdem für umfassende Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und der territorialen Einheit Iraks aus, wie die amtliche syrische Nachrichtenagentur SANA meldete.
  • Auf seiner Reise durch die Golfregion lobte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die US-Soldaten für ihre Rolle beim Sturz von Saddam Hussein. Rumsfeld verglich am 28. April vor Soldaten in Katar das Ende der Herrschaft von Saddam Hussein mit dem Fall der Berliner Mauer oder der Befreiung von Paris im Zweiten Weltkrieg. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat bekräftigt, dass die USA keine Pläne für eine langfristige Nutzung von Stützpunkten in Irak haben. Die derzeit in Irak stationierten US-Truppen würden nur so lange bleiben, "wie wir gebraucht werden", sagte Rumsfeld im Zentralkommando El Sailijah dem katarischen Fernsehsender El Dschasira. Derzeit arbeiteten die Soldaten daran, "ein Umfeld einzurichten, in dem die Iraker ihre eigene Regierung wählen können". Zudem leisteten sie humanitäre Hilfe. Rumsfeld räumte ein, dass die alliierten Streitkräfte als Besatzungsmächte bezeichnet werden könnten: "Aber wir besetzen das Land nur für eine sehr kurze Zeit." Die USA seien nicht imperialistisch und seien dies nie gewesen, fügte er hinzu. - Rumsfeld wird voraussichtlich in den nächsten Tagen auch nach Irak reisen.
  • Der britische Premierminister Tony Blair sprach sich am 28. April gegen eine Rückkehr der UN-Inspekteure nach Irak aus. Zu gegebener Zeit solle es allerdings eine "unabhängige Bestätigung" für Waffenfunde geben. Die alliierten Streitkräfte untersuchten derzeit sieben Orte, an denen derlei Waffen möglicherweise verborgen seien. Auf seiner monatlichen Pressekonferenz sagte Blair, die Alliierten hätten 1.000 Anlagen in Irak ausgemacht, auf denen nach verbotenen Waffen gesucht werden müsse. "Ich bleibe zuversichtlich, dass sie gefunden werden", sagte der Premier. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed el Baradei, forderte erneut eine Rückkehr der UN-Inspekteure.
  • Ein von US-Truppen im Nordirak entdecktes Lager mit "verdächtigen Fässern" (siehe Chronik vom 27. April) war kein Chemiewaffendepot. Es seien keine Beweise für Kampfgase gefunden worden, sagte der Chef eines Expertenteams am 28. April der "New York Times". Ein Offizier hatte gestern berichtet, dass sich in einer der Tonnen nach einem vorläufigen Test möglicherweise Cyclosarin, ein Nervengas, und Senfgas befunden hätten.
  • US-Medien berichteten am 28. April, nach Angaben des früheren Vize-Ministerpräsidenten Tarek Asis sei Saddam noch am Leben. Nach den Worten Asis' hat Saddam die beiden Luftangriffe am 20. März und 7. April überlebt, mit denen die USA eine so genannte "Enthauptung" der irakischen Führung erreichen wollten. Dies habe Asis in einer Befragung durch US-Ermittler gesagt, berichtete die Zeitung "USA Today" unter Berufung auf einen ranghohen Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums. Asis habe mitgeteilt, er habe Saddam nach den Luftangriffen lebend gesehen,
  • Der britische Premierminister Tony Blair hat seine europäischen Kollegen gewarnt, die Vormachtstellung der USA in Frage zu stellen. Die Vorstellung von einer EU, die mit den USA konkurrieren könne, gefährde die Stabilität der internationalen Gemeinschaft, sagte er der "Financial Times" (Ausgabe vom 28. April). Mit seiner Forderung nach einer alleinigen Weltmacht USA reagierte Blair insbesondere auf den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und dessen Vision einer "multipolaren Welt": "Einige wollen eine so genannte multipolare Welt, in der es verschiedene Machtzentren gibt und die sich nach meiner Ansicht rasch in rivalisierende Machtzentren entwickeln wird", zitierte das Blatt Blair. "Andere glauben, und das ist meine Überzeugung, dass wir eine alleinige Vormacht brauchen, die eine strategische Partnerschaft zwischen Europa und Amerika beinhaltet."
