Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Politisch verfolgt in Indonesien:

Papuas suchen Asyl in Australien*

Bei uns hört man häufig von Afrikanern, die gewaltige Strapazen und Risiken auf sich nehmen, um auf kleinen, kaum seetüchtigen Booten das europäische Festland zu erreichen. In Australien, das 2001 strengere Grenzschutzmaßnahmen eingeführt hatte, wurden in den letzten vier Jahren dreimal Gruppen von Papuas erwischt, die nach einer mörderischen Überfahrt das australische Festland erreichen konnten.

Zuletzt, am 17. Januar 2006, kamen 30 Männer, 6 Frauen und 7 Kinder nach fast 5 Tagen auf hoher See in einem 25 Meter langen Kanu im nördlichen Queensland an. Sie hatten ihr Boot am Freitag, dem 13. Januar in Merauke, West Papua, bestiegen und hatten die mehr als 400 Kilometer lange Fahrt gut überstanden. Sie gingen in Janey Creek, nördlich des von Aboriginals bewohnten Mapoon in der Western Cape York Peninsula an Land. Das tropische Land ihrer Sehnsucht empfing sie jedoch sogleich mit militärischer Strenge. Sie hatten die Grenze illegal passiert und, da sie zunächst gar nicht entdeckt worden waren, den Grenzschutz ganz schön in die Verlegenheit gebracht.

Der australische Staat geht nicht gerade zimperlich mit Menschen um, die angeblich vor Verfolgung und Gewalt geflohen sind. Illegale Grenzgänger müssen mit jahrelangen Gefängnisstrafen rechnen. Menschenrechtler schätzen die Bedingungen der Haft unverhältnismäßig streng ein. Die australische Regierung geht aber davon aus, dass der Freiheitsentzug den illegalen Grenzübergang unattraktiv macht und somit eindämmt.

Als der Grenzschutz die 43 Flüchtlinge entdeckte, rollten die Papuas ein großes Transparent auf. Darauf stand geschrieben, dass Indonesien in West Papua Völkermord begehe und sich wie ein Terrorist aufführe.

Bei den Papuas, die sofort nach der Festnahme politisches Asyl beantragten, handelt es sich angeblich um Studenten und ihre Familien. Laut der australischen Menschenrechtlerin Pamela Curr befinden sich unter ihnen namhafte Persönlichkeiten der Papua Befreiungsbewegung OPM. Eine andere Aktivisten, Byrne, behauptet, dass der Studentenführer Hermann Wanggai, der bereits eine Haftstrafe wegen Rebellion abgesessen hatte, mit seiner Ehefrau und ihren dreijährigen Zwillingen sich unter den Asylersuchenden befinden.

Am Donnerstag, den 19. Januar, hatte Damian Baker, ein Journalist der Torres Strait Island News on Thursday einen Hubschrauber gemietet und sich auf den Weg gemacht in die „No Fly Exclusion Zone“ auf der Cape York Halbinsel, wo die Papuas im Freien unter Aufsicht des Grenzschutzes, lagerten. Er konnte Fotos von dem Kanu und dem Transparent machen, als er aber in der Nähe der Papuas landete, wurde er vom Grenzschutz daran gehindert mit ihnen zu sprechen.

Am selben Tag noch wurden die 43 Papuas in einer Hercules Maschine der Royal Australian Air Force von Cape York nach Christmas Island geflogen. Vor dem Abflug nach Christmas Island wurden die Papuas im Untersuchungsgefängnis von Weipa, 40 Kilometer südlich von Mapoon, medizinisch untersucht. Bürger, die sich um die Flüchtlinge sorgten, gaben für die Kinder Teddybärenden bei den Wärtern ab. Das Angebot einer Pfarrerin, den Kindern weiteres Spielzeug zu bringen, wurde jedoch abgelehnt.

Der siebenstündige Flug von Cape York nach Christmas Island wurde von angeblich „Duzenden von Soldaten“ (The Age, Melbourne), Krankenpflegern und Ärzten begleitet. Angekommen auf Christmas Island wurden die Männer von den Frauen und Kindern getrennt und in das Phosphate Hill Gefängnis gesperrt. Die Frauen und Kinder wurden in Häusern der Immigrationsbehörde außerhalb der Haftanstalt untergebracht. Sie sollen hier solange bleiben, bis ihren Anträgen auf Asyl stattgegeben wird oder sie abgeschoben werden. Einige Papuas sollen das Gefängnis unter Bewachung verlassen haben, um sich einer Tuberkulose-Untersuchung zu unterziehen

