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Obamas Besatzungsplan

Der neue US-Präsident verspricht den Abzug aller amerikanischen Soldaten bis Ende 2011– sicher sind nur drei weitere Jahre Okkupation

Von Joachim Guilliard *

Der neue US-Präsident Barack Obama verdankt den Einzug ins Weiße Hause nicht zuletzt seiner Haltung gegen den Irak-Kieg. Er hatte von Beginn an die von George W. Bush, Dick Cheney und Donald Rumsfeld angeordnete Invasion des Zweistromlandes scharf als »Verletzung des internationalen Rechts« kritisiert und versprochen, im Fall seines Wahlsieges die Truppen zügig nach Hause zu holen und den Irak-Krieg damit zu beenden. Ende Februar stellte Obama in einer Rede vor begeisterten Marineinfanteristen in Camp Lejeune seine mit Spannung erwarteten Pläne für den Irak vor. Demnach soll der Abzug zwar langsamer vonstatten gehen als im Wahlkampf versprochen, bis August 2010 soll jedoch das Gros der Besatzungstruppen den Irak verlassen haben. »Laßt es mich so klar sagen, wie ich kann: Mit dem 31. August 2010 wird unser Kampfauftrag im Irak enden.« Er habe zudem die »Absicht, bis Ende 2011 alle US-Truppen gemäß dem Stationierungsabkommen mit der irakischen Regierung abzuziehen.«

Werden die USA nun also den Irak verlassen, und werden die Verbrechen der Vorgängerregierung untersucht? Beides mal nein. Auch wenn Obamas Ansprache vor der Truppe im Vergleich zu Bushs spektakulären Auftritt auf einem Flugzeugträger seriöser war: Die »Mission« wird im August 2010 oder Dezember 2011 ebensowenig abgeschlossen sein wie im Mai 2003. Fest steht nur eines: die bereits sechs Jahre andauernde Besatzung soll um mindestens drei weitere Jahre verlängert werden. Drei Jahre, in denen die US-Führung sich weiter bemühen wird, eine langfristige Kontrolle des Landes und seiner Ressourcen zu verankern.

Während die Republikaner sich überwiegend erfreut zeigten, reagierten führende Demokraten eher ablehnend auf die Pläne. Sie zeigten sich vor allem über die hohe Zahl von Truppen irritiert, die noch so lange im Irak bleiben sollen. Obama und die Militärführung haben vor, das Gros der Truppen bis nach den für Dezember geplanten Parlamentswahlen im Land zu belassen. Nur so können sie sicherstellen, daß die verbündeten Kräfte am Ruder und gegnerische Kräfte wie Muqtada Al-Sadr, außen vor bleiben. Statt wie im Wahlkampf versprochen, ein bis zwei Kampfbrigaden pro Monat, werden im gesamten Jahr nur zwei abgezogen, insgesamt 12000 Mann.

Obama hat bereits angedeutet, daß die Abzugstermine nicht in Stein gemeißelt sind und »schwierige Perioden« wahrscheinlich »taktische Anpassungen« nötig machen werden. Bemerkungen des Kommandeurs der Besatzungstruppen, General Raymond T. Odierno, und seines Vorgesetzten General David Petraeus zufolge, geht das US-Militär davon aus, daß auch 2015 noch mindestens 35000 Soldaten im Irak stationiert sein werden – d.h. so viele wie gegenwärtig im weit größeren Afghanistan. Sie gehen realistischer Weise davon aus, daß es auch in drei Jahren noch keine pro-amerikanische Regierung und Armee im Irak geben wird, die in die Lage sein werden, sich allein zu behaupten.

Nichts deutet gegenwärtig darauf hin, daß sich am Charakter der Besatzung und dem Einsatz der US-Truppen grundsätzlich etwas ändern wird. ­Obamas Pläne sehen weiterhin offensive Militäroperationen vor. Ab August 2010 heißen die Einheiten mit Kampfauftrag einfach nicht mehr Kampftruppen. Ihr Auftrag, »gezielte Operationen zur Terrorismusbekämpfung durchzuführen« und die »laufenden zivilen und militärischen Bemühungen« der Besatzer im Irak abzusichern, bleibt.

Viele Kriegsgegner haben Obamas Ankündigungen in Camp Lejeune begeistert aufgenommen. In seiner Rede – voll von Patriotismus, Blut und Ehre – war jedoch nichts mehr zu hören von einem illegalen Krieg des George W. Bush. Unerwähnt blieben die Verbrechen in Abu Ghraib und die Verantwortung der USA für die unzähligen Opfer im Nahen Osten. Statt dessen rechtfertigte der neue Oberkommandierende nun den Krieg, indem er die US-Soldaten pries, unter Einsatz ihres Lebens gegen Tyrannei und Chaos gekämpft zu haben. »Wir sandten unsere Truppen in den Irak, um Saddam Husseins Regime zu beseitigen – und ihr habt diese Aufgabe erledigt«, rief Obama den jubelnden Soldaten zu. »Wir ließen unsere Truppen im Irak, um beim Aufbau einer souveränen Regierung zu helfen, und ihr habt die Aufgabe erledigt.« In Verbindung mit seinen Plänen, den Krieg in Afghanistan zu eskalieren, läßt die Übernahme der Floskeln seines Vorgängers nichts Gutes ahnen.

Unabhängig von der Ernsthaftigkeit der Abzugstermine: Wäre es Barack Obama um einen wirklichen Wandel, einen »Change« in der Irak-Politik gegangen, so hätte der erste Schritt eine Verurteilung der US-Aggression und Verbrechen im Irak sein müssen, sowie die Anerkennung der Schuld gegenüber der irakischen Bevölkerung, inklusive der Pflicht auf Wiedergutmachung. Ein Truppenabzug allein ist nichts dergleichen.

* Aus: junge Welt, 20. März 2009


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