  • Irakische Zivilisten wollen einem Pressebericht zufolge ranghohe Angehörige der US-Armee, darunter Oberbefehlshaber General Tommy Franks, wegen Kriegsverbrechen in Irak verklagen. In der Anklageschrift würden "unbekannte US-Soldaten" "direkt" für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht, zitierte die "Washington Times" am 28. April den Brüsseler Anwalt der zehn Iraker, Jan Fermon. US-Truppen hätten auf einen Krankenwagen geschossen, einen Autobus mit Zivilisten angegriffen, zahlreiche Zivilisten beim Bombardement eines Marktplatzes in Bagdad getötet und Plünderungen von Krankenhäusern nicht verhindert. In einigen dieser Vorfälle gebe es eine "Kommandeurs-Verantwortung" für "vor Ort begangene Grausamkeiten", sagte Fermon. "Diese Verantwortung endet bei General Franks und denen, die in den Befehlslinien unter ihm sind."
29. April
  • Die USA planen eine Verstärkung ihrer Truppen in Bagdad, um dort für mehr Sicherheit und Stabilität zu sorgen. US-Generalmajor Glenn Webster teilte am 29. April mit, in den nächsten sieben bis zehn Tagen sollten insgesamt 3.000 bis 4.000 zusätzliche Soldaten und Militärpolizisten in die irakische Hauptstadt entsandt werden. Derzeit haben die USA rund 12.000 Soldaten in Bagdad stationiert, in anderen Landesteilen sind es rund 150.000. "Das Kommando der Koalition ist derzeit die einzige Autorität im Irak, und unsere Aufgabe ist es, für Sicherheit und Stabilität im Land zu sorgen, damit das irakische Volk seine eigene Führung wählt und das Land wieder in Gang kommt", sagte Webster.
  • Nach einem Bericht des arabischen Fernsehsenders El Dschasira vom 29. April haben US-Soldaten in der irakischen Ortschaft Fallujah auf Demonstranten geschossen und dabei zwölf Menschen getötet. Weitere 50 Personen seien verletzt worden (später war in anderen Berichten von bis zu 17 Toten und 75 Verletzten die Rede). Der Zwischenfall ereignete sich dem Bericht zufolge Abend zuvor. Fallujah liegt rund 50 Kilometer westlich von Bagdad. Die Nachrichtenagentur Reuters schildert den Vorfall so: "Eine Gruppe von etwa 200 Personen sei nach dem Abendgebet in einer Moschee dem Aufruf des Predigers gefolgt und habe gegen die Anwesenheit der US-Truppen in Irak protestiert, sagte der Korrespondent. Aus der Menge sei ein Stein auf die Soldaten geworfen worden, die darauf hin das Feuer eröffneten. Die Verletzten würden in fünf verschiedenen Krankenhäusern des Ortes behandelt." Wenig später meldete Reuters konkreter: "Ein sunnitischer Geistlicher in der 50 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Stadt Falludscha sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters, die unbewaffneten Demonstranten hätten vor einer von US-Truppen besetzten Schule den Abzug der USA gefordert. Die Soldaten hätten daraufhin das Feuer eröffnet. Die US-Streitkräfte erklärten dagegen, die Soldaten seien aus der Menge beschossen worden und hätten das Feuer erwidert. Sie hatten zuvor angekündigt, ihre Präsenz in der Hauptstadt Bagdad zu verstärken." Später wurde von dpa berichtet: "Das US- Zentralkommando in Katar wies Darstellungen zurück, wonach die Soldaten "unprovoziert" in die Menschenmenge geschossen hätten. Die Soldaten seien von Irakern mit Kalaschnikows beschossen worden und hätten ihr Recht auf Selbstverteidigung ausgeübt, heißt es in einer Erklärung vom 29. April.
  • Die USA haben ein weiteres Mitglied der entmachteten irakischen Führung in ihrer Gewalt. Der frühere Ölminister Amer Mohammad Raschid habe sich am 28. April den US-geführten Streitkräften gestellt, teilte das US-Zentralkommando am 29. April in Katar mit. Nähere Angaben wurden zunächst nicht gemacht. Raschid soll als ehemaliger Berater von Präsident Saddam Hussein auch eine Schlüsselrolle im irakischen Raketenprogramm gespielt haben. Er steht auf der US-Fahndungsliste der meistgesuchten Iraker an 47. Stelle, in einem vom Pentagon zusammengestellten Kartenspiel ist er die Pik Sechs. Mit ihm haben die USA insgesamt 14 Mitglieder der irakischen Führung in ihrer Gewalt.