Die indonesischen Behörden in Jakarta haben bestritten, dass die Papuas um ihr Leben fürchteten. Auch bräuchten sie keine Verfolgung zu fürchten, wenn sie nach Indonesien zurückkehrten. Der indonesische Regierungssprecher Dino Djalil hatte am Freitag, dem 20. Januar, die Beschuldigung durch die Asylbewerber, dass ihr Volk durch ein Genozid in seiner Existenz gefährdet ist, scharf zurückgewiesen und die australische Regierung gewarnt, die Papuas ja nicht als Asylanten anzuerkennen, weil damit die Menschenrechtsverstöße in West Papua anerkannt würden. Djalil sagte: „Das ist alles Unsinn. Es gibt keinen Völkermord in Papua. Niemand glaubt das.” Er gab zu, dass es in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen gegeben habe; gegenwärtig verübe das Militär aber keine Gewalt gegen Papuas. „Ich bin mir keiner Menschenrechtsvergehen in letzter Zeit in Papua bewusst“. Angeblich tue die indonesische Regierung alles, die Probleme der Vergangenheit aufzuarbeiten. Aktuell bestehe das einzige Problem darin, dass Papua einen größeren Anteil an dem Reichtum der Bodenschätze fordern. Australien sollte die guten Beziehungen beider Länder nicht wegen dieser Angelegenheit gefährden. Jakarta warnte auch, dass eine lockere Haltung Australiens eine Welle an illegaler Immigration zur Folge hätte. Verteidigungsminister Juwono Sudarsono sagte sogar, dass Nichtregierungsorganisationen, Kirchen und Politiker in Australien, den USA, Kanada und Europa die Asyl-Affäre ausnutzten um gegen Indonesien Stimmung zu machen.

Sehr bemerkenswert ist die Aussage der australischen Senatorin Nettles, dass die australischen Behörden ihre indonesischen Kollegen gebeten haben sollen, die Papuas zu identifizieren. Auch wird berichtet, dass der indonesische Geheimdienst Verwandte der Asylersuchenden in West Papua verhöre, darunter auch ein evangelischer Pfarrer in Paniai, der Heimat von zehn der Asylersuchenden. Unbestätigten Berichten zufolge, soll der indonesische Geheimdienst eine Belohnung von 50 Millionen Rupiah für Hinweise auf die Identität der Asylersuchenden versprochen haben.

Die Mitglieder der Gruppe ersuchen Asyl, weil sie in West Papua politisch verfolgt werden. Auf die Bitten von Nichtregierungsorganisationen und australischen Politikern (u. a. Senatorin Kerry Nettle von den Australian Greens und Natasha Lyn Allison und Stott Despoya von der Democrats Party), und von US-Kongressabgeordneten (siehe unten), den Papuas zeitlich begrenzte Übergangsvisa zu geben, wurde nicht eingegangen. Immigrationsministerin Amanda Vanstone lehnte auch die Aufforderung einer Internationalen Kommission von Juristen, die die Freilassung der Papuas gefordert hatten, ab. Premierminister John Howard verteidigte öffentlich die Entscheidung, die Papuas nach Christmas Island zu überführen. Allerdings haben die Papuas, die auf direktem Wege von Indonesien nach Australien (also über kein Drittland) gereist sind, individuell das Recht Asyl zu beantragen. Die australische Regierung hat jedem einzelnen ein faires Verfahren zugesagt.

Trotzdem fürchten australische Menschenrechter, auf Grund der Tatsache, dass die Papuas auf das sehr weit vom australischen Festland gelegene Christmas Island gebracht worden sind, dass es heimliche Absprachen mit der indonesischen Regierung geben könnte um die Papuas wieder nach Indonesien zurückzubringen. Greg Poulgrain, Menschenrechtler und Papua-Experte, behauptete gegenüber The Courier-Mail, dass die Namen der Asylersuchenden auf einer indonesischen “Todesliste” stünden.

Die Asylantenaffäre ereignet sich vor dem Hintergrund von Verhandlungen der beiden Nachbarländer über einen neuen Sicherheitspakt. Das Abkommen soll auch beinhalten, dass Australien sich nicht in die inneren Angelegenheiten Indonesiens einmische. Der Sprecher des Außenministeriums, Yuri Thamrin, betonte, dass es deshalb in großem Interesse beider Staaten sei, dass diese Angelegenheit „gut gemanaged“ werde. Indonesien und Australien werden voraussichtlich noch in diesem Jahr das Sicherheitsabkommen unterschreiben, sechs Jahre nach Abbruch der Beziehungen wegen der Gewalt in Osttimor. Erste gemeinsame Übungen und ein Informationsaustausch zwischen indonesischen Sondereinheiten (Kopassus) und australischen Sicherheitskräften habe es bereits gegeben. All dies muss man wiederum auf dem Hintergrund der Großoffensive gegen den islamischen Fundamentalismus und Terrorismus sehen, wodurch Washington sehr viel an guten Beziehungen zwischen Canberra und Jakarta gelegen ist. (uh)


