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Entscheidung vertagt

Indonesien nach der Wahl: Hochrechnungen prognostizieren knappen Ausgang

Von Thomas Berger *

Indonesiens scheidender Staatschef Susilo Bambang Yudhoyono hat nach der Präsidentschaftswahl vom Mittwoch die Lager der beiden Kandidaten zur Zurückhaltung aufgefordert. Sowohl der liberal-reformerische Joko Widodo als auch der konservativ-nationalistische Prabowo Subianto hatten sich auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen zum Sieger der Abstimmung erklärt. Dem südostasiatischen Inselstaat stehen nun anderthalb Wochen Unklarheit bis zur Verkündung des offiziellen Ergebnisses sowie eventuell anschließend noch eine juristische Auseinandersetzung vor dem Verfassungsgericht bevor, das für Einsprüche gegen das Resultat zuständig ist.

Etwas mehr als 190 Millionen Einwohner der größten muslimischen Nation der Welt, darunter fast ein Drittel Erstwähler, waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Die vorläufigen Angaben zur Beteiligung schwanken zwischen 72 und 81 Prozent. Bis die nationale Wahlkommission alle aus den verschiedenen Landesteilen eingehenden Daten der fast 480000 Wahllokale auf 8000 bewohnten Inseln komplett ausgewertet hat, werden noch mehrere Tage vergehen. Das Endergebnis soll am 21. oder 22. Juli verkündet werden. Alle bisherigen Informationen sind Hochrechnungen, die sich zuletzt zwar immer als recht exakt erwiesen haben, bei dem offenbar knappen Ausgang aber dennoch nur begrenzte Aussagekraft haben.

Immerhin sieben von elf Umfrage­instituten sehen Joko Widodo alias Jokowi mit 52 bis 53 Prozent in Führung. Lediglich vier dieser Quellen, alles weniger namhafte Einrichtungen, sprechen von einem Vorsprung Prabowos von etwa zwei bis drei Prozentpunkten. Während Jokowis Allianz rund um seine Demokratische Partei des Kampfes (PDI-P) somit offenbar mehr Grund hat, einen Sieg zu feiern, will das konservativ-islamistische Lager von Prabowos Bündnis, zu dem neben dessen eigener Gerindra-Partei die Demokraten von Yudhoyono und mehrere religiöse Gruppen gehören, längst nicht klein beigeben. Selbst wenn die Wahlkommission Widodo zum Gewinner erklärt, hätte Prabowo das Recht, vor dem Verfassungsgericht Einsprüche geltend zu machen. Genauso sieht es im umgekehrten Fall aus. In Indonesien wird deshalb damit gerechnet, daß erst am 22. August eine finale Entscheidung fällt.

Klar scheint, daß Prabowo in der bevölkerungsreichsten Region Westjava mit rund 60 Prozent führt und auch auf der größten Insel, Sumatra, gerade im besonders konservativen westlichen Teil in Führung liegt. Jokowi hingegen, bisher Gouverneur Jakartas, liegt in der Hauptstadt mit 55 Prozent vorn, dürfte zudem auf Bali – das anders als der Rest des Landes hinduistisch dominiert ist –, in der östlichen Unruheregion Papua, im indonesischen Teil Borneos und auf Sulawesi gewonnen haben.

Viele Indonesier versprechen sich von Jokowi einen entschiedeneren Kampf gegen die weitverbreitete Korruption. Zwar hatte auch Prabowo in der Endphase des Wahlkampfes viel vom Kampf dagegen gesprochen, doch viele Menschen sehen eher beim Exgouverneur der Hauptstadtregion den Willen, dieses Problem halbwegs in den Griff zu bekommen. Korruption ist in Indonesien ein Geschwür, das bis in höchste Kreise von Politik, Staatsapparat und Justiz reicht. Selbst ein früherer Chef des Verfassungsgerichtes, ehemalige Minister und Parteiführer wurden schon verhaftet.

* Aus: junge Welt, Freitag, 11. Juli 2014


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