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Wahl im Schatten der Moschee

Saubermann oder Nationalist: Indonesien stimmt über neuen Präsidenten ab

Von Thomas Berger *

Am Mittwoch wird in Indonesien ein neuer Staatschef gewählt. Die Entscheidung im bevölkerungsreichsten Land Südostasiens fällt zwischen Joko Widodo, dem bisherigen Gouverneur der Hauptstadt Jakarta, und seinem konservativ-nationalistischen Gegenspieler Prabowo Subianto. Widodo lag noch vor ein paar Wochen klar vorn in der Wählergunst, doch eine Schmutzkampagne hat seinen Vorsprung zusammenschmelzen lassen. Hintergrund sind Unterstellungen, der Präsidentschaftsanwärter sei teilweise chinesischer Abstammung und kein »echter« Muslim, was in der traditionalistischen indonesischen Gesellschaft schon als unbewiesene Behauptung Wählerstimmen kosten kann. Laut jüngsten Umfragen liefern sich beide Kandidaten nunmehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Vor allem im Westen der bevölkerungsreichsten Insel Java, wo rund jeder fünfte der 190 Millionen Wahlberechtigten zu Hause ist, verfangen solche Kampagnen schnell. Die Provinz ist Heimstatt einer besonders strengen Auslegung des Islam. Mehrere der streng religiösen Gruppen, die zur Allianz von Prabowo gehören, haben dort eine große Gefolgschaft. Konservative Geistliche geben mit Erfolg die »Richtlinien« auch für Wahltage vor.

Widodo war in der Endphase des Wahlkampfes deshalb demonstrativ bemüht, sich als guter Muslim zu präsentieren, zeigte sich bei Moscheebesuchen und nahm zin der westjavanischen Metropole Bandung an einem Gebet teil. In den Augen vieler Indonesier spricht für den Kandidaten der Demokratischen Partei des Kampfes (PDI-P), daß er bodenständig ist und den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Schon in seiner Zeit als Gouverneur hat er sich als Macher und Saubermann hervorgetan und eine für indonesische Verhältnisse zuvor ungekannte Transparenz des Verwaltungshandelns eingeführt. Mit ihm, so die Hoffnung, könnte der Kampf gegen die grassierende Korruption vorankommen. Damit war der scheidende Staatschef Susilo Bambang Yudhoyono gerade in seiner zweiten Amtszeit auf voller Linie gescheitert, wie zahlreiche Skandale belegen.

Prabowo, Gründer und Chef der Großindonesien-Partei (Gerindra), hat dieses Thema ebenfalls für sich entdeckt und versucht, mit neuen Antikorruptionsversprechen zu punkten. Doch in seinem Gefolge finden sich durch die Allianz mit anderen Parteien mehrere zwielichtige Gestalten. Da ist zum Beispiel Suryadharma Ali, der erst im Mai wegen Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit dem fünf Milliarden Dollar schweren staatlichen Hilfsfonds für Pilgerreisen nach Mekka als Religionsminister zurücktreten mußte. Der Chef einer konservativ-religiösen Partei, die Prabowo unterstützt, sitzt wiederum wegen eines Skandals um Rindfleischimporte hinter Gittern. Prabowo persönlich gilt zwar nicht als korrupt – dem Exmilitär, früherer Schwiegersohn des 1998 gestürzten Diktators Suharto und Chef der Spezialeinheiten der Armee, werden aber massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Bisher ohne juristische Folgen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 8. Juli 2014


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