  • Am 29 April wurde nach CNN-Informationen ein führendes Mitglied einer Terrorgruppe mit angeblichen Verbindungen zum El-Kaida-Netzwerk Osama bin Ladens im Irak gefasst. Er soll für Abu Mussab el Sarkawi gearbeitet haben, den US-Außenminister Colin Powell im Februar vor dem Weltsicherheitsrat in New York als El-Kaida-Verbindungsmann im Irak bezeichnet hatte. El-Kaida-Verbündete könnten im Norden des Landes und in Bagdad frei operieren, hatte Powell gesagt, ohne dafür eindeutige Belege vorzulegen. Den Namen des Festgenommenen nannte CNN nicht.
  • US-Truppen in Irak haben am 29. April einen Waffenmarkt in Bakbah, rund 40 km nördlich von Bagdad gestürmt und neun Menschen festgenommen. Dutzende Waffen einer geplünderten irakischen Garnison seien sichergestellt worden, sagten US-Offiziere. Dazu zählten Minenwerfer und Sturmgewehre, die die irakischen Truppen nach dem Fall von Bagdad in ihren aufgegebenen Stellungen zurückgelassen hätten. Anwohner berichteten von zunehmender Gewalt und Plünderungen nach der Entmachtung der irakischen Führung. In der Region kämpfen offenbar rivalisierende schiitische Paramilitärs um Einfluss.
  • Die USA haben einen Waffenstillstand mit der radikalen iranischen Oppositionsgruppe Volksmudschahedin in Irak geschlossen. Es ist die erste Übereinkunft dieser Art mit einer Organisation, die auf der offiziellen US-Terrorliste steht. Wie die New York Times am 29. April berichtete, haben amerikanische Militärvertreter die Waffenstillstandsvereinbarung vom 15. April jetzt erstmals offiziell bestätigt. Danach soll die Übereinkunft in den kommenden Tagen in eine Kapitulation der islamischen Mudschahedin münden, die in Irak über rund 10.000 Mitglieder verfügen. Die Vereinbarung sieht laut New York Times vor, dass die US-Streitkräfte die Ausrüstung der Gruppe nicht zerstören, keine "feindlichen Aktionen" gegen sie unternehmen und ihre Waffen in "nicht bedrohliche Positionen" bringen. Die Mudschahedin verpflichteten sich, die Amerikaner nicht anzugreifen. Erst nach Unterzeichnung der Kapitulation müssen sie "einige ihrer Waffen" abgeben.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hofft auf eine baldige Einigung im Sicherheitsrat über die Rolle der Vereinten Nationen im Irak. Vor Reportern sprach er am 29. April allerdings nicht von einer bedeutenden, sondern nur noch von einer "effektiven" Rolle der UN beim Wiederaufbau des Irak. UN-Diplomaten rechnen damit, dass die USA noch in dieser Woche eine Resolution in den Sicherheitsrat einbringen. Damit soll die Führungsrolle der USA bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung im Irak völkerrechtlich abgesegnet werden.
30. April
  • Am 30. April kam der US-Verteidigungsminister nach Bagdad. "Hallo, ich bin Don Rumsfeld, der amerikanische Verteidigungsminister. Ich freue mich, im Irak zu sein - Ihrem Land - und Ihre Befreiung zu sehen." Mit diesen Worten begann Rumsfeld seine Rede, die in einem Repräsentationsraum eines Palastes des entmachteten Präsidenten Saddam Hussein aufgezeichnet wurde. Die Rede sollte vom US-Militär gesendet werden. Die Aufgabe der US-geführten Truppen im Land sei es, den Irakern dabei zu helfen, in ihrem Land die Kontrolle zu übernehmen und den Wechsel von der Tyrannei zu Freiheit und einer Selbstverwaltung zu schaffen, sagte Rumsfeld. "Lassen Sie es mich klar sagen: Der Irak gehört Ihnen. Wir wollen das Land nicht regieren. Unsere Koalition ist mit einem bestimmten Ziel in das Land gekommen - nämlich, ein Regime zu stürzen, das Sie und Ihre Familien unterdrückt und uns bedroht hat." Ziel sei die Wiederherstellung von Stabilität und Sicherheit für eine Übergangsregierung und die Bildung einer freien Regierung. "Wir werden so lange bleiben, wie es nötig ist, Ihnen dabei zu helfen, das zu tun, und keinen Tag länger", sagte Rumsfeld.