Anlage:

Mitglieder des amerikanischen Kongresses sind besorgt über Flüchtlinge aus Papua*

(Washington, D. C. 26. Januar 2006) Das West Papua Advocacy Team des Robert F. Kennedy Memorial Zentrums für Menschenrechte begrüßt die Initiative der Kongressabgeordneten Patrick Kennedy und Eni Falcomavaega und weiterer acht Mitglieder des amerikanischen Repräsentantenhauses, die beim Ministerpräsidenten Australiens John Howard für 43 Papuas eingetreten sind, die in Australien um Asyl und Anerkennung des Flüchtlingsstatus gebeten haben. Diese Papuas sind einschließlich sieben Kindern sind fünf Tage mit einem Auslegerkanu über die offene See gefahren. Sie sind vor einem sich rapide verschlechternden Menschenrechtsklima in West Papua geflohen, wo das indonesische Militär seit Jahrzehnten unzählige Menschenrechtsverstöße begangen hat, ohne dafür bestraft zu werden.

Es folgt der Brief der Kongressabgeordneten:

Herrn Premierminister John Howard
c/o Botschaft Australiens in den USA
1601 Massachusetts Ave, NW
Washington, DC 20036-2273

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident:

Wir schreiben Ihnen bezüglich der Asylanträge der 43 Männer, Frauen und Kinder aus Papua, die am 17. Januar in Port York angekommen sind. Diese Flüchtlinge erreichten das australische Festland nach einer außergewöhnlich gefährlichen Fahrt in einem kleinen, offenen Boot. Wir sind voller Anerkennung für die australische Regierung, die sich rechtzeitig und erfolgreich um Hilfe für diese Männer Frauen und Kinder nach ihrer gefährlichen Fahrt bemüht hat; wir halten es aber für ebenso wichtig, dass diesen Menschen nun die vollen Rechte und Privilegien eines Flüchtlingsstatus zuerkannt werden.

Ihre Entscheidung, eine derart anstrengende Fahrt über den Ozean während der Zeit des Monsun zu unternehmen, war nicht leicht und zeigt die wachsende Verzweiflung von Papuas angesichts der Menschenrechtsverletzungen in Papua, Indonesien. Der letzte Menschenrechtsbericht des amerikanischen Außenministeriums stellt fest, dass in Papua „Mitglieder der Sicherheitskräfte Zivilisten ermordeten, vergewaltigten, schlugen und willkürlich verhafteten ...“ und dass die Regierung Indonesiens „keinen Fortschritt in der Verfolgung der Verantwortlichen für Folterung“ in Papua berichten konnte.

Angesichts fortwährender Menschenrechtsverletzungen der indonesischen Sicherheitskräfte haben diese Papuas alles für eine Flucht in die Freiheit aufs Spiel gesetzt. Wir hoffen, dass sich die Regierung Australiens öffentlich erhobenen Forderungen der indonesischen Regierung widersetzen wird und diese Flüchtlinge nicht den gleichen Sicherheitskräften übergeben wird, vor denen sie geflohen sind.

Mit allem Respekt fordern wir die Regierung Australiens auf, den Anspruch dieser Flüchtlinge auf Asyl sorgfältig zu prüfen und ihnen einen Asylantenstatus zuzuerkennen, der internationalen und australischen Maßstäben entspricht.

Mit freundlichen Grüßen

Patrick Kennedy (D – Rhode Island)
Eni Falcomavaega (D – American Samoa)
Tammy Baldwin (D – Wisconsin)
Sam Farr (D – California)
Chaka Fattah (D – Pennsylvania)
Rauk Grijalva (D – Arizona)
Jim McGovern (D – Massachusetts)
Dennis Kucinich (D – Ohio)
Donald Payne (D – New Jersey)
Christopher Smith (R – New Jersey)

* Übersetzung aus dem Englisch durch Hans-Martin Thimme

Die vorstehenden Informationen sind dem E-Informationsbrief Nr. 169 vom 10. Februar 2006 des West Papua Netzwerks entnommen.
Weitere Informationen gibt es hier:
West Papua Netzwerk, Koordinationsstelle, Rudolfstr. 137, 42285 Wuppertal
e-mail: west-papua-netz@vemission.org
Website: www.west-papua-netz.de



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