  • In Falludscha demonstrierten am 30. April rund 7.000 Menschen gegen die US-Besatzer und aus Anlass einer Schießerei in der Nacht zum Dienstag, bei der mindestens 13 Iraker von US-Soldaten getötet worden waren. Dabei fielen erneut Schüsse, von denen einem Krankenhaussprecher zufolge zwei Iraker getötet wurden (Al Dschasira sprach von 3 Toten). Die US-Armee teilte mit, ihre Soldaten hätten auf Schüsse aus der Menge reagiert. Augenzeugen berichteten, Jugendliche hätten Steine auf das Hauptquartier der US-Truppen in der Stadt geworfen. Nach Angaben von anderen Einwohnern waren die Demonstranten unbewaffnet.
  • Eine führende arabische Zeitung hat am 30. April in London einen vom 28. April datierten Brief veröffentlicht, der von dem entmachteten irakischen Präsidenten Saddam Hussein stammen soll. "Wir haben (den Brief) gestern per Fax erhalten und glauben, dass er echt ist", sagte der Chefredakteur der Zeitung "El Kuds", Abdel Bari Atwan, der Nachrichtenagentur Reuters. Außer dem Text und einem Foto des Briefes veröffentlichte das Blatt auch Expertenaussagen, nach denen der Brief echt ist. Falls es stimmt, wäre dies der erste Hinweis darauf, dass Saddam die US-Angriffe auf Bagdad überlebt hat. Saddam schreibt in dem Brief, dass er seine Paläste bereits vor langer Zeit aufgegeben habe und in einem kleinen Haus lebe. Dann ruft er das irakische Volk dazu auf, sich im Kampf gegen die Besatzer des Landes zu einen: "Steht gegen die Besatzer auf, vertraut nicht denjenigen, die über Sunniten und Schiiten reden. Denn das einzige Thema für Euer großartiges Land Irak ist die Besatzung." "Es gibt nichts Wichtigeres als die ungläubigen, verbrecherischen, mörderischen und feigen Besatzer aus dem Land zu werfen", heißt es in dem Brief weiter. "Der Irak ... wird siegen ... und wir werden den Irak, den sie in Stücke teilen wollen, wieder aufbauen."
  • Am 30. April bestätigte das US-Zentralkommando, dass sich der frühere Gouverneur von Basra, Walid Hamit Taufik el Tikriti, nach Vermittlung durch den Irakischen Nationalkongress (INC) den US-Behörden gestellt habe. Damit ging den USA ein weiteres Führungsmitglied des gestürzten irakischen Regimes ins Netz. Insgesamt sind nun 15 führende Gefolgsleute des entmachteten irakischen Präsidenten Saddam Hussein in US-Gewahrsam. Dem früheren Gouverneur werden nach Angaben des US-Senders CNN vor allem Menschenrechtsverletzungen bei der Unterdrückung der Schiiten im Süd-Irak vorgeworfen. Taufik el Tikriti stand auf der US-Liste der 55 meistgesuchten Iraker auf Platz 44.
  • Etwa zwölf Staaten sind nach britischen Angaben bereit, sich am Aufbau von Sicherheitskräften für den Irak zu beteiligen. Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums sagte am 30. April, an einem Treffen in London zur Sicherheitslage im Irak hätten Offiziere aus etwa einem Dutzend Staaten teilgenommen. "Die Leute, die Offiziere schicken, haben ihre Bereitschaft angedeutet, sich auch zu beteiligen", sagte er. Welche Staaten dies seien, sagte er nicht. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin sagte, er wisse nichts von einer deutschen Beteiligung an dem Treffen. Dagegen bestätigten Dänemark und Polen ihre Teilnahme.
  • Bei der Stürmung einer Villa in Saddam Husseins Heimatstadt Tikrit haben amerikanische Soldaten am Abend des 30. April einen lokalen Funktionär der Baath-Partei festgenommen. Die US-Streitkräfte gehen davon aus, dass der Mann im Untergrund eine neue Regierung gegen die alliierten Truppen aufbauen wollte. Auch die zwei Söhne des Funktionärs wurden festgenommen.


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